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Die Meuterei vom 2. November und die politische Lage zum Jahresbeginn 2001

Am 2. November 2000 meuterte die Counterrevolutionary Warfare Unit (CRW) der fijiani-schen Armee. Diese nach dem Vorbild der britifijiani-schen SAS gebildete Eliteeinheit war von Ra-buka nach den Putschen von 1987 aufgebaut worden und galt als die beste und kampfkräftig-ste Einheit der fijianischen Streitkräfte. Sie bestand ausschließlich aus indigenen Fijianern.

Zahlreiche ihrer Offiziere und Mitglieder waren am Putsch vom 19. Mai beteiligt. Sie waren deswegen nur kurzfristig vom Dienst suspendiert worden, dann aber wieder in die Armee ein-gegliedert worden. Dafür "bedankten" sie sich mit der Meuterei. Deren Ziel war offensichtlich die Ermordung des Oberkommandierenden der Streitkräfte, Kommodore Voreqe (Frank) Bai-nimarama, die Übernahme der politischen Macht, die Befreiung der Putschisten und die

voll-ständige Durchsetzung von deren Forderungen. Die Meuterer überfielen das Hauptquartier der fijianischen Armee in den Queen Elisabeth II Barracks in einem Vorort Suvas, ermordeten kaltblütig drei unbewaffnete Kameraden, nahmen Geiseln und versuchten, Bainimarama in ih-re Gewalt zu bringen. Dieser konnte jedoch flüchten. Nach heftigen Schießeih-reien konnten loyale Soldaten die Meuterer überwältigen. Fünf von diesen fanden den Tod - aber offensicht-lich nicht während der Kampfhandlungen. Vielmehr wurden sie nach ihrer Gefangennahme zu Tode geprügelt. Flüchtige Meuterer wurden verfolgt und im Laufe der nächsten Tage festge-nommen. Insgesamt sollen sich 50 (von 80) Angehörige der CRW an der Meuterei beteiligt haben; 38 sitzen Anfang des Jahres 2001 noch in Haft und warten auf ihren Prozeß. Die CWR soll aufgelöst werden.

Ebenso wie im Falle des Putsches ist unklar, wer die Hintermänner der Meuterei waren.

Wiederum spielte Sitiveni Rabuka, immerhin der Chef des GCC, eine zumindest zwielichtige Rolle. Jedenfalls war er am 2. November überraschend schnell am Ort des Geschehens - um zu "vermitteln", wie er später angab. Noch sind die Hintergründe der Meuterei ebensowenig aufgeklärt wie die des Putsches. Die Meuterei hat in der indigenen fijianischen community ei-nen schweren Schock ausgelöst, wurde doch hierdurch offenbar, wie tief die Spaltungen inner-halb dieser community sind. Bis dahin konnte man noch dem Glauben anhängen, daß es bei der Krise um den Gegensatz von Indigenen und "Indern" ging. Das war nun nicht mehr mög-lich. Bis dahin hatte man es auch für undenkbar gehalten, daß in Fiji "Truppe auf Truppe"

schießen könnte. Nun hatten sich "Kameraden" gegenseitig massakriert, wobei sich beide Sei-ten an Brutalität nichts nahmen.

