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Würden Menschen durch Redewendungen charakteri- charakteri-siert, wäre der zu Eckart von Hirschhausen passende

Im Dokument Ehrenamt & Engagement BEGEGNUNG (Seite 46-49)

wohl: „Lachen ist gesund.“ Der Kabarettist engagiert sich seit Jahren auf und abseits der Bühne für mehr Gesundheitsbildung im deutschen Schulwesen. Im Interview mit Andreas Müllauer erzählt der Mediziner, wie ihn seine Schulzeit geprägt hat und warum wir ein Schulfach Gesundheit brauchen.

Herr von Hirschhausen, wie haben Sie Ihre eigene Schulzeit empfunden?

Ich bin sehr gerne zur Schule gegangen und war ein neugieriges Kind. Und ich glaube, es ist mir auch ein Stück gelungen, das Kind in mir zu bewahren, indem ich mir meine Neugier nicht nehmen lasse und nie aufhöre, Fragen zu stellen. Kinder sind viel neugieri-ger als Erwachsene. Das offenbart übrigens auch das zentrale Di-lemma unseres Bildungssystems. Kindern wird gesagt: Sei doch nicht so neugierig! Besser wäre es, ihnen zu sagen: Sei doch nicht so erwachsen!

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Eckart von Hirschhausen unterstützt mit seiner Stiftung das Programm „Gemeinsam leben lernen“ für Schüle-rinnen und Schüler der Klassen 1 bis 6. Trainiert werden persönliche, psychologische und soziale Kompetenzen.

Das Programm bietet Konzepte und Materialien für den Schulunterricht, die Elemente des sozialen Lernens mit neuen Erkenntnissen aus der Glücksforschung verbinden.

Mehr Infos: www.gemeinsam-leben-lernen.com Bildungspolitik genießt in

Deutsch-land einen eher ernsten Ruf. Könnten wir hierzulande beim Thema Schule  &

Bildung ein bisschen mehr Humor vertragen?

Auf jeden Fall! Ich erinnere mich selbst noch gut an einige meiner Lehrer, ob-wohl meine Grundschulzeit ja schon über 40 Jahre her ist. Kaum zu glauben, denn sie sind mir immer noch sehr präsent, nicht so sehr mit dem, was sie mir beigebracht haben, sondern durch ihre Persönlichkeit.

Und von jedem Lehrer weiß ich noch, ob er Humor hatte oder nicht. Die wichtigste Unterrichtsvorbereitung für Lehrer ist also, sich kurz vor dem Betreten des Klas-senraums klarzumachen: Ich präge gerade Herzen und Hirne für ein Leben und ich freue mich, meine Begeisterung für mein Fach zu multiplizieren. Und wer bei dem Gedanken nicht anfängt zu lächeln, sollte gleich wieder ins Lehrerzimmer zurück!

Inwiefern hat Ihre Schulzeit Ihre spätere Arbeit als Arzt und Komiker beeinflusst?

Mich interessierten schon damals der Um-gang mit Sprache und die Medizin. Und weil es das nicht als Fach gab, nahm ich Bio und Deutsch, als ich wählen konnte.

Die Schule war ein Nährboden für meine spätere Arbeit. Wichtig waren aber auch die Hobbys, die ich außerhalb der Schule

Vorschulalter investiert wird, kommt 25-fach für die Gesellschaft zurück, sagt eine Studie der Stiftung Lesen. Wenn die Schulpflicht greift, ist der Unterschied zwischen den geförderten und den ab-gehängten Kindern schon nahezu zementiert. Warum haben wir kein Schulfach Gesundheit? Oder lernen zumindest in jedem Fach lebenspraktische Dinge und das quervernetzte Denken? Wir sind so stolz darauf, das Land der Dichter und Denker zu sein, aber die Hälfte der Bevölkerung weiß nicht, wann ein Fieber anfängt, wie man im Netz Sinn und Unsinn unterscheiden kann oder wie man einen Beipackzettel liest. Das müssen wir ändern.

