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Korrespondieren und beschaffen von Büchern

Um frühneuzeitliche Kompilationen herzustellen,war die Korrespondenz und damit verknüpft die Beschaffung von Büchern von grösster Bedeutung. Denn das Vorhandensein der Bücher in ihrer Materialität war unabdingbar, um daraus Textstellen entnehmen und in neue Dokumente übertragen zu können. Dies gilt auch für die Weckersche Textproduktion, die grösstenteils auf Büchern basierte, worauf Textvergleiche, aber auch die Korrespondenz hinweisen.⁴⁹⁴

In der Vorrede desEin nutzliches Büchlein von mancherley künstlichen was-seren, ölen, unnd weinen […]von 1569 lässt sich auch eine dementsprechende Angabe finden:

 Dies sind nicht alle ausgeführten Buchpraktiken. Da jedoch wohl viele in den Quellen keine Spuren hinterlassen haben, können diese nicht rekonstruiert werden. Jenen, die Spuren hinter-lassen haben, wird hier nachgegangen.

 Zur hier untersuchten Korrespondenz siehe Kapitel 1, Einleitung.

OpenAccess. © 2022 Simone Zweifel, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

https://doi.org/10.1515/9783110740516-005

[…] derweil [habe] ich für mich selbst etliche gute und bewährte Kraftwasser und Aqua vitae [Lebenswasser, SZ] zum Teil von mir selbst, zum Teil von guten Freunden, zum Teil aus lateinischen und romanischen Büchern […] zusammengelesen und jetzt auf Deutsch über-setzt […].⁴⁹⁵

Die Inhalte des neuen Buches wurden demnach aus Büchern zusammengelesen und danach übersetzt. Damit wurde die Praktik der Kompilation mit jener der Übersetzung kombiniert.⁴⁹⁶Grundlage beider Buchpraktiken waren Bücher, die zwecks Weiterverarbeitung vorliegen mussten. Diese beschafften Personen, die Teil von Kompilationsnetzwerken waren – sie waren häufig durch Korrespon-denzen miteinander verbunden.

Korrespondenzen waren in der Frühen Neuzeit ein wichtiges Mittel der Kommunikation.⁴⁹⁷In der Forschung werden sie deshalb auch als verschriftlichte Gespräche oder als„halbierte“Dialoge zwischen Abwesenden verstanden, die zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit angesiedelt sind. Durch die Fixierung des Gesprächs auf Papier wird die Flüchtigkeit der mündlichen Kommunikation verändert – dabei gehen unter anderem non- und paraverbale Kommunikati-onselemente wie Mimik und Gestik verloren.⁴⁹⁸Im Gegensatz zum Gespräch sind die in die Korrespondenz involvierten Personen räumlich getrennt; diese Tren-nung muss überwunden werden.⁴⁹⁹Dadurch verzögert sich der Dialog, was einen

 „[…] dieweil ich Mir selbs etliche gůte vnd bewerte krafft wasser oder Aquas vite / zum theil von Mir selbs / zum theil von gůten freunden / zum theil auß Lateinischen vnd Welschen bůcheren / […] zůsammen gelesen / vnnd ietz in Teutsch sprach gebracht […].“Wecker: Ein nutzliches Büchlein, 1569.

 Zu den Praktiken der Kompilation und der Übersetzung siehe Kapitel 5, Das Wachsen des Textes.

 Die folgenden Ausführungen basieren zu Teilen auf Zweifel:‚Communitas epistolaria‘am Oberrhein, 2012.

 Kempe, Michael: Postalische Kommunikationen. Medizin in der Korrespondenz von Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733), in: Gesnerus 61, 2004, S. 177–197, hier S. 193f. Siehe auch: Dauser, Regina: Informationskultur und Beziehungswissen. Das Korrespondenznetz Hans Fuggers (1531–

1598) (= Studia Augustana, Bd. 16). Tübingen: Niemeyer, 2008, S. 15, 34; Kucharska, Elżbieta:

Anreden des Adels in der deutschen und der polnischen Briefkultur. Vom 17. bis Anfang des 20. Jahrhunderts: eine vergleichende sprachwissenschaftliche Untersuchung mit einer Aus-wahlbibliographie. Neustadt an der Aisch: Verlag Degener, 2000, S. 174; Delisle, Candice: The Letter: Private Text or Public Place? The Mattioli-Gesner Controversy about the aconitum primum, in: Gesnerus 61, 2004, S. 161–176, hier S. 162f. Fröhlich, Jürgen (Hg.): Bernhard Hirschvelders Briefrhetorik (Cgm 3607). Untersuchung und Edition (= Deutsche Literatur von den Anfängen bis 1700, Bd. 42). Bern: Lang, 2003, S. 23.

