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Konfessionalität heute

Im Dokument Religiöse Sensibilisierung und (Seite 56-59)

LER - eine Herausforderung für den Religionsunterricht der Zukunft 1

II. Konfessionalität heute

5. Die konfessionelle Fassung des RU im Sinne der verbindlichen und ausschließ-lichen Bindung an eine Konfession hat heute seinen Sinn verloren, sowohl vom demographischen Hintergrund wie auch von der seiner inneren Zielsetzung her.51 -

Zur Begründung:

(1) Im konkreten Alltag ist weder Schülern noch Eltern die konfessionelle Trennung im RU heute weiter plausibel zu machen.

(2) Den meisten ökumenisch gebildeten Religionslehrern wäre es von der Sache her wohl ohne Probleme möglich, bereits heute den Unterricht der jeweils anderen Konfession zu erteilen.

(3) Dahinter steht die kirchliche und theologische Diskussionslage: Theologische Kontroversen verlaufen vorrangig längst nicht mehr zwischen den Konfessionen, sondern zwischen konfessionsübergreifenden Schulen.

(4) Auf Vorgaben konfessionsspezifischer Sozialisation kann RU hierzulande heute

nicht mehr aufbauen.

50 Vgl. dazu auch die erst nach Erstellung dieses Beitrags veröffentlichten entsprechenden Abschnitte im Papier der Deutschen Bischöfe: Die bildende Kraft des Religionsunterrichts. Bonn 1996.

51 Leicht ersichtlich ist, dass diese These zu den heftigsten Reaktionen geführt hat. Ausdrücklich sei darum darauf verwiesen, dass hier eine Aufkündigung des konfessionellen im Sinne von kirchlich getragenen Religionsunterrichts nicht nur nicht gemeint ist, sondern auch vom Wortlaut und Zusammenhang (vgl. insbesondere die folgende These 8!) gar nicht gemeint sein kann. Zur genaue-ren Erläuterung des Konfessionalitätsprinzips verweise ich auf Kap.5-4.

6. Problematisch und gefährlich ist heute eher die Gefahr der Diversifikation wie daraus resultierend der Indifferenz angesichts zunehmender konfessionalistischer Aufsplitterung des Fachs in nicht nur evangelischen und katholischen RU sowie Ethik, sondern zusätzlich islamischen und hier und da jüdischen Religionsunterricht.

Wer wird künftig weitere eigenständige konfessionelle Prägungen einklagen? Damit würde nicht nur der Sinn von schulischer religiöser Bildung verkehrt, sondern vor allem die Chance eines heute notwendigen interreligiösen Gesprächs vertan zugunsten der Gefahr eines Rückfalls in Glaubensrekrutierung.52

7. Die Reduktion auf einen „bekenntnisneutralen“ Lebensgestaltungsunterricht ist aber ebenso ein Irrweg. Wie auch immer dieses Fach benannt werden mag, ohne existentiell beanspruchendes Zursprachekommen von Haltungen und Sinnbegrün-dungen verliert ein solcher Unterricht seine Berechtigung. Insofern ist auch ein Verständnis des RU als Religionskunde mangelhaft.53

8. Seinen konfessionellen Charakter muss ein RU heute behalten, freilich in ver-ändertem (bzw. einem ursprünglichem) Sinn (den ich dann als Anspruch zugleich an einen sinnvollen Ethikunterricht formulieren würde):

Konfessionell muss dieser Unterricht sein aufgrund der konfessionellen Bindung des Lehrers, ohne die der Unterricht unverbindlich wird; insofern der Lehrer hier auch Zeugnis über eigene Erfahrungen abzulegen hat, hat er konfessorischen Charakter.

Konfessionell muss er ebenso sein hinsichtlich der Ermutigung der Schüler zu einem eigenen Bekenntnis, nicht als Verpflichtung zu einer bestimmten Kon-fession, aber auch nicht nur als unverbindliches Angebot, sondern in dem Sinne, dass das hier zur Sprache Gebrachte konfessionablen Charakter hat, d.h. dass es in seinem „Lernziel“ irrelevant wird, wenn ich hier nicht (obgleich nicht über-prüfbar) zu einer je eigenen Position beansprucht werde.

III. Wege zu einem konfessionsübergreifenden RU

9. Ein interkonfessioneller Unterricht ist angesichts konkreter Gegebenheiten nicht plötzlich einführbar. Realistisch kann ein solcher Religionsunterricht der Zukunft

52 Diese These bietet ein wichtiges Argument auch für mein unter Kap. 5-4 entwickeltes Organisationsmodell eines integrativen Unterrichts in Religion mit religionsphilosophischer Fundierung und konfessioneller Differenzierung.

