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Klinischer Ausblick: Welche klinischen Auswirkungen könnte dieser Hba1c-Anstieg

4 Diskussion und Schlussfolgerung

4.2 Klinischer Ausblick: Welche klinischen Auswirkungen könnte dieser Hba1c-Anstieg

haben?

Ein erhöhter HbA1c-Wert korreliert mit erhöhter kardiovaskulärer Mortalität und Morbidität (Selvin et al. 2004; Mehrotra et al. 2011, Cavero-Redondo et al. 2017, Wang et al. 2015, Pai et al. 2013, Schöttker et al.). Leider wurden in der hier diskutierten Arbeit keine Untersuchungen zur kardiovaskulären Morbidität durchgeführt und Patienten, die im Laufe der Nachsorgezeit verstorben waren, sind aus dem Patientenkollektiv ausgeschlossen worden.

Im Zusammenhang mit Diabetes spielen für die Morbidität und Mortalität vor allem Gefäßveränderungen eine wichtige Rolle (Selvin et al. 2004; Mehrotra et al. 2011). Der Schweregrad der makro- und mikrovaskulären Komplikationen ist dabei variabel und deren

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Fortschreiten hängt mit der Glukosekontrolle zusammen (Mehrotra et al. 2011). Ein höherer HbA1c birgt ein größeres relatives Risiko für relevante mikro- sowie makrovaskuläre Komplikationen, wie z.B. Nierenversagen, tödliche Myokardinfarkte, eine periphere Verschlusskrankheit oder Schlaganfälle (Selvin et al. 2004; Scicali et al. 2016). Dabei ist es nicht relevant, welcher ethnischen Gruppe die Patienten angehören, wie alt sie sind oder ob sie einen Diabetes Typ 1 oder 2 haben (Selvin et al. 2004).

Auch bei Nichtdiabetikern wurde in Studien eine Relation vom HbA1c zu kardiovaskulärer Mortalität gefunden (Schöttker et al. 2016). Während bei Diabetikern ein erhöhtes Risiko ab einem HbA1c von >7% (Cavero-Redondo et al. 2017, Wang et al. 2015) angegeben wird, ist bei Nichtdiabetikern vor allem ab einem HbA1c >6% ein höheres Risiko der kardiovaskulären Mortalität gegeben (Cavero-Redondo et al. 2017). In anderen Studien findet man ein signifikant höheres Risiko von kardiovaskulären Krankheiten ab einem HbA1c von ≥5,5% (Pai et al. 2013). Cavero-Redondo et al. verglichen mehrere Studien und stellten heraus, dass das Risiko der kardiovaskulären Mortalität bei Nichtdiabetikern bei Menschen mit einem HbA1c zwischen 5% und 6% signifikant höher war als bei denjenigen mit einem HbA1c unter 5%. Auch Schöttker et al. veröffentlichten 2016 eine Metaanalyse, in der sie bei Nichtdiabetikern eine lineare Relation von steigendem HbA1c und kardiovaskulären Events detektierten (Schöttker et al. 2016).

Hernandez et al. fanden heraus, dass ein HbA1c-Anstieg von ca. 1% mit einer 30-40%igen Steigerung der Wahrscheinlichkeit an einer chronischen Nierenkrankheit (eine der mikrovaskulären Komplikationen des Diabetes) und/oder einer kardiovaskulären Erkrankung zu erkranken einhergeht. Dies gilt für Patienten mit und ohne manifesten Diabetes (Hernandez et al. 2013). Hernandez et al. nehmen an, dass man anhand des HbA1c-Wertes Schlüsse auf das relative Risiko für eine chronische Nierenkrankheit und kardiovaskuläre Erkrankung ziehen könne, ohne dabei zu wissen, ob der Patient ein Diabetiker sei oder nicht (Hernandez et al. 2013).

Die nichtdiabetischen Patienten der hier vorliegenden Studie hatten in der letzten Nachsorgeuntersuchung, welche im Schnitt fünf Jahre nach Transplantation durchgeführt worden war, einen HbA1c-Wert von 5,6%. Vor der Transplantation lag der HbA1c-Wert im Schnitt bei 5,3%; er war also um 0,3% gestiegen. Haben diese Patienten nun 5 Jahre nach ihrer Transplantation dadurch ein erhöhtes Risiko an einer kardiovaskulären Erkrankung zu leiden? Der Schwellenwert eines HbA1c-Anstieges von 1%, für den Hernandez et al. einen Anstieg des Risikos einer kardiovaskulären Erkrankung um 30-40%

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errechnet haben, wird hier nicht erreicht. Daher kann man nicht von einem gleich schweren Risiko bei der hier untersuchten Patientenpopulation ausgehen.

