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Die Performance supraleitender Resonatoren kann durch viele unterschiedliche Phäno-mene negativ beeinflusst werden. Sie stellen gegebenenfalls eine Art Limitierung des Resonators dar. Teilweise sind diese Phänomene auch bei normalleitenden Kavitäten zu beobachten, allerdings treten sie bei supraleitenden Strukturen aufgrund ihres kleinen Oberflächenwiderstands, ihrer extrem schmalen Resonanzkurve und der kleinen Hoch-frequenzverluste in einem viel stärkeren Maße auf. Oftmals werden sie im supraleitenden Falle sogar überhaupt erst messbar.

3.6.1 Restwiderstand

Wie zuvor bereits erwähnt, ist der gemessene Gesamtoberflächenwiderstand aufgrund des technisch bedingten Restwiderstandes R0 größer als der BCS-Widerstand. Eine Quelle des Restwiderstandes ist der eingeschlossene magnetische Fluss in Supraleitern 2. Art, hervorgerufen durch unzureichende Abschirmung äußerer Magnetfelder [30]. Dazu zäh-len sowohl der vom Hochfrequenzstrom erzeugte, als auch der statisch magnetische Fluss durch externe Felder, beispielsweise von Fokussiermagneten oder dem Erdmagnetfeld.

Für einen supraleitenden Resonator aus Niob, dessen Oberflächenmagnetfeld unter-halb des kritischen Feldes HC1 liegt, sollte der magnetische Fluss nach dem Meißner-Ochsenfeld-Effekt vollständig aus dem Supraleiter herausgedrängt werden. Gitterfehler und Inhomogenitäten innerhalb des Resonatormaterials sorgen allerdings dafür, dass Magnetfeldlinien beim Abkühlen unterhalb der Sprungtemperatur festgehalten werden (Pinning). Dabei spricht man vom sogenannten im Material gefangenen magnetischen Fluss (Trapped flux), welcher normalleitende Kerne enthält, die letzten Endes für zu-sätzliche Verluste sorgen. Für den magnetischen Anteil Rmag0 des Restwiderstandes gilt folgender Zusammenhang:

Rmag0 = 0.3[nΩ]Hext[mOe] p

f[GHz] (3.9)

Vermutlich agiert hauptsächlich die Oxidschicht auf der Nioboberfläche als Pinningzen-trum. Wird eine supraleitende Kavität nicht hinreichend von externen Magnetfeldern

3.6 Limitierungen supraleitender Resonatoren

abgeschirmt, kann sich ihre Güte signifikant verkleinern, was wiederum mit einem An-stieg der benötigten Leistung und einer Erhöhung des Restwiderstands verbunden ist.

Allein durch fehlende Abschirmung des Erdmagnetfeldes kann der Restwiderstand in der Größenordnung von 100nΩliegen. In der Regel werden supraleitende Resonatoren durch hochpermeables Metall abgeschirmt. Dieses high-µ-Metall besitzt eine 100 mal höhere Permeabilität als Eisen und liegt somit in der Größenordnung 100000.

3.6.2 Multipacting

Beim sogenannten Multipacting (Multi-impacting, Mehrfacheinschlag) handelt es sich um einen resonanten Prozess, der in allen Hochfrequenzstrukturen auftreten kann. Der Auslöser für Multipacting ist ein Elektron, welches durch kosmische Strahlung, radio-aktiven Zerfall, Photoemission oder durch ein Feldemissionselektron aus der Oberfläche des Resonators herausgeschlagen wird. Dieses Elektron wird in den Hochfrequenzfeldern beschleunigt und kann durch Aufprall Sekundärelektronen erzeugen. Die Sekundärelek-tronen können ihrerseits wieder ElekSekundärelek-tronen herausschlagen, sodass es zu einer Elektro-nenlawine bzw. einem exponentiellen Anwachsen der Elektronenzahl kommt. Der hierbei entstehende Elektronenstrom wird durch die eingekoppelte Leistung gespeist und verhin-dert somit eine Erhöhung des Feldpegels. In Folge dessen entsteht in der Resonanzkurve ein Plateau, auch Multipacting-Barriere genannt. Oftmals können durch geeignete Maß-nahmen weiche Barrieren überwunden bzw. über sie hinweg konditioniert werden. Ist eine Konditionierung über eine Barriere nicht möglich, so spricht man vom Auftreten einer harten Barriere, was ein Neudesign des Resonators erfordern kann, um so die Be-dingung für das Auftreten von Multipacting zu unterbinden. Allgemein neigen Resona-toren mit kleiner Betriebsfrequenz (low-β-Strukturen) eher zu Multipacting bei kleinen Feldpegeln als hochfrequente β = 1 Strukturen.

