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Bei dem Anhaften von Tonen an Werkstoffoberflächen für tunnelbauliche Fragestellungen können zähflüssige Bindemittel und Klebstoffe als Haftmechanismus offensichtlich

ausgeschlossen werden. Festkörperbrücken durch Rekristallisation, Kornwachstum,

Schmelzhaftung und erhärtende Bindemittel können ebenfalls offensichtlich ausgeschlossen werden.

Die Haftung über Festkörperbrücken durch chemische Reaktionen der Haftpartner sowie Kristallisation von in der Kontaktflüssigkeit gelösten Stoffen ist bei Kontakt von Stahl (bzw.

Eisen) theoretisch möglich, jedoch benötigen die Prozesse hierfür mindestens einige Tage. Bei z.B. Monate oder Jahre im Boden belassenen Stahlträgern oder Spundwänden können solche Prozesse beobachtet werden. Für tunnelbauliche Fragestellungen kann dieser

Haftmechanismus aber auch ausgeschlossen werden, da sich die Tunnelvortriebsmaschine und die Bodenpartikel i.A. nicht die für die erforderlichen Prozesszeiten benötige Dauer in Ruhe befinden.

Für das Vorliegen einer Haftung ohne Materialbrücke darf sich zwischen den Haftpartnern kein dritter Stoff, z.B. Wasser, befinden. Dies kann für tunnelbauliche Fragestellungen in der Regel ausgeschlossen werden, da an der Oberfläche der Mineralkörner fast immer mindestens eine Schicht aus Wassermolekülen adsorbiert ist. Außerdem ist bei den hier betrachteten Vortrieben in der Regel immer einer flüssige Phase für die Stützung der Ortsbrust vorhanden, so dass dadurch immer eine frei bewegliche Materialbrücke vorhanden ist.

Daher kommt für das Auftreten von Anhaftungen von Tonen an Werkstoffoberflächen für tunnelvortriebstechnische Fragestellungen nur die Haftung mit einer Materialbrücke aufgrund der Grenzflächenkräfte und des Kapillardrucks an frei beweglichen Flüssigkeitsoberflächen oder aufgrund von Adsorptionsschichten in nicht frei beweglichen Materialbrücken in Frage. Dies wird im Folgenden diskutiert.

2.5.2 Adsorption bei Mineralkörnern

Die Oberflächen von Mineralkörnern sind infolge der Dissoziation von Protonen der OH -besetzen Oberfläche i.A. negativ geladen und können Kationen binden. Die Stärke dieser Ladung ist meist variabel und hängt vom pH-Wert und der Elektrolytkonzentration der

Umgebungslösung ab [Scheffer & Schachtschnabel, 1998], wobei die Ladung bei den meisten

2 Adhäsion

Tonmineralen dagegen sind die Oberflächen permanent und pH-Wert unabhängig geladen (Anhang A). Aufgrund des Dipolcharakters des Wassermoleküls können diese an den

geladenen Oberflächen von Mineralkörnern adsorbiert werden. Diese wird nach der Theorie von Gouy - Chapmann in zwei Bereiche unterteilt [Schick, 2003; Scheffer & Schachtschnabel, 1998;

Koorevaar et al., 1983]:

1. Eine innere Schicht, die einer Lage von Kationen entspricht. Diese Schicht wird als Sternschicht [Stern, 1924] bezeichnet. Die Dicke dieser Schicht beträgt 0,5 – 0,6 nm [Schick, 2003]. Die Bindungsspannung dieser Schicht an der Oberfläche wird mit ca. 600 MPa angegeben [Scheffer & Schachtschnabel, 1998] und ist daher außerordentlich fest.

An diese Kationen werden Wassermoleküle infolge ihres Dipolcharakters angelagert. Dies wird als Hydratation der Kationen bezeichnet, wobei Scheffer & Schachtschnabel [1998]

vermuten, dass die Kationen zumindest teilweise auch dehydratisiert vorliegen.

2. Eine äußere Schicht, die aufgrund der thermischen Bewegung der Ionen entsteht und die dicker als eine Ionenlage ist. Diese Schicht wird nach Gouy [1910] als Gouy-Schicht bezeichnet. Die äußere Grenze dieser Schicht ist durch die Konzentration der Ionen gegeben und daher nicht eindeutig definiert, d.h. diffus, so dass zusammen mit der Sternschicht eine diffuse Ionenschicht entsteht [Lagaly et al., 1997]. In dieser diffusen Schicht werden ebenfalls Wassermoleküle an Kationen gebunden, d.h. auch diese Kationen sind hydratisiert. Mit zunehmendem Abstand von der Oberfläche nimmt das Bindevermögen der Kationen ab. Dort liegen dann nicht hydratisierte neben nicht

hydratisierten Kationen vor. In diesem Bereich nimmt auch die Konzentration der Anionen zu. Ab einem bestimmten Abstand ist die Konzentration der Kationen und der Anionen ausgeglichen. Die Dicke der diffusen Schicht ist außer von der Schichtladung der Mineralkornoberfläche von der Elektrolytkonzentration der Umgebungslösung abhängig [Jasmund & Lagaly, 1993].

