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ICON ist eine Beobachtungsstudie mit dem Ziel, eine möglichst praxisnahe Abbildung der Routineversorgung in Deutschland widerzuspiegeln. Entsprechend erfolgte keine Randomisierung oder Reglementierung des diagnostischen und therapeutischen Vorgehens, Störfaktoren mit möglicher Verzerrung der Ergebnisse wurden nicht ausgeschlossen. Diese Einflüsse sind auch in der Realität vorhanden, sodass allgemeine Aussagen zur Versorgungspraxis getroffen werden können. Andererseits sind die Interpretation der Resultate und ein Vergleich mit anderen Studien genau aus diesem Grund nicht einfach. Vergleichende Kostenanalysen, im Sinne einer

Kosten-Wirksamkeits- oder Kosten-Nutzen-Analyse, sind mit den vorhandenen Daten nur mit Einschränkungen möglich.

Methodische Limitationen ergeben sich u.a. aus der Art der Datenerhebung. Die Kostenanalyse nach dem Bottom-up-Prinzip mit Angaben von Eltern, Patienten und Ärzten ist zeitaufwendig, kostenintensiv und fehleranfällig, jedoch bietet sie die einzige Möglichkeit alle Kostenkomponenten für eine gesellschaftliche Perspektive zu erfassen. Die detaillierten Eltern- und Patientenangaben zur Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen gelten als valide Datenquelle, bergen aber auch systematische Fehler [102]. So ist die Krankheitsspezifität diverser Gesundheitsleistungen nicht immer eindeutig und ihre Zuordnung schwierig. Durch fehlende Erinnerungen, Fehleinschätzungen, bewusstes Verschweigen von Behandlungsformen oder die Art der Fragestellung kann es zudem zu Verzerrungen der Realität kommen [12]. Beim Vergleich von selbstberichteter Leistungsinanspruchnahme mit anderen objektiven Datenquellen wie Abrechnungsdaten zeigte sich eine Unterschätzung des Ressourcenverbrauchs als größtes Problem dieser Art der Datenerhebung [12]. Die prospektive Dokumentation des Ressourcenverbrauchs mittels Kostenwochenbuch verringert das Risiko selektiver oder fehlender Erinnerung, des sog.

Erinnerungs- oder Recallbias. Die Wahrscheinlichkeit einer solchen Verzerrung steigt jedoch bei retrospektiven Angaben, wie sie für die Erhebung der Arbeits- und Schulfehltage oder der stationären Aufenthaltstage vorlagen. Für letztere lagen im zweiten Beobachtungsjahr Angaben von weniger als 60 % der Patienten vor. Um eine sog. Schweigeverzerrung durch Antwortausfälle zu minimieren, erfolgte eine Vervollständigung der Daten mittels multipler Imputation. Dadurch konnten die stationären Kosten, basierend auf realen und geschätzten Werten, ermittelt werden.

Somit scheint eine Unterschätzung der Kosten durch Patientenangaben als auch eine Überschätzung dieser durch Modellierung bzw. Hochrechnung der Kostenwochenbuchangaben möglich. Die Schiefe der Kostenverteilung, insbesondere der Out-of-Pocket-Kosten, wurde durch die Hochrechnung akzentuiert. Weniger bedeutsam war dies für die Gesamtkosten, da die Arzneimittelausgaben als Hauptkostentreiber keiner Modellierung unterlagen.

Allgemein ist die Vergleichbarkeit von Krankheitskostenanalysen stark eingeschränkt. Einerseits können sie sich wegen fehlender Standards und Bewertungsmaßstäbe methodisch erheblich in den einbezogenen Kostenkomponenten, ihren Ressourcen sowie Quellen und andererseits aufgrund der verschiedenen Gesundheitssysteme und Gesundheitspolitik unterscheiden. Letztere haben u.a.

