• Keine Ergebnisse gefunden

Massnahmen gegen Übertemperaturen

Im Dokument Projekt Solaranlage (Seite 57-65)

Schutzmassnahmen gegen Übertemperaturen und Dampfbildung sind wesentliche Bestandteile jeder Solaranlage. Übertemperaturen und Dampf-bildung sind ein Sicherheitsrisiko und können zu Materialschäden, Mediumsverlusten und Be-triebsunterbrüchen führen. Bei der Vermeidung von Übertemperaturen geht es vor allem um den Schutz des Sanitärsystems – der Speicher soll nicht über die zulässigen 95 °C und in Gebieten mit hartem Wasser nicht regelmässig über 60 °C auf-geheizt werden. Eine Dampfbildung an den Zapf-stellen soll unter allen Umständen verhindert wer-den.

Übertemperaturen und Dampfbildung im Kollek-torkreis haben im wesentlichen zwei Ursachen:

• Im Gegensatz zum Heizkessel, der bei fehlen-dem Bedarf abgeschaltet wird, liefert die Sonne auch dann Wärme, wenn diese nicht direkt ver-wertet werden kann. Im besonderen gilt dies für Anlagen mit stark schwankendem Verbrauchs-profil wie z.B. bei markanter Teilzeitnutzung.

• Stromausfall oder Defekte an der Anlage kön-nen zu ungewolltem Anlagenstillstand führen.

Ein funktionierendes Überhitzungskonzept ist umso wichtiger, je leistungsfähiger der Sonnen-kollektor und je geringer die Speicherkapazität ist:

Zunächst gilt es, möglichst viel der eingestrahlten Sonnenenergie direkt zu verwerten oder für eine spätere Verwertung zu speichern. Der Speiche-rung von thermischer Energie sind allerdings

tech-nische und in der Praxis auch räumliche und finan-zielle Grenzen gesetzt. Eine zusätzliche Möglich-keit besteht darin, eine thermische Solaranlage abzuschalten, wenn die eingestrahlte Wärme nicht mehr verwertet werden kann. Voraussetzung dazu ist, dass die Temperatur im Kollektor nicht über den Siedepunkt steigt. Bei Anlagen mit Niedertem-peraturabsorber ist dies grundsätzlich der Fall.

Auch Flachkollektoren mit Stagnationstemperatu-ren unter 140°C und Vakuumröhren-Kollektoren mit eingebauter Temperaturbegrenzung unter 140°C können in geschlossenen Anlagen bei Errei-chen der Solltemperatur abgestellt werden, sofern der von der Art und Konzentration des Frostschutz-mediums abhängige, zur Verhinderung von Dampfbildung nötige minimale Überdruck im Kol-lektor gewährleistet ist. Die heute meistverwende-ten Flachkollektoren erreichen allerdings Stagna-tionstemperaturen von 160° bis 200␣°C, Vakuum-röhren-Kollektoren sogar solche von weit über 200

°C, was ein Abstellen der Anlagen erschwert oder gar verunmöglicht. Um auch bei (ungewolltem) Anlagestillstand ein Verdampfen des Wärmeträ-gers zu vermeiden, müssen hier besondere Strate-gien für den Überhitzungsschutz getroffen wer-den. Als minimale Schutzeinrichtung dient ein Si-cherheitsventil, welches bei allfälligem System-überdruck wegen Dampfbildung in den Kollekto-ren Frostschutzgemisch in ein Auffanggefäss ab-lässt.

Die folgende Tabelle zeigt die empfohlenen Mass-nahmen für verschiedene Objekte mit unter-schiedlichem solaren Deckungsgrad und Nut-zungsdauer.

Nutzung der Solaranlage Solarer Deckungs- grad

2.9.1 – Kollektor-wahl und System-auslegung 2.9.2 – Abstellen

mit Verdampfen des Mediums

2.9.3 – Abstellen

ohne Verdampfen des Mediums 2.9.4 – Rückkühlen des Speichers 2.9.5 – Zusatz-verbraucher zuschalten 2.9.6 – Thermische

