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Livländische Koadjutorfehde

Im Dokument KMÄWr Bibliothek (Seite 56-102)

Nach Ansicht des Erzbischoss hatte der Orden schon auf dem Konvent in Wenden den Enschluß zum Kriege gesaßt.

Allgemein war bekannt, daß der Komtur von Dünaburg, Gott-hard Kettler, Anfang Februar nach Deutschland gereist war um Truppen zu werben. Diese Nachricht konnte der polnische Orator Lantzki, der Lemsal am 3. Februar verließ \ dem Könige Sigismund August aus persönlicher Erfahrung bestätigen. Kettler hatte sich in Wenden zu Lantzki anscheinend freundschaftlich gestellt, ihn fogar gebeten auf der Rückreife den Umweg über Dünaburg nicht zu scheuen und ihn auf seinem Schlosse zu be-suchen. Als Lantzki der Aufforderung Folge leistend dort erschien, war Kettler schon abgereist, wie der getäuschte und gekränkte Ge-sandte erfuhr, auf dem Wege über Litauen nach Deutschland2. Nachdem Sigismund August den Bericht Lantzkis empfangen hatte, schrieb er noch einmal an die versammelten Stände Liv-lands und verlangte die Erfüllung feiner Wünsche in so drohendem Tone, daß über die Folgen einer Ablehnung derselben kein Zweifel

!) S. S. 47, Anm. 1,

2) Schirrmacher II, Beil. Nr. 127, S. 341. — Am 26. Jan. hatte Kettler noch in Dünaburg eine „Köste auf gut livländisch" veranstaltet, alle Ge-bietsverwandten zu Gaste gehabt und am selben Sonntag nach dem Sermon durch den Prädikanten in der Kirche abkündigen lassen, daß etliche, weil das Land in Gefahr stehe, ins Ausland müßten und daß man für den Erfolg der Rüstungen beten solle. Dann war er mit dem Bräutigam selb-sechse mit 4 Schlitten durch Litauen abgefahren. Nach dem Berichte eines gewissen Bastian Rom er an Erzbischof Wilhelm 1556, Febr. 9, o. O.

Romer glaubte, der Orden habe schon 6000 Mann geworben.

B e r g e n g r ü n , H e r z o g C h r i s t o p h . 4

möglich war. Zugleich ermahnte er mit dem Versprechen be-waffneter Hilse das Kapitel zur Standhaftigkeit^. In dem Ge-suhle, daß die Waffen entscheiden würden, da keine Partei an Nachgiebigkeit dachte, traten Ansang März in Wolmar die Herren und Stände Livlands zum Landtage zusammen. Erschienen waren mit Ausnahme des Erzbischoss sämtliche Landesherren: der Ordensmeister Heinrich Galen, die Bischöfe Hermann von Dorpat, Friedrich Wrangel von Reval und Johann Münchhausen von Oesel und Kurland. Sie vertraten zugleich die Städte Riga, Reval und Dorpat, welche keine eigenen Vertreter geschickt zu haben scheinen. Alle standen sie fest zu dem natürlichen Haupte des Landes, dem Ordensmeister.

Die Verhandlungen begannen mit der Überreichung der vom erzbischöflichen Kanzler Christoph Stnrtz sür die erzstiftischen Ver-treter entworfenen Instruktion. Sie machte im Wesentlichen die-selben Argumente und Gesichtspunkte geltend, mit denen bisher ope-riert worden war: die Beeinträchtigung der freien Wahl durch den Rezeß von 1546, die mangelnde Zustimmung der Konservatoren zu demselben, die Forderungen und Empfehlungen des Königs von Polen und der deutschen Fürsten. Die Antwort der Stände war eine runde Ablehnung: der Rezeß bestehe zu Recht und das unbefugte Eindringen Christophs in Livland sei Landfriedens-bruch. Offen sprachen sie die Drohung aus, sie würden sich an den Stiftsständen und — unterthanen „ergötzen und schadlos halten," wenn diese sich vom Rezesse sonderten2. Schon wollten die Erzstiftischen und Prälaten abreisen, weil beide Parteien die Verhandlungen für beendet hielten. Ein Schreiben des Erz-bischoss nötigte die Seinigen zum Bleiben ^ und veranlaßte sie, es noch einmal mit einem neuen, von ihm angegebenen Gesichts-punkte, der eine gewisse Konzession in sich schloß, zu versuchen.