Einfluss auf die Versorgungsrealität und das Patientenverhalten im Sinne der Behandlungsadhärenz und somit auch auf den Ressourcenverbrauch. Landesspezifisch sind

unterschiedliche Prävalenz- und Inzidenzraten der JIA zu berücksichtigen, diverse Annahmen zu treffen und verschiedene Bewertungssätze anzuwenden. Da in Deutschland keine Standardkostenliste vorliegt, sind die Krankheitskosten selbst auf nationaler Ebene nicht einfach zu vergleichen. Bei den verwendeten Kostensätzen handelt es sich um praxisbezogene Beispielpreise, die von den tatsächlichen Stück- oder Zeitkosten abweichen können. So ist eine Überschätzung der Arzneimittelpreise wegen fehlender Einblicke in die Rabattvereinbarungen zwischen einzelnen Krankenkassen und pharmazeutischen Herstellern wahrscheinlich. Zudem basiert die Kostenkalkulation der Biologika, entsprechend der Handhabung im klinischen Alltag, auf Packungspreisen und nicht auf Preisen der applizierten Medikamentendosis, weswegen eine weitere Überschätzung der Biologikakosten nicht auszuschließen ist. Die Betrachtung der Kosten pro verabreichter, gewichtsadaptierter Biologikadosis im zweiten Beobachtungsjahr ging bspw.

mit einer Kostenreduktion von etwa 1.200 Euro pro Patient einher.

Wechselnde Rahmenbedingungen im zeitlichen Verlauf müssen beim Vergleich von Studien zusätzlich berücksichtigt werden, ebenso wie mögliche Preisänderungen. Letztere sind in Deutschland zukünftig insbesondere für Arzneimittel wegen auslaufender Patentrechte, Einführung von Biosimilars (Nachfolgeprodukte der Biologika mit vergleichbarem Wirkstoff) und des 2011 erlassenen Arzneimittelneuordnungs-gesetzes zu erwarten.

Nach wie vor ist es nicht unproblematisch die Lebensqualität von Kindern zu erfassen. Die verschiedenen Instrumente müssen die entwicklungsabhängigen Fähigkeiten der Kinder berücksichtigen und über verschiedene altersangepasste Versionen verfügen [28]. Insbesondere bei sehr jungen Kindern muss auf die Fremdeinschätzung der Eltern zurückgegriffen werden [11].

In der vorliegenden Arbeit wurden sowohl Eltern- als auch Patientenangaben untersucht. Zwar unterschieden sich Fremd- und Selbsturteil zum Wohlbefinden statistisch signifikant, jedoch lagen die Mittelwerte der einzelnen Lebensqualitätsdomänen nah beieinander. Eine größere Diskrepanz wurde einzig bei Fragen zu Emotionen beobachtet. Ähnlich wie bei Studien erwachsener Patienten bewerteten die Betroffenen ihre Lebensqualität im Allgemeinen besser als gesunde Fremdeinschätzer [11]. In einer Übersichtsarbeit von Eiser und Morse zur Konformität von Eltern- und Kinderangaben zeigte sich, in Abhängigkeit vom Erhebungsinstrument, mehrheitlich eine große Übereinstimmung, insbesondere bei Fragen, „die der äußeren Beobachtung zugänglich sind“

[97, S. 30] wie körperliche Aktivität, Funktionsfähigkeit oder Symptome. Eine geringere Übereinstimmung konnte in kontemplativen Bereichen mit Fragen zu sozialer Interaktion und Emotionen erfasst werden [11]. Dies bestätigte sich, neben der vorliegenden Studie, ebenfalls in

der von Brunner et al. durchgeführten Untersuchung zur Qualität von Elternangaben. Insgesamt stellten sie jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen der patienten- und elternberichteten Lebensqualität fest und ermittelten für die auch in ICON verwendeten Instrumente C-HAQ und PedsQL eine hohe bis moderate Übereinstimmung der Angaben [103]. Da Eltern demnach durchaus eine akzeptable Beurteilung der Lebensqualität ihrer Kinder bieten [103] und ihre Angaben eine altersunabhängige Darstellung ermöglichen, bzw. durch ihre Angaben ein altersbedingter Wechsel zwischen Fremd- und Selbsturteil umgangen werden kann, gingen in die vorliegende Analyse der gesundheitsbezogenen Lebensqualität nur Elternangaben ein.

