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4. Diskussion

4.3. Proliferationsmarker/Tumormarker

4.3.2. Ki- 67 in Form von MIB1

4.3.2.2. MIB 1 und Invasivität

Bei Invasivitätsbeurteilung von Tumoren ergibt sich die Problematik, daß die Invasivität mittels unterschiedlicher Kriterien beurteilt werden kann:

1. Die makroskopische Invasivität als intraoperativer Befund und/oder die radiologische anhand von MR-Bildern (in den Sinus cavernosus, durch die Dura in Richtung des Sinus sphenoidalis und selten suprasellär).

2. Die histologische Invasivität.

So liegt bei Hypophysenadenomen die histologisch geprüfte Invasivitätsrate mit Werten zwischen 42%

(Sautner und Saeger 1991), 65% (Kitz et al. 1991, Landolt et al. 1987) und 85% (Selman et al. 1986) höher als die intraoperativ festgestellte Invasivität von 35% (Scheithauer et al. 1986), 48% (Knosp et al. 1991), 51% (Landolt et al. 1987).

Für die Gruppe von Nullzelladenomen stellten Scheithauer et al. (1986) eine ungefähre Invasionsrate von 42 % fest.

Obwohl die histologisch gesicherte Dura-Invasion den Vorteil einer objektive Beurteilung hat, erweist es sich als nachteilig, daß sie fast ubiquitär und auch bei sonst eher umschriebenen HA auftritt. Die am häufigsten untersuchte Entnahmestelle an der basalen Kapsel ist nicht sicher relevant für paraselläres und supraselläres Wachstum. Ein großer Nachteil bei der histologischen Untersuchung der Invasivität ist somit die fehlende Beurteilbarkeit der Invasion des Sinus cavernosus. Gerade dessen Invasion ist von entscheidender Bedeutung, da diese eine Radikaloperation erschwert und hier dann häufig ein Tumorrest verbleibt. Bei einer bestimmten Ausdehnung kann der Tumor an Hand des MRT als nicht resezierbar eingestuft werden (Knosp et al. 1993, Abe und Lüdecke 1999).

Eine alleinige radiologische Beurteilung der Invasivität ohne chirurgische Bewertung erscheint ebenfalls nicht als sinnvoll. Denn die laterale Invasion in den Sinus cavernosus ist besonders im Anfangsstadium schwer auf MR-Bildern beurteilbar, da die mediale Wand schlecht sichtbar ist

(Naidich und Russell 1999). Auch wenn verschiedene Studien sich mit Standardisierungen zur besseren Beurteilbarkeit, z.B. mit Hilfsmarkierung der intracavernöse Abschnitt der Carotis beschäftigt haben (Knosp et al. 1993), gibt es Abweichungen beim intraopertiven Befund.

In dieser Studie wurde die radiologische und intraoperative festgestellte Invasivität beurteilt, da wir wie Thapar et al. (1996) der Meinung sind, daß dies klinisch signifikanter und prognostisch von besonderer Bedeutung ist.

Invasivität bei Hypophysenadenomen ist in Grenzfällen immer noch ein nicht klar definierbares Phänomen, dessen biologische Basis noch nicht vollständig geklärt ist. In diesem Zusammenhang muß diskutiert werden, welche Faktoren bei HA zu Invasivität führen. Größere Adenome können in benachbarte Strukturen wachsen, können jedoch auch nur zur Verdrängung der Strukturen führen. Gerade bei der Frage, ob MIB1, der als Proliferationsmarker schneller wachsende Tumoren erkennen lassen sollte, ist der Zusammenhang zur Invasivität ein noch unzureichend geklärter Aspekt. Verschiedene geprüfte histologische Merkmale haben sich nicht als relevant erwiesen. Bei der Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Wachstumsrate und der biologischen Aggressivität haben verschiedene Methoden hinsichtlich der Zellproliferation versagt, wie z.B.: die Hypophysenadenom- Wachstumsfraktion und Polyploidiegrad, gemessen mit Flow-Zytometrie (Anniko et al. 1984, Lüdecke et al. 1985, Fitzgibbons et al. 1988), 5-bromodeoxyuridine-Labelling und das Zählen von Nuclear-organizing regions (Shibuya et al. 1992, Stefaneanu et al.

