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4. 4 Limitationen der Studie

4. 4.1 Suche nach Gründen für fehlende Gruppenunterschiede

Folgende Gründe sind möglicherweise verantwortlich dafür, dass diese Studie keine verminderte transkallosale Inhibition bei Stotternden gegenüber flüssig Sprechenden aufzeigen konnte:

1) Die MEP-Ableitung erfolgte an einem Handmuskel (ADM) anstatt an einem Gesichtsmuskel, der der Sprachproduktion dient. Möglicherweise hätte ein Gruppenunterschied bei Reizableitung von einem solchen Muskel dargestellt werden können. Da die Ableitung eines Muskels des Gesichtes technisch schwierig ist und häufiger zu Artefakten führt, als die Messung an Handmuskeln, verwendeten wir den ADM.

Außerdem weisen Stotternde neben den sprachlichen Problemen auch eine langsamere Reaktion für manuelle Abläufe (Starkweather et al., 1984) und haben eine langsamere Reaktionszeit bei der Durchführung schneller bimanueller Aufgaben (Webster und Ryan, 1991). Demzufolge sahen wir es als sinnvoll an, die MEPs von einem Handmuskel abzuleiten.

2) Sprache ist ein aktiver Vorgang. Das Protokoll der IHI beinhaltete jedoch keine aktive Komponente (die ADMs wurden nicht willkürlich voraktiviert), sodass dies ein Grund für den fehlenden Gruppenunterschied sein könnte.

Allerdings zeigten auch die Untersuchungen der IHI mit Voraktivierung und die Messung der iSP (Protokolle mit aktiver Komponente) keine Unterschiede im Inhibitionsverhalten der Patienten- gegenüber der Kontrollgruppe. Demzufolge ist diese Begründung weniger wahrscheinlich.

3) Des weiteren besteht die Überlegung, dass die rechtshemisphärische motor- und prämotorische Überaktivität, die von Fox et al. (1996) bei Stotternden in bildgebenden Verfahren dargestellt wurde, in sekundären Assoziationsfeldern vorherrscht, die mit TMS-Untersuchungen nicht direkt erfasst werden kann.

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4. 4.2 Kritik Allgemeine Kritik

Es ist kritisch zu bewerten, dass keine Aussage über den Entstehungsprozess des Stotterns gemacht werden kann, da ausschließlich erwachsene Stotternde und keine Kinder in die Messungen einbezogen wurden. Somit ergaben sich durch unsere Studie keine Unterschiede zwischen stotternden Kindern und Erwachsenen, die mögliche Einblicke in die zeitliche Entwicklung des Inhibitionsverhaltens bei Stotternden hätten geben können.

Methodenkritik

Interindividuelle Variabilität

Im Hinblick auf die Methodik dieser Arbeit müssen einige grundsätzliche Probleme der TMS und der angewendeten Doppelreiztechnik angeführt werden.

Bei der Durchführung der TMS mit Ableitung von MEPs kommt es interindividuell zu Variabilitäten der Antwortpotenziale. Dies wird verursacht durch interindividuell unterschiedlich dicke Fasern im kortikospinalen Trakt. Sie verursachen eine physiologische Phasenauslöschung. Ebenso treten sie durch leichte Muskelvoranspannung auf, die durch minimale Kopf- und Extremitätenbewegungen ausgelöst werden. Weitere Ursachen können Veränderungen des Erregungsniveaus anderer kortikaler Zentren sein. So beschrieben Chen et al. (1999) eine Änderung der motorischen Erregbarkeit durch sensorische Stimulation (Licht, Geräusche etc.). Des Weiteren verursacht ein nicht konstantes Positionieren der Spulen über dem motorischen Kortex Veränderungen der Antwortpotenziale. So könnten grundsätzlich diese unsicheren Variablen eine Beeinflussung der Ergebnisse zur Folge haben.

Um eine möglichst exakte TMS-Untersuchung zu gewährleisten, wurde der Kopf der Probanden mit einer Kopfstütze in Position gehalten und die Probanden aufgefordert ruhig zu sitzen, sich nicht zu bewegen und nicht zu sprechen. Um akustische Reize zu minimieren waren ausschließlich der Proband und Untersucher während der Untersuchung anwesend.

Zudem wurde absolute Ruhe eingehalten, die Türen zum Untersuchungszimmer waren konstant verschlossen. Ein Poster mit karibischer Landschaft sollte für eine möglichst reizlose und entspannte optische Wahrnehmung sorgen.

Alle EMG-Aufzeichnungen wurden vor der Datenauswertung einzeln durchgesehen, um eine Vergrößerung der MEP durch eine willkürliche Voranspannung im Zielmuskel

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auszuschleißen. Auf diese Weise wurden MEPs mit Hintergrundaktivität identifiziert und von der Analyse ausgeschlossen. Die Erregung anderer kortikaler Zentren und die dadurch möglicherweise verursachte Änderung der MEP-Amplituden konnten jedoch während und nach dem Aufzeichnen nicht nachgewiesen werden.

Spulenform

Es hatte sich in Vorversuchen zu dieser Studie gezeigt, dass es wegen interindividueller Unterschiede der Kopfform und Lage der motorischen Areale nicht möglich war, die IHI mit zwei achtförmigen Spulen erfolgreich abzuleiten. Aus Platzmangel war es schwierig beide Spulen auf den Orten der optimalen Erregbarkeit zu positionieren, sodass wir uns für eine runde und eine achtförmige Spule entschieden. Da die runde Spule durch ihre Geometrie eine weniger fokale Reizung der Neurone verursacht als eine achtförmige Spule, sind mögliche Ungenauigkeiten der Ergebnisse durch diesen Versuchsaufbau möglich. Die runde Spule wurde verwand, da die Arbeiten von Ferbert et al. (1992) und Boroojerdi et al. (1996) denselben Versuchsaufbau erfolgreich durchführten.

Ein weiteres Problem bestand darin, dass viele Probanden zu Beginn des Doppelreizparadigmas angespannt und erschrocken waren durch die Reizapplikation über beiden Hemisphären. Wie schon erwähnt kann die dadurch verursachte Muskelanspannung zu einer MEP-Vergrößerung führen. Die Anspannung ließ im Verlauf der Untersuchung nach, sodass gegen Ende der Aufzeichnung die MEP-Amplituden möglicherweise geringer ausfielen.

IHI mit Voraktivierung und iSP

Die beiden Untersuchungsformen, die eine Voraktivierung des Zielmuskels forderten, setzten ein konstantes Maß an Muskelvoranspannung voraus. Eine Veränderung der Voraktivierung hat eine Verminderung bzw. Vergrößerung der abgeleiteten MEP-Amplitude zur Folge.

Um eine möglichst konstante Voranspannung zu gewährleisten, kontrollierten der Proband und der Untersucher während der Messung diese anhand optischer Darstellung.

iSP

Eine mögliche Ursache für fehlende Unterschiede der iSP-Dauer beider Gruppen mag u.a.

darin begründet sein, dass die Intensität des Reizes nicht sehr hoch gewählt wurde. Viele iSP-Studien setzten die Höhe des Testreizes bei 100 % (= maximaler) der Stimulator-Stärke.

In der von uns vorgestellten Studie wurde die Reizstärke an die Reizschwellen der Probanden angepasst. Um dies zu gewährleisten wurde die Reizintensität für diese Untersuchung ermittelt, anstatt sie mit 100 % des Stimulator-outputs fest zu setzten. Es ist

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nicht auszuschließen, dass die von uns gewählte Reizintensität als zu gering einzustufen ist, da sie bei allen Probanden weit unter 100 % lag.