Die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zur Krankheitsaktivität oder Lebensqualität ist aufgrund uneinheitlicher Definitionen, bspw. der inaktiven Erkrankung nach Wallace oder mittels cJADAS, sowie der großen Auswahl an Messinstrumenten ebenfalls eingeschränkt. Insbesondere die Erhebung der QALYs ist in pädiatrischen Kohorten wegen mangelnder Ausarbeitung der Auswertungsmethoden kritisch zu betrachten. Die Auswertung der QALYs basiert nicht auf Nutzwerten einer pädiatrischen Population, sondern auf Erhebungsdaten einer erwachsenen Stichprobe. Für die Ermittlung der QALYs wurde eine stabile Lebensqualität über den Beobachtungszeitraum von jeweils sechs Monaten angenommen. Der Realität entsprechend unterliegt sie jedoch einer dynamischen Veränderung. Je enger die Erhebungsintervalle sind, desto besser ist die Abbildung der tatsächlichen Lebensqualität möglich. Bei der Darstellung der Outcome-Parameter im Verlauf müssen zusätzlich die Ausgangswerte berücksichtigt werden.

Diese sind u.a. vom Patientenkollektiv, dem Wertesystem des jeweiligen Landes, aber auch von der aktuellen und vorangegangenen Behandlung abhängig.

Zu Studienbeginn erhielt in ICON fast jeder zweite Patient schon eine Basistherapie. Im Vergleich zu anderen Inzeptionskohorten zeigten die Patienten ggf. auch deswegen eine geringere Krankheitslast. So sind Aussagen zur Krankheitslast neu erkrankter JIA-Patienten und zum frühen Outcome zu relativieren.

Als Prädiktor sowohl der Krankheitskosten als auch der Lebensqualität spielt die Zusammensetzung des untersuchten JIA-Kollektivs eine große Rolle beim Studienvergleich und bei der Übertragbarkeit von Ergebnissen. Zwischen den einbezogenen JIA-Kosten- und -Outcome-Studien variiert die Verteilung der JIA-Kategorien teilweise erheblich. Passend zu den natürlichen Inzidenzraten fanden sich in einigen JIA-Kategorien nur wenige Patienten. Diese kleinen Subgruppen können sich stark auf die Lage des Mittelwertes, insbesondere den der subgruppenspezifischen Behandlungskosten, auswirken und sind bei der Interpretation ebenfalls

zu berücksichtigen. Im Vergleich zur bundesweiten Kerndokumentation rheumakranker Kinder und Jugendlicher litten die Patienten der untersuchten Stichprobe etwas häufiger an einer Polyarthritis. Ein möglicher Selektionseffekt durch die hochspezialisierten rekrutierenden Einrichtungen ist nicht auszuschließen. Dies kann neben einer tendenziellen Überschätzung der durchschnittlichen Krankheitskosten, möglicherweise auch zu einer Unterschätzung der durchschnittlichen Lebensqualität der frühen JIA führen.

Die Überrepräsentation von Einrichtungen in den alten Bundesländern wird angesichts nationaler Versorgungsleitlinien und einheitlich verwendeter Kostensätze nicht als Einschränkung gewertet.

Insgesamt sind die vorliegenden Ergebnisse nicht zu verallgemeinern und auf die deutsche JIA-Population zu übertragen, insbesondere da es sich um eine Untersuchung an neu erkrankten Patienten handelte.

Die Stärken der vorliegenden Arbeit bestehen in der vergleichsweise großen Fallzahl, der prospektiven Datenerhebung und dem multizentrischen Design, das die Darstellung der Versorgungssituation nicht nur auf eine kinderrheumatologische Einrichtung beschränkte.

Zusätzlich wurden die errechneten Krankheitskosten mittels probabilistischer Sensitivitätsanalyse auf ihre Unsicherheit geprüft. Trotz der genannten Limitationen kann insgesamt von einer guten Abbildung der Krankheitskosten und Outcome-Entwicklung der frühen JIA ausgegangen werden.