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Einleitung

2. Lösungsansätze in der öffentlichen Debatte

Verschiedene Lösungsoptionen sind in der letzten Zeit diskutiert und zum Teil bereits umgesetzt worden:

• Hinsichtlich der Befristungsprobleme soll das seit April 2007 geltende Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) Abhilfe schaffen.

Durch die Einführung eines eigenen Befristungstatbestandes für die Beschäftigung von überwiegend drittmittelfinanziertem Personal wird für diesen Personenkreis eine prinzipiell unbegrenzte Anstellungs-und Wiederanstellungsmöglichkeit an Hochschulen Anstellungs-und außeruniver-sitären Forschungseinrichtungen eröffnet. Für den Bereich der Dritt-mittelforschung scheint sich damit eine Problemlösung abzuzeichnen.

Weil aber die faktischen Auswirkungen dieser anstehenden Neurege-lungen heute noch nicht abzusehen sind, hat die vergleichende Unter-suchung der Frage, wie in anderen Ländern mit diesen Problemen um-gegangen wird, eine beträchtliche Aktualität.

• Seit einiger Zeit wird in der hochschulpolitischen Diskussion der Ge-danke erwogen, das britische „Lecturer-Modell“ in Deutschland zu übernehmen.5 Damit könnte einerseits ein beträchtlicher Lehrleis-tungsumfang geschaffen werden. Andererseits wäre dies eine berufli-che (Zwisberufli-chen- oder Dauer-) Option für Wissenschaftler und Wissen-schaftlerinnen nach der Promotion.

• Während die Lecturer-Position eher unterhalb der Professur angesie-delt ist, wird vom Wissenschaftsrat in seinen jüngsten „Empfehlungen zu einer lehrorientierten Reform der Personalstruktur an Universitä-ten“ (Wissenschaftsrat 2007) eine Differenzierung innerhalb der Pro-fessorengruppe favorisiert und die Einrichtung einer eigenen Lauf-bahn für primär lehrende Juniorprofessoren und Professoren ange-regt.

5 In NRW kann seit Neuestem einer Lehrkraft für besondere Aufgaben die akademische Be-zeichnung „Lecturer“ verliehen werden, sofern ihr Lehraufgaben zur selbständigen Wahr-nehmung übertragen worden sind (§ 42 Abs. 3 Hochschulfreiheitsgesetz NRW).

• Auf die Vermeidung einer formalen Trennung von Forschungs- und Lehrprofessuren zielt der Vorschlag, pro Fakultät/Fachbereich einen Lehrdeputatspool zu bilden und dadurch die Lehrdeputate zu flexibili-sieren: Aus diesem Pool können dann in Abhängigkeit von anderen Belastungen in Forschung, in Administration bzw. akademischer Selbstverwaltung, durch überregionale Gremien- oder Gutachtertätig-keiten, in der Studierendenbetreuung und in der Nachwuchsförderung individuell unterschiedliche Lehrdeputate zugewiesen werden. Der Vorteil der Poolbildung gegenüber der Trennung von Lehr- und For-schungsprofessur bestehe darin, dass es sich nicht um eine schemati-sche Dauerfestlegung handele; vielmehr könne fortwährend neu ent-schieden werden in Abhängigkeit von den tatsächlichen individuellen Aktivitätsschwerpunkten.6

• Ebenso wird darauf verwiesen, dass der weitere Ausbau der lehrinten-siveren Fachhochschulen die steil ansteigende Lehrnachfrage ent-spannen könnte. Die Realisierung dieses Vorschlags liefe personal-strukturell darauf hinaus, die Zahl der FH-Professuren deutlich zu er-höhen. Das wiederum stellte die Universitäten vor die Aufgabe, ent-sprechend viele Kandidaten und Kandidatinnen für diese Stellen wis-senschaftlich und hochschuldidaktisch zu qualifizieren, da neben Er-fahrungen in der beruflichen Praxis im Regelfall die Promotion und Lehrkompetenz die Berufungsvoraussetzungen für eine FH-Professur sind.

6 Vgl. die Regelungen der Hochschulgesetze in Baden-Württemberg, Hamburg und Bre-men: „Den Hochschullehrern können auf begrenzte Zeit ausschließlich oder überwiegend Aufgaben in der Forschung, in der Kunstausübung, im Rahmen von künstlerischen Ent-wicklungsvorhaben oder EntEnt-wicklungsvorhaben im Rahmen angewandter Forschung über-tragen werden, vorausgesetzt, dass in der zuständigen Fakultät die Lehre und die Wahrneh-mung der sonstigen Verpflichtungen in angemessener Wiese sichergestellt sind“ (§ 46 Abs.

