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Das namensgebende Strukturmerkmal aller Makrolide stellt ein makrocyclischer Lactonring mit einer Ringgröße von mindestens 10 dar. Zumeist handelt es sich jedoch um 12, 14, oder 16-gliedrige Ringsysteme. Biosynthetisch werden sie auf dem Polyketid-Weg, meist durch Actinomycetes, gebildet. Dabei wird der Lactonring aus einer verzweigten Polyhydroxy-fettsäure aufgebaut. Den meisten Makrolid-Antibiotika ist ein Aminozucker glykosidisch angebunden, was zu ihrer Basizität führt. Im Folgenden sollen die wichtigsten Makrolid-Antibiotika-Klassen kurz vorgestellt werden.[105]

4.1 Die Erythromycin-Gruppe

Die Erythromycin-Gruppe umfasst neben dem schon 1952 aus Streptomyces erythreus iso-

Abbildung 10: Antibiotika der Erythomycin-Gruppe

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lierten Erythromycin A (81)[106] noch weitere Antibiotika, wie Clarithromycin (82), Pikromycin (83) und Oleandomycin (84). Erythromycin A (81) und Clarithromycin (82) enthalten Cladinose und den Aminozucker Desosamin, bei Oleandomycin (84) tritt an die Stelle der Cladinose die L-Oleandrose. Zudem besitzt Oleandomycin (84) als Alleinstellungs-merkmal einen Epoxidring. Aufgrund seiner Säurelabilität ist die orale Anwendbarkeit von Erythromycin beschränkt. Dies liegt darin begründet, dass primär die Hydroxygruppe an C-7 die Carbonylgruppe an C-10 unter Bildung eines Hemiketals angreift, was in Folge von Dehydratisierung zum Verlust der Wirksamkeit führt. Ein pharmakologisch besseres Verhalten weisen halbsynthetische Erythromycin-Derivate auf, bei denen die 7-Hydroxygruppe verethert ist (Clarithromycin 82).

Durch Röntgenstrukturaufklärung (siehe Abbildung 11) konnte man sich ein dezidiertes Bild über die Wirkweise dieser Makrolid-Antibiotika Klasse verschaffen. Die Antibiotika der Erythromycin-Gruppe binden an die Peptidyltransferase an der 50S-Untereinheit des bakteriellen Ribosoms durch attraktive Wechselwirkung mit den Nukleotiden der 23S rRNA.[107],[108]

Durch ihre Bindung blockieren sie den Eingang zum Schacht, der die Peptide

Abbildung 11: Erythromycin A (81) gebunden an die D. radiodurans/E. coli Peptidyltransferase-Tasche[109]

von dem Peptidyl-Transferase-Zentrum wegführt. So können nur kleine Peptide mit bis zu acht Aminosäuren gebildet werden. Erythromycin A (81) wird durch H-Brücken in Position gehalten. Diese treten zwischen 3’-Me2N des Desosaminrests und dem Phosphat von G2505, zwischen 2’-OH und N1/6-NH2 von A2058 und 6-NH2 von A2059, zwischen 6-OH und N-3

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von A2062 und letzlich zwischen 11-/12-OH und 4-O von U 2609 auf. Die H-Brücken zum Desosminrest sind wichtiger als die zu anderen Gruppen des Aglycons. Der Desosaminrest sollte so an die Kohlenstoffe C-3 bis C-6 des Lactonrings angebracht werden. Falls er jedoch näher an den Carbonyl-Kohlenstoff C-1 positioniert wird, resultiert eine geringere Bindungsstärke und damit eine geringere antibakterielle Aktivität.[110],[111]

4.2 Epothilone

Die Epothilone (siehe Abbildung 12) weichen von den restlichen Makroliden in ihrer Struktur insoweit ab, als dass sie keine glykosidisch gebundenen Zuckerreste tragen. Stattdessen besitzen sie einen 16-gliedrigen Lactonring mit einer Oxirangruppe und einem Thiazolrest.