3.6.3 Thermaler Zusammenbruch

Der thermale Zusammenbruch, auchQuench genannt, stellt ebenfalls eine weitere Limi-tierung supraleitender Resonatoren dar. Hervorgerufen wird dieser Effekt durch submilli-meter große, normalleitende Regionen (Defekte) an der Resonatoroberfläche, welche sich im Bereich magnetischer Hochfeldregionen befinden. Im statischen Fall besitzen die nor-malleitenden Gebiete keinerlei Auswirkung auf die Supraleitung, da der Suprastrom sie umfließt. Im Gegensatz dazu werden durch Wechselfelder die Elektronen in den Defekt-Regionen in Bewegung gesetzt, sodass ein normalleitender Strom sie durchfließen kann.

Ab einem gewissen Leistungspegel verursacht dieser Strom so hohe Verluste, dass die

damit verbundene Wärmeentwicklung vorerst lokal und schließlich im gesamten Reso-nator zum thermalen Zusammenbruch der Supraleitung führt. Entgegen supraleitender Magnete, bleibt der Quench für einen Resonator folgenlos, da seine gespeicherte Ener-gie nur wenige Zehntel eines Joules beträgt. Schon bereits nach wenigen Millisekunden gelangt der Resonator, durch die Änderung der Einkopplung während des Quenches, in der Regel wieder in den supraleitenden Zustand. Die typische Größe derartiger Defekte liegt bei wenigenµmbis hin zu einem mm. Sie können durch Einschlüsse im Rohmaterial oder nachträglich beim Schweißen entstehen. Um Defekten vorzubeugen, muss die Mate-rialwahl sowie der Schweißvorgang mit größtmöglicher Sorgfalt durchgeführt werden.

3.6.4 Feldemission

Im Gegensatz zum thermalen Zusammenbruch, ist die Ursache für die sogenannte Feld-emission, welche die stärkste Limitierung supraleitender Niederenergiestrukturen dar-stellt, das Auftreten hoher elektrischer Felder. Elektronen werden durch die elektrischen Felder aus dem Resonatormaterial herausgeschlagen und beschleunigt, bis diese schließ-lich an einer anderen Stelle auf die Resonatoroberfläche treffen. Dabei wird Röntgen-strahlung emittiert. Für die Beschleunigung der Elektronen wird ein Teil der in der Kavität vorhandenen Feldenergie herangezogen, woraufhin die HF-Verluste sich deutlich erhöhen. Experimentell kann dieses Phänomen durch den Abfall der Güte bei ansteigen-dem Feldgradienten beobachtet werden (s. Abb. 3.7).

Abbildung 3.7: Die Güte als Funktion des elektrischen Feldes mit eintretender Feldemission.

