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Mit der systemischen Applikation von MSC konnte mehrfach unabhängig beschrieben werden, dass MSC durchaus in der Lage sind, in verschiedene geschädigte Gewebe zu migrieren und dort ein Engraftment zeigen228 230. Es gibt auch Berichte darüber, dass im Zuge der Migration auch Endothelzellschichten von MSC überwunden wurden231 232. Die Extravasation der MSC aus den Blutgefäßen beruht auf der Expression von verschiedenen Integrinen und der Interaktion mit den entsprechenden Rezeptoren. Insbesondere über die Integrinbindung VCAM-1/VLA-4 sind MSC nach Ruster et al. dazu fähig, mit Endothelzellen zu interagieren und ein koordiniertes Rollen an ihnen auszuführen142. Der Mechanismus, der dem Homing zu Grunde liegt, wird mit der Diapedese von Lymphozyten oder Monozyten verglichen. Darüber können MSC in unterschiedliche Organe extravadieren235.

Die Beobachtung, dass MSC nach systemischer Transfusion verschiedene geschädigte Organe erreichen, konnte an auch einem seltenen klinischen Fall nachvollzogen werden. Bei einem Patienten mit DNA-Ligase IV-Defekt sind nach Transplantation von HSC eines HLA-identen Fremdspenders und der Entwicklung einer schweren akuten Darm-GvHD Grad IV nachfolgend zweimal MSC des Vaters transfundiert worden. Nach kompliziertem Krankheitsverlaufs verstirbt der Patient zwei Wochen nach der letzten MSC-Gabe. Mit der Obduktion wurden Gewebeproben von einer Reihe, meist entzündlicher Organe entnommen und sowohl DNA zur Verwendung für Chimärismusanalysen isoliert als auch histologische Gewebeschnitte angefertigt.

Nachdem die Chimärismusanalyse via STR-PCR kein eindeutiges Ergebnis hinsichtlich der Unterscheidung zwischen dem Engraftment von transplantierten HSC und MSC lieferte, wurden die Gewebeschnitten von Leber, Lunge, Lymphknoten, Gehirn, Dick- und Dünndarm immunhistologisch aufgearbeitet. Unter Verwendung eines HLA-spezifischen Antikörpers konnte gezeigt werden, dass die haploidenten MSC ausschließlich in den inflammatorischen

Geweben (Darm und Leber) wieder zu finden waren, nicht aber in anderen Geweben wie Lunge und Lymphknoten. Die Leber zeigte dabei das höchste Engraftment bezüglich der paternalen MSC.

Die Bearbeitung der Gewebeschnitte des Gehirns gestaltete sich gegenüber allen anderen Geweben schwierig. So zeigten verschiedene eingesetzte HLA-IgM-Antikörper das Problem von nicht spezifischen Bindungen. Diese Problematik begründet sich vermutlich zum einen auf der Tatsache, dass das Gehirngewebe alleinig in Paraffin eingebettet wurde, zum anderen auf die eingeschränkte Wahl des Antikörperisotyps. Beides könnte die Bindung dadurch verhindern, dass der Antikörper auf Grund seiner Pentamerstruktur und die Art der Gewebeeinbettung methodisch nicht kompatibel sind.

Über die Gründe, warum MSC dieses bestimmte Verteilungsmuster über die gesamten Organe zeigen und weshalb sie bevorzugt in inflammatorische Gewebe migrieren, lässt sich nur spekulieren. In Experimenten mit radioaktiv markierten, intravenös injizierten MSC in Ratten wurde demonstriert, dass diese erst in die Lunge und später dann in Leber, Nieren, Milz und Knochen gelangten227. Ringden et al. schlussfolgerten aus ihren Beobachtungen bei GvHD-Patienten die Präferenz von infundierten MSC, in das Kolon zu migrieren206. Durch Detektion mit Hilfe der FISH-Methode konnten Le Blanc et al. zeigen, dass der Anteil der engrafteten weiblichen Spenderzellen im Kolonepithelium eines männlichen Empfängers bei 4%

lag203. In keinen anderen Geweben konnten in diesem Zusammenhang weitere Spenderzellen nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zur Detektion von Spender-MSC wurden über eine andere Methode, die erstmalig für diese Fragestellung angewendet worden war, erzielt. Dabei wurde hinsichtlich der Lokalisation demonstriert, wie die existierende HLA-Disparität zwischen dem väterlichem MSC-Spender und dem Empfänger durch die Wahl des anti-HLA-Antikörpers methodisch genutzt werden kann. Darüber hinaus eignet sich diese Detektionsmethode zusätzlich dafür, eine mögliche Differenzierung in situ nachzuweisen.

