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Die Methodik zur Entwicklung der Führungs- und Teamkultur Die Methodik zur Entwicklung der Führungs- und Teamkultur ist an Werten

– das Pilotprojekt an der Polizeiinspektion Güstrow –

2. Kulturentwicklung – wie?

2.2 Die Methodik zur Entwicklung der Führungs- und Teamkultur Die Methodik zur Entwicklung der Führungs- und Teamkultur ist an Werten

ori-entiert. Eine werteorientierte Führungs- und Teamkultur fördert die Identifika-tion mit dem Beruf, die Identifizierung mit einer Gruppe und die Entwicklung der ganz eigenen, unabhängigen Identität und individualistisch individuell in-spirierten Motivation. Die Werte, die jeden Einzelnen, jede Gruppe und die Organisation der Polizei in ihrer gesellschaftlichen Verantwortung besonders machen, sollen bewusst gemacht und fürs berufliche Handeln aktiviert werden.

Mit dem Bewusstsein eigener Werte werden Ängste und Konfliktfelder ver-ständlicher und berechenbarer. Der Austausch zu gemeinsamen Werten und zu den Werten der Organisation soll die Identifikation mit der Organisation und ein tieferes Wir-Gefühl schaffen.

2.2.1 Werte im Fokus jedes Entwicklungsschrittes

Werte entfalten umso mehr ihren Beitrag konstruktiv, je bewusster sie sind, je bewusster sie in Austausch und Vereinbarung mit den Werten anderer gebracht und je bewusster sie in Aktivitäten transformiert werden. Hierfür baucht es Me-thoden – zur steten Bewusstmachung, zur situativen Abstimmung und zur konti-nuierlichen Aktivierung in tatsächliches Tun. Für Nachhaltigkeit und Fortlauf von Kulturentwicklung halten nur Methoden her, die auch nach Ende der Trainings-phase durch Führungskräfte angewendet werden können. Für deren Veranke-rung im Berufsalltag ist es förderlich, dass diese Methoden in den bestehenden sozialen Strukturen vermittelt, erprobt und gefestigt werden können.

2.2.2 Durchführung in bestehenden Kollektiven

Die Durchführung der gesamten Methodik in bestehenden Kollektiven bringt wiederum mit sich, dass hierdurch der Dienstalltag jederzeit im Projekt präsent ist. Der Dienstalltag wird nicht nur in die Trainingsszenarien geholt, sondern Effekte und Methoden aus den Kursen sollen sich sowohl auf sach- als auch auf beziehungsbezogener Ebene im Dienstalltag bewähren. Veränderung erfolgt nicht nur an Einem, der nach einer Fortbildung in eine unveränderte Umgebung zurückkehrt und sich allein in seiner Veränderung zu behaupten hat. Sondern eine ganze Gruppe wird in ihrer Eigenart weiterentwickelt und verbindlich an-einander ausgerichtet.

Vorteile bei der Durchführung in bestehenden Teams (Teilnehmermeinungen):

Vorteile bei der Durchführung in bestehenden Teams (Teilnehmermeinungen):

„Man kann sich nicht voreinander verstecken. Wir sprechen dieselbe Sprache, entwickeln uns in dieselbe Richtung und können uns über das austauschen, was in den Dienststellen geschieht. Oder uns dabei unterstützen.“

„Wenn eine große Masse zu Aktivitäten motiviert wird, zieht es auch in höherer Wahrscheinlichkeit den Einzelnen mit.“

2.2.3 Kompetenzvermittlung im sequenziellen und verzahnten Ablauf Das Projekt umfasst die Gesamtheit einer Organisationseinheit (s. Abb. 3). Die Kultur von Führung und Zusammenarbeit soll sowohl in den Hierarchiedreiecken als auch auf den jeweiligen Hierarchieebenen gestärkt werden. Das Projekt ist dabei auf eine verbesserte Zusammenarbeit unter den Kollegen wie auch zwi-schen Führungskräften und ihren Mitarbeitern ausgerichtet. Es gibt demnach Methoden zur Stärkung der vertikalen wie auch horizontalen Kooperation.

Abb.4. Die Durchführung des Projektes erfolgt in einer hierarchischen Organisationseinheit von oben nach unten (hier exempla-risch in einer Polizeiinspektion mit ihren drei Hierarchiedreiecken und ihren vier Hierarchieebenen).