Wie müsste ein Schulfach „Gesundheit“ aussehen?

Für mich sind das sehr viele Themen: Genießen können, Achtsam-keit, Stärkenorientierung, Beziehungspflege, Widerstand sfähigkeit in Krisen, Sinnsuche. All das kann man lernen – es lohnt sich. Wie viele Wege kennen Sie, sich von schlechter Laune zu befreien?

Wenn ich mich und meinen Körper besser kenne, muss ich nicht auf Glotze oder Schokoriegel zurückgreifen, dann bewege ich mich, kümmere mich um andere oder habe gelernt, negative Gedanken-schleifen zu unterbrechen. Wenn man sich vor Augen hält, was Übergewicht, Rückenschmerzen und Depression volkswirtschaft-lich und seelisch an Kosten verursachen, ist es höchste Zeit, mehr Gesundheit und Psychologie an dem Ort zu lehren, wo wir am schnellsten lernen: in der Schule. Wenn ich überlege, was ich von meinem Schulwissen tatsächlich im Leben jemals wieder gebraucht habe und was nicht, wirkt die Forderung, Glück und Gesundheit als Schulfach einzuführen, nicht utopisch, sondern sehr vernünftig.

Was muss passieren, um Gesundheitsthemen stärker in den Lehrplänen zu verankern?

Nach einigen Jahren Bildungsarbeit glaube ich nicht mehr an Lehr-pläne, sondern an engagierte Schulleiter, die einen Unterschied machen. Die Kultusminister haben schon vor Jahren gesagt, dass Wiederbelebung in den Schulunterricht gehört, aber es geschieht immer noch nur sporadisch und auf einzelnes Engagement hin.

Dabei macht das unglaublich viel Sinn. In meiner ARD-Sendung

„Hirschhausens Quiz des Menschen“ habe ich einen Schüler vor-gestellt, der nur durch die beherzte Herzdruckmassage einer Mitschülerin am Leben geblieben ist. Die Maßnahmen sind im wahrsten Sinne „kinderleicht“ und können über Leben und Tod entscheiden. Dafür sollte ab der 7. Klasse jedes Jahr zwei Stunden Zeit sein.

gepflegt habe: Segeln, Gitarre spielen und Zauberei. Heute singe ich auf der Bühne und mache Kabarett, damals habe ich nicht ge-wusst, wofür meine Aktivitäten mal gut sein könnten. Dinge, die scheinbar „nutzlos“ sind, zeigen oft viel später ihren Wert.

Als Schirmherr von „Klasse 2000“, des Programms gegen Tabak-abhängigkeit „Be Smart – Don’t Start“ sowie mit dem „Natio-nalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz“ fördern Sie schon lange Bildungsinitiativen zum Thema Gesundheit. Was kann Bildung hier leisten?

Bildung und Gesundheit hängen eng zusammen, gesundheitliche Aufklärung und Bildung sind der größte Hebel für die Lebens-erwartung. Aber wenn man etwa Berlin anschaut, liegen zwi-schen Neukölln und Zehlendorf zehn Kilometer – und zehn Jahre Lebens zeit. Das ist unglaublich ungerecht. Deshalb engagiere ich mich für mehr Gesundheitskompetenz und ein gesundes Auf-wachsen. Das geht im Mutterleib schon los. 10.000  Kinder wer-den jedes Jahr mit fetalem Alkoholsyndrom geboren und haben ein Leben lang verminderte Bildungschancen. Klare Botschaft: In der Schwangerschaft keinen Tropfen Alkohol. Warum steht das nicht deutlich sichtbar auf jeder Flasche? Dann geht es weiter über die frühkindliche Bildung. Jeder Euro, der in Leseförderung im

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Sie unterstützen neuerdings auch die Stiftung Gesundheits-wissen mit dem Projekt „Pausenlos Gesund“ – warum?

Das Besondere an „Pausenlos Gesund“: Es geht endlich mal nicht um „mehr Gemüse und weniger Zucker“, sondern die „System-kompetenz“. Auf gut Deutsch: Was ist ein Notfall und was nicht?

