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B. Literaturübersicht

1. Langzeit-EKG 13

1.1. Grundlagen

Die Langzeit-Elektrokardiographie, auch Holter-Monitoring genannt, ermöglicht es die elektrische Aktivität des Herzens über einen längeren Zeitraum -meist 24 Stunden- aufzuzeichnen (WARE, 1998). Das erste System wurde 1961 von N.J. HOLTER (1961) vorgestellt und bestand aus einem zwei Kilogramm schweren Funkrekorder mit Magnetband.

Seither hat die Methodik eine umfassende Weiterentwicklung erfahren und mittlerweile sind die Geräte so klein und leicht, dass der Patient während der Registrierung seinen täglichen Aktivitäten in gewohnter Umgebung nachgehen kann. Ein Ruhe-Standard-EKG mit sechs bis zwölf Ableitungen registriert die Herzaktionen allenfalls über wenige Minuten. Beim Dauer-EKG stehen dagegen eine Vielzahl von Herzzyklen meist in zwei Ableitungen über mehrere Stunden zur Verfügung (FITSCHA et al., 1981). Das Langzeit-EKG stellt daher gegenüber dem Ruhe-EKG und dem Belastungs-EKG die empfindlichste Methode zur Diagnostik von Herzrhythmusstörungen dar (FITSCHA et al., 1981). Besonders sporadisch auftretende Arrhythmien können besser erfasst werden (MILLER et al., 1999; TILLEY, 1983).

Generell wird zwischen diskontinuierlich und kontinuierlich aufzeichnenden Systemen unterschieden (BETHGE u. GONSKA, 1988; STEINBECK, 1994). Diskontinuierliche Geräte arbeiten entweder mit einem Arrhythmiemodul, welches Rhythmusstörungen identifiziert und dann nur diese Bereiche abspeichert (BETHGE u. GONSKA, 1988). Weiterhin existieren Geräte, die durch den Patienten selbst bzw. durch den Patientenbesitzer aktiviert werden müssen und dann über einen kurzen Zeitraum EKG-Sequenzen aufzeichnen (COTE et al.;

1999). Eine kontinuierliche 24-stündige Registrierdauer wird heute als Minimum angesehen, um der Spontanvariabilität Rechnung zu tragen (ANDRESEN et al., 1982; KÜHN, 1988;

WITTE u. DÄNSCHEL, 1990; STEINBECK, 1994). Diskontinuierlich registrierende Systeme sollten nur dann eingesetzt werden, wenn es um Abklärung von Symptomen geht, die so selten auftreten, dass sie mit einem 24-Stunden-EKG nicht erfassbar sind und genügend Zeit zum Aktivieren der Registriertaste bleibt (STEINBECK, 1994).

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Bei den Rekorderarten werden zwei Typen unterschieden. Einerseits der ältere analoge Magnetbandrekorder, der als Speichermedium handelsübliche Kassetten benötigt.

Andererseits die neueren digitalen Rekorder mit Festspeicher (Chip) oder sogenannten Flashroms (Chipkarten) (KALKREUTH, 1992). Die EKG-Signale werden hier sofort in computergerechter Form gespeichert. Bei den ersten Geräten dieser Art war die Speicherkapazität noch zu gering, um eine 24-Stunden-Registrierung kontinuierlich in zwei Ableitungen speichern zu können. Somit wurden digitale Rekorder entwickelt, die kontinuierlich analysierten, jedoch nur diskontinuierlich speicherten. Es wurden lediglich veränderte Komplexe aufgezeichnet. Insgesamt kam es zu einem hohen Datenverlust.

Mittlerweile existieren digitale Rekorder, die in der Lage sind ein komplettes 24-stündiges-EKG in zwei Ableitungen zu speichern. Diskontinuierlich arbeitende Systeme sollten nicht mehr angewandt werden, da wichtige Passagen fehlen können (HÖPP u. OSTERSPEY, 1984).

