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3. KÜNSTLICHE UMWELTRADIOAKTIVITÄT 1 Luft und Niederschlag1 Luft und Niederschlag

3.3 Gewässer

3.3.2 Meerwasser, Schwebstoff, Sediment

Bearbeitet vom Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), Hamburg

Die Aktivitätskonzentrationen langlebiger künstlicher Radionuklide in der Nordsee werden seit vielen Jahren überwiegend durch die legalen Einleitungen radioaktiver Abwässer der europäischen Wieder-aufarbeitungsanlagen La Hague (Frankreich) in den Englischen Kanal und Sellafield (Großbritannien) in die Irische See bestimmt. Die künstliche Radioaktivität in der Ostsee wurde bis zum Unfall im Kern-kraftwerk Tschernobyl im Wesentlichen durch den Fallout der atmosphärischen Kernwaffentests der 60er Jahre bestimmt.

Die vorherrschenden Meeresströmungen verfrachten das durch die europäischen Wiederaufarbei-tungsanlagen kontaminierte Wasser in die Nordsee. Dort lassen sich zwei, durch künstliche Radionu-klide markierte, einströmende Wassermassen unterscheiden:

1. ein aus dem Englischen Kanal kommender Strom, der parallel zur Küstenlinie Belgien-Nieder-lande-Deutschland-Dänemark verläuft, und

2. der Einstrom im Bereich der Orkneyinseln, der sich zunächst entlang der ostschottischen Küste nach Süden und später über die mittlere Nordsee nach Osten in Richtung Skagerrak bewegt.

Entsprechend den unterschiedlichen Nuklidmustern der Einleitungen durch La Hague und Sellafield weisen diese beiden Wassermassen auch unterschiedliche Kontaminationen an künstlichen Radio-nukliden auf. In den letzten Jahren ist eine allgemeine Tendenz zur Abnahme der Einleitungen beider Wiederaufbereitungsanlagen zu erkennen, wobei die Einleitungen aus der Anlage Sellafield mit der Inbetriebnahme einer Ionenaustauscheranlage im Jahr 1985 außerordentlich stark zurückgingen. So nahm auch bis Anfang der neunziger Jahre die Aktivitätskonzentration an Cäsium-137 in der mittleren Nordsee mit einer durch die Strömung bedingten Zeitverzögerung von zwei bis drei Jahren kontinuier-lich ab. Seitdem sind die Konzentrationen auf sehr niedrigem Niveau nahezu konstant. Im Gegensatz zur allgemeinen Tendenz nahmen die Einleitungen der Anlage Sellafield ab dem Jahr 1993 für einige Radionuklide deutlich zu (Kohlenstoff-14, Strontium-90, Technetium-99 und Jod-129). Diese Ände-rung der Einleitungspolitik führte dazu, dass auch im Jahre 1997 ein signifikanter Anteil der Strahlen-belastung der sogenannten 'kritischen Gruppe', d.h. eine Gruppe von Personen, deren Lebensge-wohnheiten durch starken Verzehr von Meeresfrüchten gekennzeichnet ist, in der Nähe der Wieder-aufarbeitungsanlage durch das Nuklid Tc-99, welches sich durch starke Anreicherung in Muscheln und Schalentieren auszeichnet, hervorgerufen wurde. Die Gesamtaktivität der Einleitungen von La Hague lag ständig weit unter derjenigen von Sellafield. Beide Wiederaufarbeitungsanlagen erhöhen seit Jah-ren stark ihre Einleitungen an Tritium (H-3). Dieses Radionuklid wird im Meeresbereich als nicht relevant für die Strahlenbelastung des Menschen angesehen.

Das Monitoring der künstlichen Radioaktivität durch das BSH erstreckt sich in der Nordsee seit Jahren schwerpunktmäßig auf die Nuklide H-3, Cs-137, Sr-90 und einige Transurane (Plutonium-238, Plu-tonium-239+240 und Plutonium-241; Americium-241 und Curium-244). Diese Radionuklide werden als radiologisch relevant für eine Strahlenbelastung des Menschen aus der Meeresumwelt angesehen.

Darüber hinaus werden in gewissen Abständen die Nuklide Tc-99 und Antimon-125 gemessen.

In den Abbildungen 1 und 2 ist der zeitliche Verlauf der Cs-137 bzw. Sr-90 Aktivitätskonzentrationen an den Positionen der früheren Feuerschiffe "Elbe 1" und "Borkumriff" seit 1961 bzw. 1980 dargestellt. Die durch den Fallout von Tschernobyl in die Nordsee eingetragenen Nuklide wurden bereits weitgehend bis 1988 durch die Meeresströmungen entlang der norwegischen Küste in Richtung Nordmeer trans-portiert, so dass im Wasser der Nordsee im Jahr 1997 keine Rückstände von diesem Unfall mehr nachweisbar waren.

