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Kurzer Überblick über die Geschichte des Evangelischen

Kapitel 1: Vorstellung und Einstieg ins Promotionsthema

1.4. Arbeitshilfen

1.4.1. Kurzer Überblick über die Geschichte des Evangelischen

Das neue Gesangbuch (EG) hat viele verschiedene Vorlagen, Vorbilder und Quellen auf die es aufbaut. Welche Vorlagen, Vorbilder und Quellen sind das?

Seit wann gibt es überhaupt Gesangbücher? Von den Cantionalien war bereits die Rede, und ähnlich liegen auch hier die Gründe. Daß gesungen wurde, davon kann man in der Bibel lesen. So gehörte das Singen schon immer zum Leben des Volkes Israel, zu seinen Gottesdiensten -übrigens ist dies in allen Religionen so.-Die Psalmen sind dabei an erster Stelle zu nennen. Es sind geistliche Lieder, die in dichterischer und kunstvoller Sprache die Geschichte des Volkes Israel sowie dessen Leben und Glauben an Gott beschreiben und davon singen. Als besonderes Beispiel fällt einem David ein, der ja nicht nur sang, ein Instrument, die Harfe, spielte, sondern sogar tanzte (2.Sam.6,1-23, Chr.15,25-29).

König David mit Musikannten und Tänzern Titelbild aus dem Goldenen Psalter, um 87575

Im Alten Testament finden sich daneben noch andere Gesänge, besonders zu nennen ist das "Hohe Lied Salomonis". Auch das Neue Testament berichtet davon

75König David mit Musikanten und Tänzern: Titelbild aus dem Goldenen Psalter, um 875, Stiftsbibliothek St. Gallen, Cod. 22, S. 2.

an einigen Stellen. Ein Lobgesang des Neuen Testaments erklingt bis heute in unseren Gottesdiensten. Man findet ihn bei Lukas 2,14, also in der Weihnachtsgeschichte. Der Engel verkündete den Hirten die Geburt des Heilands, danach erschienen die Menge der himmlischen Heerscharen lobten Gott und sprachen: "Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen, [genauere Übersetzung: bei den Menschen seines Wohlgefallens]." Dieser Lobgesang hat Eingang in die Liturgie gefunden. In bestimmten Zeiten, in der Passionszeit (Invokavit bis Karsamstag außer Gründonnerstag) und in der Adventszeit (2.-4. Advent) sowie am Bußtag fällt er aber weg.

Im Umfeld der Weihnachtsgeschichte gibt es noch 3 weitere bekannte Lobgesänge:

das Magnificat, der Lobgesang der Maria (Lk.1,46-55),

das Benedictus, der Lobgesang des Zacharias (Lk.1,68-79) und das Nunc dimittis, der Lobgesang des Simeon (Lk.2,29-32).

Dies sind die biblischen Quellen und Grundlagen für das Singen. Sie werden als Belege für das Gesangbuch, in einstimmiger und in mehrstimmiger Form, und auch für die in dieser Arbeit benutzten Cantionalien (siehe die Vorworte zu den Cantionalien in Kap. 2.4.) herangezogen.

Im 16. Jahrhundert liegen die Anfänge des Gesangbuches. Die Reformation von 1517 durch Martin Luther ermöglichte erst deren Entstehung, und somit den heutigen Typ des Gesangbuches, das es vorher so nicht gab. Die Einführung der Landessprache in den Gottesdienst, die Übersetzung der Bibel ins Deutsche, an der Luther maßgeblich beteiligt war, waren mit die Voraussetzungen für ein Gesangbuch. Wobei man nicht das große Analphabetentum und die finanzielle wie materielle Not der Menschen vergessen darf, was die Verbreitung von Bibel und Gesangbuch zunächst auf bestimmte Schichten der Bevölkerung beschränkte.

Es gab zwar die sogenannte "Armenbibel - biblia pauperum", in der die Geschichten der Bibel in Bildern erzählt wurden und die bildlichen Darstellungen an den aufklappbaren Altären in den Kirchen der damaligen Zeit (Isenheimer Altar, Riemenschneider Altar). Es bleibt aber anzumerken, daß sich die Bildersprache der sogenannten Armenbibel an Betrachter wendet, die den

symbolischen Gehalt der typologischen Bildgruppen als Schlüssel zum göttlichen Heilsplan auch erfassen vermögen.

Zunächst gab es noch keine gebundenen, dicken Gesangbücher, sondern Flugblätter, die sich langsam ausbreiteten, und von denen man sang. Das 1.