Die Bainimarama gegenüber loyale Fraktion des Militärs ging aus der Niederschlagung der Meuterei gestärkt hervor. Seitdem ist das politische Machtzentrum des Landes vollends in die Kasernen verlagert. Das Militär ist zwar weitgehend unbeliebt, weil es wohl zu Recht -als brutal und rücksichtslos gilt, wird aber unter den gegebenen Bedingungen doch zugleich von Vielen als einziger Garant von Ruhe und Ordnung angesehen (und auch das wohl zu Recht). Gegenüber der Militärführung müssen sich der (altersschwache und kranke) Präsident, die Interimsregierung und auch der GCC mit untergeordneten Rollen zufrieden geben. In der fijianischen Öffentlichkeit herrscht die Einschätzung, daß die Militärführung gegenwärtig die Macht hat, der Interimsadministration und allen anderen Akteuren vorschreiben zu können, welchen politischen Weg es einzuschlagen gelte. Allerdings hat sie hiervon noch keinen Ge-brauch gemacht; Bainimarama gilt als guter Soldat, aber als bar jeder politischen Ambitionen und Fähigkeiten. Und so tritt die Politik in Fiji gegenwärtig auf der Stelle. Die Übergangsre-gierung bemüht sich zwar, das ramponierte internationale Ansehen Fijis wieder herzustellen, doch sind die bisherigen Ansätze zu einer Rückkehr zu tatsächlich rechtsstaatlichen und de-mokratischen Verhältnissen weniger als halbherzig. Die Frist, in der man zu dede-mokratischen Verhältnissen zurückkehren will, wurde zwar - nicht zuletzt auf australischen Druck - von drei Jahren auf achtzehn Monate reduziert. Jetzt ist von Neuwahlen im März 2002 die Rede.

Gleichzeitig halten Militär und Interimsregierung daran fest, daß es eine neue Verfassung ge-ben müsse und lassen die CRC gewähren. Diese veranstaltet seit November 2000 Anhörun-gen, in denen alle gesellschaftlichen Kräfte ihre Vorstellungen über eine neue Verfassung dar-legen sollen. Da aber die indischstämmige community und auch die aufgeklärten und demo-kratischen Kräfte unter den indigenen Fijianern die CRC boykottieren, melden sich dort nur die reaktionären, rassistischen und ultranationalistischen Strömungen aus dem Taukei-Umfeld zu Wort. Mit Recht kritisieren die menschenrechtlich und demokratisch orientierten NGO's diese Anhörungen und die CRC als Farce und Geldverschwendung.

Der Handlungsspielraum dieser NGO's ist gegenwärtig deutlich eingeschränkt. Sie stehen offensichtlich unter der Beobachtung von Polizei und Militär und werden mehr oder minder deutlich ermahnt, sich zurückzuhalten. Vorgeschoben werden dabei stets „Sicherheitsgründe“, so etwa, als Ende November 2000 eine Demonstration, die das Fiji Women’s Crisis Centre unter dem Motto „We need Rainbows not Rambos“ für Frieden, Demokratie und

Menschen-rechte durchführen wollte, verboten wurde. Militär und Interimadministration argumentieren gegenüber den NGO’s damit, daß sie die einzigen Kräfte seien, die den Unmut im Lande – und insbesondere auf dem Lande – noch eindämmen könnten und neuerliche Gewalteruptionen verhindern könnten; daher sollten sich die NGO’s gefälligst zurückhalten und nicht zu viel verlangen. Gleichzeitig werden NGO’s – etwa das Citizens Constitutional Forum (CCF), Frauen- und kirchliche Gruppen – durchaus als Gesprächspartner ernst genommen.

