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3.3 In vitro Versuche

3.3.9 Migrationsverhalten

Das Migrationsverhalten von HDMEC und HRMEC wurde mit Hilfe des nach Liang (Liang et al. 2007) modifizierten „Scratch-Assay“ untersucht. Dieses in vitro Modell ermöglichte den Einfluss von rhNorrin auf das Migrationsverhalten von Endothelzellen abzuschätzen.

Prinzip des „Scratch Assay“

In vitro kann die Migration von Zellen in unterschiedlichen Modellen betrachtet werden. Der „Scratch Assay“ oder auch in vitro Wundheilungstest stellt eine einfache Methode zur quantitativen Untersuchung der Migration von Endothelzellen dar.

Hierfür werden Endothelzellen aus dem Bereich eines konfluenten Zellrasens mechanisch entfernt und das Einwandern der Zellen aus dem Zellrasen in diesen Bereich beobachtet (Murohara et al.1999).

Durchführung und Auswertung des „Scratch Assay“

Mikrovaskuläre Endothelzellen wurden durch Trypsinierung aus einer T-75 Zellkulturflasche abgelöst und zentrifugiert. Nach dem Dekantieren des Überstandes wurde das Zellpellet in Kulturmedium aufgenommen und resuspendiert. Im Anschluss an eine Zellzahlbestimmung wurden 4 x 104 Zellen auf Zellkulturschalen mit 8,8 cm² Kultivierungsfläche ausgesät. Durch die hohe Zelldichte bei der Aussaat lag bereits nach kurzer Inkubationszeit (etwa zwei Tage) ein konfluenter Zellrasen vor. Mit Erreichen der Konfluenz erfolgte, nach dreimaligem Waschen mit 1x PBS, ein Austausch des Kulturmediums, das nun kein Supplement mehr enthielt. Nach

24-stündiger Inkubation wurden mit einer sterilen 200 μl Pipettenspitze, die einen Spitzendurchmesser von ca. 800 μm besitzt, fünf kurze Kratzer („Scratch“) quer in jede Zellkulturschale gezogen. Die so abgelösten Zellen wurden mitsamt Kulturmedium vorsichtig abgesaugt. Anschließend erfolgte die Stimulation mit rhNorrin. Dazu wurden auf den mit Läsionen versehenen Zellrasen jeder Kulturschale 1,5 ml unsupplementiertes Kulturmedium mit dem Zusatz von 40 ng/ml rhNorrin gegeben. Kontrollen erhielten lediglich unsupplementiertes Medium. Zur weiteren Aufklärung des Norrin-Signalwegs wurden HRMEC zusätzlich mit DKK-1 inkubiert.

Alle Experimente wurden mehrmals als Duplikate mit je fünf Kratzern durchgeführt.

Weiterhin kam das Zytostatikum Mitomycin C zum Einsatz. Mitomycin C interkaliert in die DNA und führt durch die kovalente Verknüpfung von DNA-Einzelsträngen zur Blockade der DNA-abhängigen RNA-Polymerasen. Aus der damit verbundenen Reduktion der Proteinproduktion resultiert eine weitestgehende Hemmung der Zellteilung (Shatkin et al. 1962). Versuche mit Mitomycin C wurden an HRMEC durchgeführt. Diesbezüglich wurde dem bereits zuvor beschriebenen Behandlungsschema (Kontrolle, rhNorrin) zusätzlich Mitomycin C in einer Konzentration von 5 µg/ml hinzugefügt.

Im unmittelbaren Anschluß an die Behandlung wurden die Läsionen im Zellrasen am Phasenkontrastmikroskop bei 100-facher Vergrößerung photographisch dokumentiert. Nach 24-stündiger Inkubation erfolgte eine weitere Photo-Dokumentation.

