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II. Begründung

4. Rechtliche Beurteilung

4.6. Marktdefinition

4.6.1. Allgemeines

Gemäß § 36 Abs. 2 TKG 2003 hat die Regulierungsbehörde im Verfahren nach Abs. 1 leg. cit.

zunächst „von Amts wegen mit Bescheid die der sektorspezifischen Regulierung unterliegenden relevanten Märkte entsprechend den nationalen Gegebenheiten und im Einklang mit den Grundsätzen des allgemeinen Wettbewerbsrechts unter Berücksichtigung allfälliger geografischer Besonderheiten in Bezug auf die Wettbewerbssituation sowie der Erfordernisse sektorspezifischer Regulierung festzustellen.“

Die Feststellung der relevanten Märkte durch die Regulierungsbehörde hat gemäß § 36 Abs. 3 TKG 2003 unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der Europäischen Union zu erfolgen. Dabei kommen nur Märkte in Betracht, die durch beträchtliche und anhaltende strukturell oder rechtlich bedingte Marktzutrittsschranken gekennzeichnet sind, längerfristig nicht zu wirksamem Wettbewerb tendieren und auf denen die Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts allein nicht ausreicht, um dem betreffenden Marktversagen entgegenzuwirken.

Die in § 36 Abs. 3 zweiter Satz TKG 2003 genannten Kriterien entsprechen im Wesentlichen jenen in Ziffer 2 der Märkteempfehlung 2014, auf welche gemäß § 36 Abs. 3 erster Satz TKG 2003 Bedacht zu nehmen ist.

Die KommAustria hat daher – unter Bedachtnahme gemäß § 36 Abs. 3 TKG 2003 auf die SMP-Leitlinien – zunächst unter Anwendung des sogenannten „Hypothetischen Monopolistentests“

jene Märkte für die Verbreitung von Rundfunk im Sinne des BVG-Rundfunk oder Rundfunkzusatzdienste abzugrenzen, die grundsätzlich für eine Regulierung in Frage kommen, und in einem zweiten Schritt festzustellen, welche von diesen „Kandidatenmärkten“ betreffend die Verbreitung von Hörfunksignalen nach den Kriterien gemäß § 36 Abs. 3 zweiter Satz TKG 2003 für die sektorspezifische Regulierung relevant sind.

Vorauszuschicken ist, dass die Europäische Kommission schon in ihrer Empfehlung vom 11.02.2003 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -Dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen (2003/311/EG, im Folgenden:

Märkteempfehlung 2003) lediglich einen Großkundenmarkt „Rundfunk-Übertragungsdienste zur Bereitstellung von Sendeinhalten für Endnutzer“ („Markt 18“) festgelegt hat, der im Übrigen in den späteren Märkteempfehlungen entfallen ist (vgl. dazu die Ausführungen unter 4.6.4).

In der Erläuterung zu dieser Märkteempfehlung 2003 wurde dazu festgehalten (S. 36 f), dass Endnutzermärkte im Bereich der Rundfunkübertragung in der Bereitstellung von Hör- und

Fernsehfunkdiensten bestünden und frei ausgestrahlte Sendungen, Abonnementfernsehen und Pay-TV sowie die Übertragung interaktiver Dienste umfassten. Der Begriff der „Elektronischen Kommunikationsdienste“ umfasse Übertragungsdienste in Rundfunknetzen, schließe aber eine Kontrolle der über elektronische Kommunikationsnetze und –dienste übertragenen Inhalte aus.

Der Rechtsrahmen für die elektronische Kommunikation betreffe daher nicht die Bereitstellung von Rundfunkdiensten, sondern die hierfür verwendeten Netze und zugehörigen Einrichtungen.

Bei den genannten Diensten (Veranstaltung von Hörfunk und Fernsehen, Bereitstellung von Zusatzdiensten) handelt es sich gemäß § 3 Z 9 TKG 2003 nicht um Kommunikationsdienste im Sinne des TKG 2003. Sie unterliegen nicht dem TKG 2003. Vor dem Hintergrund, dass die Rundfunkveranstalter nicht dem TKG 2003 und somit nicht der sektorspezifischen Regulierung nach dessen 5. Abschnitt unterliegen, ist im gegenständlichen Verfahren nach § 36 Abs. 1 TKG 2003 nicht auf diese Märkte einzugehen.

4.6.2. Marktabgrenzung

Wie sich aus den Feststellungen (vgl. oben 2.1.1.5) ergibt, kommen aus ökonomischer Sicht folgende Vorleistungsmärkte zur Verbreitung von Hörfunksignalen für die sektorspezifische Regulierung in Frage:

 Vorleistungsmarkt analoge terrestrische Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden mittels UKW

 Vorleistungsmarkt Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden über sonstige Übertragungswege

