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Limitationen der Studien des Promotionsvorhabens

Kapitel 6 Allgemeine Diskussion

6.1 Limitationen der Studien des Promotionsvorhabens

Ziel des Promotionsvorhabens war es, den Einfluss von Haltung und Manage-ment auf das Tierwohlniveau in der Milchviehhaltung zu untersuchen. Hierzu wur-den insgesamt 85 konventionelle Milchviehbetriebe mit Liegeboxenlaufställen und ohne Weidezugang zweimalig im Abstand von 6 Monaten mit Hilfe des Wel-fare Quality® Protokolls für Rinder hinsichtlich ihres Tierwohlniveaus bewertet und anschließend der Einfluss der verschiedenen Haltungs- und Management-faktoren statistisch berechnet. Durch den Auswahlprozess der Teilnehmerbe-triebe und die verwendeten Erhebungsmethoden ergaben sich für die Studien einzelne Limitationen, die im folgenden Abschnitt diskutiert werden:

Für die Untersuchung zum Einfluss der Bestandsgröße auf das Tierwohlniveau wurden Betriebe mit unterschiedlich hohen Tierzahlen in die Auswertung einbe-zogen. Die mittlere Bestandsgröße in der Stichprobe betrug 383 Milchkühe und lag damit sehr viel höher als der aktuelle Durchschnitt in Deutschland von 61 Milchkühen (Destatis, 2017). Die Streuung zwischen den Betrieben war beträcht-lich, die Spannweite reichte von minimal 45 bis maximal 1629 Milchkühen. Im Rahmen der Betriebsakquise konnten keine Betriebe unterhalb einer Be-standsgröße von 45 Kühen mit Laufstallhaltung gefunden werden. Folglich wur-den in der Stichprobe nicht alle in Deutschland vorhanwur-denen Bestandsgrößenka-tegorien gleichermaßen abgebildet. Vor dem Hintergrund eines stetigen Struktur-wandels und kontinuierlich wachsender Bestandsgrößen schränkt dies die Aus-sagekraft der Studien jedoch nicht wesentlich ein.

Die Teilnehmerbetriebe sollten alle über Liegeboxenlaufställe verfügen, um die Vergleichbarkeit der Haltungsbedingungen zwischen den Betrieben gewährleis-ten zu können. Die Bedeutung der Milchviehhaltung in Anbindeställen nimmt ste-tig ab, da diese als problematisch für das Tierwohlniveau angesehen wird (Wis-senschaftlicher Beirat, 2015). Aus diesem Grund ist von einer sukzessiven Auf-gabe der Anbindehaltung in Deutschland auszugehen und ihre Berücksichtigung in der Studie zum Einfluss steigender Bestandsgrößen auf das Tierwohlniveau demnach nicht gerechtfertigt.

Desweiteren erfolgte die Betriebsauswahl auch nach der Höhe des Weideange-bots für laktierende Kühe. Das Kriterium „Artgemäßes Verhalten“ besitzt inner-halb des WQP eine relativ hohe Gewichtung und Betriebe mit Weidegang würden systematisch höhere Tierwohlbeurteilungen erzielen. Dieser ressourcenbasierte Tierwohlindikator berücksichtigt jedoch nicht die Qualität der Weide (z.B. Schat-tenplätze, Wasserversorgung), so dass sich der Effekt des Weidegangs auf das Tierwohlniveau nur schwer ermessen lässt. Es wurde daher auf die Einbeziehung von Betrieben oberhalb des Schwellenwertes von 6 Stunden Weidegang pro Tag (Welfare Quality, 2012) verzichtet, um vergleichbare Rahmenbedingungen zwi-schen den Betrieben der Stichprobe sicherzustellen.

Bezüglich der Haltungseinrichtungen in den Milchviehställen wurde im Rahmen der Betriebsakquise kein konkretes Anforderungsprofil formuliert. Die tatsächli-che Verteilung der unterschiedlitatsächli-chen Haltungsysteme (z.B. Liegeboxentyp, Fressplatztyp, Laufgangtyp) ließ sich aus der verfügbaren amtlichen Statistik nicht ableiten und demzufolge konnten auch keine repräsentativen Gruppen ge-bildet werden (Destatis, 2011). Daher wurden alle in der Praxis vorkommenden Haltungseinrichtungen wie z.B. Hoch- und Tiefboxen, Fressgitter und Nackenrohr oder Spaltenböden und planbefestigte Böden für die Teilnahme an der Studie zugelassen. Die Verteilung der Haltungseinrichtungen war zwischen den Betrie-ben relativ ausgeglichen. Lediglich der Anteil an Tiefboxen (74%) war höher als der Anteil an Hochboxen (26%). Insgesamt zeigte sich in der Stichprobe eine für die jeweilige Bestandsgrößenkategorie typische Verteilung der Haltungseinrich-tungen, d.h. mit steigender Bestandsgröße nahm tendenziell die Anteile an plan-befestigtem Boden und Nackenrohren am Futtertisch zu. Die Anteile an Hoch- und Tiefboxen blieben jedoch über die Bestandsgrößenklassen hinweg konstant.