Ablaufsicherung 2.9.7 – Regel-technische Massnahmen 2.9.8 – Entleeren

■ empfohlene Massnahme ❑ mögliche Massnahme

,Warmwasser< 40%❑❑■ Warmwasser> 40%■❑❑ Heizung❑❑■ Warmwasser< 35%❑■❑ Warmwasser> 35%■❑■❑ Heizung❑■■❑ Warmwasser< 35%❑❑■❑ Warmwasser> 35%■■■❑ Heizung❑❑■❑ Warmwasser❑■■■❑ Heizung❑❑■❑ Warmwasser❑■❑■❑❑ Heizung❑❑■❑ Warmwasser< 35%❑■❑ Warmwasser> 35%■❑■❑ Heizung❑❑■❑ Warmwasser❑■❑❑❑ Beckenwasser■❑❑ eilzeitnutzungWarmwasser❑■❑■❑❑ .Heizung❑■❑

Abbildung 2.32

Spezifische Leistung unterschiedlicher Kollektortypen bei einer Einstrahlung von 1000 W/m2

2.9.1 Kollektorwahl und Systemauslegung Je nach Kollektor-Wirkungsgrad, Speichergrösse und Wärmeverlust des Systems ergeben sich un-terschiedliche maximale Kollektorkreis- und Spei-chertemperaturen. Für die Vermeidung von zu hohen Systemtemperaturen bzw. Dampfbildung während dem Pumpenbetrieb ist die sogenannte Gleichgewichtstemperatur des Systems massge-bend. Sie ist dann erreicht, wenn die Kollektorlei-stung der VerlustleiKollektorlei-stung im gesamten System entspricht. Je schlechter der Kollektor-Wirkungs-grad, desto tiefer liegt die Gleichgewichtstempera-tur. In Anlagen mit unverglasten Absorbern oder mit nicht selektiven, einfachverglasten Flachkol-lektoren liegen die Gleichgewichtstemperaturen in der Regel unter 100 °C. Für die Vermeidung von Dampfbildung im Kollektor bei ungewolltem Anla-gen-Stillstand ist die Stagnationstemperatur bei vorhandenem Systemdruck und Frostschutzmedi-um entscheidend. Sie ist dann erreicht, wenn die Absorberleistung der Verlustleistung des Kollek-tors entspricht. Je schlechter der k-Wert des

Kol-lektors, desto tiefer die Stagnationstemperatur.

Anlagen können als eigensicher bezeichnet wer-den, wenn die Gleichgewichtstemperatur unter 100 °C beträgt und die Stagnationstemperatur so tief liegt, dass bei Anlagen-Stillstand und fehlen-dem Überdruck im Kollektor eine Dampfbildung ausgeschlossen ist. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob alle eingesetzten Materialien den maximal auftre-tenden Temperaturen widerstehen (z.B. Beschich-tung von Wassererwärmern, RohrleiBeschich-tungen, usw.).

Vorteil:

• Bei Gleichgewichtstemperaturen unter 100 °C kann der Speicher nie überhitzen. Bei der Ver-wendung von Kollektoren mit einer Stagnati-onstemperatur unter 120°C kann die Anlage abgestellt werden. (Störfallsicherheit)

Nachteil

• Es können keine modernen Hochleistungs-Kol-lektoren, die zu System-Gleichgewichtstempe-raturen über 100 °C führen, eingesetzt werden.

Niedertemperatur-Absorber Niedertemperaturabsorber selektiv Flachkollektor, einfachverglast

Flachkollektor, einfachverglast, selektiv Vakuumröhrenkollektor, direktdurchflossen Vakuumröhrenkollektor, Heat-Pipe

Temperaturdifferenz Kollektor zu Umgebungsluft (K)

Leistung W/m2

2.9.2 Abstellen der Anlage mit Verdamp-fen des Wärmeträgers

Wird die Kollektoranlage bei Erreichen der Soll-temperatur abgestellt, kann der Wärmeträger im Kollektor verdampfen. Das Expansionsgefäss muss das verdrängte Medium aufnehmen können.

Um grosse (und teure) Expansionsgefässe zu ver-meiden, soll der Betriebsdruck und der entspre-chende Expansionsvordruck so weit als möglich unter dem Ansprechdruck des Sicherheitsventils liegen. Das Wärmeträgermedium muss für die maximal auftretende Stagnationstemperatur im Kollektor zugelassen sein. Es ist mit einer entspre-chenden Steuerungsfunktion zu vermeiden, dass die erneute Inbetriebnahme der Anlage zu einem Zeitpunkt erfolgt, indem der Kollektor immer noch überhitzt ist und dadurch die Gefahr von Dampf-schlägen besteht.

Vorteil:

• Der Speicher kann knapp dimensioniert werden.

Nachteile:

• Grosses Expansionsgefäss nötig; grosse Mate-rialbelastung durch hohe Temperaturen.