Auch die Analysesysteme haben in den letzten Jahren eine umfassende Weiterentwicklung erfahren. Ursprünglich wurde das aufgezeichnete Langzeit-EKG vom Band mit entsprechen- der Geschwindigkeit in ein Analysesystem eingelesen und mußte gleichzeitig am Bildschirm kontrolliert werden (KALKREUTH, 1992). Norman Holter entwickelte dann ein Verfahren (audiovisuelle EKG-Analyse), mit dem eine zeitgeraffte Analyse möglich war (KALKREUTH, 1992). Die einzelnen QRS-Komplexe wurden auf dem Bildschirm übereinander projiziert. In Form und Vorzeitigkeit abweichende Komplexe konnten erkannt werden. Wenige Zeit später wurde jeder QRS-Komplex zusätzlich von einem Ton begleitet.

Abweichungen der Herzfrequenz oder Extrasystolen konnten zusätzlich akustisch wahrgenommen werden. In den siebziger Jahren kamen die ersten Arrhythmiecomputer zum Einsatz.

Bei der computergesteuerten Arrhythmieanalyse werden sogenannte normale von anormal konfigurierten QRS-Komplexen unterschieden (BETHGE u. GONSKA, 1985;

KALKREUTH, 1992). Der Computer zieht verschiedene Einzelmerkmale zur Klassifikation der Komplexe heran, beispielsweise: QRS-Breite, QRS-Amplitude, Anstiegssteilheit des Kammerkomplexes, Vektor, Fläche, Flächenschwerpunkt, Flächenkontur, QRS-Symmetrie sowie die R-R-Abstände. Mehrere dieser Einzelkriterien werden für jeden Kammerkomplex berechnet und zu einem Algorithmus verknüpft. Der für einen normalen

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QRS-Komplex abgeleitete Algorithmus wird mit den Algorithmen aller nachfolgenden Kammerkomplexe fortlaufend verglichen. Je nach Grad der Übereinstimmung erfolgt die Differenzierung zwischen normal und anormal konfigurierten Kammerkomplexen. Erst einige der neueren Systeme sind in der Lage P-Welle, PQ-Dauer und T-Wellen zu erkennen (KALKREUTH, 1992). Zur sicheren Klassifikation ist allerdings eine artefaktfreie Aufzeichnung unumgänglich.

Da eine 100prozentige Genauigkeit der Computeranalyse jedoch nicht möglich ist, fordern humanmedizinische Qualitätsrichtlinien bei jeder durch einen Computer erstellten Analyse eine visuelle Kontrolle durch den Untersucher (BETHGE u. GONSKA, 1988). Auch in der Veterinärmedizin ist eine solche visuelle Kontrolle unerlässlich (HERTEL et al., 1999;

MILLER et al., 1999). Bei der Computeranalyse tritt meist ein hoher Grad an Artefakten und unkorrekten Klassifikationen auf (MILLER et al., 1999). Besonders die Erkennung der physiologischen respiratorischen Sinusarrhythmie des Hundes bereitet dem Computer Probleme (WARE, 1998; MOISE u. DEFRANCESCO, 1995; HERTEL et al., 1996;). Häufig wird diese als supraventrikuläre Extrasystolie fehlinterpretiert. Plötzliche Bewegungen der Tiere können als ventrikuläre Arrhythmien fehlinterpretiert werden (MILLER et al., 1999).

Grundlinienschwankungen, die zeitgleich mit einer Sinusarrhythmie auftreten, werden möglicherweise als Vorhofflimmern fehlinterpretiert (WARE, 1998).

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1.2. Einsatz beim Menschen

Das Langzeit-EKG gehört in der Humanmedizin neben dem Routine-EKG zu den am häufigsten angewandten nichtinvasiven kardiologischen Untersuchungsverfahren (STEINBECK, 1994). Das Hauptindikationsgebiet liegt in der Abklärung subjektiv empfundener Symptome wie Palpitationen, Schwindel oder Synkopen, deren Ursache häufig Arrhythmien sind (FITSCHA et al., 1981; STEINBECK, 1994). Diese Symptome treten während kurzer Untersuchung in der Praxis oder Ambulanz häufig nicht auf (KÜHN, 1988).

Auch zur Risikoeinschätzung bei bestehenden organischen Herzerkrankungen wird das Holter-Monitoring eingesetzt (WITTE u. DÄNSCHEL, 1990). Daneben dient es der Überprüfung der Effektivität einer antiarrhythmischen Therapie (DIMARCO u. PHILBRICK, 1990) oder eines implantierten Herzschrittmachers (STEINBECK, 1994).