 Mulsow, Martin: Die unanständige Gelehrtenrepublik. Wissen, Libertinage und Kommuni-kation in der Frühen Neuzeit. Stuttgart: Metzler, 2007, S. 69. Zur Kategorie des„Weltwissens“siehe z.B. Fraas, Claudia: Usuelle Wortverbindungen als sprachliche Manifestation von

Bedeutungs-markanten Unterschied zu einem Gespräch darstellt, da die Überwindung des Raumes oft viel Zeit beansprucht. Die Korrespondenz war und ist eine iteratio-nale, also eine auf die Vergangenheit ausgerichtete Praktik, die im 16. und 17. Jahrhundert sehr häufig verwendet wurde.⁵⁰⁰Darauf verweist die Datenbank

„Frühneuzeitliche Ärztebriefe im deutschsprachigen Raum“, die rund 40’000 Briefe umfasst.⁵⁰¹ Dabei ist zu betonen, dass die Datenbank auf Ärzte-briefe und den deutschsprachigen Raum fokussiert und dass häufig nur ein kleiner Teil der Korrespondenzen überliefert ist. So fehlen etwa in der Zwinger-Korrespondenz, die rund 2350 Dokumente umfasst, die meisten von Zwinger verfassten Briefe.⁵⁰² Dieser Briefwechsel beinhaltete, wie viele frühneuzeitliche Korrespondenzen, nicht nur Briefe, sondern auch Pakete und andere Gegen-stände.⁵⁰³ Mitverschickt wurden unter anderem Handschriften, Drucke, Texte und Pflanzen sowie„Fossilien, Mineralien, Kristalle, Mikroskop-Präparate, Münzen, Abbildungen, Karten, Portraits, Medaillen, archäologische Funde, medizinische Heilmittel, wissenschaftliche Instrumente oder handwerkliche Produkte.“⁵⁰⁴

wissen. Theoretische Begründung, methodischer Ansatz und empirische Befunde, in: Nikula, Henrik; Drescher, Robert (Hg.): Lexikon und Text. Beiträge auf der 2. Tagung zur Kontrastiven Lexikologie, Vaasa 7.–9.4.2000 (= Saxa, Sonderband).Vaasa: Universität Vaasa, Institut für Deutsche Sprache und Literatur, 2001, S. 41–66.

 Zu iterationalen Praktiken siehe Kapitel 3.2 zur Praxistheorie.

 Diese Datenbank ist am Institut für Geschichte der Medizin der Universität Würzburg an-gesiedelt: Frühneuzeitliche Ärztebriefe im deutschsprachigen Raum. Online unter: https://www.

medizingeschichte.uni-wuerzburg.de/akademie/index.html [23.02.2021].

 Zur Zwinger-Korrespondenz siehe u.a. Gilly: Zwischen Erfahrung und Spekulation, 1977, 1979; Rotondò: Pietro Perna e la vita culturale e religiosa di Basilea, 2008; Von Greyerz: Lazarus von Schwendi (1522–1583) and Late Humanism at Basel, 1992; Perini: La vita e i tempi di Pietro Perna, 2002. In der letztgenannten Publikation finden sich auch einige edierte Briefe aus der Zwinger-Korrespondenz. Zum Nachlass Theodor Zwingers siehe Suter: Gelehrtennachlässe aus 550 Jahren, 2010, S. 24f.

 Kempe, Michael: Gelehrte Korrespondenzen. Frühneuzeitliche Wissenschaftskultur im Me-dium postalischer Kommunikationen, in: Crivellari, Fabio; Kirchmann, Kay; Schlögl, Rudolf (Hg.):

Die Medien der Geschichte. Historizität und Medialität in interdisziplinärer Perspektive (= His-torische Kulturwissenschaft). Konstanz: UVK, 2004, S. 407–429, hier S. 411; Kempe: Postalische Kommunikationen, 2004, S. 177–197, hier S. 193.