• Die Anlage darf erst wieder angefahren werden, wenn die Temperatur im Kollektor unter den Verdampfungspunkt des Wärmeträgers gefal-len ist (Gefahr von Dampfschlägen).

• Die meisten gebräuchlichen Frostschutzmedien auf Glykolbasis sollten nicht über 140 °C erhitzt werden.

2.9.3 Abstellen der Anlage ohne Verdamp-fen des Mediums

Mit der Wahl eines hohen Systemdrucks wird die Verdampfungstemperatur des Frostschutzme-diums erhöht. Wird bei Wasser-Glykol-Mischun-gen zusätzlich der Glykol-Anteil erhöht, steigt die Verdampfungstemperatur weiter an (siehe Dampf-druckkurve des verwendeten Wärmeträgers). Wer-den diese beiWer-den Massnahmen parallel ange-wandt, genügt ein Druck zwischen 3 und 6 bar im Kollektor, um ein Verdampfen des Wärmeträgers bei Kollektor-Stagnationstemperaturen zu verhin-dern.

guten Werte von Ethylen- oder Propylenglykol-Mischungen und weisen zudem andere Nachteile auf.

Vorteile:

• Einfache Möglichkeit, die Anlage abzustellen.

• Der Speicher kann knapp ausgelegt werden.

• Anlage kann in jedem Zeitpunkt wieder ange-fahren werden.

Nachteile:

• Die gebräuchlichen Frostschutzmedien auf Gly-kolbasis dürfen nicht über 140 °C erhitzt werden.

• Je nach Medium ist eine erhöhte Druckbestän-digkeit sämtlicher Komponenten nötig.

• Glykolkonzentrationen über 50% sind uner-wünscht, da sich die physikalischen Eigenschaf-ten mit zunehmender Glykolkonzentration ver-schlechtern.

2.9.4 Rückkühlen des Speichers

Sonnenkollektoren können nicht nur Energie ge-winnen, sie können auch zur Wärmeabgabe, d.h zum Kühlen, eingesetzt werden. Der Speicher wird – falls die Speichertemperatur über den eingestell-ten Sollwert steigt – in der Nacht über das Kollek-torfeld wieder rückgekühlt. Das Rückkühlvolumen sollte im Normalfall mindestens 50 l pro m2 Absor-berfläche betragen. Da die Rückkühlung des Spei-chers erst in der Nacht erfolgen kann, ist es mög-lich, dass die Speichertemperatur während des Tages trotzdem über den gewünschten Maximal-wert steigt. Im unteren Speicherbereich ein-gebaute Wärmetauscher können hingegen den Speicher nur ungenügend rückkühlen. Eine Um-schichtungspumpe, mit welcher das gesamte Speichervolumen im Rückkühlmodus umgewälzt wird, schafft hier Abhilfe (benötigte Fördermenge:

ca. 20 l/m2h).

Vorteil:

• Einfache Massnahme Nachteile:

• Innenbeschichtungen und Dämmaterialien von Speichern müssen gegen hohe Temperaturen (bis ca. 100 °C) beständig sein.

• Höhere Temperaturen können zu verstärkter Verkalkung der Wärmetauscher führen.

Abbildung 2.33

Rückkühlfunktion mit Umschichtungspumpe

• Heat-Pipe-Vakuumröhren-Kollektoren sind für diese Massnahme ungeeignet (thermische Diode!).

2.9.5 Zusatzverbraucher zuschalten

Eine gängige Massnahme ist das Zuschalten eines zusätzlichen Verbrauchers oder einer Kühlmög-lichkeit nach dem Erreichen des Sollwertes im Speicher. Als solche bieten sich an: WW-Zirkula-tion, Heizkessel (Rücklauf-Hochhaltung falls vor-handen entsperren), Fussbodenheizung (z.B. Ba-dezimmer), einzelne Heizkörper (z.B. Trocknungs-raum), Lufterhitzer, Schwimmbad. In Wärmepum-pen-Anlagen mit Erdsonden kann auch die Erdson-de mit Sonnenenergie erwärmt werErdson-den.

Vorteile:

• Vorhandene Infrastruktur kann genutzt werden.

• Evtl. Zusatznutzen z.B. bei Schwimmbädern, Erdsonden und Heizkörpern in Kellerräumen Nachteile:

• Wärmeabgabe, wenn diese nicht unbedingt er-forderlich wäre.