3.6 Limitierungen supraleitender Resonatoren

Aufgrund rein ohmscher Verluste bleibt die Güte zunächst konstant, bis sie ab einem gewissen Feldpegel langsam zu sinken beginnt. Normalerweise ist die Güte jedoch un-abhängig vom elektrischen Feld und sollte stets auf gleichem Niveau bleiben. Durch sogenannte Emitter, µm große Fremdkörper auf der Resonatoroberfläche, können sehr hohe Feldstärken und somit Feldemission entstehen. Nicht alle Fremdkörper liefern für die Feldemission hinreichend hohe Felder. Dies ist abhängig von ihrer Oberflächenbe-schaffenheit. Teilchen mit einer rauen Oberfläche bewirken eine höhere Feldverstärkung als glatte Partikel. In Abbildung 3.8 sind zwei Fremdkörper gleicher Größenordnung dargestellt, wobei allerdings nur der linke als Emitter fungiert [30]. Gegenwärtig ist Feldemission der meist limitierende Faktor supraleitender HF-Resonatoren und tritt be-reits bei wenigen 10MV/mauf. Um die Feldemission einzuschränken, ist eine gründliche Oberflächenbehandlung des Resonators erforderlich.

Abbildung 3.8: Fremdkörper auf der Oberfläche eines supraleitenden Resonators [30].

3.6.5 Lorentzkraftverstimmung

Die sogenannteLorentzkraftverstimmung (LKV, Lorentz Force Detuning) ist ein limitie-render Effekt, der letztlich durch elektromagnetische Felder hervorgerufen wird, welche einen Strahlungsdruck Ps auf die Wände des Resonators ausüben. Für den Druck gilt der folgende Zusammenhang [55]:

Ps = 1

4 µ0|H|20|E|2

(3.10) Hierbei stellenEundHdie Felder an der Resonatoroberfläche dar. Der Strahlungsdruck bewirkt eine Änderung der Resonatorgeometrie. Allgemein zieht sich ein Resonator an Orten hoher elektrischer Feldstärke zusammen, während er sich an Orten hohen ma-gnetischen Feldes aufbläht. Das Aufblähen bzw. Zusammenziehen führt jeweils zu einer

Änderung der gespeicherten Energie und der Resonanzfrequenz des Resonators. Die re-lative Frequenzänderung ist gegeben durch [56]:

∆f

Beide Feldanteile von Gleichung 3.11 besitzen letzten Endes das gleiche Vorzeichen, da

∆V für das elektrische Feld negativ ist. Demnach wird die Resonanzfrequenz des Reso-nators durch den elektromagnetischen Druck gesenkt. Dieser Effekt wird Lorentzkraft-verstimmung genannt und ist insbesondere bei supraleitenden Resonatoren aufgrund der hohen Güten und der relativ dünnen Wände deutlich ausgeprägt und leicht messbar. So-wohl beim Einschalten der Hochfrequenz, sobald sich der Resonator allmählich mit Feld füllt, als auch während des gepulsten Betriebs kann der Effekt der Lorentzkraftverstim-mung auftreten. Die hierdurch verursachte Störung lässt sich jedoch mittels schneller Frequenztuner kompensieren (s. Kap. 7.5).

3.6.6 Mikrophonie

Die bereits beschriebene Lorentzkraftverstimmung, welche nur im gepulsten Betrieb von Bedeutung ist, stellt bloß eine Quelle für das Auftreten von zeitabhängigen Frequenz-änderungen dar. Ein weiteres Phänomen, die sogenannte Mikrophonie (Microphonics), bewirkt Frequenzverstimmungen in allen Betriebsmodi. Dabei handelt es sich um nie-derfrequente mechanische Resonanzen im akustischen Bereich oberhalb von 10 Hz, wel-che neben den eigentliwel-chen elektromagnetiswel-chen Resonanzen innerhalb supraleitender Kavitäten auftreten. Mikrophonie wird in der Regel durch zwei unterschiedliche Arten erzeugt. Während des gepulsten Betriebs können die durch die Lorentzkraftverstimmung entstehenden Kräfte eine mechanische Resonanz innerhalb des Beschleunigers anregen.