 Kempe: Gelehrte Korrespondenzen, 2004, S. 414, 418. Kempe bezieht sich auf das 17. und das 18. Jahrhundert; dies trifft aber auch für das 16. Jahrhundert zu. Vgl. Mauelshagen, Franz: Netz-werke des Vertrauens: Gelehrtenkorrespondenzen und wissenschaftlicher Austausch in der Frü-hen Neuzeit, in: Frevert, Ute (Hg.): Vertrauen. Historische Annäherungen. Göttingen: Vandenho-eck und Ruprecht, 2003, S. 119–151, hier S. 137 sowie die hier untersuchte Korrespondenz. Dies verdeutlicht auch die Korrespondenz zwischen Conrad Gessner und Theodor Zwinger, in welcher der Austausch von Pflanzen häufig Thema war. Gessner, Conrad; Peine, Josef (Hg.): Das dritte

Vorstellbar ist auch, dass Gegenstände nicht nur Zusätze zu Briefen waren, son-dern auch umgekehrt. Hinweise auf einen Mitversand von Dingen finden sich auch in der Weckerschen Korrespondenz.⁵⁰⁵Bezüglich der Produktion von Kom-pilationen war insbesondere der Versand von Büchern durch Korrespondenzen bedeutsam. So konnten Bücher erst zu jener Person gelangen, die aus diesen Textelemente kopierte, um sie in andere Bücher zu integrieren.

Wohnten zwei Personen nahe beieinander und sahen sich regelmässig, so war die Produktion von Briefen geringer, was anhand des Briefwechsels zwischen Pietro Perna und Theodor Zwinger deutlich wird, von dem nur zwei Briefe–beide verfasst von Pietro Perna–überliefert sind.⁵⁰⁶Dies heisst jedoch nicht, dass diese beiden Männer wenig kommunizierten: Aufgrund der Briefe Weckers an Zwinger zeigt sich, dass sie sich häufig austauschten.⁵⁰⁷Folglich sagt die Anzahl der ge-schriebenen als auch jene der überlieferten Briefe kaum etwas über die Dichte einer Kommunikation aus. Briefe waren Träger von Information und halfen, so-ziale Beziehungen herzustellen und aufrecht zu erhalten.⁵⁰⁸ Im Kompilations-netzwerk waren sie Verbindungsglieder zwischen zwei buchproduzierenden Personen. Diese Funktion war jedoch nur dann gegeben, wenn das „Brief-gespräch“auch erfolgreich war. Denn die Verbindung verschiedener Personen durch Korrespondenz war im 16. Jahrhundert nicht immer erfolgreich. Dies ver-deutlicht ein Auszug aus einem Brief von Johann Jacob Wecker an Theodor Zwinger, in dem steht, dass er„aůß mangel der botten euch nitt ehe kennen <sch>

Buch der medizinischen Briefe des Zürcher Philosophen und Arztes Konrad Gesner. Eine Über-setzung. Düsseldorf: Triltsch, 1941, S. 66–90, passim.

 Siehe z.B. Wecker, Johann Jacob: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 28:

Nr. 371; Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 28:Nr. 374; Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 28:Nr. 377; Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 28:Nr. 380.

 Nach Kühlmann, Telle: Corpus Paracelsisticum: Band II, S. 746,„brauchte es im Falle Pernas keinerlei Briefe, da der Weg von seiner Werkstatt (St. Johannvorstadt 23) zum Hause Zwingers (Nadelberg 23a) kaum 500 Meter betrug.“Dennoch sind zwei Briefe Pernas an Zwinger überliefert:

Perna, Pietro. Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr I 5:Bl.117 sowie Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr I, 15:Nr. 324. Zur Tatsache, dass Personen, die sich häufig sahen, kaum Briefe schrieben siehe auch Almási: The Uses of Humanism, 2009, S. 70;

Mauelshagen: Netzwerke des Vertrauens, 2003, S. 119. Zu den von Perna publizierten Drucken siehe Perini: 34. Amoenitates typographicae di Leandro Perini, 1990, S. 915–971.