53 Dass ich diese Argumentation inhaltlich auch auf den Religions-Anteil des Faches Ethik übertrage, habe ich ebenfalls oben in Kap.1 ausführlicher begründet.

ausgehen nur von einem von den Konfessionen gemeinsam verantworteten RU.54 Eine solche Gemeinsamkeit muss aber zugleich den Weg bereiten zur Überwindung des Verfassungshindernisses eines alle Schülerinnen und Schüler einbeziehenden Unterrichts: Nicht nur von seiner gesetzlichen Absicherung, sondern durch seine praktische und faktische Konzeption ist er so anzulegen, dass alle zumindest einge-laden sind, so dass die Ausnahme von der Teilnahme tatsächlich auf bloßen Ersatz-charakter reduziert wäre.55

10. Entscheidend für die Durchsetzungsfähigkeit eines solchen Unterrichts ist es, dass er nicht nur ein Programm am grünen Tisch bleibt, sondern genährt durch viel-fältige Praxis vor Ort zunehmend faktisch Realität wird.

11. Drei Probleme stellen sich der Verwirklichung eines solchen Modells entgegen:

1. eine Auslegung des GG, nach der die Abhaltung des RU den Religions-gemeinschaften konfessionell getrennt zu übertragen sei,

2. die Ansprüche der einzelnen Konfessionen, wer bei der Durchführung eines gemeinsamen Unterrichts federführend sein soll,

3. die Modalitäten der Ausbildung der Lehrer, um einen im beschriebenen Sinn zu leistenden Unterricht gewähren zu können.

12. Alle drei Probleme sind einzig über eine auf Gemeinsamkeit hin angelegte Kooperation der Religionen und Konfessionen zu lösen:

• Der Passus des GG „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religions-gemeinschaften“ erfordert zwar (mit historischem und sachbezogenem Grund) die verantwortliche Einbeziehung der Kirchen in die Konzeption des RU, nicht aber die konfessionell getrennte Durchführung von RU; angesagt ist daher eine Interpretation, wonach die großen Religionsgemeinschaften in einem durch die ACK

54 Vgl. dazu die in letzter Zeit zahlreichen Voten in diese Richtung:

a) das grundlegende Papier des DKV von 1992,

b) das Papier des Initiativkreises der Religionspädagogen von 1994 (in den Mitteilungen des Verbandes Kath. RL der Erzdiözese Freiburg 1/95),

c) die Erklärung des Rottenburger Religionslehrerverbandes v. Okt. 95.

[ Dass es seit 1996 eine Vielzahl weiterer Voten für einen kooperativen RU gegeben hat, braucht hier kaum erwähnt werden. Vgl. auch dazu das folgende Kapitel 5-4. ]

55 Dieser Weg sollte nicht missverständlich als Ausboten des Ethik-Unterrichts verstanden werden.

Möglicherweise ist für eine Übergangszeit auch ein Fächerkonsortium unter Einschluss von Ethik sinnvoll, zumal dieses Fach zwischenzeitlich mit viel Engagement etabliert wurde. Gleichwohl bleibt aus meiner Sicht (gerade auch als Philosoph!) die faktische Asymmetrie zum RU als erheblicher Mangel von Ethik bestehen, was sich auch in der bis dato ungenügenden Lehrerqualifikation niederschlägt. - Ergänzung 2001: Eben dieser auch heute noch bestehende faktische Miss-Stand ließ und lässt mich, wie in Kap.1 ausführlich erläutert, für einen die Religion nicht nur religionswissenschaftlich, sondern auch in ihrem Religions-Anspruch ernst nehmenden Ethik-Unterricht plädieren.

gemeinschaft Christlicher Kirchen) bereits gewährleisteten runden Tisch sich auf gemeinsame Konzepte verständigen können.

• Die Ausbildung der Lehrer muss kaum anders als bislang erfolgen, wo ohnehin etwa evangelische und katholische Theologie sich weniger unterscheiden als bestimmte Fraktionen innerhalb der einzelnen Konfessionen. Lehramtsprüfungen sind dann vor einem Gremium abzulegen, das das Vertrauen aller genießt.

• Die Federführung wäre schließlich einer Konzeption von Unterricht zu über-lassen, die es allen ermöglicht, Eigenes zur Geltung zu bringen und zwar, wie vom pädagogischen wie katechetischen Verständnis des RU intendiert, als Angebot.56

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