Diese diffuse Ionenschicht wird zusammen mit der negativ geladenen Oberfläche als diffuse Doppelschicht bezeichnet (Abbildung 2.3). In der diffusen Ionenschicht, insbesondere direkt an den negativ geladenen Oberflächen sind die Kationen sehr hoch konzentriert, d.h. ihre Dichte ist sehr hoch, weshalb diese Schicht sehr fest ist. Die an die Kationen angelagerten

Wassermoleküle liegen dort nicht mehr in flüssiger, sondern in fester, eisähnlicher Form vor. Bei größerer Entfernung von der Oberfläche nimmt die Konzentration der Kationen ab, so dass die Wassermoleküle zwar noch gebunden sind, aber wieder in Wasserform vorliegen. Bei noch größerer Entfernung sind die Wassermoleküle nicht mehr gebunden, sie liegen als frei bewegliches Wasser vor (Abbildung 2.4). Kézdi [1969] gibt auf der Grundlage des

Spannungszustandes des Wassers einen oberen Grenzwert von 0,5 μm für den Abstand von

2 Adhäsion

der geladenen Oberfläche eines Festkörpers, ab der Wasser wieder in flüssiger Form vorliegt (Abbildung 2.4). Dieser Grenzwert kann als äußerster Grenzwert für die Dicke der diffusen Doppelschicht interpretiert werden. Allerdings gibt Schick [2003] Messwerte für die Dicke der Adsorptionsschicht von 2,5 – 3,2 nm für Tone an und hält Werte von 2 – 5 nm für plausibel.

-Ausgleichslösung Gouy-Schicht

Diffuse Ionenschicht

-

+

-

+

-

+

-

+

--

++

+ +

+

+ +

+

+ +

-

+

-

-+

+ +

-H2O

Anionen Kationen Wassermoleküle

Stern-Schicht

H2O H2O

H2O H2O

H2O H2O

H2O H2O

+HH2O

2O H2O H2O H2O

+HH2O

2O H2O

H2O

+HH2O

2O H2O

H2O

+HH2O

2O H2O

H2O

+HH2O

2O H2O

H2O

+ +HHH22OO

2O H2O H2O H2O H2O H2O

+ +

+ +

--+ + + + + +

+ + + +

+ +

--Diffuse Doppelschicht

Abbildung 2.3: Diffuse Doppelschicht [in Anlehnung an Scheffer & Schachtschnabel, 1998]

Abbildung 2.4: Modell für die Bindung von Wassermolekülen an einer geladenen Feststoffoberfläche [verändert nach Kézdi, 1969]

2 Adhäsion

Kommen nun zwei potenzielle Haftpartner (z.B. zwei Bodenpartikel oder ein Bodenpartikel und eine Werkstoffoberfläche) so nah zusammen, dass sich die Bindekräfte in den jeweiligen Adsorptionsschichten überlagern, können sich die Haftpartner gegenseitig anziehen. Sind die Bodenpartikel hinreichend klein, so dass die Eigengewichtskräfte der Bodenkörner

vernachlässigbar gegenüber den Adsorptionskräften sind, so kommt es zu sehr festen Bindungen zwischen diesen Haftpartnern.

2.5.3 Kapillarkräfte als maßgebender Haftmechanismus

In der Grenzfläche zwischen dem Ton und der Werkstoffoberfläche ist bei Tunnelvortrieben immer ein Flüssigkeitsfilm vorhanden (Kap. 3). Mit den Ausführungen in Kapitel 3 kann die Dicke dieses Flüssigkeitsfilmes für die in den Versuchen gemessenen Adhäsionsspannungen (zwischen ca. 2 kN/m² und ca. 40 kN/m², Kap. 8) berechnet werden. Sie beträgt wenige Mikrometer (Abbildung 2.5). Der Abstand zwischen der Tonoberfläche und der

Werkstoffoberfläche ist damit wesentlich größer die von Kézdi mit 0,5 μm angegebene Dicke der Adsorptionsschicht. Thewes [1999] misst bei einem einzelnen Adhäsionsversuch eine vergleichsweise sehr hohe Adhäsionsspannung von 208 kN/m². Selbst hierfür beträgt die Dicke des Flüssigkeitsfilmes noch d ≈ 0,6 μm. Für die vorliegenden Fragestellungen kann die

Adhäsion daher vollständig durch den Kapillardruck und die Grenzflächenkräfte an einer frei beweglichen Flüssigkeitsoberfläche des in der Grenzfläche vorhandenen Flüssigkeitsfilmes erklärt werden.

Ober- fläche

2 40

1 μm 1 mm 1 nm

0,1 nm (1 Å)

100 μm 10 μm

100 nm 10 nm

1.000

100

10

1 1.000

100

10

1

Adhäsionsspannung [kN/m²]

Abstand von der Oberfläche / Dicke des Wasserfilms d2 0

d2= ca. 3 – 70 μm

Theoretische Adhäsionsspannung

(vgl. Kap. 3)

⎟⎟

⎜⎜

+

=

2 1

1 1

r

A γ r σ

Bereich der gemessenen Adhäsionsspannungen

σA= ca. 2 – 40 kN/m² Sternschicht ca. 0,6 nm [Schick, 2003]

max. Dicke der Adsorptionsschicht

nach Kezdi [1969]:

ca. 500 nm

Gouy-Schicht d = f(Elektrolytkonzentration): wenige Nanometer [Schick, 2003] bis 500 nm [Kézdi, 1969]

500 nm

Abbildung 2.5: Dicke des Wasserfilms für gemessene Adhäsionsspannungen, Grenzabstände für Haftmechanismen ohne Materialbrücken

2 Adhäsion

Kapillarkräfte als Ursache für die Adhäsion von Böden werden u.a. auch von Thewes [1999 und 2003], Hollinderbäumer & Hoberg [1994], Schütz [1979] Schubert [1972], [Rumpf, 1958],

Fountaine [1954], genannt.

3 Adhäsionsmodell

3 Adhäsionsmodell