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M EDIENHISTORISCHER UND MEDIENTHEORETISCHER E XKURS

Im Dokument Das Konzept Informationskompetenz (Seite 59-63)

3.2 U NTERSUCHUNG DES B EGRIFFSAUFKOMMENS

3.2.1 M EDIENHISTORISCHER UND MEDIENTHEORETISCHER E XKURS

Entscheidend für die Entstehung des Konzepts Informationskompetenz ist somit die Entwicklung der Medien. Offensichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen Begriffsaufkommen und der medienhistorischen Entwicklung. Diese soll Im Folgenden beleuchtet werden.

Die Reflektion auf die Geschichte der ‚Medien‘ begann vor dem Hintergrund tiefgreifender Veränderungen der Mediennutzung, die sich im 20. Jahrhundert vollzogen haben. Es stellte sich durch diese Entwicklung die allgemeine Frage, welche Bedeutung die Medialität des Wissens hat und welcher Einfluss von der Materialität und Beschaffenheit des Trägermediums ausgeht. Die Mediengeschichte unterscheidet historische Phasen nach den jeweiligen Leitmedien. Sie betrachtet aber auch z.B. den Übergang von der Oralität zur Literalität. Von den primären und sekundären Medien z.B. der Sprache und Schrift wird grob eine tertiäre Entwicklung unterschieden, die durch technische Neuerungen

145 University of Berkeley: How much is information, 2003. Online verfügbar unter:

hervorgerufen wurde.146 So erfuhr die Literalität mit dem Aufkommen des Buchdrucks im 15. Jahrhundert eine entscheidende Veränderung. Die Möglichkeit technischer Vervielfältigung sowie der technische Fortschritt allgemein legten den Grundstein für die Entwicklung von Massenmedien. Die unterschiedenen Phasen, welche die Entstehung eines Mediums, dessen Verbreitung, dessen Dominanz und eventuell dessen Niedergang umfassen,147 implizieren keine vollständige Verdrängung vorheriger Medien. Es ist offensichtlich, dass Medienformen oft nicht einfach nur verdrängt werden, sondern sich gegenseitiger Transformierung aussetzen und nebeneinander bestehen können. Allgemein wird bis ungefähr 1900 von einer Dominanz des Buches als Leitmedium ausgegangen.

Wann genau und ob man das Ende des Buchzeitalters proklamieren kann, ist fraglich, da Printmedien nach wie vor eine große Rolle im Alltag spielen. Im 20. Jahrhundert gewannen jedoch zunehmend elektronische Massenmedien wie beispielsweise Radio und Film eine große Relevanz und das Fernsehen entwickelte sich zu einem Leitmedium in Form eines Massenkommunikationsmediums. Seit den 1990er-Jahren haben digitale Medien eine große Verbreitung erlangt und der Computer und die Netzmedien sind zu omnipräsenten Alltagsbegleitern geworden. Dies ist die bisher letzte Stufe der medienhistorischen Entwicklung, deren Auswirkungen noch nicht absehbar, aber schon längst spürbar sind.

Für das Buchzeitalter kreierte der kanadische Literaturwissenschaftler Marshall McLuhan (1911-1980) die Bezeichnung der Gutenberg-Galaxis148 und bezeichnete gleichzeitig den Zeitraum seit etwa 1900 als Zeitalter der elektrischen Medien bzw. als die „Marconi-Galaxis“149

146 Siehe Faulstich, Werner: Mediengeschichte von 1700 bis ins 3. Jahrtausend, 2006, S.8.

. Dadurch stellte er die Erfindung von Funk, also von drahtloser Kommunikation als epochal heraus. Für das noch junge Zeitalter, welches durch digitale Medien geprägt ist, kursieren Bezeichnungen wie „Global Village“ (McLuhan) oder das

147 Siehe Faulstich, 2006, S.8.

148 Siehe McLuhan, Marshall: The Gutenberg Galaxy, London, (1.Aufl. 1962), Toronto : University of Toronto Press, 2002.

149 Der italienische Elektroigenieur und Pysiker Guglielmo Marconi (1874-1937) gilt als Pionier der drahtlosen Kommunikation, da er unter anderem die erste transatlantische Funkübertragung realisierte.

„Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung“ (Faulstich). Die veränderte Kommunikationssituation bzw. das Aufkommen neuartiger Informationsträger erfordern ein hohes Maß an Aktivität seitens des Rezipienten. Insofern ist auch die Gefahr der Asymmetrie von Technik und Nutzer gegeben. Im Sinne von McLuhan könnte das WWW als kaltes Medium150

Der Einfluss der Medien lässt sich nicht nur historisch betrachten, sondern besitzt gleichsam eine strukturelle medientheoretische Komponente. Welchen Einfluss das Medium auf den Inhalt besitzt, also die Frage nach der Relevanz der Form oder des Mediums in Relation zu seinem Inhalt stellt eine medientheoretische oder sogar philosophische Grundfrage dar. Marshall McLuhan hat in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts den Ausspruch geprägt, das Medium sei die Botschaft („the medium is the message“

gelten, da es ein hohes Maß an Aktivität erfordert und das Medium eine große Intensität an Vermittlung besitzt, derart, dass mehrere Sinne angesprochen werden und eine rein rezeptiv-wahrnehmende Aufnahme kaum möglich ist. In diesem Kontext könnte man das Konzept der Informationskompetenz als Beschreibung eben dieser Aktivität des Rezipienten verorten. Informationskompetenz kann generell die Fähigkeit beschreiben, ein Medium nutzen zu können, in diesem Fall auf digitale Informationen zugreifen zu können.

