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Ein mehrdimensionaler Lösungsansatz zur standortökologischen Vitalitätsanalyse von Sitka-Fichte (Picea sitchensis) in Mecklenburg-Vorpommern

Im Dokument ERTRAGSKUNDE VERBAND (Seite 160-164)

MATTHIAS NOACK

Landeskompetenzzentrum Forst Eberswalde, Alfred-Möller-Straße 1, 16225 Eberswalde, Germany

1. Einleitung

Seit ungefähr sieben Jahren wird in Sitka-Fichtenbeständen an der Ostseeküste Mecklenburg-Vorpommerns ein einzelbaum- bis flächenweises Mortalitätsgeschehen beobachtet. Schadsymptome und -ursachen waren bislang unbekannt.

Als Reaktion auf diese Entwicklung wurden auf der Grundlage eines den Sitka-Fichten-Verbreitungsschwerpunkt im Ostseeraum Mecklenburg-Vorpommerns widerspiegelnden Probeflächennetzes aussagekräftige Schadstufen entwickelt und umfangreiche Standortinformationen erhoben. Sie sollen helfen, mit Hilfe eines geeigneten mehrdimensionalen biomathematischen Lösungsansatzes die wesentlichen Ursache-Wirkungsbeziehungen zu quantifizieren.

Durch die Anwendung eines in der medizinischen Forschung entwickelten Algorithmus´ zur mehrdimensionalen Varianzanalyse in Verbindung mit der Diskriminanzanalyse sollten die folgenden forstwissenschaftlichen und waldbaurelevanten Fragestellungen beantwortet werden:

1. Können Waldbestände auf der Grundlage der erhobenen Standortmerkmale zuverlässig in Vitalitätsklassen gruppiert werden?

2. Sind die dabei beobachteten Vitalitätsklassenunterschiede signifikant?

3. Welches sind die wesentlichen Merkmale zur Gruppenbildung? Charakterisieren Merkmalskombinationen die Vitalitätsklassen besser als Einzelmerkmale?

4. Welche Merkmale ermöglichen eine sichere Vitalitätsklassenprognose und kann der Umfang der zu messenden Merkmale gesenkt werden?

5. Welche mathematische Funktion beschreibt die Vitalitätsklassenzuordnung der Objekte? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, Waldbestände richtig zu klassifizieren?

2. Material

Auf insgesamt n = 99 Probeflächen erfolgte auf der Grundlage phänotypischer Baummerkmale (Benadelungsdichte, -farbe, Harzflussmerkmale, Fraßbilder von Borken- bzw. Bastkäfern, Trockniserscheinungen) eine bestandesindividuelle Diagnose einer selbstdefinierten, vierstufigen Schadstufenklassifizierung.

Die Bewertung der sich ergebenden Schadstufenfrequenz basiert auf den folgenden pgesamt = 15 Standortmerkmalen Yi, die sich aus sechs Klimaelementen (Zeitraum: 1980 – 2006) bzw. neun Bestandes- und Bodenparametern rekrutieren:

TMax : Summe der Tages-Maximaltemperaturen

T : Summe der Tages-Mitteltemperaturen

TMin : Summe der Tages-Minimaltemperaturen

N : Niederschlagssumme

N/T : Quotient aus T und N

LF : Luftfeuchte

HO100 : Oberhöhenbonität

C/N : C/N-Verhältnis im Humusstoffhorizont Oh pH(KCl), pH(H2O) : Azidität im Humusstoffhorizont Oh

nWSK : nutzbare Wasserspeicherkapazität (Mineralbodentiefe 0 - 40 cm)

O : Mächtigkeit des Auflagehumus

Ol : Mächtigkeit des Streu-Auflagehorizonts Of : Mächtigkeit des Fermentationshorizonts

Oh : Mächtigkeit des Humusstoffhorizonts

DVFFA – Sektion Ertragskunde, Jahrestagung 2012

Zur besseren ökologischen Interpretierbarkeit erfolgte eine jahresweise Stratifizierung der beobachteten Klimaelemente in die Zeitperioden Winter (Monate 1 - 2), Frühjahr (Monate 3 - 5), Sommer (Monate 6 - 8), Vegetationsperiode (Monate 4 - 10) und Gesamtjahr (Monate 1 – 12).

3. Lösungsansatz

Als Lösungsansatz zur Schadensdiagnose und -prognose auf der Grundlage der bereitgestellten probeflächenspezifischen Umwelt- und Wachstumsinformationen sollte der von AHRENS & LÄUTER (1974) entwickelte mehrdimensionale Algorithmus zur Dimensionserniedrigung, Hypothesenprüfung und Diskrimination dienen.

Zur Gewinnung von Vorinformationen über das Schadstufentrennvermögen möglichst zahlreicher ökologischer Umwelt- und Bestandesmerkmale wurden deshalb in einem ersten Schritt die pgesamt Merkmalsverteilungen schadstufenweise gruppiert und mit Hilfe ihrer Lage- bzw. Streuungsparameter hinsichtlich ihrer Trennschärfe geprüft. Offenkundig unwirksame Merkmale konnten somit in einem ersten Schritt ausgelesen werden.

Anschließend erfolgten exakte univariate Signifikanztests der verbleibenden empirischen Schadstufenmerkmale, um weitere Entscheidungsgrundlagen zur Indikation der kausal bedeutungsvollsten und somit prognosesichersten Merkmale bereitzustellen. Unter Beachtung der statistischen Verteilungseigenschaften der Klimaelemente kamen hierbei die Normalverteilung, Additivität sowie Homoskedastizität voraussetzenden ANOVA-Varianzanalysen zur Anwendung (Abbildung 1, links). Zur Beurteilung der natürliche a-priori-Ordnungen aufweisenden Bestandes- und Bodenmerkmale dienten hingegen nichtparametrische JONCKHEERE-TERPSTRA-Tests (Abbildung 1, rechts).