Gesangbuch erschien dann 1524 und enthielt 8 Lieder. So hat es auch seinen Namen bekommen: das "Achtliederbuch". Das nächste Buch aus dem Jahre 1524 ist das "Erfurter Enchiridion". Unter einem "Enchiridion" versteht man ein kurz gefaßtes Handbuch. Von 1525 stammt "Ein gesang Buchlein", von 1530 ein weiteres "Enchiridion", das 1. Leipziger Gesangbuch und von 1531 das "New Gesangbüchlein" der Böhmischen Brüder.

Im Jahre 1533 entstand das, nach dem Drucker Klug benannte, "Klugsche Gesangbuch". Es enthält neben den 50 Liedern auch Drucke von Holzschnitten, die zu dem betreffenden Lied inhaltlich passen, z.B. zu "Christ ist erstanden", das hier vergrößert (Originalgröße: 5cm breit, 7cm hoch) abgedruckt ist.

Holzschnitt: Die Auferstehung Zu dem Lied: Christ ist erstanden76

76 Holzschnitt: Die Auferstehung, zu dem Lied: Christ ist erstanden in: Klugsches Gesangbuch, Wittenberg 1533, Reprint Kassel 1983, S. 92b.

Innerhalb kürzester Zeit erschienen dann weitere Gesangbücher, das "Nüw Gsangbüchle", Zürich 1540 und das "Babstsche Gesangbuch" von 1545.

Der Name des letzt genannten stammt von dem Drucker des Buches, Valentin Babst. Hier fallen vor allem die aufwendigen Verzierungen auf jeder Seite, als Fries umlaufend, und die eingefügten Holzschnitte zu bestimmten Liedern auf.

1567 erscheint als katholische Liedersammlung das Gesangbuch von Johann Leisentrit. Auch hier sind die Verzierungen, die jedes Blatt einrahmen, und die Holzschnitte besonderer Schmuck.

Berühmt geworden ist aus dem "Babstschen Gesangbuch" die Vorrede Martin Luthers, die den Liedern vorangestellt ist. Sie wurde später im EKG (Evangelisches Kirchengesangbuch) als Geleitwort übernommen. Es heißt dort:

"Singet dem Herrn ein neues Lied, singet dem Herrn alle Welt. Denn Gott hat unser Herz und Mut fröhlich gemacht durch seinen lieben Sohn, welchen er für uns gegeben hat zur Erlösung von Sünden, Tod und Teufel. Wer solchs mit Ernst gläubet, der kanns nicht lassen, er muß fröhlich und mit Lust davon singen und sagen, daß es andere auch hören und herzukommen."77

Die erwähnten Veröffentlichungen erschienen alle zeitlich parallel zu den angesprochenen und für diese Arbeit wichtigen Cantionalien. Zum Teil sind sie mit ihnen sogar identisch, wie von Johann Walter "Das geistliche Gesangbüchlein", 1525, und von Georg Rhau das "Newe Deutsche Geistliche Gesenge", 1544. Die Cantionalien mit ihren fünfstimmigen Sätzen sind nicht ohne die Entstehung der reformatorischen Gesänge mit ihrer gleichzeitigen Bedeutung für den protestantischen Gottesdienst denkbar. So hatte in diesem Fall die Theologie und hier besonders die Reformation einen direkten Einfluß auf die Entwicklung einer musikalischen Form. Neben den Gesangbüchern, die einstimmig die Lieder abdrucken, gibt es auch Gesangbücher, die zum mehrstimmigen Singen in einem kleinen Chor geeignet sind, so die eben erwähnten von Walter und Rhau.

Die Lieder, die sie enthalten, z.B. die von Martin Luther, waren damals weit verbreitet und erscheinen auch heute im Gesangbuch. Im neuen EG stehen sie unter den Nummern:

- Ein feste Burg ist unser Gott (EG 362)

- Nun freut euch, lieben Christen g'mein (EG 341)

77in: Evangelisches Kirchengesangbuch (EKG), Karlsruhe 1951.

- Vom Himmel hoch, da komm ich her (EG 24) - Ach Gott, vom Himmel sieh darein (EG 273) - Es wolle Gott uns gnädig sein (EG 280) - Gelobet seist du, Jesu Christ (EG 23)

Ein weiteres Zitat von Martin Luther in dem Lied "Vom Himmel hoch, da komm ich her" (EG 24) am Ende der ersten Strophe, wo es heißt "... davon ich singn und sagen will", verweist auf die besondere Bedeutung und Beziehung von "Singen und Sagen". Der Kirchenvater Augustinus meinte schon vor Luther "bis orat, qui cantat".