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4. Diskussion

4.5 Die klinische Relevanz von CD96

Die gegensätzlichen inflammatorischen Eigenschaften von CD96low und CD96high Th9-Zellen in Verbindung mit der Wiederherstellung der Pathogenität von CD96high Th9-Zellen durch eine CD96-Blockade implizieren, dass CD96 inhibierend auf die Funktion von CD4+ T-Zellen wirkt.

Diese Aussage wird gestützt durch die erhöhte Zytokinproduktion, die in vitro nach Zugabe eines blockierenden anti-CD96-Antikörper beobachtet wurde (vgl. Abschnitt 3.9.2). Auch Eriksson et al. brachten die erhöhte Produktion von Effektormolekülen mit einer geringen CD96-Expression in Verbindung, beschränkten sich mit dieser Aussage aber auf die Produktion von Perforin in CD8+ T-Zellen (51). Diese Beobachtungen verdeutlichen, dass eine veränderte CD96-Expression das Ausmaß einer Entzündung regulieren kann. Damit wird CD96 auch für die klinische Nutzung interessant.

4.5.1 Bedeutung als Biomarker

Eriksson et al. untersuchten die Expression von CD96 im Kontext einer Infektion mit dem humanen Immundefizienz Virus (HIV) und beobachteten eine negative Korrelation zwischen Viruslast und CD96-Expression (51). Die Ursache der hohen Virustiter vermuteten sie in der gesteigerten Immunpathogenese, da CD96neg T-Zellen mehr zytotoxische Effektormoleküle produzierten. Auch wenn dieser Zusammenhang mechanistisch nicht belegt ist, zeichnet sich hier die Bedeutung von CD96 als messbarer Indikator zur Beurteilung der T-Zellfunktion und des Krankheitsverlaufes bei einer HIV-Infektion ab. Entsprechend könnte eine Veränderung der CD96-Expression einen möglichen Behandlungserfolg anzeigen. Auch bei einer Hepatitis-B-Infektion war die Expression von CD96 gegenüber gesunden Probanden verändert (194). Vor diesem Hintergrund wäre zukünftig zu untersuchen, ob die Expression von CD96 – insbesondere in IL-9+ Th-Zellen – auch in Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen verändert ist. Gleichzeitig könnte eine potenziell veränderte CD96-Expression die Basis für einen personalisierten Therapieansatz darstellen (s. Abschnitt 4.5.3.).

4.5.2 Bedeutung als Checkpoint-Inhibitor für die Krebsimmuntherapie

Die Signalkaskade, die sich an den CD96-Rezeptor anschließt, wurde bisher kaum untersucht.

Dennoch gilt CD96 schon jetzt als potenzielles Ziel in der Immuntherapie gegen Krebs.

Beispielsweise konnten Cd96-defiziente Mäuse das Wachstum von Lungenmetastasen aufgrund der erhöhten IFN-γ-Produktion durch NK-Zellen deutlich besser kontrollieren als wildtypische Mäuse (50). Auch CD96-blockierende Antikörper verstärkten in verschiedenen Tumormodellen IFN-γ-abhängige NK-Zell-Effektorfunktionen und konnten dadurch zu einer verbesserten Tumorkontrolle beitragen (50, 134). Besonders stark ging die Anzahl der Lungenmetastasen allerdings in Mäusen zurück, in denen neben CD96 auch TIGIT, der zweite inhibitorische Rezeptor der CD226/TIGIT/CD96-Achse, blockiert war (134). Diese Beobachtungen betonen einerseits, dass CD96 unbedingt als Teil eines Rezeptorsystems mit mehreren potenziellen Angriffspunkten zu betrachten ist. Anderseits zeigen sie, dass der Aktivierungsgrad von NK-Zellen trotz ihres großen Repertoires an inhibitorischen Rezeptoren entscheidend durch die Blockade von CD96 moduliert werden kann. Aus diesem Grund

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werden CD96 (und TIGIT) gegenwärtig als vielversprechende Zielmoleküle bei der Entwicklung neuer Checkpoint-Inhibitoren gehandelt [zusammengefasst in (31)].