In ihrer Stellungnahme im Rahmen des Koordinierungsverfahrens gemäß § 129 TKG 2003 zum Entwurf der RFMVO 2009 vom 15.04.2009, SG-Greffe (2009) D/226 K(2009)2998, hat die Europäische Kommission zur Marktabgrenzung im Wesentlichen angemerkt, dass die KommAustria bei zukünftigen Marktabgrenzung die Entwicklungen am Markt in Bezug auf den Wettbewerb bei Infrastruktur und Diensten genau beobachten und neu bewerten müsse. Falls Rundfunkübertragungsdienste, die über verschiedene Plattformen erbracht würden, sich in solch einem Umfang entwickelten, dass sie zu bestandsfähigen Substituten würden, sodass die terrestrische Plattform keinen Markt für sich bilden würde und dadurch ein Wettbewerbsdruck auf dem Endkundenmarkt ohne Regulierung möglich werde (sodass das erste und oder zweite Kriterium nicht mehr erfüllt wäre), solle die KommAustria ihre Marktabgrenzung einer entsprechenden Überprüfung unterziehen.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, haben sich die Substitutionsbeziehungen zwischen den einzelnen Plattformen bzw. Übertragungswegen – trotz insbesondere der fortschreitenden Digitalisierung im Bereich der Hörfunkübertragung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht substantiell geändert: Es besteht weiterhin eine solche Dominanz des terrestrisch analogen Hörfunks, dass für Nachfrager (Hörfunkveranstalter) keine Alternative zu dieser Verbreitungsart besteht.

Insbesondere ist in den Vorleistungsmarkt zur Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden weiterhin nach der derzeitigen Marktlage die digitale terrestrische Übertragung im Standard DAB+ nicht einzubeziehen: Zwar wurde erstmals in Österreich mit Bescheid der KommAustria vom 14.12.2017, KOA 4.530/17-005, eine Zulassung für den regulären Betrieb einer Multiplex-Plattform für digitalen terrestrischen Hörfunk im Standard DAB+ erteilt; diese Zulassung wurde für

einen Zeitraum von 10 Jahren ab 03.04.2018 für den Großraum Wien und in Teilen des Wiener Umlandes mit einer technischen Reichweite von rund 2,25 Millionen Menschen erteilt. Jedoch ist aufgrund der lokalen Begrenztheit, der geringen Endgerätepenetration und der gerade stattfindenden Markteinführung derzeit nicht davon auszugehen, dass DAB+ schon ein Substitut darstellt. Eine weitere Ausschreibung für eine bundesweite Multiplexzulassung ist bereits am 31.01.2017 erfolgt, das Verfahren ist aber noch nicht abgeschlossen. Es ist damit zu rechnen, dass durch den Start eines bundesweiten Regelbetriebs, welcher durch eine längere Simulcast-Phase charakterisiert sein wird, mittelfristig für die Verbreitung einzelner Hörfunkprogramme eine Substitutionsmöglichkeit zur analogen Verbreitung entstehen könnte.

Gemäß den SMP-Leitlinien (Rz 20) soll die Regulierungsbehörde bei der Durchführung der Marktanalyse den relevanten Markt vorausschauend und strukturell evaluieren, wobei sie sich auf die bestehenden Marktverhältnisse stützen soll. Angesichts der lokalen Begrenztheit der einzigen bisher erteilten Plattformzulassung und des Fehlens einer Zulassung zum Betrieb eines bundesweiten Multiplex im Standard DAB+ ist aktuell davon auszugehen, dass weder ein eigener Vorleistungsmarkt digitale terrestrische Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden im Standard DAB+ in Österreich besteht, noch dass die digitale terrestrische Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden im Standard DAB+ ein Substitut für die Verbreitung über UKW darstellt.

4.6.3. Drei-Kriterien-Test

Hinsichtlich der abgegrenzten Märkte ist zu prüfen, ob diese für eine sektorspezifische ex-ante-Regulierung relevant sind. Das ist nur dann der Fall, wenn – kumulativ – folgende drei Kriterien (vgl. § 36 Abs. 3 zweiter Satz TKG 2003 und Ziffer 2 Märkteempfehlung 2014) erfüllt sind:

1. Es existieren hohe und dauerhafte Marktzutrittsbarrieren. Diese können struktureller, rechtlicher oder regulatorischer Natur sein.

2. Eine Marktstruktur, welche innerhalb des relevanten Betrachtungszeitraums nicht zu effektivem Wettbewerb tendiert. Die Anwendung dieses Kriteriums beinhaltet die Überprüfung der wettbewerblichen Situation hinter den Marktzutrittsbarrieren.

3. Das allgemeine Wettbewerbsrecht alleine ist nicht ausreichend, um die auftretenden Wettbewerbsprobleme angemessen zu adressieren.

Von den unter 4.6.2 genannten Märkten war gemäß der nach der Rechtslage vor der Novelle BGBl. I Nr. 102/2011 erlassenen RFMVO 2009 im Bereich Hörfunk lediglich der Markt für analoge terrestrische Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden mittels UKW als „relevanter Markt“ festgelegt.