Entsprechend der jeweiligen Schwingungsmode ändert die Kavität ihre Geometrie. Dies führt zu einer Variation von Kapazität und Induktivität. Analog dazu verändert sich die Frequenz der elektromagnetischen Resonanz. Inwiefern derartige Frequenzvariatio-nen betriebsstörende Auswirkungen besitzen, ist u. a. von der exterFrequenzvariatio-nen bzw. von der belasteten Güte abhängig. Grundsätzlich sind Störungen – verursacht durch Mikropho-nie – umso kleiner, je stärker die Kopplung bzw. je höher der Strahlstrom ist. Mit Hilfe eines schnellen Tuners oder durch die gezielte Versteifung der Kavität kann diesem Ef-fekt allerdings entgegengewirkt werden. Ein wesentlich komplizierteres Problem stellen mechanische Resonanzen dar, welche durch ein allgegenwärtiges Untergrundrauschen angeregt werden. Die Ursache für das Untergrundrauschen liegt in der Überlagerung vieler niederfrequenter Anregungen, hervorgerufen durch Pumpen, Druckvariationen im Kryosystem, Straßenverkehr etc.

Kapitel 4

Resonator-Kenngrößen

Um unterschiedliche aber auch typenähnliche Resonatoren miteinander vergleichen zu können, wurden diesbezüglich bestimmte HF-Kenngrößen eingeführt. Dabei unterschei-det man zwischen Größen, die allgemein eine Charakterisierung über das resonanzfähige System liefern und jenen, welche die Effektivität des Systems beschreiben.

4.1 Die Güte Q

0

Die Güte Q0 bezeichnet die Menge an Energie, die pro HF-Periode in einem Resonator dissipiert wird. Sie ist folgendermaßen definiert:

Q0 = ω0W

P = 2πf0W Pc

= 2πW

P T = 2πW

N (4.1)

Hierbei ist W die im Resonator gespeicherte Energie, N der Energieverlust pro Schwin-gungsperiodeT,ω0 = 2πf0 die Kreisfrequenz der Schwingung undPcdie Verlustleistung des Resonators (s. Abschn. 4.5). Anders ausgedrückt stellt die Güte ein Maß für die ohm-schen Verluste in einem Resonator dar. Wird die Frequenz des eingekoppelten Signals nahe der Resonanz verändert, erhält man durch Messung der Spannungs- oder Feldam-plitude die sogenannte Resonanzkurve (s. Abb. 10.6). Je schmaler die Resonanzkurve ist, desto höher ist die Güte. Daher können folgende Aussagen über die Güte getroffen werden:

• Die Güte ist ein Maß für die Breite der Resonanzkurve

• Die Güte gibt an, wie schnell die im Resonator gespeicherte Energie dissipiert wird Bei der hier diskutierten Güte handelt es sich um die sogenannteunbelastete bzw. um die intrinsische Güte. Hierbei spielen nur die Verluste in den Resonatorwänden eine Rolle.

Neben der unbelasteten Güte gibt es noch diebelastete (s. Kap. 6) und dieexterne Güte (s. Kap. 7.7). Sie berücksichtigen Ein- und Auskoppler und sogar den Teilchenstrahl.

Um einen möglichst effektiven Resonator zu konstruieren, sind hohe Werte für die Güte erforderlich. Dazu müssen die Verluste in der Kavität möglichst klein gehalten werden.

Verluste können verringert werden, indem beim Design der Kavität beispielsweise die stromführenden Bauteile verhältnismäßig groß gewählt und mit entsprechend glatten Oberflächen zur Erhöhung ihrer Leitfähigkeit versehen werden. Desweiteren ist die Güte auch abhängig vom OberflächenwiderstandRS, welcher in Abschnitt 4.2 näher erläutert wird, der Frequenz bzw. den linearen Dimensionen des Resonators und seiner Geometrie.

Im Falle der Supraleitung liegtRStypischerweise 5 Größenordnungen unter dem Wert für die Normalleitung. Die Güten supraleitender Resonatoren sind deshalb dementsprechend höher. Sie liegen meist im Bereich von 108–1010, während die Güten normalleitender Kavitäten nur Werte von103–105 annehmen.