Der direkte Ansatz an Werteorientierung und Kulturentwicklung liegt in den ver-mittelten Inhalten und Methoden, die sich über vier Kurse und dazwischen ge-schaltete kollegiale Feedbacks erstrecken. Der indirekte Ansatz, welcher Wer-teorientierung und Kulturentwicklung mittelbar stabilisieren will, ist im Aufbau des Projektes gebunden. Dieser Aufbau umfasst zum Ersten die Durchführung der Kurse in einer Sequenz über alle Hierarchieebenen hinweg von oben nach unten. Zum Zweiten kommt es zu einer Verzahnung der Kurse, durch welche die Ergebnisse aus dem Kurs einer Hierarchieebene für Aufgaben der jeweils nächsten genutzt werden. So umfasst der Durchlauf erst die Selbsterfahrung und stärkt persönliche und soziale Kompetenzen. In der darauf folgenden An-wendung bei den eigenen Mitarbeitern werden methodische und Führungs-kompetenzen gestärkt. Die Kurse in der nachgeordneten Ebene beginnen nicht erst, nachdem die übergeordnete abgeschlossen ist, sondern das Projekt ist so aufgebaut, dass sich der Kursablauf über zwei Ebenen verzahnt (s. Abb. 3).

Die Führungskräfte verwenden Zuarbeiten aus den Kursen mit ihrer nachgeord-neten Mitarbeiterschaft für den Austausch in ihrem Kollegenkreis und mit ihrem Vorgesetzten. So werden nicht nur die Filter zwischen den Hierarchieebenen geweitet. Es kommt zur gegenseitigen Verpflichtung, das Gelernte am gemein-sam erlebten Berufsalltag anzuwenden.

2.2.4 Kompetenzvermittlung durch Methoden für die Beziehungs- wie auch Aufgabenebene

In Abbildung 5 ist der sequenzielle Ansatz über zwei Führungsebenen veran-schaulicht. Die grauen Pfeile links veranschaulichen, dass der Projektverlauf von der individuellen über die kollektive in die organisationale Ebene reicht. Diese Ausrichtung macht insbesondere in ihrer Verzahnung Sinn (wie in den oberen grauen Kästen dargestellt, hier am oberen Hierarchiedreieck einer Inspektion mit dem mittleren Hierarchiedreieck einer Dienstelle). Durch die Verzahnung erlebt jeder Beteiligte das Projekt als nachgeordneter Mitarbeiter und nach Kurs 2 – mit Übergang in die kollektive Werteorientierung – auch als Führungs-kraft.

Abb.5. Sequenzieller Ablauf und verzahnende Inhalte des Projektes über zwei Führungsebenen (links die übergeordnete, rechts die nachgeordnete). Der Wertebezug bewegt sich von einer individuellen über eine kollektive in die organisationale Ausrichtung (graue vertikale Pfeile). Dabei soll erst die Beziehungsebene, dann die Sachebene des beruflichen Zusammenseins gestärkt werden (rosa horizontale Pfeile).

In Abbildung 5 zeigt sich der stete Bezug auf Werte. Werden in den ersten beiden Kursen individuelle Werte in den Fokus gerückt, stehen in den letzten beiden Kursen die Verschiedenartigkeit und das Zusammenspiel der Werte im Kollektiv eine Rolle. In der Verzahnung der beiden Ebenen kommt es dabei in den ersten zwei Kursen zur Stärkung auf Beziehungsebene. Nach Kurs 2 wird durch die Erfassung individueller Probleme, Bedarfe und Ideen und deren Be-arbeitung im übergeordneten Hierarchiedreieck konkrete Sachorientierung an-geregt. Diese bleibt jedoch nicht in Führungsverantwortung. Die im oberen Hierarchiedreieck angedachten Lösungen werden als Vorschläge mit den Mit-arbeitern diskutiert. So soll Verantwortung verteilt wie auch verstärkt werden – und dies ein weiteres Mal unter Forderung und Förderung jedes Einzelnen in seinem Wertebeitrag.

Der vierstufige Kursaufbau ist an den Phasen der Teamentwicklung nach Bruce Tuckman orientiert17. Ihm zufolge durchlaufen Gruppen in ihrem

Entwicklungs-Tuckman, B. (1965). Developmental sequence in small groups. Psychological bulletin 63 (6), 384-399.; Tuckman, B. & Jensen, M.A.C. (1977). Stages of small-group development revisited. Group

& Organization Management 2 (4). 419-427.

17

prozess eine Phase der Orientierungssuche (Findungsphase), in der sie sich stark nach der Leitfigur und nach vorgegebenen Spielregeln richten. Nach dem ersten Abtasten treten zunehmend unterschiedliche Ansichten und Herange-hensweisen zutage, die für Unverständnis, Missverständnis und Konfliktpoten-zial sorgen (Konfliktphase). Wenn das PotenKonfliktpoten-zial an Konflikten genutzt wird, hat sich die Gruppe nicht nur bessere Kenntnis von den Stärken und Schwächen eines Jeden und entsprechend spezifische Wertschätzung und Unterstützung erarbeitet, sondern auch gute Umgangsformen für das unterschiedliche Mitei-nander und ein echtes Wir-Gefühl (Normierungsphase). Wenn die Gruppe nicht beim Wohlgefühl untereinander hängenbleibt, sondern sich einer kollektiven Verantwortung stellt, in der jeder für sich und alle für das Gemeinsame aktive Verantwortung übernehmen (Schaffensphase), hat sie den idealen Zustand ih-rer Entwicklung erreicht.

