• Keine Ergebnisse gefunden

Kurzüberblick über aktuelle Forschungen

Eine erste wichtige Erkenntnis ist, dass vertiefende Studien und Evaluationen von privat unterstützen Bil-dungsmassnahmen im Migrations- und insbesondere Asylbereich generell noch selten sind, auch wenn man die Perspektive auf junge Flüchtlinge allgemein (nicht nur Asylsuchende) ausweitet und Studien aus anderen Staaten einbezieht.33 Dies gilt aber in noch stärkerem Masse für die Projekte, die im Fokus der vorliegenden Studie stehen. Verschiedene Projektverantwortliche erklären dies damit, dass viele Bildungsangebote einfach noch zu neu sind (Start 2016-2018). Einige Projekte werden jetzt evaluiert, Ergebnisse stehen aber noch keine zur Verfügung. Mehrmals wurde uns auch mitgeteilt, dass zwar grosses Interesse an einer Evaluation bestehe, die Ressourcen dafür aber ungenügend seien (mehr dazu vgl. Kapitel 6). Bei der Literaturrecherche hat sich zudem gezeigt, dass Projektevaluationen nicht immer publik sind und auch auf Nachfrage nicht zur Verfügung gestellt werden. Ein interessantes Gegenbeispiel zu letzterem Umstand stellt die Evaluation eines Betreuungs- und Bildungsangebots für 15-18-jährige Flüchtende im Kanton Genf dar (Ostrowski & Flamand-Lew 2016;

unveröffentlicht), das von SwissFoundations unterstützt, aber inzwischen eingestellt wurde, da die kantonalen Bildungsstrukturen, die während der Projektlaufzeit (2015-2016) überfordert waren, wieder voll zum Einsatz kommen, und damit das Spezialangebot eingestellt wurde. Die Erkenntnisse zeigen grosse Potenziale dieser Krisenintervention auf, die aus dem Zusammenspiel kompetenter Vereine, privater Finanzierung und dem öf-fentlichen Bildungswesen entstand; sie weisen aber auch auf spezifische Spannungsfelder und die Bedeutung der kantonalen Rahmenbedingungen hin.

Öffentliche Angebote werden etwas häufiger evaluiert, vor allem auf Bundesebene. So ist etwa für das Pilot-projekt «Frühzeitige Sprachförderung», das Asylsuchende als Zielgruppe hat, praktisch ab Projektstart eine Evaluation vorgesehen. Dabei handelt es sich um eines zweier Pilotprogramme von nationaler Bedeutung, welche die Intensivierung und frühzeitigeren Einsatz von Integrationsmassnahmen beinhalten.34 Es ist insofern ein Pionierprojekt, als es vom Bund aus pilotiert und als erstes ausdrücklich Asylbewerbende im Fokus hat.

Weiter hat das SEM eine «Bestandsaufnahme zur Bildungsbeteiligung von spät eingereisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen» (Stutz et al. 2016) erstellen lassen: Diese Studie fasst ebenfalls junge Migrant·inn·en im Alter von 16 bis 25 Jahre ins Auge, die keine obligatorische Schule in der Schweiz besucht und oft Schwie-rigkeiten haben, Anschluss an die Sekundarstufe II zu finden. Im Unterschied zu der vorliegenden Studie ist der Fokus dabei nicht spezifisch auf Asylsuchende gerichtet, sondern auf anerkannte Flüchtlinge und vorläufig

33 Eine internationale Literaturanalyse konnte allerdings nicht vorgenommen werden, aber verschieden Gespräche mit Forschenden bestätigten, dass auch in anderen europäischen Staaten nur wenige Evaluationen durchgeführt wurden, was angesichts der Bedeutung des Themas, die nicht neu ist, erstaunen mag.

34 Das andere Projekt zielt auf die Integration von anerkannten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen mittels Berufslehre ab.

Aufgenommene. Spät Immigrierte stehen ebenfalls im Vordergrund einer Bestandsaufnahme der Berufsbil-dungsmassnahmen von Vogt (2014), die im Graubünden im Auftrag des Kantons erstellt wurde. Ein grundle-gender Beitrag zur Thematik der Integration im Allgemeinen ist die Literaturstudie von Ruedin et al. (in Vor-bereitung), die u.a. aktuelle Erkenntnisse zu Integrationsmassnahmen allgemein – aber auch im Bildungsbe-reich –, die im Rahmen der Asylmigration die Integration fördern, zusammenführt. Weitere wichtige Referen-zen sind Arbeitsdokumente, die hinsichtlich der Einführung der Integrationsagenda verfasst wurden (TK-In-tegrationsdialog 2012 – 2017; 2017) und Erläuterungen zum Handlungsbedarf im Bereich der Bildung für spät eingereiste Jugendliche (im Asylverfahren) liefern. Der Internationale Sozialdienst (ISS 2018) bringt zudem interessante Befunde bezüglich Bildungsangebote für (ehemalige) UMA in der Schweiz ein, wie auch Gilliéron und Jurt (2017), die sich spezifisch mit der Frage des Übergangs nach dem Erreichen der Volljährig-keit von UMA befassen.

