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3. Literaturübersicht

3.8. Indikatoren für Stress

3.8.2. Laborparameter als Stressindikatoren

Sofern man die medizinische Definition von Stress als einer Aktivierung der HPA-Achse zu Grunde legt, liegt es nahe, die durch diese Aktivierung abgegebenen Glucocorticoide zu messen. Dies ist in verschiedenen Substraten, unter anderen Plasma, Federn, Haare, Kot, Kolon-Inhalt und Speichel, möglich (Palme et al., 2005).

Je nach Substrat unterscheiden sich der Zeitpunkt und die Zeitspanne der Glucocorticoidabgabe ins Blut, die durch die Messung wiedergegeben werden.

Während im Serum der „aktuelle“ Blutspiegel erfasst wird, spiegelt die Messung im Kot einen Serumspiegel von 3-5 Stunden vor der Probennahme wieder (Palme et al., 2005). Die Glucocorticoide, die in der Feder gemessen werden können, wurden während des Wachstums der Feder eingelagert und sind somit von der Größe, Art und dem Zeitpunkt des Wachstums der entsprechenden Feder abhängig (Jenni‐Eiermann et al., 2015). Auf Grund der relativ einfachen Erfassbarkeit hat sich ebenfalls das Heterophilen/Lymphozyten-Ratio als Stressparameter durchgesetzt. Da ein Anstieg der Glucocorticoide eine Abnahme der Lymphozyten in der Zirkulation bewirkt, die Granulozytenlevel aber gleich bleiben, ist davon auszugehen, dass dieser Parameter ebenfalls Veränderungen im Glucocorticoidlevel anzeigen (Miller et al., 1998). Das H/L-Ratio kann entweder durch Hämocytometer erhoben werden oder im Blutausstrich

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manuell durch einen geübten Betrachter ausgezählt werden (Harrison and Lightfoot, 2006). Das Problem der letzteren Methode liegt in der zeitaufwendigen Auswertung sowie der hohen Varianz. Hinzu kommt, dass die Ergebnisse von Betrachter zu Betrachter leicht variieren können.

Ein Vergleich der gebräuchlichsten Parameter (H/L-Ratio, Corticosteron im Serum, Zäkum, Kolon und Federn) wurde beim Broiler durchgeführt (Weimer et al., 2018).

Diese Stressparameter wurden sieben Mal innerhalb eines Zeitraums von 72 Stunden an Kontrolltieren und Broilern, die Corticosteron über das Trinkwasser verabreicht bekamen, durchgeführt. Dabei zeigte sich, dass Corticosteron im Serum geringere Variabilität zeigt als das in Federn, Zäkum- und Koloninhalt und somit den Zustand im Tier am exaktesten widerspiegelt. Es korrelierten jedoch alle erhobenen Stressparameter miteinander.

3.8.2.1. Durch Stress beeinflusste Immunparameter

Die Subpopulationen der zirkulierenden Leukozyten können sowohl an der Vermittlung der angeborenen (innaten) und der erworbenen (adaptive) Immunantwort beteiligt sein. Die Granulozyten, Monozyten und natürlichen Killerzellen werden eher der angeborenen Immunantwort zugeordnet (Juul-Madsen et al., 2008; Medzhitov and Janeway, 1997). Neuerdings wird auch den Thrombozyten eine Rolle in der angeborenen Immunabwehr zugeschrieben (Ferdous, 2014; Wagner and Burger, 2003). Die T- und B-Lymphozyten sind an der Ausbildung der adaptiven Immunantwort beteiligt (Medzhitov and Janeway, 1997). Über das weiße Blutbild kann demnach sowohl auf das innate als auch auf das adaptive Immunsystem zurückgeschlossen werden, womit es einen wertvollen Parameter für die Überwachung der Tiergesundheit darstellt und als solcher breiten Einsatz in der Human- und Tiermedizin findet. Beim Mensch und Säugetier findet die Erfassung mit automatisierten Hämocytometern statt, die schnelle, gut reproduzierbare und vom durchführenden Personal unabhängige Ergebnisse liefern (Bauer et al., 2012; Becker et al., 2008). Diese Systeme sind jedoch für die Erfassung von Vogelblut ungeeignet, da vor der Erfassung der weißen Blutzellen eine Lyse der Erythrozyten erfolgen sollte (Bossuyt et al., 1997).