1989). Dies sind alle aufwendige Methoden, die sich nicht als zuverlässig genug erwiesen haben, um aggressive Hypophysenadenome im Einzelfall von weniger aggressiven zu unterscheiden.

In unserer Studie lag der Anteil der invasiven NSA mit 68,9% (22 von 32) höher als in vorangegangenen Studien. Als Ursache hierfür ist u.a. die Aufgabenstellung mit der Bestimmung einer klinischen Wachstumsgeschwindigkeit bei den Tumoren anzunehmen. Es ist sehr selten, daß nicht-sezernierende Adenome frühzeitig diagnostiziert werden und prae-operativ beobachtet werden können (in unserer Studie 4 NSA). In der Mehrzahl der Fälle werden nicht-sezernierende Adenome durch klinische Symptome bemerkt, die in der Regel nach der Diagnosenstellung eine rasche Operation erforderlich machen. Deswegen stellten in dieser Studie den größten Anteil Tumorreste dar.

Dadurch liegt die Vermutung nahe, daß ein höherer Anteil invasiv gewachsen war. So konnten verschiedene Studien bei hormon-sezernierenden HA eine Korrelation der Invasivität mit höheren Rezidivneigungen feststellen (Fahlbusch et al. 1992, Mindermann und Wilson 1993, Blevin et al.

1998).

In unserer Studie ergab sich keine Korrelation von MIB 1 und der Invasivität. Dieses Ergebnis bestätigt verschiedene vorangegangene Studienergebnisse (Landolt et al. 1987, Kawamoto et al.

1995; Gandour-Edwards et al. 1995; Yonezawa et al. 1997, Abe et al. 1997). So ergab die Studie von Kawamoto et al. (1995) keine signifikanten Unterschiede bezüglich der Sinus cavernosus Invasion und der PCNA- oder MIB 1- Expression zwischen invasiven und nicht-invasiven Tumoren.

Yonezawa et al. (1997) untersuchten 52 NSA, wobei 2 Mikroadenome mit einem MIB 1- Index von 1,47% einen statistisch signifikant höheren MIB1-Index aufwiesen als 25 expansive Makroadenome mit 0,73%. Es ergab sich keine statistische Signifikanz zwischen den nur expansiven und den

invasiven Makroadenomen. Bei der kleinen Anzahl von 2 Mikroadenomen bleibt die Aussagekraft des Ergebnisses fragwürdig.

Abe et al. (1997) ermittelten bei insgesamt 26 unterschiedlichen HA, die in den Sinus cavernosus invadierten, und 19 nicht-invasiven HA keinen Unterschied in den Mittelwerten für MIB 1 (1,58 ± 0,26%/ 1,37± 0,26%).

Es gibt jedoch eine Reihe von anderen Untersuchungen, die mit unseren Ergebnissen im Widerspruch stehen. So wiesen Thapar et al. (1996), Ekramullah et al. (1996), Knosp et al. (1993), und Zhao et al.

(1999) eine positiven Korrelation von MIB1- Expression und Invasivität nach.