• Steuerungstechnische Massnahmen erforder-lich, evtl. zusätzliche Kühlsysteme nötig.

Abbildung 2.34

Lufterhitzer als Kühlmöglichkeit

Abbildung 2.35

Thermische Ablaufsicherung

2.9.6 Thermische Ablaufsicherung

In Holzheizkesseln gehören thermische Ablaufsi-cherungen zum Sicherheitsstandard. Für Solaran-lagen kann ebenfalls eine thermische Ablaufsiche-rung zum Schutz vor Überhitzung eingebaut wer-den. Vorteilhaft ist der Einsatz eines Ventils mit frei einstellbarer Ansprechtemperatur (zwischen 60 und 90 °C). Um einen hohen Wasserverbrauch zu vermeiden, sollte diese Massnahme nur zusam-men mit anderen Sicherheitsmassnahzusam-men reali-siert werden.

Vorteile:

• Relativ einfache und kostengünstige Massnah-me

• Als Sicherheitseinrichtung bei direkt durchflos-senen Vakuumröhren-Kollektoren empfohlen Nachteile:

• Zusätzlicher Wasserverbrauch

• Die hohen Temperaturen führen unter Umstän-den zu SchäUmstän-den an Umstän-den Werkstoffen der Kanali-sationsleitungen.

2.9.7 Regeltechnische Massnahmen

Die Kollektorleistung ist abhängig von der Kollek-tortemperatur. Diesen Effekt kann man nützen, um die Kollektorleistung mit regeltechnischen Mass-nahmen zu begrenzen. Beim Erreichen eines be-stimmten Speichersollwertes wird die Pumpe des Kollektorkreises abgeschalten. Die Pumpe läuft erst wieder an, wenn der Kollektor eine definierte Temperatur (z.B. die maximal zulässige Mediums-oder die Kollektorkreis-Temperatur) überschreitet.

Der Kollektorertrag wird so reduziert.

Vorteile:

• Die Kollektorleistung wird begrenzt.

• Kleinere Pumpenlaufzeiten, dadurch kleinerer Verbrauch an Hilfsenergie

Nachteile:

• Erhöhte Materialbelastung

• Diese Lösung darf nur zusammen mit zusätz-lichen Sicherheitsmassnahmen ausgeführt werden.

2.9.8 Entleeren der Kollektoren (Drain-back-System)

Im Anlagenstillstand werden die Kollektoren in ein Gefäss mit mindestens dem Volumen des Kollek-torinhalts entleert. Das System ist geschlossen. Es kann kein Luftsauerstoff in die Anlage dringen.

Vorteile:

• Die Anlage kann abgestellt werden.

• Als Medium kann Wasser eingesetzt werden, falls sich das Rückflussgefäss in einem frostfrei-en Raum befindet.

Nachteile:

• Die Lösung ist nicht für alle Kollektortypen ge-eignet (Die vollständige Entleerung der Kollek-toren muss garantiert sein; dies ist in grösseren Anlagen generell schwierig).

• Handelsübliche Umwälzpumpen sind eher schlecht geeignet, um den nötigen statischen Druck zur Wiederbefüllung aufzubringen.

• Die Hydraulik des Kollektorkreises ist an-spruchsvoll: Unter anderem darf die Anlage erst wieder angefahren werden, wenn die Kollektor-temperatur unter den Verdampfungspunkt des Mediums gefallen ist.

2.9.9 Entleeren der Kollektoren (Drain-down-System)

Dieses in der Schweiz kaum gebräuchliche System kann angewendet werden bei Anlagen zur Warm-wasser-Bereitung ohne Systemtrennung mit Wär-metauscher. Bei Anlagenstillstand werden die Kol-lektoren über Magnetventile entleert. Beim Start der Anlage wird der Kollektorkreis mit Netzdruck wieder gefüllt.

Vorteile:

• Betriebsmedium: Wasser

• Temperatur-Sollwert genau einhaltbar Nachteile:

• Je nach Wasserqualität ist eine Verkalkung der Kollektoren möglich.

• Es sind nur netzdruckbeständige Kollektoren in Kupfer oder Chromstahl (Korrosionsgefahr!) verwendbar, welche sauber entleert werden können.

• Komplexe Steuerung; anspruchsvolle Kollektor-kreis-Hydraulik.

Abbildung 2.37 Drain-down-System Abbildung 2.36

Drain-back-System

Einleitung 67

Im Dokument Projekt Solaranlage (Seite 57-65)