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Im Dokument Dinge sammeln, Wissen schaffen (Seite 79-82)

So unterschiedlich sich die bisher vorgestellten Profile der Sammler von Natu-ralien in Basel in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts präsentieren, so hetero-gen erscheinen auch deren Motive für das Sammeln, die Auswahl der gesam-melten Objekte und die Verwendung und Funktion der Sammlungen durch ihre Besitzer. Der Pfarrer Rocques sammelte Vogeleier aus dem Verlangen, eine eigene Sammlung zu besitzen. Im Zusammenhang mit der physikotheologisch geprägten Naturgeschichte wandelte sich das Sammeln, Betrachten und Studi-um der Naturgegenstände zu einem Mittel zur Bestätigung des Glaubens an die Schöpfung der Natur durch eine höhere göttliche Macht. Mit einem ähnlichen Blick begab sich auch Hieronymus Annoni in die Natur, um im »steinernen Evangelium« der Fossilien, die er dort fand, den Beweis für die Sintflut ablesen zu können. Aus einem wissenschaftlichen Interesse an der Naturgeschichte be-gann der Physikprofessor, Mediziner und Botaniker Benedict Stehelin seine Sammlungstätigkeit. Die Sammlung diente ihm als Arbeitsinstrument für bo-tanische und anatomische Studien. Weiter verfügte Stehelin bereits über eini-ges an Erfahrung für die Konservierung und das Nutzbarmachen seiner Sammlungsobjekte als Lehr- und Forschungsinstrumente. Durch das Anferti-gen von Präparaten und Bildern konnte er die Beschaffenheit von Pflanzen und Pilzen oder menschlicher Körperteile für einen längeren Zeitraum festhalten.

Die Bilder ließen sich zudem als Abbildungen an andere Naturforscher wie Al-brecht von Haller schicken, welche dieser für seine eigenen Schriften nutzte.

Stehelins Sammlungstätigkeit hatte bereits gewisse »professionelle« Züge, da er einen direkten Nutzen aus der Sammlung für seine Beschäftigung als Arzt, 108 | Ebd., S. 55 f.

Anatom und Botaniker gewinnen konnte und mit Büchel eigens zur Anferti-gung von wissenschaftlichen Skizzen und Zeichnungen einen aufstrebenden Künstler engagiert hatte. Auch die Universität Basel konnte von Stehelins sammlungs- und objektbezogenen Arbeitsmethoden profitieren. Vor Stehelin verfügte die Universität – abgesehen von den Büchern der Bibliothek – noch über so gut wie keine eigenen materiellen Objekte oder Sammlungen, die in der Lehre zur Anwendung kamen. Die Objekte im Amerbach-Kabinett und der öf-fentlichen Bibliothek waren in erster Linie Kunstwerke und Memorialien an Erasmus von Rotterdam und keine Studienobjekte.109 Auf der medizinischen Fakultät befanden sich ebenfalls nur einige wenige Objekte, denn die Herbari-en, anatomischen Modelle oder Sammlungen von Materia medica eines Platters oder Bauhins befanden sich größtenteils noch immer in Privatbesitz.110

Die Sammlung des Grafen von Baden-Durlach hatte vor allem eine reprä-sentative Funktion. Sie entsprach vom Typus einer adligen Kunst- und Raritä-tenkammer, in der die Naturalien ebenso als repräsentative Objekte präsentiert wurden wie Kunstwerke. Die Sammlung war Zeugnis vom Reichtum, Ge-schmack und von der Bildung des Fürstenhauses von Baden-Durlach, wobei aber das Naturalienkabinett durchaus aufgrund eines allgemeinen Interesses an der Naturforschung entstanden sein durfte. Wohl fast vollständig aus wirt-schaftlichem oder künstlerischem Interesse entstand die Sammlung des Port-rätmalers Huber. Seine Hauptklientel, bestehend aus Adligen und Aristokra-ten, waren stets auch potenzielle Abnehmer von Naturgegenständen, insofern sie den ästhetischen oder symbolischen Vorstellungen einer Rarität oder Kurio-sität entsprachen. Das Kabinett von Felix Platter wie auch das Museum Faesch, welche Mitte des 18. Jahrhunderts ebenfalls noch bestanden, waren seit dem Tod ihrer Gründer Erbstücke, welche die Nachfahren als Teil des Familienver-mögens übernommen hatten. Als solches waren sie den Entscheidungen und Interessen der Erben ausgeliefert. Bei Platters Sammlung, wie auch im Falle der Sammlung von Stehelin, fand durch den Verkauf eine Umwandlung der gesam-melten Güter in Geld statt.111 Im Fall des Museums Faesch bewies der Gründer 109 | Schmitt: Der Nachlass des Erasmus von Rotterdam, S. 29–59.

110 | Ein bis heute an der Universität Basel am Anatomischen Institut erhaltenes Skelettpräparat, das der Anatom Andreas Vesal 1542 bei seinem Besuch in Basel der Universität vermachte, wurde »in dessen Erinnerung« und nicht als anatomisches Studi-enobjekt aufbewahrt. Während an anderen Universitäten Europas bereits anatomische Studiensammlungen entstanden und obwohl in Basel für den anatomischen Unter-richt Leichensektionen durchgeführt wurden, durfte die hiesige Universität noch keine anatomische Sammlung anlegen, da die menschlichen Körperteile »nach verrichteter Zergliederung ehrlich bestattet« werden mussten. Kurz, Hugo: Das älteste Skelettprä-parat der Welt. Basel 1992.