In der Studie von Thapar et al. (1996) untersuchten die Autoren ebenfalls eine mögliche Korrelation von proliferativer Aktivität (gemessen mit Hilfe des MIB 1- Antikörpers) und intraoperativ/radiologischer Invasivität bei unterschiedlichen HA. Bei 37 nicht-invasiven, 33 invasiven Adenomen und 7 Karzinomen ergaben sich folgende Ki-67- LI: nicht-invasive HA 1.37%, invasive HA 4.66% und Karzinome 11.91%. Auch wenn sich statistisch gesehen ein signifikanter Unterschied in der Höhe der Ki-67- LI zwischen invasiven und invasiven Adenomen ergab, exprimierten einzelne nicht-invasive Adenome in gleicher Höhe Ki-67 wie der Durchschnitt von nicht-invasiven. Die Festlegung eines Index, ab wann man von einer Invasivität ausgehen kann, erwies sich als schwierig. Setzt man 3% als Trennlinie zwischen den beiden Gruppen, so weist diese Studie nur ein nicht-invasives Adenom auf, das über 3% liegt. Die Autoren schlußfolgern, daß die Feststellung der Wachstumsfraktion mittels Ki-67 hilfreich ist bezüglich der intrinsischen Aggressivität der HA, auch wenn Untergruppen mit invasiven Tendenzen, unabhängig von ihrer proliferativen Aktivität, vorkommen.

Knosp et al. (1993) verglichen die Ki-67- LI von 25 HA von unterschiedlichen Makroadenomen, die in den Sinus-cavernosus invadierten, mit den Indizes von nicht-invasiven aus der vorhergegangenen Studie und stellten eine statistische Signifikanz fest. Die Invasion in den Sinus cavernosus war von der Tumorgröße abhängig.

Zhao et al. (1999) untersuchten insgesamt 123 HA von unterschiedlicher Histologie und stellten bei invasiven HA einen signifikant höheren MIB1-Index (2.17) als bei nicht invasiven HA (0.73) fest.

Aufgrund der Existenz einer Überlappung in beiden Gruppen könne MIB1 nicht allein als Marker für Invasivität fungieren, sondern es müssen auch noch andere Faktoren das Invasivitätspotential von Untergruppen der HA regulieren.

Bei Studien mit dem Merkmal der histologischen Invasivität ergaben sich bei Landolt et al. (1987) in bezug auf die Invasivität Werte von 1.19% (0.2-3.7%) bei histologisch invasiven HA (n=20) und 0.55%

(0.1-1.4%) bei nicht- invasiven HA (n=10). Dieses Ergebnis weist darauf hin, daß invasive Adenome eine höhere Wachstumsfraktion haben als nicht- invasive. Dieses Ergebnis steht im Widerspruch zu der makroskopischer Invasivität, wo kein signifikanter Unterschied nachgewiesen werden konnte. Ein Erklärungsansatz für diese Problematik bleibt offen.

Bei Knosp et al. (1991) zeigten Adenome mit histologisch gesicherter Dura- Infiltration, statistisch gesehen, einen signifikant höheren Ki-67- LI (p<0.001 Students Test) als nicht-invasive Adenome:

0.31-4.6%/ 0.2-2.9%. Ein statistischer Unterschied ergab sich auch in der kleinen Gruppe der NSA.

Die hier verwendete Methodik entspricht dem Standardverfahren vor der Entwicklung der Antigen-Retrieval-Technik, deren Durchführung an formalin- fixiertem Gewebe nicht möglich ist.

Einzelne Studien, die dieses Phänomen untersuchten, fehlte in der Durchführung und Auswertung eine statistische Relevanz. So fehlte bei Ekramullah et al. (1996) eine statistisch signifikante Korrelation Sie stellten lediglich bei 11 NSA, die in den Sinus cavernosus invadierten, einen relativ höheren MIB1- Index fest (0,86±0,12%) als bei den nicht-invasiven (0,50± 0,07%).

Buchfelder et al. (1996) verglichen Mikro-und Makroadenome. Bei dieser Studie von Buchfelder ergaben sich im Durchschnitt ein statistisch signifikant höherer Prozentanteil Ki-67- positiver Zellkerne und eine höhere DNA-Polymerase-Aktivität bei invasiven Makroadenomen als bei nicht-invasiven Mikroadenomen. Kritisch zu betrachten ist diese Studie, da 1. ein statistischer Vergleich zwischen nicht-invasiven und invasiven Makroadenomen und 2. Eine Gruppe von nicht-invasiven Mikroadenomen fehlt. So könnte bei dem Vergleich von Makroadenomen mit Mikroadenomen auch eine erhöhte Proliferationsaktivität ursächlich für die Beobachtungen sein.