Diese setzen zur Zeit vor allem auf den Rechtsweg. Wenige Tage nach der Niederschla-gung der Meuterei, am 15. November 2000, nämlich hat ein Oberster Richter, Anthony Gates, entschieden, daß die 1997er-Verfassung nach wie vor in Kraft und die Absetzung des Präsi-denten Ratu Sir Kamisese Mara und der Chaudhry-Regierung unrechtmäßig, die Interimsad-ministration mithin illegal, sei. Die InterimsadInterimsad-ministration und die konservativen Kräfte der indigenen community sind nicht willens, diesen Richterspruch zu akzeptieren. Die Interimad-ministration hat Berufung eingelegt, und im Februar 2001 soll der Court of Appeal endgültig über den Spruch des Richters Anthony Gates vom 15. November 2000 entscheiden. Auf diese Entscheidung richten sich alle Hoffnungen jener Kräfte, die zurück zur Verfassung von 1997 und zu rechtsstaatlich-demokratischen Verhältnissen wollen. Dazu gehört auch die alte Regie-rungskoalition. Chaudhry und andere Vertreter des „People’s Coalition Government“ beharr-ten seit ihrer Freilassung aus der Geiselhaft darauf, daß ihre Regierung weiterhin die einzig le-gitime Regierung Fijis sei und wieder in alle ihre Rechte eingesetzt werden müsse. Da ein sol-cher legalistissol-cher Standpunkt allerdings angesichts der realen Kräfteverhältnisse und der seit dem Putsch geschaffenen Tatsachen zusehends realpolitisch undurchsetzbar scheint, hat man in den Kreisen der ehemaligen Regierung(sparteien) auch die Idee einer „Regierung der Natio-nalen Einheit“, in der alle relevanten politischen Strömungen repräsentiert sein sollen, aufge-griffen. Ursprünglich war diese Idee von zivilgesellschaftlichen Akteuren, so etwa dem PCRC, lanciert worden. Chaudhry selbst hat in den Wochen und Monaten seit seiner Freilassung vor allem auf Auslandsreisen um internationale Unterstützung für seine Position (und Person) ge-worben, war dabei durchaus in gewissem Maße erfolgreich (etwa in den Gremien des Com-monwealth, in Indien, bei der EU), hat damit aber notgedrungen die Überzeugungsarbeit im eigenen Land vernachlässigt. Da er ohnehin in weiten Kreisen – auch unter eigenen Leuten -als „arrogant“ gilt und sein Regierungsstil nicht frei von Selbstherrlichkeit war, hat das nicht gerade zur Stärkung seiner Stellung im Lande selbst beigetragen. Sein Vizepremier Tupeni Baba dagegen hat sich in Fiji selbst rastlos um die Wahrung der Interessen des People’s Coalition Government bemüht und dafür auch weitgehende Anerkennung erhalten. Möglich scheint, daß sich relevante Teile der alten Koalition auf eine Zusammenarbeit mit anderen Kräften im Rahmen einer Regierung der Nationalen Einheit einlassen könnten (dann allerdings wohl unter Umgehung Chaudhrys). Letztlich liegt es an der Militärführung, ob sie willens ist, den Weg zu einer solchen Regierung zu öffnen, also die Interimadministration und die CRC

"in die Wüste zu schicken". Eine endgültige Gerichtsentscheidung im Sinne des Gates-Urteils vom 15. November 2000 könnte hierfür hilfreich sein. Dann könnte eine „Regierung der Na-tionalen Einheit“ im Rahmen der 1997er-Verfassung berufen werden. Eine solche Gerichtsent-scheidung birgt andererseits aber auch die Gefahr neuerlicher Putschversuche des intransi-genten Flügels des indigenen Establishments.

Zusammengefasst: Die Situation auf Fiji ist zu Beginn des Jahres 2001 festgefahren. Die Ausgangsbedingungen für ein friedliches Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungs-gruppen und für eine demokratische Entwicklung auf Fiji haben sich in Folge des Putsches verschlechtert. Die Beziehungen zwischen Teilen der indischstämmigen und der indigenen fi-jianischen Bevölkerung sind gespannt; viele "Inder" leben in Furcht (ein markantes Indiz: vie-le"indische" Frauen trauen sich immer noch nicht wieder aus dem Haus). Künftige Gewalte-ruptionen sind nicht auszuschließen. Staat und Gesellschaft, politische Eliten und Bevölkerung des Landes stehen gegenwärtig angesichts der Wunden, die der Putsch und seine Folgen ge-zeitigt haben, vor großen Herausforderungen. Es ist ungewiß, ob diese

menschenrechtskon-form und demokratisch-rechtsstaatlichen Standards entsprechend gemeistert werden. Zivile Konfliktbearbeitung in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und auf verschiedenen Handlungsebenen ist jedenfalls dringend vonnöten. Die Zivilgesellschaft und NGO’s können und müssen hierbei eine gewichtige Rolle spielen.

3.5 Die Aufgaben: Demokratisierung, Wiederaufbau, nachhaltige