Zur quantitativen Auswertung der Versuche wurde das Bildbearbeitungs- und Analyseprogramm Axiovision 3.0 verwendet. Mit diesem Programm erfolgte die Bildaufnahme, Bildverarbeitung, Bildarchivierung sowie die interaktive Messung. Im Fall der „Scratch-Assays“ wurde mit dem Messwerkzeug Kontur („Spline“) gearbeitet, mit dessen Hilfe die unterschiedlich geformten Läsionen umfahren bzw. die Läsionslängen festgelegt werden konnten. Das Computerprogramm ermittelte aus der umrandeten Kontur die Läsionsfläche in μm2 sowie die Länge der Läsion in μm.

Durch die Berechnung der Differenzen in den einzelnen Läsionsflächen nach 0 Stunden (A0) und nach 24-stündiger (A24) Inkubation erhielt man die jeweilige Migrationsfläche (ΔA). Um zusätzlich der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Läsionen in ihrer Länge variierten, wurde die Berechnung der Migrationsfläche in Abhängigkeit von der jeweiligen Läsionslänge (s) durchgeführt.

A0 – A24 / s = ∆A / s

Um den Einfluss von Norrin zu ermitteln, wurden die gemittelten (∆A/s)-Werte der unterschiedlich behandelten Zellen mit Kontrollzellen verglichen und ins Verhältnis gesetzt.

3.3.10 „Tube Formation”-Angiogenese Assay

Um das angiogene Potential von rhNorrin zu untersuchen, wurde ein in vitro Test zur Ausbildung von kapillarähnlichen Strukturen aus Endothelzellen etabliert. Basis des Testsystems war das extrazelluläre Matrixpräparat GFR (Growth Factor Reduced) Matrigel®.

Prinzip des Tube Formation Assay

Die erste Studie zur in vitro Angiogenese wurde 1980 von Folkman und Haudenschild (Folkman und Haudenschild 1980) publiziert, die nach einer Langzeitkultivierung von mikrovaskulären Endothelzellen deren Organisation in kapillarähnlichen Strukturen mit einem zentralen Lumen beobachteten. Seitdem wurden mehrere in vitro Modelle mit Endothelzellen aus unterschiedlichen Geweben, Organen und Gefäßen entwickelt, welche zum besseren Verständnis der Angiogenese beigetragen haben (Jain et al. 1997, Auerbach et al. 2000, Vailhé et al.

2001). Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei- und dreidimensionalen Modellen (Vailhé et al. 2001). In zweidimensionalen Modellen werden Endothelzellen in Kulturschalen ausgesät, welche mit adhäsiven Proteinen (Feder et al. 1983, Pelletier et al. 2000) oder auch Gelen aus Fibrin, Kollagen oder Matrigel® (Kubota et al. 1988, Vailhé et al. 1998) beschichtet sind. In zweidimensionalen Modellen bilden sich kapillarähnliche Strukturen planar zur Kulturschalenoberfläche, also nur in einer Ebene, aus.

Im Rahmen dieser Arbeit erfolgte die Beschichtung mit Growth Factor Reduced GFR Matrigel®, einem löslichen Basalmembranpräparat, das aus dem Tumor der Engelbreth-Holm-Swarm Sarkom Maus hergestellt wird. Dieser Tumor ist reich an extrazellulären Matrix-Proteinen und stellt als Matrix alle wichtigen Substrate für die Untersuchung kapillarähnlicher Strukturen bereit. In Matrigel®-basierten Kurzzeitmodellen kann die Bildung kapillarähnlicher Strukturen innerhalb von 12 - 48 Stunden beobachtet werden (Kubota et al. 1988, Vailhé et al. 1998).

Durchführung des Tube Formation Assay

Die Handhabung des Matrigel® erfolgte nach Angaben des Herstellers. Das Gel wurde über Nacht bei 4 °C aufgetaut und für Experimente mit dem gleichen Volumen an eiskaltem nicht-supplementiertem Endothelmedium versetzt (≙ 1:1 Verdünnung).