Vogelerythrozyten sind im Gegensatz zu Säugererythrozyten kernhaltig und weisen

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daher eine erhöhte Stabilität auf (Seliger et al., 2012). Da eine Separierung der Leukozyten von den Erythrozyten zeitaufwendig ist und im Anschluss eine Quantifizierung der Zellen pro Milliliter Blut schwierig ist, wurde für das Huhn eine Messmethode auf der Basis von Vollblut entwickelt, die Leukozyten mit Hilfe spezifischer monoklonaler Antikörper durchflusszytometrisch detektiert (Seliger, 2009;

Seliger et al., 2012). Es besteht Bedarf, eine solche Methode auch für die Pute zu entwickeln, um genauere und besser reproduzierbare Messung von Immunparametern möglich zu machen. Dies ist insbesondere für Studien, die die Abwehrleistung sowohl von Hühnern als auch Puten gegen ein bestimmtes Pathogen untersuchen, hilfreich, die aktuell die Konzentrationen bestimmter Leukozytensubpopulationen wie der Granulozyten nur im Hühnerblut durchflusszytometrisch bestimmen können (Mitra et al., 2017).

Seliger et al. (2012) konnten zeigen, dass es für die B- und T-Zellen eine altersabhängige Entwicklung bei Hühnern gab, während die Monozyten und Heterophilen an bis zum 51. Lebenstag in vergleichbarer Konzentration im Blut auftraten. Auch in Studien mit manueller Zählung der Leukozyten von Bronzeputen konnte eine altersabhängige Verschiebung der prozentualen Anteile von Lymphozyten, Basophilen und Eosinophilen gezeigt werden (Dos Santos Schmidt et al., 2009). Wenn solche altersabhängigen Änderungen des Blutbildes bereits in manueller Zählung zu erfassen sind, werden sie höchstwahrscheinlich auch bei durchflusszytometrischer Analyse gefunden werden. Um gefundene Abweichungen als altersgemäß einordnen zu können, sollten Normwerte erhoben werden.

In adulten Tieren ist zudem eine jahreszeitliche Schwankung der Immunparameter gut dokumentiert. Diese Schwankung wird mit der Saisonalität der Fortpflanzung erklärt, die mit dem Immunsystem um Ressourcen konkurriert (Nelson and Demas, 1996).

Solche saisonalen Schwankungen konnten an den Heterophilen und Lymphozytenanteilen in manuellen Zählungen von Blutausstrichen von wild lebenden Kranichen demonstriert werden (Abelenda et al., 1993). Um Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Durchgängen zu gewährleisten, sollten Einflüsse der Jahreszeit auf die zirkulierenden Konzentrationen von Leukozytenpopulationen bestimmt werden.

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Der Einfluss von Stress auf die Konzentration von Blutzellen (siehe Abschnitt 3.5.1) ist hinreichend bekannt und wird beispielsweise durch die H/L-Ratio als Stressparameter genutzt. Diese Konzentrationsänderungen werden über verschiedene Botenstoffe vermittelt, die ins Serum abgegeben werden. Dazu gehören unter anderem die Glucocorticoide, welche eine Umverteilung der Lymphozyten in die sekundären Immunorgane auslösen (Engert et al., 2017; Mashaly et al., 1998) (siehe Abschnitt 3.5.3).

Neben den zellulären können auch humorale Immunparameter gemessen werden. Bei Hausspatzen wurden als Parameter der humoralen Immunantwort die humorale Immunantwort auf Schaferythrozyten und KLH nach Immunisierung, und die Fähigkeit des Plasmas Kaninchenblut zu lysieren und zu agglutinieren gemessen (Pap et al., 2010). Bei der Untersuchung des Einflusses von EE auf die Immunparameter von Legehennen zeigte sich ein signifikanter Einfluss auf die Antikörpertiter gegen KLH und Schaferythrozyten nach Immunisierung (Moe et al., 2010). Beim Vergleich der Immunfunktion der HFP- und LFP-Hennen zeigten sich Unterschiede der Antikörpertiter gegen das infektiöses Bursitis-Virus (IBDV) nach Vakzination (Buitenhuis et al., 2006). Die Nutzung der Antikörperspiegel gegen bekannte Pathogene wie das infektiöse Bursitis-Virus hat den Vorteil, dass kommerzielle ELISA-Systeme zur Bestimmung der Antikörperspiegel erhältlich sind und somit eine gute Vergleichbarkeit und einfache Durchführbarkeit gewährleistet ist. Besonders bietet sich dabei auch die Bestimmung der Antikörpertiter gegen das Newcastle Disease Virus an, da hiergegen eine Impfpflicht besteht und keine zusätzliche Immunisierung der Tiere mit einem weiteren Antigen durchgeführt werden muss.

Eine Messung der zirkulierenden Zytokinspiegel wäre ein guter Immunparameter, doch es besteht ein Mangel an etablierten Systemen sowohl für Huhn als auch für Pute. Um Interleukin 6 zu messen, kann ein Bioassay genutzt werden, der Hybridomzelllinie von murinen B-Zellen nutzt, die nur in Anwesenheit von zugesetztem IL-6 wachsen kann (Wigley and Kaiser, 2003). Neben dem zugesetzten IL-6 kann das

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Wachstum der Zelllinie aber auch durch viele weitere Faktoren beeinflusst werden, wodurch es sich um ein für Störfaktoren anfälliges System handelt.

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