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Landwirtschaft, Gartenbau und Dienstleistungen

Aus Gründen der Verfügbarkeit von öffentlichen Datenquellen werden die Bereiche «Landwirtschaft und Gartenbau» einerseits und «Dienstleistungen» andererseits zusammengefasst. Insgesamt liegt der Stromverbrauch des Bereichs Landwirtschaft und Gartenbau bei rund 1 TWh, verteilt auf über 51’000 Betriebe, so dass ein spezifischer Stromverbrauch von durchschnittlich ca. 20 MWh verbleibt. Im Dienst-leistungssektor werden zusätzlich rund 15.7 TWh Strom pro Jahr verbraucht, wobei dieser Sektor hin-sichtlich Grösse, Struktur und Branche stark divergiert.51

Der primäre Sektor «Landwirtschaft und Gartenbau» in der Schweiz wird hinsichtlich Stromverbrauch überwiegend von der Landwirtschaft geprägt, «Gartenbau» ist vernachlässigbar. Die landwirtschaftli-chen Betriebe in der Schweiz sind sehr heterogen, sowohl was ihre Grösse angeht, als auch ihre Spe-zialisierung z. B. in Milchwirtschaft, Mastbetriebe, Ackerbau.

Tabelle 7: Übersicht Prozesse und Anwendungen mit theoretischem Potential Landwirtschaft und Gartenbau

Prozesse und Anwen-dungen

Senkbarkeit Verschiebbarkeit wg.

Speicherung bzw. Lage-rung / Entkopplung

Beispiele für Anwen-dungen und Prozesse52

Raumwärme Ja Ja Heizstrahler

(Hallenhei-zung)

Warmwasser Nein Ja Boiler

Prozesswärme Nein Ja Trocknungsprozesse

Klima, Lüftung und Haustechnik

Ja Ja Ventilation

geschlosse-ner Ställe

Antriebe, Prozesse Nein Ja Rührwerke,

Melkma-schinen

51 Elektrizitätsstatistik 2017, S. 26

52 Vgl. u. a.: Energiewirtschaftliches Institut an der Universität zu Köln e.V. EWI (Hrsg.) (2012): “Untersuchungen zu einem zu-kunftsfähigen Strommarktdesign: im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums”. Köln, S. 36

47/123 Es ist anzunehmen, dass bei fünf Prozessen bzw. Anwendungen mindestens Verschiebbarkeit und damit theoretisches Potential gegeben ist. Der Umfang ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Das technische, verlässliche Potential ist bei Prozessen zur Raumwärme, zur Klimatisierung saisonal unterschiedlich, bei allen Prozessen und Anwendungen aber im Tagesablauf schwankend.

Aus verschiedenen Restriktionen heraus ist bei das soziotechnische Potential aber eingeschränkt, denn abhängig von den Spezialisierungen der einzelnen Betriebe wirken unterschiedliche Restriktionen.

Grundsätzlich benötigen zum Beispiel Melkanlagen jeweils am Morgen und am Abend am meisten Strom. Hier sind keine grossen Verschiebungen möglich, da ansonsten das Tierwohl gefährdet wäre.

Weiter braucht die Milch eine konstante Kühlung, um deren Qualität zu sichern bzw. aus hygienischen Gründen. Damit stünden solche Prozesse und Anwendungen nicht zur Verfügung. Allerdings verändern sich nach Ergebnissen aus der Befragung von Branchenvertretern im Rahmen der Studie in diesem Bereich die Prozesse derzeit, denn in der Tendenz werden zunehmend Melkroboter bei Stallneubauten oder Sanierungen eingesetzt. Das bedeutet, dass der Strombezug weniger Spitzen am Morgen und am Abend aufweist verursacht durch das Melken, da die Kühe ihrem natürlichen Trieb folgen und sich zunehmend auch untertags melken lassen. In diesen Fällen kann gewisses, technisches Potential vorhanden sein, welches dann aber stärker über den Tag verteilt ist, als es heute noch oft der Fall ist53. Bei der Hühner- und Schweinezucht stellen hingegen die Lüftungen grosse Stromverbraucher dar und weisen eine Flexibilität auf, werden aber nach Bedarf benötigt. Es sind z. B. aus Gründen des Tierwohls zwingende Restriktionen einzuhalten. Sofern dieses aber der Fall ist, könnte z. B. eine sensorgeführte Klimatisierung bzw. Belüftung helfen, Flexibilität in begrenztem Umfang nutzbar zu machen. Die betrieblichen Anforderungen würden so erfüllt, darüber hinaus wäre die Flexibilität für energiewirtschaftliche Zwecke (DSM) nutzbar. Auch die Heubelüftung ist ein namhafter Stromverbraucher. Wird diese nicht ordnungsgemäss durchgeführt, drohen Heustockbrände. Damit scheiden solche Energieverbräuche spätestens bei der Beurteilung des soziotechnischen Potentials aus.

Auch in der Landwirtschaft können flexible Verbraucher gepoolt und z. B. für Systemdienstleistungen eingebunden werden. Im Einzelfall ist aber auch hier zu diskutieren, ob das Pooling gemeinsam mit anderen Flexibilitäten geschehen sollte. Das Potential zur Bereitstellung von DSM ist räumlich verteilt.

