• Keine Ergebnisse gefunden

6 Experiment 2: EKP-Effekte in parallelen und nicht- nicht-parallelen Diskursstrukturen

6.1 Methode

6.1.1 Versuchspersonen

An der dem EEG-Experiment vorangestellten Reaktionszeitstudie nahmen insgesamt 17 Versuchspersonen teil. Acht dieser Probanden waren weiblich, und die Altersspanne lag zwischen 21 und 38 Jahren bei einem Durchschnittsalter von 26 Jahren. Insgesamt 20 Probanden durchliefen die EKP-Studie, wobei jedoch aufgrund von Artefakten bei der Aufzeichnung des EEGs die Daten von 4 Versuchspersonen nicht ausgewertet werden konnten. 10 Probanden dieser reduzierten Stichprobe waren weiblichen Geschlechts, das Durchschnittsalter betrug 23 Jahre (min. = 20, max. = 32). Alle Probanden waren nach eigener Aussage Rechtshänder und muttersprachlich deutsch aufgewachsen. Sie wurden für ihre Teilnahme finanziell oder mit entsprechenden Versuchspersonenstunden entlohnt.

6.1.2 Material

400 semantisch unterschiedliche Textpassagen (=Trials) wurden konstruiert. Ein Trial bestand aus zwei Sätzen und einer Frage, die mit Ja oder Nein beantwortet werden konnte.

Im ersten Satz wurden zwei Antezedenten unterschiedlichen Geschlechts mit einem Eigennamen eingeführt, der zweite Satz enthält eine anaphorische Referenz auf einen dieser beiden Charaktere entweder durch Wiederholung des Eigennamens oder durch das entsprechende Pronomen.

Der erste Satz jedes Trials entsprach dem Schema „Eigenname Verb Eigenname -Verbergänzung“, wobei die Verbergänzung stets aus drei Wörtern bestand. Der zweite Satz wurde je nach experimenteller Bedingung unterschiedlich konstruiert: Sätze mit einer Anapher in Subjektposition folgten dem Muster „Adverb Hilfsverb Anapher -Nominalphrase - Verbergänzung - Verb“, und Sätze mit einer Anapher in Objektposition wurden folgendermaßen konstruiert „Adverb Hilfsverb Nominalphrase Anapher -Verbergänzung - Verb“. Nominalphrase und -Verbergänzung waren jeweils aus zwei Wörtern zusammengesetzt.

Durch die systematische Manipulation der Faktoren Parallelität (parallele vs. nicht-parallele Diskursstrukturen) und Form der Anapher (Pronomen vs. Eigennamen) wurden vier Bedingungen à 100 Trials gebildet.

Beispielsätze (der Antezedent ist unterstrichen und die Anapher fett dargestellt):

Parallel/Eigenname

(1a) Peter besucht Julia in der Klinik. Dort hat Peter dem Arzt eine Frage gestellt.

oder

(1b) Peter besucht Julia in der Klinik. Dort hat die Schwester Julia eine Spritze gegeben.

Parallel/Pronomen

(2a) Peter besucht Julia in der Klinik. Dort hat er dem Arzt eine Frage gestellt.

oder

(2b) Peter besucht Julia in der Klinik. Dort hat die Schwester ihr eine Spritze gegeben.

Nicht-Parallel/Eigenname

(3a) Peter besucht Julia in der Klinik. Dort hat die Schwester Peter das Zimmer gezeigt.

oder

(3b) Peter besucht Julia in der Klinik. Dort hat Julia dem Arzt den Besuch vorgestellt.

Nicht-Parallel/Pronomen

(4a) Peter besucht Julia in der Klinik. Dort hat die Schwester ihm das Zimmer gezeigt.

oder

(4b) Peter besucht Julia in der Klinik. Dort hat sie dem Arzt den Besuch vorgestellt.

Die Variation der grammatischen Rolle von Antezedent und Anapher ermöglichte es, jeweils zwei Versionen paralleler und nicht-paralleler Strukturen zu bilden. Aus diesem Grund beinhaltet jeder experimentelle Level zwei Beispielsätze, z. B. wurde die Bedingung

„Parallel/Eigenname“ durch 50 Trials realisiert, in denen sich Antezedent und Anapher in Subjektposition befanden (siehe Beispiel 1a) und durch weitere 50 Trials, in denen sich Antezedent und Anapher in Objektposition (siehe Beispiel 1b) befanden. Die Bedingung

„Nicht-Parallel/Pronomen“ wurde andererseits durch 50 Trials realisiert, in denen der Antezedent in Subjektposition und die Anapher in Objektposition war (siehe Beispiel 4a) und durch weitere 50 Trials, in denen die Rollen vertauscht waren (siehe Beispiel 4b).