Die Epothilone konnten aus dem Myxobakterium Sorangium cellulosum einer afrikanischen Bodenprobe isoliert werden. Sie wirken zytostatisch und greifen, wie Taxol, an den Mikrotubuli an.[105]

Abbildung 12: Epothilone A (85) und B (86)

4.3 Avermectine

Die Avermectine sind 16-gliedrige makrocyclische Laktone, die von Streptomyces avermitilis, produziert werden. Die Avermectine bestehen aus einem Gemisch von bis zu acht strukturell sehr ähnlichen Verbindungen (siehe Abbildung 13). Die Unterteilung findet dabei nach R2 statt. Die Avermectine A tragen dort eine Methylgruppe, während die Avermectine B nur ein Proton als Rest aufweisen. Weitere strukturelle Unterschiede lassen sich an R1 (Methyl- oder Ethylgruppe) und der Doppelbindung beziehungsweise der Hydroxygruppe an C-22 und C-23 festmachen.[112]

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Die Avermectine unterscheiden sich in ihrem Wirkungsspektrum deutlich von anderen Antibiotika. Sie sind stark wirksam gegen Nematoden (Fadenwürmer), jedoch nicht anti-

Abbildung 13: Avermectine

bakteriell wirksam. Sie verstärken die GABAerge Übertragung (GABA als hemmender Neurotransmitter), was die Lähmung von Insekten und Würmern nach sich zieht. Das Zentralnervensystem von Säugern wird dabei nicht in Mitleidenschaft gezogen, da es den Avermectinen nicht möglich ist, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Einsatz finden dabei Mischungen, deren Hauptbestandteil Avermectin B1a ist.

4.4 Polyen-Makrolide

Polyen-Makrolide sind ebenfalls Makrolaktone, die zwischen 24- und 38-gliedrig sein können. Sie kommen oft als Gemisch strukturell sehr ähnlicher Verbindungen vor, wobei eine Auftrennung sehr schwierig ist. Die Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln ist zudem sehr begrenzt, was unter anderem dazu beiträgt, dass Strukturaufklärungen in dieser Klasse sich oftmals sehr schwierig gestalten. Der makrocyclische Laktonring dieser Verbind-ungen wird durch vielfach ungesättigte Polyhydroxyfettsäuren gebildet, wonach sie sich auch unterteilen lassen. Nach der Anzahl der in Konjugation vorliegenden trans-ständigen Doppelbindungen können sie in Tetraene, Pentaene, Hexaene und Heptaene untergliedert werden. Im Gegensatz zu den anderen Makrolidantibiotika kann bei den Polyen-Makroliden eine apolare (planare Polyengruppierung) und eine polare (Hydroxy- und Carbonylgruppen) Region unterschieden werden. Dieser amphiphile Charakter ist auch für den Wirkmechanismus von Bedeutung.

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Denn durch Komplexbildung mit dem Cholesterol von Membranen kommt es zu deren Beschädigung.[113] Amphotericin B (88) und Nystatin (89) sind strukturell eng verwandt.

Beides sind 28-gliedrige Lactone. Beim Nystatin (89) ist die Konjugation der Doppelbindungen jedoch an einer Stelle unterbrochen und die Anordnung der Hydroxygruppen weicht von Amphotericin B (88) ab.

Abbildung 14: Struktur der Polyen-Makrolide Amphotericin B (88), Nystatin (89) und Natamycin (90)

Natamycin (90) hingegen besitzt nur 24-Ringglieder und trägt ein Epoxid. Im Gegensatz zu den Makroliden wirken Polyen-Antibiotika vor allem auf Pilze und Hefen. Die Verbindungen sind jedoch stark toxisch, sodass sie nur lokal angewendet werden können.[114]

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4.5 Weitere Makrolid-Antibiotika

Zur Carbomycin-Gruppe zählen die Carbomycine A (91) und B (92) (auch Magnamycine A und B genannt).[115] Die beiden 16-gliedrigen Makrolide wurden aus Streptomyces halstedii isoliert.[116],[117],[118]

Abbildung 15: Strukturen von Carbomycine A (91) und Carbomycine B (92)

Das aus dem Schwamm Theonella swinhoei isolierte Swinholid A (93) ist vor allem aufgrund seiner Wirkung sehr interessant. Es zerstört durch Stabilisieren der Aktin-Dimere das Zytoskelett. Strukturell ist es ein 44-gliedriges Lacton mit C2-Symmetie.[119] Zu Swinholid A (93) sind viele weitere eng verwandte Strukturen bekannt.[120]

Zudem sind noch viele weitere Struktur-Klassen von Makrolid-Antibiotika bekannt, die Lincosamin-Streptogramin-Gruppe, Cytochalasane,[105] Ansa-Makrolide, Polyol-Makro-lide,[121] und weitere.

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Abbildung 16: Struktur von Swinholid A (93)

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