Dieser Idealverlauf wird im Berufsalltag zumeist abgekürzt. Die beziehungsbe-zogene Konflikt- und Normierungsphase wird übersprungen und den Mitarbei-tern ihrer Rolle und Funktion entsprechend Aufgaben zugewiesen. Das ist akut effizient und orientiert auf die Aufgabe. Es vernachlässigt hierbei jedoch nicht nur die Beziehungsebene, auf der Menschen ihre Aufgaben erfüllen. Es ver-nachlässigt insbesondere individuelle Potenziale, die sich nur entfalten, wenn der Einzelne in diesem Potenzial gesehen, gefordert und gefördert wird. Dies tut er nachhaltig nur im Prinzip von Reziprozität und Synergie.

2.2.5 Arbeit an der Fehlerkultur

Die Arbeit auf Beziehungs- wie auch auf Arbeitsebene fördert nicht nur Poten-zial hervor, sondern offenbart auch Schwächen, Probleme und Missstände im Wirkungsfeld des Einzelnen. Diese haben mit dem werteorientierten Ansatz jedoch ihre Begründung und Berechtigung. So sind sie sowohl für die Reflexion von außen als auch in Selbstreflexion annehmbarer.

Genau genommen gelingt die gesamte Methodik nur, wenn berücksichtigt wird, dass das Licht der größten Potenziale umso schärfere Schatten werfen kann. Weil wir so empfindlich sind, eben gerade an den uns naheliegendsten Werten verletzt zu werden – und das schon Zeit unseres Lebens waren – ha-ben wir nicht nur Fertigkeiten ausgebildet, sie ins Angebot zu bringen, sondern auch Strategien, mit ihnen in Abwehr und Angriff zu gehen. Die Arbeit an der Fehlerkultur ist nicht zuletzt Rückfallprophylaxe - wie sie für jede Entwicklungs-anregung benötigt wird, wenn sie in Bereiche reicht, die herkömmlich noch nicht betreten wurden.

Zur direkten Arbeit an der Fehlerkultur wurden zwischen den Kursen Kollegiale Feedbackrunden geschaltet. Hier stellte sich für jeden Einzelnen die Aufgabe und das Angebot, sich für konkrete Probleme oder generelle Blockaden im ei-genen Führungsbereich der Perspektiven und Hilfestellungen seiner Kollegen zu bedienen. Das Feedback von Kollegen kann als abrundende Ergänzung zum Feedback durch Vorgesetzte und zum Feedback von nachgeordneten Mitar-beitern verstanden werden.

Die Polizeiinspektion Güstrow führte zeitgleich zum Projekt auch das Führungs- und Teamfeedback (FTF) durch, zu welchem die nachgeordneten Mitarbeiter ihre Perspektive auf das Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten kundgaben. In Abbildung 6 ist dargestellt, dass die beiden Feedbackansätze nicht nur ergän-zend genutzt werden können, sondern die Perspektive der Mitarbeiter kann auch als Vorlage genutzt werden, unter Kollegen die individuellen Werte auf ihr Wirken zu analysieren. Dabei ist die Fremdperspektive auf die Führungs-aufgabe Anregung für eine Besinnung auf die Stärken und Schwächen, die

den Erkenntnisprozess flankieren und insbesondere blinde Flecken aufzeigen, wo Werte und Fertigkeiten noch nicht voll entfaltet wurden, wo unbewusste Ängste verständlicherweise blockieren und wo es an kollegialer Unterstützung bräuchte.

Abb. 6. Zwei Feedbackmethoden in Ergänzung – das Führungs- und Teamfeedback in Verbindung mit dem Kollegialen Feedback. Die Beiträge der Mitarbeiter als Fremdperspektive auf das Führungsverhalten kann durch die Fremdperspektive der Kollegen ergänzt und unter Rückgriff auf eigene Werte und Ziele analysiert werden.

Je höher eine Führungskraft in der Hierarchie steht, desto mehr Verantwortung und Macht ist mit ihr verbunden und desto größer ist die Wirkung ihrer individu-ellen Entscheidungen. Je höher eine Führungskraft steht, desto einsamer kann es auch um sie herum werden, obwohl es gerade im Rahmen der Verantwor-tung geradezu soziale Unterstützung und kritische Reflektion bräuchte. Auch wenn die Intensität dieses Ansatzes für den Berufsalltag ungewohnt anmutet, kann sie sowohl für die Organisation als auch für jede einzelne Führungskraft ein neues Spektrum an Schutz, Sicherung und Unterstützung gewährleisten.

Nach unten hin erreicht diese Methodik für die Organisation die Werte, Poten-ziale und Beiträge jedes einzelnen Mitarbeiters. Nach oben hin erreicht diese Methodik Optimierung in der Führung.