Bei der Beurteilung des Zusammenhangs von MIB1 und klinischer Aggressivität bleibt die Tatsache eines höheren MIB1-Index bei HA aufgrund des hohen Prozentanteil mit histologischer Dura-Invasion und mangelnder klinischer Relevanz in ihrer Aussagekraft fragwürdig.

Eine endgültige Aussage bezüglich einer Korrelation zwischen der MIB 1- Expression und der Invasivität zu treffen, ist aufgrund der kontroversen Untersuchungsergebnissen nicht möglich (Tabelle 30 und 31). Wir konnten keine Korrelation feststellen, was jedoch anderen Untersuchern mit zum Teil anderen Adenomgruppen vor uns gelungen ist, so daß wahrscheinlich die Methodik hinsichtlich der immunhistochemischen Untersuchungen von MIB1 und die klinische Klassifizierung nicht als universell reproduzierbar angesehen werden kann.

Der Zusammenhang zwischen dem klinisch relevanten Tumorwachstum und der Invasivität bleibt nach wie vor von großem Interesse. In dieser Studie wurde eine Korrelation zwischen der bildmorphologisch (MRT) gemessenen Wachstumsgeschwindigkeit und der Invasivität festgestellt. Der Proliferationsmarker MIB1 korrelierte allerdings weder mit der Wachstumsgeschwindigkeit noch mit der Invasivität. Als Resultat unserer Studie kann man davon ausgehen, daß grobe Invasivität mehr eine Erscheinung der schnellwachsenden Tumoren ist. Während bei Thapar et al. (1996) sich die MIB 1- Expression zum Feststellen von aggressiveren HA zu eignen scheint, ergibt sich bei uns diesbezüglich keine statistische Signifikanz. Bei der Unterteilung der Invasivität in „invasiv“ und „stark invasiv“, ergeben sich höhere Durchschnittswerte für MIB1 bei den stark invasiven Tumoren. Im einzelnen müssen jedoch auch noch andere Faktoren als die Wachstumsrate für die Invasivität eine Rolle spielen.

In dieser Studie wuchs z.B. bei einem Patienten (Fall 4), der Tumor mit 3mm/Jahr sehr schnell und war trotzdem nicht invasiv vorgedrungen. Ansonsten waren alle schnellwachsenden Tumoren auch invasiv gewachsen (insgesamt bei 6 Patienten, die eine Wachstumsgeschwindigkeit von ≥3mm/Jahr aufwiesen).

Tab. 30: Signifikante Korrelation von MIB 1und Invasivität: MIB1-Indizes bei nicht-invasiven und Invasiven HA

Autor Jahr Art der Invasivität MIB 1 bei

nicht-invasiven HA

MIB 1 bei invasiven HA

Landolt et al. 1987 histologisch 0.55% 1.19%

Knosp et al. 1991 histologisch 0.98% 1.81%

Knosp et al. 1993 makroskopisch 2.14% 0.98% (von 91)

Thapar et al. 1996 makroskopisch 1.37% 4.66%

Zhao et al. 1999 makroskopisch 0.73 2.17

Histologisch= Dura-Biopsie, makroskopisch= intraoperativer Befund oder MRT-Befund

Tab. 31: Keine signifikante Korrelation von MIB 1und Invasivität: MIB1-Indizes bei nicht-invasiven und Invasiven HA

Autor Jahr Art der Invasivität MIB 1 bei

nicht-invasiven HA

MIB 1 bei invasiven HA

Landolt et al. 1987 makroskopisch 0.92% 1.04%

Gandour-Edwards et al. 1995 makroskopisch 1-20% 1-25%

Kawamoto et al. 1996 makroskopisch 1.837 3.067

Abe et al. 1997 makroskopisch 1.37% 1.58%

Diese Studie makroskopisch 0.03 0.144