*) Der König ort die livl. Stände 1556, Febr. 26. — Derselbe an das Kapitel am 29. Febr., erwähnt bei Schirren Verzeichnis Nr. 466 und in einem Hilfgesuche des Erzbischoss und Christophs an den König d. d. Rönne-bürg 20. März 1556.

2) Die erzstiftischen Gesandten an den Erzbischof 1556, März 9.

3) Dieselben an denselben März 13.: Sie wollten schon am 11. in Ronneburg sein; das Schreiben des Erzbischoss habe sie zurückgehalten.

Landtag zu Wolmar 1556 März. 51

Sie erklärten nämlich, daß der Rezeß von ihnen keineswegs ver-letzt, die Zustimmung der Stände vielmehr nachgesucht worden sei. Wenn die Stände aber nun die Anerkennung Christophs verweigerten, so müßten sie auch dem Könige von Polen und den Fürsten gegenüber die Verantwortung für die Folgen der Ablehnung übernehmen und das Erzstist derselben in aller Form entheben. Diese Argumentation verfehlte doch ihren Eindruck nicht1. Nach einigem Bedenken lenkten auch die Stände ein und erklärten, Christophs Wahl unter der Bedingung zulassen zu wollen, daß der Erzbischof, Christoph und die erzstiftischen Stände sich auf die 21 Artikel verpflichteten, die ihnen jetzt vorgelegt wurden. Was in denselben gefordert wurde, war in der Haupt-fache nicht mehr, als was Livland zur Aufrechterhaltung feiner Unabhängigkeit und feiner gegenwärtigen Verfassung brauchte.

Danach sollten vor allen der Erzbischos und die Seinen von dem Könige von Polen ein Reversal darüber ausbringen, daß er das jus conservatorii nicht mehr zur Präsentation von Bischöfen und zur Beeinträchtigung der Wahlfreiheit mißbrauchen werde.

Es wurde ferner verlangt, daß Christoph kein anderes Stift er-werben, nicht heiraten und das Land nicht erblich machen dürfe.

Auch sollte seine Erhebung zum Koadjutor in keiner Weise ein Präjudiz sür die Zukunft bilden, auch nicht in Bezug auf den Wolmarschen Artikel, der ungeschwächt in Kraft bleibe. Über das Notwendige ging es freilich hinaus, wenn dem Erzbischof zugemutet wurde, auf das alte Ehrenvorrecht, sich das Haupt der livländischen Lande zu nennen, völlig zu verzichten, und wenn er sich verpflichten sollte, die Feinde des Ordens Franz Bonnies und Christoph Böttcher zu verfolgen. Schließlich erklärten die Stände, wenn es dem Erzbischof beschwerlich sei, aus diese Artikel einzugehen, so wollten sie bei ihrer ersten Antwort und dem Rezeß von 1546 bleiben.

Diese Bedingungen konnte der Erzbischof freilich nicht an-nehmen. Zum Teil tasteten sie seine Ehre an, zum Teil be­

gruben sie alle weiteren hinter der Wahl Christophs verborgenen Pläne. In einem „Summarischen Bedenken", das die Vertreter

J) A. ct. O.

4*

des Erzstiftes zwei Tage darauf, am 16. März, überreichten, wurden zwar einige Artikel bewilligt, diejenigen aber, auf welche es gerade ankam, entweder ausweichend beantwortet oder abge-lehnt1. Damit war der Bruch entschieden. Christoph, vom Kapitel in aller Form zum Koadjutor gewählt, blieb es trotz des gesetzlich begründeten Widerspruches des gesamten übrigen Landes.