 Siehe u.a. Wecker, Johann Jacob: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 27:

Bl.245; Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 4:Nr. 326; Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 4:Nr. 327; Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 4:Nr. 329; Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 4:Nr. 332.

 Mauelshagen: Netzwerke des Vertrauens, 2003, S. 119.

zůschicken <dan> biß ietzandt bei disem fůr man.“⁵⁰⁹Wecker musste demnach auf einen Wagenlenker warten, bis er den Brief weiterleiten konnte. Wagenlenker sowie Botinnen und Boten kam dabei also eine wichtige Funktion zu: brachten sie die Bücher nicht ans Ziel, so konnte nicht aus diesen kompiliert werden. Sie mussten die räumliche Trennung der Schreibenden überwinden.⁵¹⁰

Die Anwesenheit eines Boten oder einer Botin konnte auch dazu führen, dass ein Brief erst–oder genau zu diesem Zeitpunkt–geschrieben wurde:

[…] als ich nach dem Nachtessen nach Hause gekommen bin und vernommen habe, dass der Wagenlenker früh am Tag wach sein werde, kann ich in Eile nicht anders schreiben, als Euch zu bitten, die Vorrede nach Euerem Gutdünken an den Kaiser zu stellen […]. Colmar um Mitternacht in Eile, den 14. August 74.⁵¹¹

Wecker nutzte also diese sich bietende Gelegenheit, um noch um Mitternacht einen Brief zu verfassen. Botinnen und Boten konnten, im Gegensatz zu diesem Beispiel, ein„Briefgespräch“auch verzögern oder beenden. So schrieb Wecker an Zwinger am 27. November 1574:„Mein bott ist jetz bei 8 wůchen auss, weiss auch nitt wie ess stodt, ob er tod oder lebendig {hab im vil gelt geben für die zer-rung}.“⁵¹² Dem Boten könnte etwas zugestossen sein–er könnte sich aber auch mit dem Geld davon gemacht haben. Was dieser Bote genau überbringen sollte, wird aus den Briefen nicht ersichtlich. Dennoch scheint es etwas Wichtiges ge-wesen zu sein, denn am 17. Dezember 1574 schrieb Wecker erneut:„Mein bott ist noch nitt von Wien khummen, ist ietz bei XI wuchen aůß, wurt mich vil gelts kosten werden.“⁵¹³ Ein solches Nichtzustandekommen einer Botschaft konnte sich stark auf eine Kompilation auswirken: war ein Buch nicht vorhanden, so konnte aus diesem nicht kopiert werden. Damit waren Korrespondenzen wichtige Verbindungselemente – nicht nur zwischen Personen, sondern auch zwischen Dingen und Personen.⁵¹⁴ Sie waren Teil der Kompilationsnetzwerke, da sie in Praktiken involviert waren, aus denen Bücher resultierten.⁵¹⁵

 Wecker, Johann Jacob: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 28:Nr. 372.

 Mulsow: Die unanständige Gelehrtenrepublik, 2007, S. 69.

 „[…] als ich nach dem nacht essen heim khummen, vnd vernemmen der fůrman wellen frü am tag auff sein, kann ich in eyl nicht anders schriben den euch zůbetten, wellen die praefation nach euweren gefallen an Cæsarem stellen. […] Colmar zůmittnacht in eyl den 14 Augusti 74.“

Wecker, Johann Jacob: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 4:Nr. 320.

 Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 5:Nr. 94.

 Ders.: Brief an Theodor Zwinger, UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 5:Nr. 95.

 Zu Briefen als„Medien der Vergesellschaftung“siehe Mauelshagen: Netzwerke des Ver-trauens, 2003, S. 119.

 Zum Konzept des Kompilationsnetzwerks siehe Kapitel 3.