Wann rufe ich 112, wann reicht der kassenärztliche Notfalldienst mit 11 61 17, und was geht von alleine weg? Was macht ein Arzt eigentlich genau? Was ist der Unterschied zwischen einem Psy-chologen und einem Psychiater? Warum reden die da alle so ko-misch, und habe ich als Patient ein Recht auf eine verständliche Kommunikation? Ich habe das Material selbst in einer Berliner Schule ausprobiert  – es hat unglaublich viel Spaß gemacht und schließt eine Lücke. Ich wünsche mir, dass viele Ärzte sich trauen, selber in Projektwochen oder in den Klassenlehrerstunden aus der Praxis zu erzählen. Denn wenn eine Gynäkologin etwas über Sex und Verhütung erzählt, hören die Schüler anders zu, als wenn der Biolehrer das tut.

Ein großes Thema bei Ihnen ist auch immer die seelische Gesundheit, vielleicht auch, weil sie im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie/Neurologie gearbeitet haben.

Ja, wenn ich fordere, dass die Positive Psychologie* und Gesund-heitsthemen in Schulen gehören, wird das leider immer noch oft belächelt. Glück und Gesundheit seien doch Privatsache. Das ist

falsch, denn Gesundheit ist keine Privatsache. Das Gegenteil eines erfüllten Lebens bis hin zu Depression und Suizid hat viele Konse-quenzen und Folgekosten, für einen selbst und die Gemeinschaft.

Wenn gestresste Schüler keine anderen Strategien kennen, als vor der Glotze zu sumpfen oder zu ballern, zu rauchen und Fett und Zucker in die innere Leere zu stopfen, dann werden sie dick, dumm und gewalttätig. Wenn Kinder lernen, dass sie sich Hilfe holen können, Freundschaften pflegen, sich mit Freude bewegen, singen, tanzen und Theater spielen können, geht es ihnen an Leib und Seele besser. Warum es so schwer ist, für diese essenziellen Elemente der Lebenskunst Platz im Lehrplan zu schaffen, kann ich nicht beantworten.

Sie haben einmal gesagt: „Lehrkräfte sind für mich mindestens so wichtig wie Ärzte.“ Wie haben Sie das gemeint?

Wir vertrauen Lehrern das Wichtigste an, das wir haben: unsere Kinder. Ein guter und motivierter Lehrer kann für Kinder unge-heuer prägend sein. Und jeder Lehrer, der einem Schüler dabei hilft, ein gutes Verständnis für seinen Körper zu entwickeln und gar nicht erst mit dem Rauchen anzufangen, hat für dessen Le-benserwartung mehr getan als jeder Herzchirurg, der 50  Jahre später einen vermeidbaren Herzinfarkt behandelt. Deshalb, liebe Lehrer: Passt gut auf euch auf, wir brauchen euch!

Hatten Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn schon mal Berüh-rungspunkte mit Deutschen Auslandsschulen?

Meine Nichte ist gerade auf einer Deutschen Schule in China und fühlt sich da sehr wohl. Denn erst im Ausland merkt man ja, wie viel Heimat in einem steckt und warum die Muttersprache einem näher ist als das Vaterland.  |

* Anmerkung der Redaktion: Die Positive Psychologie ist ein von Martin Seligman begründeter Zweig der akademischen Psychologie. Ein Bestreben dabei ist es, die Psychologie dahingehend zu komplettieren, dass auch vergleichsweise vernachlässigte Themen wie Zufriedenheit, Wohlbefinden, Talent, Stärken oder Tugenden verstärkt beachtet werden.

Eckart von

Z

ahlreiche Unternehmen bieten zentrale Plattformen an, mit denen Schulen ihre Administration digital bewältigen kön-nen. Elektronische Klassenbücher können dabei als Teil dieser Software oder als einzelner Baustein erworben werden. Ihre Nut-zung ist per Computer und Laptop oder per App über das Handy oder ein Tablet möglich.

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