Der König von Polen aber hatte sein und seines Reiches Ansehen für die Unterstützung der erzbischöflichen Partei einge-setzt. Man mußte auf den sofortigen Ausbruch des Krieges gefaßt sein. Von Heinrich von Galen ließ sich jedoch die rück-sichtslose Entschlossenheit nicht erwarten, welche dazu gehörte, um die Politik der Selbständigkeit und des Widerstandes gegen Polen mit Aufbietung der ganzen Macht durchzuführen. Selbst ein fo erbitterter Feind des Ordens wie der ehemalige Kanzler desselben Christoph Böttcher meinte, so lange der alte Meister noch die Regierung führe, habe es keine Not. Darum wurde in den Ordenskreisen schon seit längerer Zeit der Gedanke erwogen, ihm eine energische Persönlichkeit als Koadjutor an die Seite zu setzen, der den Anforderungen der Lage gewachsen war. Zwei Gebietiger kamen, wie man schon Mitte Februar in der Um-gebung des Erzbischoss und am polnischen Hose in Wilna zu wissen glaubte, für diesen Posten in Betracht. Der eine war Gotthard Kettler2, der als Komtur von Dünaburg gerade die

*) Faszikel: Wolmarscher Landtag 1556. Insbesondere: Ratschlag des Kanzlers Stnrtz, wie des Kapitels des Erzstifts Privilegium liberae elec-tionis erhalten .... werden möchte, o. D. — Kopie der Instruktion für die erzstiftischen Gesandten 1556, Februar 21, Lemsal. — Die Antwort der Stände o. D. — Das erwähnte Schreiben der erzstiftischen Gesandten an den Erzbischof 1556, Freitag nach Oculi (März 13). — Wolmarische Artikel den erzbischöflichen Gesandten zum Beschluß von den anderen Ständen über-geben (in 21 Punkten) 1556, Sonnabeud vor Laetare (März 14). — Brevis narratio in conventu Wolmariensi (ein übersichtlicher lateinischer Auszug aus den genannten Verhandlungsschriften). — Summarisches Bedenken aus die beschwerlichen Wolmarschen Artikel, übergeben Montag nach Laetare (März 16). — Die Artikel und das Summarische Bedenken auch erwähnt bei Schirren, Verzeichnis Nr. 869. — Vgl. über den Landtag auch Schirr-macher 302ff.

2) Erzbischof Wilhelm an Herzog Albrecht 1556, Febr. 17, Salis:

Kettler sei zu Wenden heimlich das Meistertum versprochen worden.

Fürstenberg Ordenskoadjutor. 53

Grenze gegen Litauen zu hüten hatte, der andere Wilhelm Fürsten-Berg, Kettlers Vorgänger in Dünaburg, zur Zeit Komtur in Fellin, der während seiner Amtszeit in Dünaburg wiederholt Konflikte mit den litauischen Nachbarn gehabt und bei dem sich eine ganz besonders scharfe persönliche Abneigung gegen Polen herausgebildet hatte. Er konnte geradezu als Feind Polens gelten und auch der Erzbischof bezeugte, daß er ihm stets zuwider

ge-wesen sei Christoph Böttcher, der sich damals im Auftrage Albrechts von Preußen in Wilna aufhielt, schrieb am 11. Februar, wenn Fürstenberg erst zur vollkommenen Regierung gelangt sei, werde man ein seltsames Spiel erleben; denn es werde sich be-finden, wie Horaz sagt: illi robur et aes triplex circa pectus erat; er werde das Äußerste wagen, wie er auch schon früher dem Könige ins Land gefallen sei und es zum härtesten 16 Meilen herum ausgebrannt habe. Böttcher hoffte aber auch, daß gerade er mit seiner Tollkühnheit das Werkzeug sein werde, da-durch die heillosen Schelme, des Ordens Gesellen, mit der Wurzel ausgerottet werden sollten2. Allerdings hofften auch die Polen-freunde in Livland auf einen Ordenskoadjutor. Ihr Kandidat war der Landmarschall Jaspar von Münster, der innerhalb des Ordens stets dem engsten Anschlüsse an Polen und Preußen das Wort geredet hatte. Besonders lebhaft war er für eine solche Politik eingetreten, seitdem Livland wieder von dem Mos-kowiter ernstlich bedroht wurde. An und für sich entsprach auch

ein enges Schutzbündnis Livlands und Polens gegen den ge-meinsamen Feind den Interessen der beiden Mächte so sehr, daß seine Notwendigkeit jedem einleuchtete, vorausgesetzt, daß es ein Bündnis zu gleichen Rechten war und nicht der eine, stärkere Teil Nebenabsichten verfolgte, die für die Selbständigkeit des schwächeren noch gefährlicher werden konnten, als ein Kampf mit dem gefürchteten Feinde. Ob Münsters Absichten ganz reine waren