Dass die Korrespondenz derart wichtig für die Weckersche Buchproduktion war, liegt unter anderem daran, dass Wecker in Colmar nicht immer an das Ma-terial gelangen konnte, das er für seine Publikationen benötigte. So schrieb er 1574

„in eyl“an Theodor Zwinger:„Ob man dieTabulas Veneri in Chyrurgiamnitt auch zů Basel finde zůkauffen, wellen mich wessen lassen.“⁵¹⁶ Waren die entspre-chenden Bücher in Basel nicht greifbar, so wurde meist Samuel Grynæus (1539–99) aufgeboten, der offenbar einen guten Draht zu Frankfurt pflegte.⁵¹⁷ Bücher, die verschickt wurden, konnten jedoch auch verloren gehen, wie Conrad Gessner an Theodor Zwinger schrieb:„Neulich hatte ich zwei Exemplare unseres hier gedruckten Büchleins über die Pest an Herrn G r a t a r o l u s geschickt, damit er Dir eines übergebe, es ist aber, ich weiß nicht wie, verloren gegangen.“⁵¹⁸Eine erfolglose Korrespondenz konnte auch dazu führen, dass Elemente, die für ein Buch vorgesehen waren, nicht rechtzeitig beschafft werden konnten. Ein Beispiel dafür sind Vesalische Figuren, die 1573 in ein Buch hätten integriert werden sol-len; dies gelang jedoch nicht vor der Buchmesse, weshalb man sie wegliess.⁵¹⁹ Durch ihr Nichtvorhandensein wirkten diese Figuren auf die projektive, also auf die Zukunft ausgerichtete Handlung des Weckerschen Kompilationsnetzwerks ein, die vorsah, die Bilder ins Buch hineinzunehmen.⁵²⁰So konnte die Verbindung zwischen Druckvorlage und Mensch nicht hergestellt werden, die für diese Handlung nötig gewesen wäre. Solche Verknüpfungen waren Voraussetzung für die Ausübung von Praktiken,wie es Elizabeth Shove und andere deutlich gemacht haben.⁵²¹ Elemente, wie etwa die Druckvorlagen, waren nur dann Teil des Kom-pilationsnetzwerks, wenn sie mit anderen Elementen oder Personen verbunden

 Wecker, Johann Jacob: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 5 fol. 94.

 „Mein Antidotarium speciale ist außgemacht, bin ietz an den Generale, manglen mir noch etliche büecher, so D. Grineus mir zůschicken soll von Frankfurt, welche man zůBasel nitt be-kummen mag. Schick im hie ein zedel, bitt wellen im in überantworten.“Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 28:Nr. 374. Ähnlich: Ders.: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Frey-Gryn Mscr II 27:Nr. 375.

 Gessner, Conrad: Brief an Theodor Zwinger, in: Gessner, Peine: Das dritte Buch der medi-zinischen Briefe des Zürcher Philosophen und Arztes Konrad Gesner, 1941, S. 80. Im Original lautet die Aussage wie folgt:„Miseram nuper libellos duos nostros de peste hîc impresssos ad Dominum Gratalorum, vt alterum tibi traderet : qui nescio quomodo intercidit.“Gessner, Conrad:

Conradvs Gesnervs Theodoro Zuinggero medico, in: Ders.: Epistolarum medicinalium Conradi Gesneri philosophi et medici Tigurini libri III. Tiguri: Christoph. Frosch., 1577, S. 109v.

 Wecker, Johann Jacob: Brief an Theodor Zwinger. UB Basel, Ms II 5 fol. 314 [1572]. Siehe auch S. 104.

 Zu projektiven Handlungen siehe Kapitel 3.2 zur Praxistheorie.

 Shove, Pantzar, Watson: The Dynamics of Social Practice, 2012, S. 36. Mehr dazu siehe Ka-pitel 3.2, Praxistheorie.

waren. Wenn nicht, dann beeinflussten sie die Handlungen als äussere Fakto-ren.⁵²²

Ins Geflecht eingebunden waren hingegen alle Elemente, die eine Verbindung zu einem anderen Element oder einer Person hatten. Dazu gehörten die Korre-spondenzen, die neben ihrer kommunikativen auch eine soziale Funktion inne-hatten. Sie war nötig, um gewisse Entscheidungen diskutieren zu können, die auf das später produzierte Buch einwirkten. Eine solche Entscheidung war etwa jene, welche Druckvorlagen oder Bücher man für das neue Buch verwenden wollte.

Bedeutsam war diese Entscheidung deshalb, weil eine andere Auswahl der Bü-cher zu einem anderen Buch geführt hätte. Eine solche Entscheidungsfindung bei der Weckerschen Buchproduktion ist Thema des nächsten Unterkapitels.