In den Abbildungen 3 - 9 sind die Aktivitätskonzentrationen von Cs-137, Sr-90, H-3, 239+240, Pu-238, Am-241 und Cm-244 in der südlichen Nordsee, dem Englischen Kanal und in der östlichen Bis-kaya im April 1997 dargestellt. Die Einleitungen aller Radionuklide mit Ausnahme von H-3 durch die WAA La Hague sind in den Jahren 1991 bis 1997 sehr gering im Vergleich zu den Vorjahren gewesen.

Trotzdem ist in den Abbildungen 3 - 9 ein deutlicher Anstieg sämtlicher untersuchter Radionuklide im

In den Abbildungen 10 - 17 sind die Aktivitätskonzentrationen von Cs-137, Sr-90, H-3, Tc-99, Pu-239+240, Pu-238, Am-241 und Cm-244 in der südlichen und östlichen Nordsee, der englischen Ostküste und den Gewässern um die Orkneys im November 1997 dargestellt.

Es zeigt sich, dass die Aktivitätskonzentrationen für alle betrachteten Nuklide in der Nordsee um den Faktor 2-5 über denen des einströmenden Atlantikwassers lagen. Dabei sind die Konzentrationen in der Nordsee während der 90er Jahre für fast alle Nuklide konstant und deutlich niedriger als in den Jahren zuvor. Die Quelle für die meisten der hier gefundenen Nuklide, insbesondere von Cs-137 und der Transurane, liegt in der Resuspension des Sedimentes in der Irischen See und nicht in den derzei-tigen Einleitungen der WAA Sellafield. Das Sediment der Irischen See ist durch Einleitungen in den siebziger Jahren stark kontaminiert.

Eine Ausnahme stellt Tc-99 dar (Abb. 13). Die in der südlichen Nordsee gefundenen Konzentrationen liegen im Jahr 1997 signifikant über vergleichbaren Werten aus den Jahren 1990-93, die aus Einlei-tungen der WAA La Hague herrührten.

Zusammenfassend kann man festhalten, dass in der Nordsee

1. trotz der Einleitungen der Wiederaufarbeitungsanlagen die höchsten Aktivitätskonzentrationen an Cs-137 im Skaggerak durch abfließendes Ostseewasser auftreten. Die Ostsee stellt derzeit, und für die nächsten Jahre, die stärkste Quelle für Cs-137 in der Nordsee dar.

2. die Einleitungen an Sr-90 der WAA La Hague gegenüber den Erhöhungen der Jahre 1991/92 wieder zurückgegangen sind. Die zunehmenden Sr-90 Einleitungen der WAA Sellafield sind erst-mals im Frühjahr 1996 in der südlichen zentralen Nordsee nachgewiesen worden.

3. die Einleitungen an Tc-99 der WAA Sellafield trotz des wesentlich längeren Transportweges zu höheren Konzentrationen in der Nordsee führen als dies für Einleitungen der WAA La Hague An-fang der neunziger Jahre nachgewiesen wurde.

In die Ostsee werden diese kontaminierten Wassermassen aus der Nordsee nur zu einem geringen Teil durch besondere Wetterlagen und hydrographische Bedingungen verfrachtet. Die Aktivitäts-konzentration an Cs-137 nahm vor dem Reaktorunfall von Tschernobyl entsprechend dem abnehmen-den Salzgehalt in Richtung Bottnischer Meerbusen ab, so dass in der Bottenwiek 1983 nur eine Kon-zentration von 6 bis 10 Bq/m³ bestimmt wurde.

Der Unfall im Kernkraftwerk Tschernobyl am 26. April 1986 hat das Inventar an künstlichen Radionuk-liden in der Ostsee drastisch erhöht. Langfristig sind - wie auch an Land - im Meeresbereich nur die Nuklide Cs-134 und Cs-137 von größerem Interesse, die bei dem Unfall 1986 in einem Aktivitäts-verhältnis von etwa 0,5 freigesetzt wurden. Die Ostsee ist noch heute, neben dem Schwarzen Meer und der Irischen See, das Seegebiet mit den höchsten Konzentrationen an künstlichen Radionukliden in der Welt.

Abbildung 18 stellt den Verlauf der Aktivitätskonzentrationen von Cs-137 und Sr-90 an der Position Schleimündung in der Ostsee seit 1961 dar. Deutlich zu erkennen sind die höheren Konzentrationen beider Nuklide in den sechziger Jahren und an Cs-137 seit dem Tschernobyl-Unfall. Die jahreszeitli-chen Schwankungen der Cs-137-Konzentration an der Position "Schleimündung" (54°40'N, 10°05'E) sind durch den jahreszeitlich schwankenden Ein- und Ausstrom des Ostseewassers bestimmt. Der Ausstrom von durch den Reaktorunfall von Tschernobyl höher kontaminierten Wassermassen aus der Ostsee in die Oberflächenschicht des Kattegat und Skagerrak ist auch in den Abbildungen 3 und 8 zu erkennen.

Durch den im Jahresmittel sehr geringen Wasseraustausch der Ostsee mit der Nordsee durch die dänischen Meerengen ist die durch Tschernobyl eingetragene Aktivität im Wasser der Ostsee über einen längeren Zeitraum verblieben. Die Zeit für einen vollständigen Wasseraustausch der Ostsee wird mit 20 bis 30 Jahren angenommen.