151). Dieser vielzitierte Ausspruch könnte zu der Annahme führen,

„Medien seien nicht nur Vehikel, sondern auch Quelle von Sinn“152. Der Ausspruch impliziert also eine Gleichsetzung von Medium und Botschaft. Diese ist von McLuhan insofern nicht intendiert, als dass er vielmehr die Bedeutung des Trägermediums für die Botschaft im Sinne einer grundsätzlichen nicht aufzuhebenden Korrelation153

150 Die Einteilung in ‘Kalte und heiße Medien‘ wird durch den Grad der Teilnahme bestimmt, die für das jeweilige Medium erforderlich ist. Dabei sind Kriterien relevant, wie die Frage, wieviele Sinne von dem Medium angesprochen werden oder ob eine aktive Ergänzung seitens des Rezipienten erforderlich ist.

Siehe McLuhan, Marshall: Understanding media. The extensions of man. McGraw-Hill, 1964.

unterstreichen will. Es ist also keine Botschaft ohne Medium denkbar, wobei der konkrete Einfluss des Mediums unklar bleibt. Sybille Krämer beschreibt die Bedeutung des

151 McLuhan, Marshall: Understanding media, 1964, S.7.

152 Krämer, Sybille: Das Medium als Spur und als Apparat. In: Krämer, Sybille (Hrsg.): Medien, Computer, Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und neue Medien. Frankfurt am Main : Suhrkamp, 1998, S.74.

153 Siehe Margreiter, Reinhard: Medienphilosophie. Eine Einführung. Berlin : Parerga, 2007, S.138.

Mediums als sozusagen nichtintendierter Überschuss an Sinn, der „nach dem Modell der Spur eines Abwesenden gedacht werden“154 muss. Christian Heinisch verweist in diesem Zusammenhang auf einen anderen Aspekt. Durch die Entkoppelung digitaler Information an ein Trägermedium geht Metainformation verloren, „da weniger Beziehungsinformation übertragen“155 wird. Er begründet die „hohe Bedeutung der Beziehungsinformation (Metainformation)“156

Den Gegenpol zu McLuhan innerhalb der Medientheorie bildet Niklas Luhmann (1927-1998). Er unterschied klar zwischen Form und Medium und vertrat die Ansicht Medien seien „neutral“ in Bezug auf die Botschaft. Dies ist auf Luhmanns terminologische Unterscheidung von Medium und Form zurückzuführen. Das Medium wird rein formal definiert, in dem Sinne, dass es prinzipiell kein „formloses Medienmaterial gebe“

damit, dass diese Metainformationen „die Bildung von Assoziationen“ erleichtern. Dieser Aspekt könnte vor allem im Zusammenhang mit Lernprozessen eine Rolle spielen, da beispielsweise die Haptik eines Mediums die Wiedererkennung und somit die Erinnerung an die Inhalte fördert. Zudem gewinnt der Aspekt der Vernetzung und Kontextualisierung in Bezug auf digitale Informationen ebenso an Relevanz, wie hier an früherer Stelle im informationswissenschaftlichen Kontext aufgezeigt wurde (siehe Kapitel 2.4).

157

Zusammenfassend kann man ein Sich-Bedingen von Inhalt und Medium konstatieren.

Wenngleich der Einfluss aufeinander nicht konkret fassbar ist, sind die veränderten Anforderungen an den Rezipienten durchaus vorhanden. „Ein Dualismus zwischen Inhalt und Medium lässt sich [jedoch generell] nicht aufrecht erhalten.“158

154 Krämer,1998, S.81.

In Bezug auf das Konzept Informationskompetenz heißt das, dass für das Lesen und Verwenden von Inhalten, die in digitaler Form verfügbar sind, ein hoher Grad der Teilnahme des Rezipienten erforderlich ist. Das Konzept ist zwar nicht explizit mit einer bestimmten Art

155 Heinisch, Christian: Inmitten der Informationsflut herrscht Informationsmangel: Über das Paradoxon der Wissensgesellschaft und seine Bewältigung. ABI-Technik, (4), 2002, S.348.

156 Heinisch, Christian: Inmitten der Informationsflut herrscht Informationsmangel, 2002, S.348.

157 Margreiter, Reinhard: Medienphilosophie, 2007, S.188.

158 Treude, Linda, 2011, S.38.

von Informationsträger verknüpft, gewinnt aber nachvollziehbar an Relevanz je kälter das Medium ist, das heißt je mehr Aktivität des Rezipienten erforderlich ist, um die Inhalte lesen zu können. Die eingangs gestellte Frage nach Informationskompetenz als neuer Kulturtechnik, lässt sich vor dem medientheoretischen Hintergrund insofern bejahen, als dass neben den traditionellen Techniken wie Lesen die Fähigkeit bestimmte Medien nutzen zu können, als Voraussetzung hinzukommt.

3.3 Standards und Modelle

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