Folglich sind DSM-Anwendungen für Redispatching, welches starke, definierte netztopologische Kriterien berücksichtigen müssen, tendenziell ungeeignet. Für die anderen Zwecke kann tendenziell Eignung angenommen werden.

Auch im Dienstleistungsbereich ist DSM-Potential vorhanden, was auch durch Antworten im Rahmen der EVU-Umfrage bestätigt wurde. Allerdings sind hier die Besonderheiten der Leistungserstellung zu berücksichtigen, insbesondere die weitgehende Nicht-Speicherbarkeit. Dienstleistungen können faktisch nicht oder nur in Einzelfällen «auf Vorrat» erbracht werden, da die Lagerfähigkeit ist nicht gegeben. Der Stromverbrauch wird verursacht durch die zeitlich unmittelbar damit verbundene Nachfrage der Kunden. Aus Sicht der Autoren sind im Dienstleistungsbereich maximal fünf Prozesstypen bzw. Anwendungen theoretisch geeignet, für DSM herangezogen zu werden. Die befragten EVUs haben bisher das Flexibilitätspotential im Dienstleistungsbereich weder systematisch erhoben, noch genutzt54.

53 Dieses ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich energieverbrauchende Prozesse durchaus ändern können, so dass auch das DSM-Potential im Zeitablauf ändert.

54 Vgl.: Anhang 2

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Tabelle 8: Übersicht Prozesse und Anwendungen mit theoretischem Potential Dienstleistungen Prozesse und

Anwen-dungen

Senkbarkeit Verschiebbarkeit wg.

Speicherung bzw. Lage-rung / Entkopplung

Beispiele für Anwen-dungen und Prozesse55

Raumwärme Ja Ja Heizungsanlagen mit

und ohne Wärme-pumpe

Warmwasser Ja Ja Schwimmbäder,

Sani-täranlagen

Prozesswärme Nein Nein

In-Shop-Backeinrich-tungen, Küchenbetriebe Klima, Lüftung und

Haustechnik

Ja Ja Klimatisierung von

La-denlokalen, grosse Kühlhäuser

Antriebe, Prozesse Nein Nein Antriebe von

Bergbah-nen

Eine theoretische Eignung der Stromanwendungen für DSM kann bei unterstützenden Prozessen wie Raumwärme, Warmwasserbereitung und Klima, Lüftung und Haustechnik angenommen werden. Das technische Potential aus diesen Prozessen und Anwendungen ist in dieser Branche zeitlich strukturiert, in vielen Fällen mit Schwerpunkten tagsüber. Zudem kann insbesondere im Bereich des Kleingewerbes nach Aussagen in der EVU-Umfrage im Rahmen dieser Studie eine Ähnlichkeit der DSM-Quellen zu der im Haushaltsbereich angenommen werden.

Bei Prozesswärme sowie Antrieben und Prozessen stellt sich aber trotz potentiell vorhandenem theoretischen und technischen Potential die Frage, ob eine soziotechnische Akzeptanz vorhanden ist.

Grund dafür ist, dass die Prozesse vielfach darauf ausgerichtet sind, Nachfrage ohne weiteren Zeitverzug zu bedienen. Speicherbarkeit als Voraussetzung für DSM-Potential ist kaum gegeben. Viele Dienstleistungen nutzen faktisch Power-on-demand-Anwendungen. Aus Sicht des wirtschaftlichen Potentials ist ggf. der Value of Lost Load sehr hoch, also der «Wert» bzw. «die Kosten», die mit dem entfallenden Strombezug einhergehen. Solche Kosten können z. B. aus nicht-produzierten Gütern herrühren. DSM würde zu einer Unterbrechung des Leistungsangebots der Dienstleistungen, oder zu einem Qualitätsverlust führen. In Restaurationsbetrieben müssen die Prozesse und Anwendungen z. B.

dann erfolgen, wenn Gäste bedient werden müssen. Im Einzelhandel sind in den einzelnen Unternehmen verschiedene Vorgaben einzuhalten, etwa was die Kühlkette bei Lebensmitteln angeht.

Nach unserer Kenntnis sind die Restriktionen teilweise so stark, dass bei einzelnen Unternehmen z. B.

55 Vgl. u. a.: EWI 2012, S. 36

49/123 über das Mobilfunknetz Alarme übermittelt werden, wenn Temperaturschwellwerte überschritten werden. Punktuell kann aber Potential vorhanden sein, zum Beispiel bei grossen Kühlhäusern. Hier könnten zum Teil niedrigere Temperaturen aufgrund der Dämmung der Gebäude für bestimmte Zeiträume gehalten werden, ohne zusätzliche Energie für die Kühlung einzusetzen. Dieses bestätigte auch die die Befragung durch die Autoren.

Gerade im Dienstleistungsbereich gibt es zudem Bereiche, in denen sehr hohe Einwände gegen die Nutzung von DSM vorhanden wären. Diese gilt zum Beispiel für den Betrieb von Spitälern, aber auch für kritische Infrastrukturen wie Flughäfen oder Bahnhöfe. Hier sind zum Beispiel hohe Anforderungen an die Klimatisierung von Gebäuden oder an die Beleuchtung vorhanden. Sofern Steuerung dann in abgegrenzten Bereichen möglich ist, wird sie sich die Steuerbarkeit nicht grundsätzlich von anderen Dienstleistungssektoren unterscheiden.