0,0

JVFSW JVFSWJVFSW JVFSWJVFSW JVFSW

T HO100 CN pH (KCl) nWSK pH(H2O) O Ol Of Oh

Abbildung 1: Schadstufen-Signifikanzprüfung der erhobenen Klima- bzw. Bestandesmerkmalsunterschiede Orientiert am Rang der tatsächlichen Irrtumswahrscheinlichkeiten und auf der Grundlage einer ökologisch begründeten Diskussion des verbliebenen Merkmalskomplexes sind sodann allein die trennfähigsten pi Merkmale der n Sitka-Fichtenbestände in den weiterem Analyseprozess einbezogen worden.

Die Gleichheitsprüfung ihrer Mittelwertvektoren (H0: µ1=µ2=µ3 = µ4) erfolgte mit Hilfe einer multivariaten Varianzanalyse MANOVA, basierend auf einem linearen Modell mit pi Variablen in J = 4 Klassen. H0 gilt, wenn die Bedingung f > Ff1,f2,α erfüllt ist. Ansonsten ist die Alternativhypothese (H1: µ1 ≠ µ2 ≠ µ3 ≠ µ4) anzunehmen.

Darüber hinaus sollte das Spurkriterium T2(y1,y2,…,yp)=Sp(HG-1) nach LAWLEY (1938) & HOTELLING (1951) als multivariates Trennmaß zur Bestätigung der schadstufenspezifischen quantitativen Merkmalsunterschiede herangezogen werden. Im Gegensatz zur F-Prüfstatistik charakterisiert es den gesamten linearen Merkmalsraum und liefert für unterschiedliche p und n vergleichbare Prüfwerte.

Die speziell für alle Einzelmerkmale (yi) und Merkmalspaare (yh, yi) hergeleiteten multivariaten Trennmaße T2(yi) bzw. T2(yh, yi) beschreiben die individuelle Trennfähigkeit einzelner Parameter oder ihrer Kombinationen.

Gleichzeitig quantifizieren sie ihren Vorhersagewert zur Einteilung der Sitka-Fichten-Schadstufen. In einer Trennmaßmatrix werden die besttrennenden Einzelmerkmale oder Merkmalskombinationen deutlich (Tabelle A-1).

Eine waldbaurelevante, präventive Schadstufenprognose ermöglichen die t= min(p, J-1)= 3 nichtelementaren linearen Diskrimanzfunktionen wi = a0 + a1y1 + a2y2 + … + apyp (Tabelle A-2). Unter Beachtung aller Merkmalskorrelationen gestatten die daraus resultierenden Rechenmaße wi eine zuverlässige quantitative Diskrimination der beobachteten Probebestände.

Der Anteil korrekter bzw. fehlerhafter Klassifikationen auf der Grundlage der in die Betrachtung einbezogenen Standortinformationen lässt sich somit berechnen (Tabelle A-3).

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4. Fazit

Die testweise Anwendung des geschilderten schrittweisen Verfahrens zur Auslese redundanter Standortmerkmale für das aktuelle Schadgeschehen in Sitka-Fichtenbeständen Mecklenburg-Vorpommerns hat gezeigt, dass sich die trennschärfsten Merkmale sinnvoll und ökologisch plausibel herausselektieren lassen.

Der Informationsgehalt vorliegender Merkmalsmengen lässt sich effektiv bewerten und biologisches Systemverhalten hinreichend genau beschreiben.

Die Entwicklung kleiner Merkmalsmengen mit hohem Informationsgehalt fördert die sichere Diskrimination stochastischer Zusammenhänge in einem Raum niedrigerer Dimension. Kostenintensive Primärdatensammlungen ohne zusätzlichen Erkenntnisgewinn können folglich vermieden werden.

5. Literatur

LAWLEY, D. N. (1938): A generalization of Fisher`s z-test. Biometrika 30. Correction: Biometrika 30: 467-469.

HOTELLING, H. (1951): A generalized T test and measure of multivariate dispersion. Proc. Second Berkeley Symposium on Mathematical Statistics and Probability.

AHRENS, H.; LÄUTER, J. (1974): Mehrdimensionale Varianzanalyse. Akademie-Verlag, Berlin.

6. Anhang

Tabelle A-1: Trennmaßmatrix-Muster der Einzelmerkmale (in der Hauptdiagonalen) und Merkmalspaare

C/N Oh

nWSK HO100

LF Winter-TMax Sommer-TMittel

Frühjahr-TMittel Veg.-per.-TMittel

Jahr-TMax

Jahr TMax Veg.-per.

TMittel Frühjahr

TMittel Sommer

Winter TMittel

TMax HO100

LF C/N nWSK

Oh

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Tabelle A-2: Koeffizienten der empirischen Diskriminanzfunktionen zur Berechnung der Rechenmaße wi

a7

LF a10

a9 a8 a6 a5 a4 a3 a2 a1 Oh

nWSKHO100C/N Winter-TMax Sommer-TMittel Frühjahr-TMittel Veg.-per.-T

Mittel

Jahr-TMerkmal yiMax w1 w2 w3

Tabelle A-3: Häufigkeitstabelle korrekter bzw. falscher Schadstufenprognosen bei der Diskrimination mit p Diskrimanzmerkmalen der n Probebestände

wahr

geschätzt

> 0

> 0 0

0

4 > 0

> 0

> 0 0

3 0

> 0

> 0

> 0

2 0

0

> 0

> 0

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