Eine wichtige Thematik stellt in Zusammenhang mit der Privatfinanzierung der GBM die Berücksichtigung des zivilgesellschaftlichen Engagements im Integrationsbereich dar. Studer et al. (2016) dokumentieren in einer Untersuchung im Auftrag des SEM u.a. Erkenntnisse bezüglich Qualitätssicherung in der Freiwilligen-arbeit. Davor wurde eine Standortbestimmung zum zivilgesellschaftlichen Engagement im Asylwesen in der Schweiz veröffentlicht (Efionayi et al. 2015), welche Stärken, Schwächen und Handlungsbedarf in diesem Bereich hervorhebt. Allgemein zur Frage der Aufgaben, welche ehrenamtliches Engagement in der Schweiz übernehmen kann, wurde zudem kürzlich eine Studie publiziert (Samochowiec et al. 2018). Weiter zeigt Schil-liger (2017) unter anderem paternalistische Tendenzen auf, die sich in Hilfsbeziehungen und somit hinter der Freiwilligenarbeit verbergen können. Der Beitrag von Schiffauer et al. (2017; 2018) gibt seinerseits Einblick in die deutsche Projektlandschaft, die von der Zivilgesellschaft als Antwort zur ausserordentlichen Fluchtbe-wegung entwickelt wurde, wobei Bildungsmassnahmen für Jugendliche nicht im Zentrum stehen.

Wie eingangs erwähnt gibt es kaum Evaluationen von Angeboten, die sich an junge Asylsuchende und Flücht-linge richtet. Mehr empirische Befunde zur Wirkung von Angeboten finden sich, wenn der Fokus geöffnet wird und alle Angebote, die sich an Jugendliche und junge Erwachsene richten, betrachtet werden. Im Bereich der Arbeitslosenversicherung für Jugendliche und junge Erwachsene bietet eine aktuelle Studie von Rudin et al. (2018) eine Übersicht. Basierend auf einer Literaturanalyse beurteilt die Studie die entsprechenden Mass-nahmen generell als wirksam. Zu diesem Resultat kam die Evaluation eines besonders niederschwelligen Mo-tivationssemsters („SEMO Plus“), welches im Kanton Bern angeboten wird: Eine Evaluation (Morlok et al.

2015) hat ergeben, dass durch die Teilnahme verschiedene Schlüsselkompetenzen gestärkt werden konnten, dass allerdings nur etwa die Hälfte der Teilnehmenden Anschlusslösungen findet. Gemäss Landert & Eberli (2015) schaffen 46%der Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus den Motivationssemestern den Übertritt in eine allgemeinbildende oder berufliche Ausbildung (allgemeinbildende Schule, EBA/EFZ, PrA nach IN-SOS); 58%schaffen es in eine (breiter definierte) Anschlusslösung. Bei den Brückenangeboten liegt der Anteil der Übertritte in eine allgemeinbildende oder berufliche Ausbildung bei 50 bis 80%, je nach Kanton. Breiter definierte Anschlusslösungen erreichen rund 85%. Es ist zu berücksichtigen, dass die Evaluationsresultate von Angeboten, die sich an eine breitere Teilnehmergruppe richten, nicht direkt auf Angebote, die sich an die Zielgruppe der spät eingereisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen richten, übertragen werden kann. Die Wirkung der Angebote wird mitunter von der Qualität der Angebote, der Ressourcen resp. des Förderbedarfs der Teilnehmenden und der Passgenauigkeit zwischen Angebot und Teilnehmenden beeinflusst.

In den letzten Jahren wurden zudem verschiedentlich internationale Beiträge zum Thema Bildung und Migra-tion veröffentlicht. Insbesondere in Deutschland, wo in den Jahren 2015-2016 europaweit am meisten Flücht-linge Zuflucht fanden, und sich zivilgesellschaftliche Akteure stärker als anderswo mobilisierten, gibt es zahl-reiche aktuelle Untersuchungen. Von Bedeutung für uns sind Erfahrungen in Deutschland in diesem Bereich

insofern, dass das dortige Bildungssystem Ähnlichkeiten mit demjenigen der Schweiz aufweist (u.a. die duale Berufsbildung) und das Asylverfahren teilweise ähnlich (föderalistisch) organisiert ist. So findet sich beispiels-weise im Sammelband «Geflüchtete und berufliche Bildung» (Granato und Neises Hrsg. 2017) eine Beschrei-bung der jungen Geflüchteten bei Übergang in die Ausbildung. Zu erwähnen ist ebenfalls die Forschung von Held et al. (2018), welche aus dem Blickwinkel junger Geflüchteter, deren «Handlungsfähigkeit (Agency), Orientierung und Lebensführung» (2018, 114) hinsichtlich des Übergangs in einen Beruf untersucht. Schliess-lich kann auch die Erfahrung der SchlaU-Schule in München hier festgehalten werden (Jahresbericht 2017), die ein mit unserer Studie vergleichbares Zielpublikum und Zielsetzungen hat und infolgedessen einen inte-ressanten Vergleichspunkt darstellt. Auffallend bleibt trotzdem, dass an der Schnittstelle jugendliche Asylsu-chende und Zugang zur Bildung wenig geforscht wurde. Die vorliegende Studie trägt dazu bei, diese Lücke zu schliessen, indem sie eine Übersicht über privat (mit)finanzierte, tagesstrukturierende Bildungsangebote in der Schweiz liefert, entsprechende Merkmale und Errungenschaften identifiziert wie auch Herausforderungen aufzeigt.