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Kongress zur Volksbefragung

Das alte Argument der Krise, das dazu genutzt wird, der CONAIE die politische Legitimation abzusprechen, ist inzwischen um eine Variante reicher. Es heißt jetzt, dass die Organisation von der Rechten manipuliert und »von der CIA bis ins Mark«

infiltriert sei, wie Atilio Borón behauptet. Wie dem auch sei, auch das ist nichts Neues. Neu ist der Argumentationsmodus der Anklage. Die indigene Bewegung hat

besonders in den 70er Jahren stets auf die staatliche Billigung der politischen Akti-vitäten US-amerikanischer Sicherheitskräfte in Ecuador aufmerksam gemacht. In den 90er Jahren analysierte Victor Bretón in seinen Arbeiten über Ethnizität und Entwicklung die Aktivitäten der multilateralen Entwicklungs- und Kreditorganisa-tionen und NGO, die mit dem Sicherheitsapparat verbunden waren und eine Be-drohung für die indigene Bewegung darstellten. Auch die CONAIE selbst legte im Jahr 2006, in der heißesten Kampfphase gegen das Freihandelsabkommen, eine Liste von NGOs vor, die versuchten, Organisationen, die gegen das Abkommen waren, und besonders die CONAIE, zu spalten.

Präsident Correa nutzt andere Argumente, um die seiner Politik gegenüber kri-tisch eingestellten Organisationen zu delegitimieren und erfand das Motto »mit der Rechten paktieren oder ihr Spiel spielen«. Später warf er der CONAIE mitten im Protest gegen sein Bergbaugesetz vor, von ausländischen, teilweise der US-ameri-kanischen Botschaft verbundenen NGO, manipuliert und finanziert zu werden. Noch weiter ging die in Venezuela ansässige nordamerikanische Redakteurin Eva Golin-ger, die in ihren Artikeln behauptet, die CONAIE sei über die US Aid und NED von der CIA infiltriert und werde von ihr finanziert. Als Beweis ihrer Nachforschungen führte sie die finanzielle Unterstützung an, die zwei ecuadorianische, von Indigenen geführten NGOs, die Corporación Empresarial Indígena del Ecuadorund die Fun-dación Qellkaj, erhalten hatten; und erwähnte außerdem den Rat für die Entwicklung der Nationen und Völker Ecuadors, CODENPE. Aber der CODENPE ist eine staat-liche Institution, die dem Präsidenten der Republik unterstellt ist, der alle unter-zeichneten Abkommen ratifiziert hat. Die CONAIE steht in einem totalen politi-schen und ideologipoliti-schen Widerspruch zu den beiden von Golinger denunzierten Stiftungen, aber das scheint dieser »Forscherin« egal zu sein. Dennoch haben ecua-dorianische Stimmen diesen Vorwurf aufgegriffen und wieder und wieder einge-setzt. Und das ist das Argument, das der angesehene argentinische Intellektuelle Borón verwendet.

Diese gegen die indigene Bewegung gerichtete These zeigt, dass die Mentalität der Regierung und einiger linker Intellektueller noch immer vom Kolonialismus geprägt ist. Die Indigenen werden als leicht von außen manipulierbar, unfähig zur Autonomie und ohne eigenes Bewusstsein dargestellt. An dieser »intellektuellen«

Haltung hat sich seit der Kontroverse zwischen Sepúlveda und De las Casas im 16.

Jahrhundert nichts geändert.

Bei der Krise des IV. Kongresses der CONAIE zeigten sich zumindest zwei grundlegende Dinge. 1) Die Konflikte auf dem Land, die sich aufgrund der vom Neoliberalismus vorangetriebenen Veränderungen der wirtschaftspolitischen und soziokulturellen Strukturen angesammelt haben; und 2) die internen Spannungen, die aus den teils sogar gewalttätigen Konfrontationen mit der Regierung Rafael

Cor-rea entstanden sind; eine Langzeit- und Kurzzeitdialektik der Geschichte der indi-genen Bewegung. Und im Gegensatz zu dem, was einige gern behaupten, wurde diese Krise nicht durch das Tagesgeschehen, sondern anderweitig gelöst. Der Dis-kurs Humberto Cholangos zeigte einen langfristigeren Ansatz auf: Der Widerstand gegen die Bürgerrevolution geht von der Kritik des kapitalistischen Modells aus, auch wenn er sich unterwegs gezwungen sah, auf das Tagesgeschehen zu reagie-ren.Zu berücksichtigen ist eine Tatsache, die auch am angeblich mangelnden Inter-esse der Basis für die Organisation zweifeln lässt. Cholango ist mit ihrer Unterstüt-zung gewählt worden und hat gegen einige andere Führungspersonen, die eine an-dere Option vertreten, gewonnen.

Aber wir können auch die Ergebnisse der Volksbefragung vom 7. Mai 2011 als Beweis dafür heranziehen, dass die CONAIE trotz ihrer Krise die Realität und die Basisorganisationen gut im Griff hat. Mitten in der Krise des IV. Kongresses musste die Organisation die Kampagne für das NEIN vorantreiben. Und das NEIN hat in den Provinzen des Hochlands und des Amazonasgebiets gewonnen, in denen die indigene Bevölkerung am stärksten vertreten ist, sich die meisten Agrar-, Land-, Wasser- und Bergbauprobleme konzentrieren und die CONAIE ihre größten Basis-organisationen hat. Außerdem lassen die Wahlergebnisse, was die indigene Bewe-gung betrifft, direkt an der Regierungspropaganda zweifeln, die der Organisation vorwirft, dass ihre Vorschläge und Anklagen keine sozialen Forderungen, sondern individuelle Meinungen »infantiler« Führer und typisch für »extremistische und un-vernünftige sogenannte Linke« seien. Die Argumente, mit denen die indigene Or-ganisation für das NEIN gekämpft hat, waren der Schutz der Natur und kollektiven Rechte, die Ablehnung des Bergbaus im Tagebau, die Forderung nach einer Agrar-revolution, die Schaffung von Ernährungssouveränität und das erfüllte Leben (Sumak Kawsay). Die erwähnten Ergebnisse beweisen, dass die Positionen der CO-NAIE gesellschaftlich verankert und nicht nur eine Kritik an der Regierung, sondern eine Gegenposition zum internationalen Kapital sind.

Der IV. Kongress und die Ergebnisse der Volksbefragung ermöglichen eine de-tailliertere und weitreichendere Analyse der derzeitigen Lage der indigenen Bewe-gung, was nicht nur aus Gründen des Erkenntnisgewinns, sondern aus Gründen der politischen Aktion geboten ist.

Deutsch von Birte Pedersen