*) Memorial, was in Erzbischof Wilhelms und Herzog Christophs Namen bei Herzog Joh. Albrecht geworben werden soll, 1556, Mai 22, Kokenhusen; Orig. Daselbst der Passus: Fürstenberg, der uns und dem Erzstifte allerwege zuwider gewesen, ist Koadjutor geworden.

2) Siehe Beilage 2.

und ob er wenigstens anfangs ein solches Verhältnis zu Polen im Auge gehabt hat, welches der politischen Selbständigkeit Liv-lands genügenden Raum bot, läßt sich nicht mit Sicherheit ent-scheiden. Jetzt, im Jahre 1556, hatten jedenfalls die Dinge durch die Art und Weise, wie der König von Polen sich der Erhebung Christophs zum Koadjutor angenommen und sich in die inneren Verhältnisse Livlands eingemischt hatte, eine Gestalt ge-Wonnen, welche ein Zusammengehen mit Polen gegen Rußland un-möglich und den Landmarschall als selbstsüchtigen Parteigänger Polens um persönlichen Vorteils willen erscheinen ließ. Es war Münster gelungen für seine polenfreundliche Haltung die ausdrück-liche Billigung des Kaisers zu gewinnen und auf diese berief er sich,

wenn seine Gegner ansangs versteckt, später offen ihm vorwarfen, daß er danach trachte, Livland dem Reiche zu entfremden und es unter polnische Hoheit zu bringen. Als er sich dann den Plänen Erzbischof Wilhelms geneigt zeigte, wollte man wissen, daß er bereit sei, das Erzstist zu einem brandenburgischen oder mecklenburgischen erblichen Fürstentum zu machen, und daß er für sich selbst nach der Meisterwürde strebe, um ebenso das Ordensland mit pol-nischer Hilse in eine weltliche Herrschaft zu verwandeln, die natürlich ihm zufallen mußte. Auf dem Landtage zu Wolmar trat Münster noch einmal mit einem schriftlichen Bedenken für Polen ein. Kurz vordem der Landtag geschlossen wurde, that aber die Gegenpartei einen entscheidenden Schritt. Kettler weilte im Auslande, und so wurde denn Wilhelm Fürstenberg in einer jedenfalls nicht einwandfreien Form — wie Münster behauptete, von nur fechs der anwesenden Gebietiger — zum Koadjutor gewählt. Der Widerspruch der polnisch Gesinnten, vor allem des Landmarschalls, des höchsten Gebietigers nach dem Meister, fand keine Beachtung. Allerdings ist Münster wieder-holt um nachträgliche Zustimmung ersucht worden. Er ver-weigerte sie aber natürlich und erklärte die formwidrige Wahl Fürstenbergs für nichtig. Aber auch mit dem Geständnis hielt er nicht zurück, daß der ganze Vorgang für ihn eine persönliche Kränkung sei, ja er wollte geltend machen, daß ihm als dem Landmarschall ein Rechtsanspruch auf die Nachfolge im Meisteramte zukomme. Seine Gegner bezeichneten ihn nun

Landmarschall Münster. Rüstungen. 55 öffentlich als Verräter, der das Land den Polen in die Arme treiben wollet

Diese Vorgänge mußten wie eine Kriegserklärung wirken.

Auf beiden Seiten wurde jetzt in verstärktem Maße gerüstet.

Hierbei hatte freilich der Orden einen großen Vorsprung.