Zusätzlich wurde rhNorrin in einer Konzentration von 40 ng/ml zur Matrigel®: Endothelmedium-Mischung gegeben. Für Kontrollansätze wurde kein rhNorrin zugegeben. Jeweils 300 μl der entsprechenden Mischung wurden in Vertiefungen einer 24-Well-Platte vorgelegt und zur Verfestigung für eine Stunde bei 37 °C inkubiert. Während dieser Zeit wurden HRMEC abtrypsiniert und durch Zentrifugation isoliert. Die isolierten Zellen wurden durch zwei weitere Zentrifugationsschritte, bei denen die Zellen in je 10 ml 1x PBS resuspendiert wurden, von Resten des Kulturmediums befreit.

Das Zellpellet wurde in 2 ml nicht-supplementiertem Endothelmedium gelöst. Nach Bestimmung der Zellzahl wurden je 5 x 104 Zellen in einem Volumen von 400 μl unsupplementiertem Endothelmedium auf die mit Matrigel® beschichteten Kavitäten gegeben und für 24 Stunden im Brutschrank inkubiert. In das Kulturmedium von Zellen, die auf Matrigel® mit rhNorrin inkubiert wurden, wurde zusätzlich 40 ng/ml rhNorrin gegeben.

Die Dokumentation und Analyse der durch Endothelzellen in vitro gebildeten Struktu- ren erfolgte mit Hilfe eines Phasenkontrastmikroskops und des Bildbearbeitungssystems Axiovision 3.0. Hierfür wurden je Plattenvertiefung drei Panoramaübersichten, bestehend aus je neun Einzelbildern bei einer 100-fachen Vergrößerung aufgenommen. Die in Axiovision 3.0 integrierten Messwerkzeuge ermöglichten die Quantifizierung derjenigen Strukturen, die als kapillarähnliche Strukturen definiert waren. Zur Quantifizierung wurde deren Länge und Fläche in jedem Bildausschnitt bestimmt und die erhobenen Daten auf je einen Quadratzentimeter Kultivierungsfläche bezogen.

Definition „kapillarähnliche Strukturen“

Der Begriff „kapillarähnliche Strukturen“ für endotheliale, tubuläre Formationen wurde erstmals von Folkman und Haudenschild (Folkman und Haudenschild 1980) verwendet.

Obwohl die Bildung kapillarähnlicher Strukturen in zahlreichen Modellen der in vitro Angiogenese beschrieben wurde, besteht bis heute keine einheitliche Definition. Im hier vorgestellten in vitro Modell der Angiogenese erfolgte die Definition in Anlehnung an eine Methode von Nehls und Drenckhahn (Nehls und Drenckhahn 1995). Als kapillarähnliche Struktur wurde ein Endothelstrang definiert, an dem mindestens drei Endothelzellreihen beteiligt waren. Allerdings konnten bei der phasenkontrastmikroskopischen Untersuchung aufgrund der dreidimensionalen Organisation der Endothelzellen nicht immer die einzelnen Zellen identifiziert werden.

Daher wurde für diese Arbeit eine Definition auf der Basis des Durchmessers verwendet. Hierfür wurde mit Hilfe des Bildbearbeitssystems Axiovision 3.0 der Durchmesser von 20 strangartigen Strukturen ermittelt, bei denen phasenkontrastmikroskopisch eindeutig drei beteiligte Endothelzellreihen nachgewiesen werden konnten. Anschließend wurde das arithmetische Mittel der ermittelten Durchmesser berechnet, welches bei ca. 28 μm (27,93 μm) lag. Somit wurden bei der Quantifizierung von kapillarähnlichen Strukturen nur die endothelialen, strangartigen Formationen berücksichtigt, deren Durchmesser mindestens 28 μm betrug. Zusätzlich wurde an Semidünnschnitten überprüft, ob bei kapillarähnlichen Strukturen Lumenbildung auftrat.