1 LHG BW). „Bei der Festlegung der Lehrverpflichtung sind die Beanspruchung durch sonstige dienstliche Aufgaben, insbesondere die Forschung und die Krankenversorgung, so-wie der unterschiedliche Zeitaufwand für die Vorbereitung, Durchführung und Nachberei-tung der verschiedenen Arten von LehrveranstalNachberei-tungen zu berücksichtigen. Es soll ermög-licht werden, dass Lehrende ihre Lehrverpfermög-lichtung im Durchschnitt in mehreren aufeinan-der folgenden Semestern erfüllen können, und dass Lehrende einer Lehreinheit mit aufeinan-der glei-chen Lehrverpflichtung ihre Lehrverpflichtungen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes untereinander ausgleichen können“ (§ 34 Abs. 2 und 3 Hamburgisches Hochschulgesetz)

„Im Benehmen mit dem Dekanat kann der Rektor Hochschullehrer nach Maßgabe der un-terschiedlichen Aufgabenstellung ihrer Hochschule und der für ihr Dienstverhältnis gelten-den Regelungen in angemessenen Zeitabstängelten-den von ihren sonstigen Verpflichtungen für die Dauer von bis zu zwei Semestern ganz oder teilweise zugunsten bestimmter For-schungsvorhaben, künstlerischer Entwicklungsvorhaben oder Vorhaben, die der Aktualisie-rung berufspraktischer ErfahAktualisie-rungen oder der Entwicklung von besonderen didaktischen Projekten dienen, freistellen, wenn die ordnungsgemäße Vertretung des Faches in der Lehre und bei der Durchführung von Prüfungen gewährleistet ist“ (§ 29 Bremisches Hochschulge-setz).

• Ebenfalls fachhochschulbezogen ist die landesrechtlich eingeräumte Möglichkeit, die dort bislang weitgehend unbekannte Personalkatego-rie des wissenschaftlichen Mitarbeiters zu ermöglichen, und damit also auch einen Mittelbau an Fachhochschulen zu installieren.7 Der Wissenschaftsrat hatte bereits 2002 angeregt, „die Relation von Mit-arbeitern zu Professoren langfristig im Durchschnitt auf etwa eins zu drei“ zu entwickeln (Wissenschaftsrat 2002: 152).

• Eine andere Variante der Umlenkung von Studierendenströmen wurde in Bezug auf die ostdeutschen Hochschulen diskutiert und inzwischen durch entsprechend vereinbarte Zuschussbeträge im Rahmen des zwi-schen Bund und Ländern vereinbarten „Hochschulpakts 2020“ auch monetär untersetzt: Die ostdeutschen Länder verpflichten sich zur Aufrechterhaltung ihrer derzeitigen Studienplatzkapazitäten, obwohl in Ostdeutschland die regionale Studiennachfrage aus demografischen Gründen deutlich sinken wird, und leisten damit einen Beitrag zur Si-cherung gesamtdeutscher Kapazitäten.8 Dabei setzen wir voraus, dass diese Lösungsvariante keine zwangsläufigen Auswirkungen auf die Personalstrukturentwicklung haben wird.

• Der Hochschulpakt insgesamt zielt – in seiner Programmlinie „Lehre“

– auf einen Ausbau der Lehrkapazitäten und die Bewältigung der zu-sätzlichen Anforderungen in der Lehre im Zuge der Bologna-Studien-strukturreform durch Mitfinanzierung des Bundes. Auswirkungen auf die Personalstrukturen innerhalb des Hochschulsystems sind hierbei dadurch zu erwarten, dass die Länder in der Umsetzung spezifische Schwerpunkte setzen möchten: besondere Berücksichtigung der Fach-hochschulen, Ausbau des Frauenanteils bei Professuren oder die Ein-führung neuer, lehrbezogener Personalkategorien wie die des Lectu-rers.9

• Seit geraumer Zeit bereits ist auch die Neigung nicht zu verkennen, den zunehmenden Lehrbedarf im Hochschulbereich durch den vers-tärkten Einsatz von nebenamtlichem oder kurzfristig und prekär be-schäftigtem Lehrpersonal zu bewältigen. Der Wissenschaftsrat schlug

7 Vgl. z.B. § 45 Abs. 2 HFG NRW: „Die wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Fachhochschulen haben als Dienstleistung die Aufgabe, die Studierenden zu betreuen und anzuleiten, insbesondere im Rahmen von Projekten, Praktika und praktischen Übungen fachliche Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln.“

8 Hochschulpakt 2020: „Die neuen Länder erhalten angesichts ihrer demographischen Be-sonderheiten in den Jahren 2007 bis 2010 eine Pauschale von insgesamt 15 % der vom Bund jährlich zur Verfügung gestellten Mittel dieser Säule. Im Gegenzug verpflichten sie sich, die Studienanfängerzahlen auf der Basis des Jahres 2005 auch in den Folgejahren si-cher zustellen“ (http://www.bmbf.de/de/6142.php, Zugriff 5.1.2007).

9 http://www.bmbf.de/de/6142.php (Zugriff 29.12.2006).

kürzlich vor: „Lehraufträge sollten adäquat honoriert werden. Die Universitäten sollten Honorare dafür im Rahmen von Globalbudgets frei verhandeln können. Dies würde es auch ermöglichen, verstärkt Experten aus Berufsfeldern außerhalb der akademischen Wissenschaft für Lehraufträge zu gewinnen und so die berufsbefähigende Lehre im Bachelorbereich zu verbessern“ (Wissenschaftsrat 2006b: 84).