Mit steigender Besorgnis betrachteten die verbündeten Fürsten die erfolgreichen Truppenwerbungen Kettlers in Deutschland, dem feine einflußreichen Familienverbindungen2 dabei trefflich zu statten kamen. Im Cleveschen, im Schaumburgischen, in der Nähe von Hamburg errichtete er seine Laufplätze und zahlreiches Volk strömte ihm zu. Dann hielt er sich lange Zeit in Lübeck auf, und trotz der Drohungen Johann Albrechts sowie der ab-mahnenden Schreiben des Königs von Polen und des Herzogs von Preußen gestattete der Rat, daß sobald die Navigation im Frühling eröffnet war, die geworbenen Truppen ans Lübeck nach Livland eingeschifft wurden. Meist führten die Schiffe nicht mehr als 30—40 Mann, eines hatte 180 Knechte an Bord.

Schon im Februar glaubte man, daß der Orden 6000 Knechte in Bestallung habe. Eine musterhafte Finanzverwaltung war von jeher die starke Seite der Ordensregierung gewesen, und da ihre Kassen in der langen Friedenszeit sich wohl gefüllt hatten, so verfügte der Orden eben über das, woran es seinen Gegnern fehlte, über Geld. Die Besoldung war eine so reichliche, wie sie „deutsche Landsknechte nicht leicht zuvor bei andern Poten-taten gehabt. Haben vielleicht gemeinet", erzählte ein livländischer Chronist, „sie konnten im Dresel, das ist des Ordens Schatz-kammer, nicht zu gründe greifen."3 Kettler mußte zeitweilig unter falschem Namen reisen, weil ihm nachgestellt wurde. Jo-Hann Albrecht nnd sein Schwiegervater erwogen wiederholt den Plan, den gefährlichen Mann niederwerfen und unschädlich

*) Münsters Verteidigungsschrift. Neudruck in Mitteil. a. d. livl.

Gesch. Bd. 10. Ein Originaldruck bei den Akten des Schweriner Archivs.

— Münster an den König von Polen und an den Herzog v. Preußen 1556, Ostern (5. April), Segewold. Kopien.

-) Er stammte aus dem bekannten westphälischen Geschlechte und sein Bruder war damals Bischof von Münster.

3) Solomon Henning in Script, rer. Livonicarum 2, 217.

machen zu lassen. Man wollte der Sache wohl den Anschein geben, als sei die Gewaltthat das Werk des Franz Bonnies und anderer persönlicher Feinde des Ordens^. Kettler ist aber über anderthalb Jahre in Deutschland gewesen, ohne daß die Gegner sich seiner zu bemächtigen vermochten.

Des Erzbischoss einzige Hoffnung stand jetzt auf Hilfe von Polen, Preußen und Mecklenburg. Auf seine eigenen Leute konnte er sich nicht verlassen. Nur widerwillig dem Drucke der fürstlichen Bundesgenossen ihres Landesherrn nachgebend oder durch Be-stechungen gewonnen, waren Kapitel und Ritterschaft des Erzstifts auf seine Wünsche eingegangen. Daß sie aber, wenn es zum Äußersten kam, fest bleiben oder gar um des Erzbischoss und Christophs willen ein Martyrium auf sich nehmen würden, ließ sich von ihnen nicht erwarten. Sofort nach dem Schlüsse des Landtages sprachen Wilhelm und Christoph die Hilse Polens an2. Sie be­

riefen sich darauf, daß sie nur im Vertrauen auf den ihnen un­

mittelbar vor dem Landtage von dem Könige verheißenen Schutz die Dinge so weit zu treiben gewagt hätten, obwohl alle anderen Herren und Stände aus die Seite des Ordens getreten seien. Jeden Augenblick müßten sie eines Überfalls gewärtig sein. Die Kapitel-Herren seien völlig unzuverlässig; nur der König könne noch helfen.

Indessen lautete der Bescheid des Königs3 sehr wenig tröstlich.

Weit davon entfernt, sofort marschieren zu lassen, stellte er eine Beratung mit dem Herzoge von Preußen in Aussicht, erklärte, daß er Grund habe, eine friedliche Verständigung mit dem Orden zu wünschen und einem Kriege vorzuziehen; er werde deshalb wieder einen Orator nach Livland senden. In einer lauernden, schleichenden Politik war Sigismund August Meister; ungern stellte er die Entscheidung auf die Spitze des Schwertes. Er hatte gehofft, feine Drohungen würden den Orden gefügig machen; sie auszuführen gedachte er nur, wenn er in der Über­

macht und des Sieges über die noch immer gefürchtete

Ordens-*) Salomon Henning a. a. O. — Herzog Albrecht an Joh.