Zur Einschätzung des Tierwohlniveaus auf den Betrieben wurde das Welfare Quality® Protokoll für Rinder angewandt. Das WQP gilt derzeit als das umfas-sendste Indikatorensystem zur Beurteilung des Tierwohls auf Betriebsebene (de Graaf et al., 2017b). Wie in der Literaturübersicht (Kapitel 2.4) näher beschrie-ben, wurden in den letzten Jahren jedoch vereinzelte methodische Probleme identifiziert (de Vries et al., 2013; Heath et al., 2014a,b; de Graaf et al., 2017b).

Durch die spezifische Auswahl des Studiendesigns sollte der Einfluss der be-kannten Schwachstellen im Rahmen des Promotionsvorhabens weitestgehend

vermieden werden. Beispielsweise wurde der Fokus bei den statistischen Aus-wertungen in erster Linie auf die Ebene der Tierwohlindikatoren gelegt, d.h. es wurden die Effekte von Bestandsgröße, Bestandsdichte sowie Haltungs- und Ma-nagementfaktoren auf die einzelnen Tierwohlindikatoren wie z.B. Lahmheit, Sau-berkeit oder soziale Interaktionen berechnet. Auf diese Weise konnte der Einfluss der in der Kritik stehenden Gewichtungsformeln innerhalb des Aggregationspro-zesses reduziert werden (Sandoe et al., 2017; de Graaf et al., 2018).

Eine weitere Schwachstelle des WQP ist die Unterschätzung der Prävalenzen einzelner, in der Praxis selten auftretender Tierwohlindikatoren (z.B Durchfall).

Der Stichprobenumfang müsste zur sicheren Identifizierung der Tierwohlprob-leme deutlich größer sein als im WQP vorgegeben (van Os et al., 2018). Die Fragestellungen der Studien bezogen sich jedoch auf den Vergleich verschiede-ner Haltungssysteme. Die potentielle systematische Unterschätzung der Prä-valenzen bei einzelnen Tierwohlindikatoren ist für die Beantwortung der gewähl-ten Fragestellungen daher von untergeordneter Bedeutung. Lediglich in Studie I (Kapitel 3) könnte die Stichprobenziehung einen Einfluss auf die Tierwohlbeur-teilungen ausgeübt haben, da die Anzahl untersuchter Kühe in kleineren Betrie-ben prozentual zur Bestandsgröße höher ausfiel als in größeren BetrieBetrie-ben. Die Ergebnisse der Studie zeigen jedoch bei den an einer Stichprobe erhobenen Ti-erwohlindikatoren keine systematisch höheren Prävalenzen in den kleineren Be-standsgrößenklassen. Demzufolge ist nicht von einer systematischen Verzerrung zulasten der kleineren Betriebe auszugehen.

In einigen Studien wurde eine mangelnde Beobachterübereinstimmung verschie-dener Tierwohlindikatoren aus dem WQP nachgewiesen. Bei einzelnen Tier-wohlindikatoren unterschieden sich die Bewertungen desselben Bild- und Video-materials deutlich voneinander, d.h. die Beobachterübereinstimmung zwischen den Testpersonen ist als ungenügend einzustufen (Bokkers et al., 2012; Heath et al., 2014b; de Graaf et al., 2017a). Die Datenerhebung für die vorliegenden Studien wurde von einem einzelnen Prüfer durchgeführt, so dass sich die teil-weise mangelnde Beobachterübereinstimmung (Inter-Beobachter-Reliabilität) nicht negativ auf die Ergebnisse der Untersuchungen ausgewirkt hat. Der Prüfer wurde in einem offiziellen Welfare Quality® Training an der Universität für

Boden-kultur in Wien intensiv in der Methodik der Tierwohlbewertung geschult und wen-dete das vollständige WQP unter Anleitung auf mehreren Praxisbetrieben an. Im Zeitraum der Datenerhebung absolvierte der Prüfer zudem mehrere Forschungs-aufenthalte an der Universität für Bodenkultur in Wien, um sich nachschulen zu lassen und die Anwendung der Tierwohlindikatoren mit erfahrenen Kollegen zu diskutieren. Aufgrund dieser intensiven Beschäftigung mit den Tierwohlindikato-ren des WQP ist von einer relativ konstanten Erhebung über die Zeit (Intra-Be-obachter-Reliabilität) auszugehen.

In den folgenden Abschnitten werden nun die Ergebnisse der drei Studien zum Einfluss von Bestandsgröße (Kapitel 3), Bestandsdichte (Kapitel 4) sowie Hal-tungs- und Managementfaktoren (Kapitel 5) miteinander verglichen und der Ein-fluss der verschiedenen Haltungsbedingungen und Managementpraktiken auf die Tierwohlindikatoren des WQP gemeinsam diskutiert. Dabei können nur die-jenigen Tierwohlindikatoren berücksichtigt werden, die in mindestens zwei der vorliegenden Studien (I-III) statistisch ausgewertet worden sind und darüber hin-aus die größte Tierwohlrelevanz besitzen.

6.1 Einflüsse von Haltungs- und Managementfaktoren auf die