• Ein stark umstrittener Vorschlag ist die Idee, angelehnt an den schwei-zerischen interkantonalen Hochschulfinanzausgleich Kapazitätsanrei-ze durch eine studienplatzbezogene Hochschulfinanzierung zu instal-lieren: Länder, die über ihren eigenen Landeskinderbedarf hinaus Stu-dienplätze anbieten, würden danach die ‚zusätzlichen’ StuStu-dienplätze von den Herkunftsländern auswärtiger Studierender bezahlt bekom-men.

• Von verschiedener Seite wird der Vorschlag in die Debatte einge-bracht, sog. Seniorprofessuren einzuführen, d.h. Professoren und Pro-fessorinnen jenseits der Pensionierungsgrenze für eine Mitwirkung in Lehre und Forschung zu gewinnen.

• An der anderen Seite des Karriereweges setzt die Idee an, sog. Vor-ziehprofessuren zu besetzen. Die Hochschulrektorenkonferenz schlug vor, ca. 8.000 Stellen, die um das Jahr 2015 frei werden, ab sofort doppelt zu besetzen (HRK 2005: 5).

• Schließlich gibt es auch Bestrebungen, die sog. „Versäulung“ von Wissenschaftssektoren in Deutschland, also die institutionellen Bar-rieren zwischen Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen, zu überwinden oder zumindest zu verringern. Darauf zielt u.a. die zur Zeit vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) initiierte, von Bund und Ländern getragene und von der DFG und dem Wissenschaftsrat gemeinsam durchgeführte „Exzellen-zinitiative“ ab, die die Schwerpunktbildung im Forschungsbereich be-fördern sowie Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrich-tungen stärker vernetzen soll.

Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchung ist es, im internationalen Vergleich herauszuarbeiten, wie die Wissenschaftssysteme anderer Län-der mit Län-derartigen Problemlagen umgehen und welche Antworten sie da-rauf geben. Generell ist es ja unübersehbar, dass die Hochschul- und For-schungssysteme aller fortgeschrittenen Gesellschaften in den letzten Jah-ren einem starken Veränderungs- und Reformdruck ausgesetzt waJah-ren, der vor allem auf die enorme Bildungsexpansion im tertiären Bereich, die da-mit verbundenen Finanzierungsprobleme sowie auf die zunehmende In-ternationalisierung von Lehre und Forschung („Bologna-Prozess“ und

„Lissabon-Strategie“) zurück zu führen ist. Aufgrund dieses raschen Strukturwandels sind die vorliegenden ländervergleichenden Untersu-chungen aus den 90er Jahren bereits heute weitgehend überholt. Da ein Ende der intensiven Reformaktivitäten im Hochschul- und Forschungsbe-reich z.Z. noch nicht abzusehen ist, kann auch die vorliegende Studie nur eine Momentaufnahme in einem andauernden Wandlungs- und Transfor-mationsprozess sein, dessen Ausgang zur Zukunft hin offen ist.

Kapitel II: Prämissen des Ländervergleiches

Bevor im nachfolgenden Kapitel III die einzelnen nationalen Hochschul-und Forschungssysteme nacheinander porträtiert Hochschul-und im Hinblick darauf befragt werden sollen, wie dort mit dem Thema „Forschungs- und Lehr-personal nterhalb der Professorenebene“ umgegangen wird, ist zunächst zweierlei erforderlich:

• Es müssen einige grundlegende Gemeinsamkeiten der zum Vergleich anstehenden unterschiedlichen Wissenschaftssysteme identifiziert werden. Erst vor diesem gemeinsamen Traditions- und Problemhinter-grund werden die nationalen Unterschiedlichkeiten fassbar, die in die-ser vergleichenden Untersuchung in erster Linie interessieren. Da es dabei um den Vergleich der Personalsituation in den Kernstrukturen des unterschiedlichen akademischen Lehr- und Forschungssysteme gehen soll, wird auch deutlich zu machen sein, welche Bereiche im Rahmen dieser Untersuchung nicht im Mittelpunkt stehen und des-halb im Folgenden weitgehend ausgeblendet werden (Abschnitt 1).

• Das methodische Prinzip und das Ziel dieses Ländervergleiches sind, nicht alle Länder mit allen zu vergleichen, sondern dem deutschen Wissenschaftssystem in diesem Vergleich eine Sonderrolle zuzuwei-sen: Die Gegebenheiten in Deutschland werden nicht selbst Gegen-stand der Untersuchung sein, sondern gewissermaßen als „tertium comparationis“ fungieren, als (mehr oder weniger selbstverständlich vorausgesetzte) Hintergrund- oder Kontrastfolie, die die Eigentüm-lichkeiten, Vor- und Nachteile anderer Wissenschaftssysteme im Ver-gleich zum deutschen sichtbar macht. Bevor die eigentlichen Länder-studien in Angriff genommen werden können, ist deshalb eine kurze typisierende Skizze der Ausgangslage in Deutschland nötig, die das implizit Vorausgesetzte explizit benennt und die innere Logik der Per-sonalstruktur des deutschen Wissenschaftssystems verständlich macht (Abschnitt 2).

1. Empirische Gemeinsamkeiten, Vorannahmen