Albrecht, 1556, April 28, Ragnit. — Joh. Albrecht an Herzog Albrecht, April 6, Schwerin, desgl. April 10. — Schirrmacher 311 ff.

2) 1556, März 20, Ronneburg. Instruktion, deutsch und lateinisch.

3) Undatierte Kopie.

Rüstungen. 57

macht vollkommen sicher war. Jetzt hielt er sich noch nicht für genügend gerüstet. Von erneuten Verhandlungen konnte sich aber niemand einen Erfolg versprechen. Der mecklenburgische Rat Joachim Krause schrieb damals aus Kokeuhusen, der neue Meister (Fürstenberg) sei ein toller Kopf und setze alles aus die Faust;

der werde sich schwerlich bei dem großen Vorsprung, den der Orden habe, durch friedliche Wege lenken lassen; sollte ihm nun

„die Schanze geraten", er beide, den Erzbischof und Herzog Christoph, verjagen und des Erzstists mächtig werden, so gerieten alle Nachbarmächte in die größte Gefahr Auch Herzog Albrecht war überzeugt, daß der Orden in diesem Falle weitergehen und seine alten Ansprüche auf das Ordensland Preußen mit Gewalt zur Anerkennung bringen werde. Er begab sich daher an die litauische Grenze zur Konserenz mit dem Königes in der Hoffnung ihn zu einer energischen Aktion zu bewegen. Seinen Kriegseiser spornte auch Johann Albrecht an, indem er sorgfältig berichtete, was seine Kundschafter über die fortschreitenden Rüstungen des Ordens in Deutschland meldeten, und vorschlug, sofort 3000 Reiter und 25 Fähnlein Knechte in Sold zu nehmen3. Der König von Dänemärk wurde gebeten, den Sund für die liv-ländischen Fahrzeuge zu sperren sowie die Verschiffung der Ordenstruppen zu hindern. Indessen man kam zunächst über Pläne und Hoffnungen nicht hinaus. Während der Orden seine Macht beisammen und zur Stelle hatte, standen die schwachen Streitkräfte feiner Gegner noch weit von Livland entfernt.

Sorgfältig wurde vom Orden die Grenzsperre gehandhabt.

Rücksichtslos ließ er die durchreisenden Postboten niederwerfen, sodaß wiederholt wichtige Schreiben des Erzbischoss in seine Hände fielen. Er gewann durch sie den unzweideutigen Beweis, daß dieser in heimlichem Kriegsbündnis mit fremden Mächten gegen Livland stehe, und war nun in der Lage, als der ange-griffene Teil und zum Schutze des Landes zu den Waffen zu

*) 1556, Mai 21, Kokenhusen.

2) Herzog Albrecht an Herzog Joh. Albrecht 1556, April 23, Ragnit.

3) Werbung beim Herzog von Preußen, undatiert. — Joh. Albrecht an Herzog Albrecht 1556, April 10, Schwerin: Albrecht möge seine Mit-teilungen nicht für Scherz halten, sondern sich im Ernst vorsehen.

greifen. In einem dieser Schreiben^ forderte der Erzbifchof feinen Bruder zu sofortiger Entsendung von 10000 Mann nach Kurland und einiger Schiffe nach Pernau auf, wo ihre Freunde auf Erlösung warteten; im Orden sei die Uneinigkeit groß; das Unternehmen könne ohne Blutvergießen ins Werk ge-setzt werden. Worum es sich bei diesem Unternehmen handelte,

greifen. In einem dieser Schreiben^ forderte der Erzbifchof feinen Bruder zu sofortiger Entsendung von 10000 Mann nach Kurland und einiger Schiffe nach Pernau auf, wo ihre Freunde auf Erlösung warteten; im Orden sei die Uneinigkeit groß; das Unternehmen könne ohne Blutvergießen ins Werk ge-setzt werden. Worum es sich bei diesem Unternehmen handelte,

Im Dokument KMÄWr Bibliothek (Seite 56-102)