Dennoch lassen die selbst nur leicht erhöhten HbA1c-Werte von 5,3 % auf 5,6 % eine erhöhte Morbidität und Mortalität vermuten. 512 Patienten wurden aus der vorliegenden Studie aufgrund von unvollständigen Datensätzen ausgeschlossen. Dies lag zu einem großen Teil daran, dass sie verstorben waren. Viele nierentransplantierte Patienten sterben mit funktionierendem Transplantat. Aufgrund der meist langjährigen chronischen Nierenkrankheit sind fast alle Patienten nach Nierentransplantation weiterhin chronisch vaskulär vorerkrankt und haben diverse weitere Komorbiditäten. Daher ist davon auszugehen, dass der etwas geringere HbA1c-Anstieg als bei Hernandez et al. eventuell eine große klinische Bedeutung hat.

Auch kleine Veränderungen des HbA1c-Wertes auch bei nichtdiabetischen Patienten können Auswirkungen auf die Gesundheit der Patienten haben. Kardiovaskuläre Ereignisse treten bei Nichtdiabetikern häufiger bei denjenigen auf, die einen höheren HbA1c haben (Dheir et al. 2012; Pai et al. 2013). In 10-14 Jahren stieg bei Pai et al. für jedes Ansteigen des HbA1c von 0,5% das relative Risiko für eine KHK um den Faktor 1,29, in den ersten sieben Follow-Up-Jahren sogar um 1,35 (Pai et al. 2013). Signifikant höher war das Risiko von kardiovaskulären Krankheiten dabei ab einem HbA1c von ≥5,5% (Pai et al. 2013). Bei der hier vorliegenden Studie handelte es sich um eine HbA1c-Erhöhung von nur 0,3% statt 0,5% innerhalb von 5 Jahren von 5,3% auf 5,6%. Wenn die oben genannten Zahlen nun auf unsere Patientenkohorte anwendet werden, so stellt man fest, dass man aufgrund des HbA1c Wertes von über 5,5% beim Follow-Up fünf Jahre nach der Transplantation mit einem signifikant höheren Risiko einer KHK rechnen muss.

Diese Annahme wird auch gestützt, wenn man die Ergebnisse von Dheirs Studie auf die vorliegenden Ergebnisse anwendet. Ein 0,1%iger Anstieg des HbA1c war mit einem 1,22-fach erhöhten Anstieg von kardiovaskulären Events assoziiert. Patienten mit einem HbA1c von < 5,45% hatten ein geringeres Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse zu leben (Dheir et al. 2012). Diese Grenze von 5,45% wurde in der vorliegenden Studie zwar nur minimal überschritten, dennoch kann man von einem erhöhten Risiko bei der nierentransplantierten Population mit den entsprechenden Komorbiditäten ausgehen.

Speziell die Atherosklerose der A. carotis wurde im Zusammenhang mit dem HbA1c in einer Studie untersucht. Eine Atherosklerose der A. carotis findet man häufiger bei

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Nichtdiabetikern mit einem HbA1c-Wert >5,6% (Zhu et al. 2010). Gerade bei Transplantationspatienten mit HbA1c >5,6% sollte daher die A. carotis in regelmäßigen Abständen dopplersonographisch untersucht werden.

Es wurde mehrfach bestätigt, dass der NODAT einen negativen Einfluss auf das Transplantat und die Morbidität und Mortalität der transplantierten Patienten hat (Johnston et al. 2008; Palepu und Prasad 2015). Das Transplantatüberleben lag bei Patienten mit NODAT bei 28% im Gegensatz zu 70% bei Patienten ohne NODAT (Palepu und Prasad 2015). Außerdem war die Zahl der akuten Abstoßungsreaktionen bei NODAT-Patienten größer (Johnston et al. 2008) und die Mortalitätsrate höher (Palepu und Prasad 2015).

Des Weiteren konnte man gleiche Komplikationen und Risiken wie bei einem Diabetes mellitus Typ 1 oder 2 erkennen (Palepu und Prasad 2015).

In der vorliegenden Studie wurden jedoch keine Diabetiker untersucht, sondern es wurde ein signifikanter Anstieg des HbA1c nach einer Nierentransplantation bei Nichtdiabetikern analysiert. Bisher gibt es keine Studien an nichtdiabetischen Nierentransplantierten, die den Zusammenhang von HbA1c-Anstieg und kardiovaskulärer Morbidität und Mortalität untersuchen.

Da nur Patienten mit funktionierendem Transplantat TPX untersucht wurden, ist keine Aussage über den Zusammenhang von Transplantatversagen und HbA1c-Anstieg möglich.

Ravona-Springer et al. bringen einen Anstieg von 1% des Hba1c-Wertes bei Nichtdiabetikern mit kognitiven Defiziten in Zusammenhang, welche zu einem schwächerem Ergebnis beim Mini-Mental Test führten (Ravona-Springer et al. 2012).

Aufgrund der schon oben ausgeführten Überlegung kann in der vorliegenden Studie auch bei geringerem Anstieg ein solcher Zusammenhang postuliert werden.

Aufgrund der Ergebnisse sollten auch bei Patienten nach Nierentransplantation regelmäßig HbA1c-Kontrollen im nichtdiabetischen Bereich durchgeführt werden. Dies könnte zur rechtzeitigen Erfassung des kardiovaskulären Risikos beitragen.

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