In den Abbildungen 19 und 20 sind die Aktivitätskonzentrationen von Cs-137 und Sr-90 in der westli-chen und südliwestli-chen zentralen Ostsee im Juni 1997 dargestellt.

Die Aktivitätskonzentrationen von Cs-137 lagen im untersuchten Gebiet der Ostsee zwischen 55 und 79 Bq/m³ (Abb. 19). Obwohl die Kontamination der westlichen Ostsee sich gegenüber den Vorjahren verringert hat, ist sie immer noch 10 mal höher als die der Deutschen Bucht in der Nordsee. Die Was-sersäule der Ostsee zeigt mittlerweile bis hinunter zum Meeresboden eine sehr homogene Kontamina-tion auf. Die Sr-90-AktivitätskonzentraKontamina-tion im Wasser der Ostsee ist durch den Reaktorunfall von Tschernobyl kaum beeinflusst. Deutlich ist der Einstrom von Nordseewasser mit geringem Cs-137-und Sr-90-Gehalt im Bodenwasser der Dänischen Meerengen zu erkennen.

Die langjährige Entwicklung der mittleren Tritiumgehalte der Deutschen Bucht und der westlichen Ostsee (Abb. 21) zeigt für die Ostsee einen stark rückläufigen Trend, der auf die abnehmende Kon-zentration im Süßwassereintrag zurückzuführen ist. Die Ursache für ansteigende Tritiummesswerte in der Deutschen Bucht in den Jahren 1993 bis 1997 sind die deutlich höheren Einleitungen der WAA La Hague.

Sedimente

Das Sediment ist eine wesentliche Senke für den Verbleib von in das Meer eingetragenen Schadstof-fen. Je nach chemischen Eigenschaften der Elemente und je nach Schwebstoffbeschaffenheit reichern sich die radioaktiven Nuklide durch Sedimentation am Meeresboden an. Für eine Reihe von Nukliden bedeutet diese Anreicherung einen weitgehend irreversiblen Prozess, durch den die Radioaktivität der Wassersäule "ausgekämmt" und in der Meeresbodenoberfläche konzentriert wird.

Die Oberflächensedimente der Ostsee weisen höhere spezifische Aktivitäten als diejenigen der Nord-see auf. Diese Aussage gilt in den meisten Fällen auch für die natürlichen Radionuklide. Einerseits ist dieser Effekt darauf zurückzuführen, dass die Korngröße der meist schlickigen Sedimente in der Ost-see kleiner ist, andererseits liegt dies auch darin begründet, dass die geringere Turbulenz im Wasser der Ostsee zu einem Sedimentieren der feinen Partikel führt. Auch die höhere Flächendeposition des Tschernobyl-Eintrages auf das Gebiet der westlichen Ostsee spiegelt sich in den erhöhten Aktivitäten wider.

Die Entwicklung der Belastung der Sedimentoberflächen der westlichen Ostsee durch das Nuklid Cs-137 für die Jahre 1987 bis 1997 ist in Abbildung 22 dargestellt. Die hier dargestellten Stationen sind Bestandteil des Monitoring-Programms im Rahmen der Helsinki-Konvention zum Schutz der Umwelt im Ostseebereich. Scheinbar ist zu erkennen, dass eine hohe Anreicherung (mit Messwerten bis 209 Bq/kg Trockenmasse) vom geographischen Ort der Sedimentprobenentnahme abhängt, d.h. man kann eine Zunahme der Kontamination in westlicher Richtung erkennen. Dabei ist jedoch zu beden-ken, dass auf den Stationen im östlichen Teil des dargestellten Gebietes (Fehmarnbelt, Mecklenburger Bucht und Arkona) Sedimente mit einem hohen Sandanteil vorliegen. Auf den Stationen mit höheren Cs-137-Gehalten (z.B. Neustädter Bucht, Kieler Förde) liegen schlickige Sedimente mit besonders großem Feinkornanteil vor. Auf den letztgenannten Stationen kann man für die Jahre nach 1987 eine ansteigende Tendenz beobachten, die in den 90er Jahren in eine Stagnationsperiode mit teilweise leichtem Rückgang übergeht.

1 10 100 1000 10000

61 65 69 73 77 81 85 89 93 97

Bq/m³ Elbe1

Borkumriff

BSH

Der zeitliche Verlauf der Aktivitätskonzentration von Cäsium-137 (Bq/m3) im Oberflächenwasser an zwei Positionen in der Deutschen Bucht

seit 1961

1

0 15 30 45 60 75 90

1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996

Bq/m³ Elbe1

Borkumriff

BSH

Der zeitliche Verlauf der Aktivitätskonzentration von Strontium-90 (Bq/m3)

im Oberflächenwasser an zwei Positionen in der Deutschen Bucht seit 1980

2

Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie, Hamburg & Rostock

Oberflächenwasser, 0 - 10 m Schicht