Trials der Bedingungen 2 und 3 wurden auf gleiche Weise erstellt. Durch die Mittelung

über beide Subbedingungen (Xa) und (Xb) ist garantiert, daß mögliche konfundierende Variablen zwischen allen Bedingungen ausbalanciert werden. Auf diese Weise wird die durchschnittliche Anzahl intervenierender Wörter zwischen Antezedent und Anapher kontrolliert, sie ist entweder in beiden Sätzen exakt 7 oder 9 und 5. Weiterhin steht die Anapher im zweiten Satz jeweils gleichhäufig an dritter und an fünfter Position und schließlich ist die Anapher einmal in Subjekt- und einmal in Objektposition. Effekte zwischen den Bedingungen können also nicht auf einen unterschiedlichen Abstand zwischen Anapher und Antezedent oder auf eine unterschiedliche Satzposition der Anapher zurückgeführt werden.

Die 400 Passagen beschrieben 200 verschiedene Szenarios. Pro Versuchsperson wurde jedes Szenario (z. B. Krankenhaus/Besuch) einmal wiederholt. Die zweite Darbietung enthielt andere Eigennamen als die erste und war einer anderen experimentellen Bedingungen zugeordnet. Die Kombination von Szenario und experimenteller Bedingung wurde systematisch über die Versuchspersonen entsprechend einem lateinischen Quadrat variiert. Alle Sätze waren grammatisch korrekt, bedeutsam und neutral im Inhalt, so daß keine absurden oder unüblichen Assoziationen geweckt wurden.

Jeder Satz wurde mit einer Ja-/Nein-Frage kombiniert, die sich inhaltlich auf den ersten oder zweiten Satz bezog (z. B. Wird Julia besucht?). Ja- und Nein-Antworten wurden gleich häufig verlangt. Da die Fragen unvorhersehbar waren, mußte die Versuchsperson jeweils beide Sätze verstehen und behalten, um zu einer korrekten Antwort zu gelangen.

6.1.3 Versuchsablauf

Der Versuchsablauf entsprach dem von Experiment 1.

6.1.4 EEG-Aufzeichnung

Die Aufzeichnung des EEGs erfolgte analog zu Experiment 1.

6.1.5 Auswertung

Zur Auswertung der Vorstudie wurden die Fehlerrate und die mittleren Reaktionszeiten (Verstehenszeit und Antwortlatenz) für die experimentellen Bedingungen Parallelität und Anapher bestimmt und varianzanalytisch überprüft. Für die statistische Analyse des EEG-Experimentes wurden folgende 18 Elektrodenpositionen selegiert: frontal (F7, F3, Fz, F4,

F8, FC3, FC4), zentral (C3, Cz, C4), temporal (T3, T5, T4, T6), parietal (P3, Pz, P4), und okzipital (Oz). Die Analysen wurden zum einen für die kritischen Wörter, die Anaphern, durchgeführt als auch - zur Testung langsamer Veränderungen - über die gesamte Passage hinweg: Zur Auswertung des EKPs auf einzelne Wörter hin wurden die mittleren Amplitudenwerte für 24 aufeinanderfolgende Zeitintervalle von 30 ms Länge vom Beginn der Präsentation des interessierenden Wortes an bis 720 ms danach bestimmt. Um den Einfluß des einzelnen Wortes zu isolieren, diente als Baseline die Durchschnittsamplitude 100 ms vor Reizbeginn. Zur Auswertung des EKPs der ganzen Passage wurden die mittleren Amplitudenwerte für 11 aufeinanderfolgende Zeitintervalle von 1 sec Länge vom Beginn der Textpräsentation an bis 11 sec danach bestimmt. Als Baseline diente die Durchschnittsamplitude 1 sec vor Reizbeginn. Die berechneten Varianzanalysen mit den Meßwiederholungsfaktoren Anapher, Parallelität und Elektrode wurden wie unter Punkt 5.2.5 beschrieben ausgeführt und interpretiert.