Eine Hierarchie der Migration in die einzelnen Organe lässt sich allerdings aus den vorliegenden Daten nicht ableiten. Vielmehr erscheint die Tatsache offensichtlich, dass die inflammatorischen Signale, die von den betroffenen Organen ausgehen, für die Rekrutierung der MSC verantwortlich sind. Die gesteigerte Expression von Adhäsionsmolekülen, auch auf Grund der Aktivität von IFNγ, könnte das Migrationsverhalten der MSC verstärken. Für die sehr geringen prozentualen Anteile engrafteter MSC, beispielsweise im Dick- und Dünndarm, könnte womöglich auch eine Abstoßung der Zellen verantwortlich sein. Unter Umständen spielt die vergangene Zeit nach der letzten Transfusion der MSC eine entscheidende Rolle. Bei einer anderen klinischen Anwendung von MSC - hier das Beispiel der Behandlung von therapieresistenter GvHD - konnten die Spenderzellen nach drei Wochen beim Vergleich zweier

unterschiedlicher Empfänger nur einmal detektiert werden206. Für den Verlust der Proliferationsfähigkeit von MSC nach intravenöser Applikation sind entgegen anders lautenden Berichten keine konkreten Beweise ersichtlich226. Ein letzter Grund für die Schwierigkeit der Detektion der transfundierten MSC liegt eventuell auch bei den vorhandenen technischen Problemen solch stark durch die GvHD veränderte, lytische Gewebe zu bearbeiten.

Die detektierten, prozentual niedrigen Spenderanteile in den Geweben von Leber und Darm stehen im Kontext mit entsprechenden Beobachtungen an Transplantationsmodellen von Maus und Mensch203 236. Hier lag zum einen das anteilige Engraftment der syngen transplantierten Maus-MSC in den untersuchten, gesunden Organen bei rund 5%236. Zum anderen konnten humane, haploident transplantierte MSC bislang nur im Kolonepithel eines GvHD-Patienten wieder gefunden werden203. So bleibt abschließend festzuhalten, dass bei dem beschriebenem Fall der Transfusion von haploidenten MSC zur Behandlung schwerer akuter Darm-GvHD erstmals die Migration von Spenderzellen in verschiedene inflammatorische Empfängerorgane mittels spezifischem anti-HLA-A01-Antikörper histologisch gezeigt werden konnte.

Da der Osteotropismus von infundierten MSC allgemein als gering beschrieben wird, wurden weitere Experimente darauf ausgerichtet, die Migration von MSC in vivo zu verbessern227 237. Die zelluläre Rekrutierung von MSC in den Knochen findet in speziellen Markgefäßen statt, die konstitutiv E-Selektin exprimieren238 239. E-Selektine erkennen sialofucosylierte Determinanten ihrer verschiedenen Liganden. Selektine besitzen wichtige Aufgaben beim Mechanismus der Gewebeeinwanderung. Die Expression von E-, L- oder P-Selektin auf MSC konnte bislang nicht gezeigt werden14 54. Es gibt jedoch Berichte darüber, dass eine native Glykoform des Typ 1 Transmembranglycoprotein CD44 auf MSC zu finden ist240. Sackstein et al. zeigten, dass CD44 eine α-2,3-sialyl-Modifikation trägt, die mittels α-1,3-Fucosyltransferase in einen E-Selektin/L-Selektin-Ligand konvertiert werden konnte. Die modifizierte Form des CD44 besaß in diesen Experimenten einen gesteigerten Tropismus in Knochen.

Um eine Behandlung von Knochendefekten wie Osteonekrosen durch Applikation von MSC auch systemisch realisieren zu können, muss der Osteotropismus gesteigert werden. Die Möglichkeit wird nun durch verschiedene Methoden der Glykanmodifikation bei MSC geboten.

Mit der abgeschlossenen Herstellung eines retroviralen Transfektionsplasmids, das mit der kodierenden Sequenz der α-1,3-Fucosyltransferase VI ausgestattet ist (Abb. 5-20 und Abb. 5-21), lässt sich durch Fucosylierung von CD44 die Sialyl-Lewis X, ein E-Selektin-Ligand, auf MSC synthetisieren. Hierfür sollen zukünftig Feederzellen mit dem Plasmid transfiziert werden, die als Resultat FUT6 konstitutiv exprimieren und in den Kulturüberstand freisetzen. In Co-Kultur

könnte dann durch Konjugation von Fukose an ein N-Acetyl-Laktosamin (Gal(β1-4)GlcNAc) die Synthese von Sialyl-Lewis X auf MSC stattfinden.

Gelingt es durch die gezielte Modifikation von CD44 das terminale Tetrasaccharid Sialyl-Lewis X (NeuAc(α2-3)Gal(β1-4)G[Fucα1-3]GlcNAc(β1-R)) als potenziellen E-Selektin-Ligand auf MSC zu synthetisieren, könnte es in Folge dessen zu einer Steigerung des Osteotropismus von MSC kommen. Die Migration und Infiltration von MSC in Knochen würde eventuell auch dann effektiv sein, wenn die Expression von Sialyl-Lewis X auf der Zelloberfläche nur transient etabliert wäre und CD44 unter Umständen in seine native Glykoform rückgebildet werden würde240. Dieser experimentelle Ansatz bietet somit das Potenzial, glykanmodifizierte MSC bei regenerativen Therapien zum Beispiel bei skelettalen Erkrankungen einzusetzen. Insbesondere könnten somit Erkrankungen wie Osteogenesis imperfecta oder Osteonekrosen womöglich durch die systemische Applikation der modifizierte MSC behandelt werden. Zusätzlichen Behandlungs-erfolg verspricht in diesem Zusammenhang auch die Beobachtung bei Primaten, dass E-Selektin von ischämischen und inflammatorischen Geweben konstitutiv gebildet wird289.