Vorleistungsmarkt analoge terrestrische Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden mittels UKW

Anbieter auf diesem Markt sind all jene Unternehmen, die Hörfunkübertragung zum Endkunden mittels der analogen terrestrischen Übertragungstechnologie UKW anbieten. Nachfrager sind jene Unternehmen bzw. Programmveranstalter, die die Übermittlung der von ihnen gestalteten Radioprogramme zum Endkunden nachfragen. Der Markt beinhaltet – in Entsprechung der Entscheidung der Europäische Kommission vom 12.01.2018, C (2018), 63 final – auch Eigenleistungen, also jene Leistungen, welche sich ein Anbieter für die Ausstrahlung eines eigenen Hörfunkprogramms selbst bereitstellt oder – vor dem Hintergrund des Prinzips der

wirtschaftlichen Betrachtungsweise, vgl. dazu die Ausführungen unter 4.7.3 – durch ein verbundenes Unternehmen bereitstellen lässt.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, erfüllt der Markt alle drei der genannten Kriterien:

Die hohen Kosten der Errichtung von Übertragungsinfrastruktur und das Risiko versunkender Kosten, die signifikanten Verbund- und Skalenvorteile von bereits im Markt befindlichen (größeren) Unternehmen, die begrenzte Anzahl von geeigneten Senderstandorten und Frequenzen sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen für Frequenz- und Standortnutzung stellen hohe und permanente Marktzutrittsbarrieren dar. Es ist nicht zu erwarten, dass sich die Zugangshemmnisse durch Innovationen substantiell verringern werden.

Es gibt stabil nur wenige Anbieter für terrestrische Hörfunkverbreitung, wobei eine dominante Rolle der ORS gegeben ist, die auch als einzige flächendeckend für ganz Österreich Sendeanlagen für die Verbreitung für UKW anbietet. Da für DAB+ als mögliche Alternative zur UKW-Übertragung zum gegebenen Zeitpunkt noch keine verlässlichen Prognosen für die Marktentwicklung bestehen und auf Grund der diesbezüglichen Unsicherheiten, stellt diese digitale Übertragungstechnologie keine Alternative zu UKW dar. Der Markt tendiert daher nicht von selbst in Richtung effektivem Wettbewerb.

Das allgemeine Wettbewerbsrecht stellt mit der ihm inhärenten ex-post-Betrachtung angesichts des Umstands, dass Nachfrager nach terrestrischer Hörfunkübertragung vor ihrem Markteintritt bzw. während ihres Markteintritts Planungssicherheit und die Sicherheit benötigen, rasch und zu marktgerechten Konditionen Zugang zur terrestrischen Verbreitung zu erhalten, keinen ausreichenden Schutz für Nachfrager dar.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen zu den Marktzutrittsbarrieren, zur Tendenz zum effektiven Wettbewerb sowie dem Ausreichen des allgemeinen Wettbewerbsrechtes, die ergeben, dass die drei Kriterien erfüllt sind, ist zu schließen, dass – wie auch schon nach der RFMVO 2009– der Vorleistungsmarkt „Analoge terrestrische Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden mittels UKW“ für die sektorspezifische Regulierung, wenn auch nunmehr unter Einbeziehung der Eigenleistungen, nach wie vor relevant ist.

Wie sich aus den Feststellungen in 2.1.2.3 ergibt, ist als relevanter geographischer Markt ganz Österreich festzulegen.

Vorleistungsmarkt Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden über sonstige Übertragungswege

Auch auf diesem Markt bestehen zwar, wie sich aus den Feststellungen ergibt, ebenfalls hohe und permanente Marktzutrittsbarrieren, allerdings reicht die nachfrageseitige Verhandlungsmacht dazu aus, um effektiven Wettbewerb sicherzustellen, weil die Hörfunkveranstalter – angesichts der dominanten Stellung des analogen terrestrischen Hörfunks – nicht zwingend diese Verbreitungsformen wählen müssen, um einen substantiellen Markteintritt umzusetzen. Die Situation hat sich gegenüber jener, die der RFMVO 2009 zu Grunde lag, nicht wesentlich geändert sodass weiterhin davon auszugehen ist, dass schon mangels des Vorliegens des zweiten Kriteriums kein für die sektorspezifische Regulierung relevanter Markt vorliegt.

4.6.4. Ergebnis

Da der österreichweite Vorleistungsmarkt „Analoge terrestrische Übertragung von Hörfunksignalen zum Endkunden mittels UKW“ nach dem Gesagten für die sektorspezifische Regulierung relevant ist, war dies gemäß § 36 Abs. 2 TKG 2003 spruchgemäß festzustellen (Spruchpunkt 1.)

Bei dem gegenständlichen Markt handelt es sich um keinen Markt, der im Anhang der Märkteempfehlung 2014 genannt wird; gemäß § 36 Abs. 4 TKG 2003 hat die Regulierungsbehörde, wenn sie beabsichtigt, sachliche oder räumliche Märkte festzustellen, die von denen in der Empfehlung der Europäischen Kommission über relevante Produkt- und Dienstemärkte des elektronischen Kommunikationssektors in der jeweils geltenden Fassung abweichen, die in den §§ 128 und 129 TKG 2003 vorgesehenen Verfahren anzuwenden (vgl.

hierzu die Ausführungen unter 4.9).

4.7. Zur Beurteilung der wettbewerblichen Verhältnisse auf dem