Im Rahmen von wissenschaftlichen Fragestellungen wurde mittels Langzeit-EKG die Herzfrequenzvariabilität bei gesunden Menschen untersucht. Ebenfalls wurde der Einfluß von Alter, Geschlecht, körperlicher Konstitution und regelmäßigem Nikotingenuß auf die mittlere bzw. minimale Herzfrequenz überprüft (BJERREGAARD, 1983). Bei Langzeit-EKG-Registrierungen gesunder Menschen verschiedener Altersgruppen wurde die Arrhythmieart und –häufigkeit ausgewertet (DICKINSON u. SCOTT, 1984). Auch die Beziehung zwischen ventrikulärer Extrasystolie, Tageszeit und Herzfrequenz wurde betrachtet (ANDRESEN et al., 1982).

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1.3. Einsatz beim Hund

In der Kleintiermedizin hat diese nichtinvasive Methode in den letzten Jahren ebenfalls vereinzelt Anwendung gefunden (WARE, 1998; HALL et al., 1991; STOKHOF et al., 1992;

LOMBARD, 1993; ULLOA et al., 1995; HERTEL et al., 1996). Neben der Einsatzmöglichkeit beim Hund existieren Berichte über die Anwendung bei Katzen (GOODWIN et al., 1992b; WARE, 1999), Pferden (RAEKALLIO, 1992) und Affen (VOGEL et al., 1991).

Die Indikationen stimmen weitgehend mit denen bei Menschen überein. So wird das 24-Stunden-EKG auch beim Hund erfolgreich zur Überwachung von Patienten mit Verdacht auf Synkopen oder Adams-Stokes-Anfälle (CALVERT et al., 1996a) -insbesondere bei unauffälligem Ruhe-EKG– eingesetzt. (WOODFIELD, 1987; HERTEL et al., 1996; MILLER et al., 1999). Daneben hilft das Langzeit-EKG bei der Entscheidung, ob eine Arrhythmie behandlungsbedürftig ist oder nicht (HERTEL et al., 1996). Die Effektivität einer antiarrhythmischen Therapie (BAUER u. SAAL, 1985; WARE, 1990; CALVERT et al., 1996b; GOODWIN, 1998) oder eines implantierten Herzschrittmachers (COBB et al., 1990) kann beurteilt werden. Um den Therapieerfolg von der Spontanvariabilität, der Arrhythmien unterliegen, differenzieren zu können, wird eine mindestens 70prozentige Reduktion der Arrhythmien gefordert (GOODWIN, 1998).

Das Holter-Monitoring findet auch bei experimentellen Fragestellungen Einsatz.

Beispielsweise wird es zur Erfassung physiologischer Herzfrequenzraten während Ruhe- und Belastungsphasen herangezogen (WARE, 1998; HALL et al., 1991). Im Rahmen von Medikamentenstudien kann das Holter-Monitoring zur Überprüfung der Kardiotoxizität und Arrhythmieinduktion von Testsubstanzen verwendet werden (ULLOA et al., 1995).

Hunde mit moderaten bis schweren Subaortenstenosen wurden Langzeit-EKG-Untersuchungen unterzogen, um ventrikuläre Arrhythmien zu erfassen, die auf ein erhöhtes Risiko eines plötzlichen Herztodes hinweisen (LEHMKUHL u. BONAGURA, 1993;

LEHMKUHL u. BONAGURA, 1995). In einer Studie von CALVERT (1991) gelang es bei Dobermann-Pinschern ventrikuläre Arrhythmien aufzudecken, die möglicherweise einer subklinische Kardiomyopathie vorausgehen.

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Auch beim Deutschen Schäferhund ließen sich mittels Langzeit-EKG erblich bedingte ventrikuläre Tachykardien aufdecken, die zum plötzlichen Tod führen können (MOISE et al., 1997).

Die meisten Hunde dulden das Gerät nahezu problemlos. Selten kommt es durch Lösen der Elektroden, mangelhafte Hautimpedanz oder technische Defekte zu Verlusten bei der Aufzeichnung (STOKHOF et al., 1992; HERTEL et al., 1996; BUHL et al., 1999). Systeme, die mehrere Ableitungen registrieren, sind hier von Vorteil (MOISE u. DEFRANCESCO, 1995). Einige Hunde entwickeln durch die Klebeelektroden Hautirritationen (MOISE u.

DEFRANCESCO, 1995).

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