111 | Zum Verkauf von Sammlungen insbesondere auch Naturaliensammlungen: Olmi:

Die Sammlung, S. 181–184; Pomian: Sammlungen, S. 125.

bereits einige Vorsicht. Remigius Faesch erlebte selbst den Beinaheverkauf des Amerbachkabinetts ins Ausland. Um dies zu verhindern, verfügte er bereits 1667 in seinem Testament, wie es mit seinem »Museo« gehalten werden solle.

Nach seinem letzten Willen müsse das Kabinett samt Haus und Bibliothek in Besitz und unter Verwaltung der Familie Faesch und als Ganzes in Basel ver-bleiben. Sollte einmal der Fall eintreffen, dass kein direkter Nachfahre mehr lebt, solle das Kabinett samt Bibliothek »der löblichen Universität anheimfal-len«. Dieser Fall trat erst im 19. Jahrhundert ein.112

Zusammenfassend zu den bis jetzt behandelten Sammlungen lässt sich sa-gen, dass sie sich alle im Privatbesitz einzelner wohlhabender Bürger befanden.

Ihre Nutzung entsprach in erster Linie den individuellen Interessen der Samm-ler, und dies mit unterschiedlichen Motiven. Sammlungen waren zugleich Lehr- und Studieninstrument, eine Form von Anlage und Anhäufung von Reichtum, eine Handelsware oder ein Instrument zur Repräsentation und Le-gitimation des sozialen Status.113 Über die genauen Bestände, die Ordnungs-muster oder Kataloge, die Bezeichnungen und Klassifikationen der erwähnten Sammlungen lassen sich keine näheren Aussagen mehr machen, weil sich die dazu notwendigen Quellen und Texte, außer den hier vorgestellten, nicht erhal-ten haben oder bisher nicht zum Vorschein gekommen sind. Die Sammlungen und in ihnen gesammelten Gegenstände zeugen allerdings sowohl von einer Zunahme der Sammlungsaktivitäten in der Stadt Basel in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und in diesem Zusammenhang auch davon, dass sich einzelne Bürger verstärkt der Naturgeschichte und der Naturforschung widmeten. Auf-grund des Nichtvorhandenseins von überpersonellen Strukturen wie einer Sammlungsinstitution oder naturgeschichtlich-relevanter Fächer an der Uni-versität war allerdings die Beschäftigung mit der Naturforschung in erster Linie eine private Angelegenheit. Die Botanik war zwar als Lehrfach an der medizini-schen Fakultät vorhanden, jedoch zielte hier der Unterricht auf die Verwendung der Pflanzen als Arzneimittel und weniger auf die Bestimmung, Benennung oder Erforschung der Pflanzenphysiologie ab. Einzig im botanischen Garten oder dem Collegium experimentale fanden sich Räume, in denen die Professo-112 | Das Museum Faesch wurde 1823 von der Universität übernommen, nachdem vom Zivilgericht das Urteil gefällt wurde, dass kein rechtmäßiger Erbe mehr vorhanden war. Der gesammte Prozess findet sich im Detail behandelt bei Faesch, Salvisberger:

Das Museum Faesch.

113 | Die in Basel vorhandenen Sammlungen, in denen Naturalien anzutreffen waren, entsprechen hinsichtlich ihrer Funktion drei Arten von Sammlungen, die bereits Olmi als charakteristisch betrachtet hat: 1. Die Sammlung als Studien- und Forschungsins-trument, 2. die Sammlung als Instrument der Legitimation und des sozialen Aufstiegs, 3. die Sammlung als Anhäufung von Reichtum und Form von Wertanlage, vgl. Olmi, Giuseppe: Die Sammlung – Nutzbarmachung und Funktion. In: Grote: Macrocosmos in Microcosmos, S. 169–189, hier S. 172.

ren Gegenstände lagern oder zusammentragen konnten, die sie für den Unter-richt oder ihre persönliche Forschung verwendeten. Durch die Bindung der Sammlung an eine einzelne Person war ihr Bestehen an den Willen und das Leben ihres Besitzers gebunden. Mit dem Verkauf und dem Abtransport einer Sammlung verschwand auch die mit den Objekten in Zusammenhang stehen-de Forschungsarbeit und somit auch das in ihr angesammelte Wissen, wenn es, wie im Falle der Sammlungen von Rocques und Stehelin, nicht zur Veröffentli-chung kam. Trotz der individuellen Bindung der Sammlungen trugen die Sammlungspraktiken zunehmend auch kooperative Züge, was beispielhaft im Falle der Sammlung von Benedict Stehelin und seiner Zusammenarbeit mit Emanuel Büchel besonders deutlich wurde. Auch im gesamten Verkaufspro-zess nach dem Tod von Stehelin zeigte sich zum einen, wie durch eine Samm-lung unterschiedliche Personen in Kontakt kamen, und zum anderen, dass be-reits ein überregionales Interesse an Basler Sammlungsgegenständen als Objekte für die Naturforschung bestand.

Im Dokument Dinge sammeln, Wissen schaffen (Seite 79-82)