Es ist bekannt, dass der therapeutische Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren wie Nivolumab (anti-PD1) und Ipilimumab (anti-CTLA-4) häufig von schweren immunbedingten Nebenwirkungen (immune-related adverse events, irAE) begleitet ist [zusammengefasst in (207)]. Als Ursache ist hier die physiologische Bedeutung der Rezeptoren als zentraler Limitierungsmechanismus der T-Zellaktivierung zu nennen. Bei irAE handelt es sich um Autoimmunreaktionen, die sich vorwiegend dermatologisch, gastroenterologisch, endokrinologisch und hepatisch manifestieren. Die Blockade von CTLA-4 verursacht hochgradigere irAE als die Hemmung von PD-1 (208, 209). Diese Beobachtung zeichnete sich bereits im Mausmodell ab: Während Ctla4-/- Mäuse aufgrund eines autoimmunen lymphoproliferativen Phänotyps nur ein Alter von drei bis vier Wochen erreichten (21, 22), entwickelten Pdcd1-/- (kodiert PD-1) Mäuse mildere Autoimmunreaktionen, die nicht unmittelbar zum Tod führten (210, 211). Daher ist als vielversprechend einzuschätzen, dass Tigit- und Cd96-defiziente Mäuse keine spontanen Autoimmunreaktionen entwickelten (50, 212). Auch Mäuse mit einer kombinierten Defizienz für CD96 und TIGIT zeigten über einen Zeitraum von 22 Monaten keine spontane Störung der Immunhomöostase (213). Allerdings ist zu erwähnen, dass der Verlust von TIGIT in Mäusen die Empfänglichkeit für experimentelle autoimmune Enzephalomyelitis (EAE) steigerte (212). Auch wenn daher anzunehmen ist, dass das Risiko einer Autoimmunreaktion bei entsprechender Prädisposition durch eine therapeutische TIGIT-Blockade steigt, deutete doch vieles darauf hin, dass eine Hemmung von CD96 und/oder TIGIT weniger schwere irAE induzieren wird als eine Behandlung mit anti-CTLA-4 und anti-PD-1. Dadurch würde sich auch der Umfang weiterer therapeutischer Maßnahmen wie der Einsatz von Immunsuppressiva oder ergänzenden Hormonen reduzieren.

4.5.3 Bedeutung für die Therapie chronisch entzündlicher Erkrankungen

Im Unterschied zu Tumorerkrankungen besteht das Problem bei chronisch entzündlichen Erkrankungen wie Colitis ulcerosa (UC) und Autoimmunreaktionen jedoch nicht in einer limitierten, sondern einer überschießenden Reaktion des Immunsystems. Folglich könnte es hier von therapeutischem Nutzen sein, das CD96-Signal zu verstärken, um die Funktion von T-Zellen und insbesondere von Th9-Zellen zu inhibieren. Aufgrund der Konkurrenz um den gemeinsamen Liganden CD155 besteht die Herausforderung darin, selektiv das CD96-Signal zu verstärken ohne dabei eine Stimulation des aktivierenden Rezeptors CD226 auszulösen.

Die beste Therapiestrategie, liegt hier in der Entwicklung eines agonistisch wirkenden anti-CD96-Antikörpers (Abb. 4-1, Bild ①). Agonistische anti-Rezeptor-Antikörper bewirken im Unterschied zu antagonistischen Antikörpern keine Blockade, sondern eine spezifische Dauerstimulation. Gegen den inhibierenden Rezeptor TIGIT existieren bereits agonistische Antikörper, die den Verlauf von Autoimmunerkrankungen in Tiermodellen wirksam abmildern konnten (38, 214). Das therapeutische Potenzial stimulierender Antikörper (insbesondere für die Krebsimmuntherapie) wurde schon vor langer Zeit erkannt. Inzwischen befinden sich mehr

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der Praxis erweist es sich jedoch als äußerst schwierig, die optimale Kombination aus Rezeptorsättigung, Dosisfrequenz und Behandlungsdauer zu ermitteln, sodass der therapeutische Effekt derzeit noch suboptimal ist. Entsprechend sind agonistische Antikörper momentan (Stand Juni 2018) weder für die klinische Anwendung zugelassen noch sind sie in Phase III-Arzneimittelstudien eingetreten. Dass agonistische Antikörper nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch hoch wirksam sein können, zeigt das Beispiel der Autoantikörper gegen den Rezeptor des Thyreoidea-stimulierenden Hormons, die in Patienten mit Morbus Basedow ursächlich für die Hyperfunktion der Schilddrüse sind.

Abb. 4-1. Strategien für die therapeutische Modulation von CD96 bei chronisch entzündlichen Erkrankungen.

Die Abbildung dient der Veranschaulichung der im Text vorgestellten Therapiestrategien. Eine ausführliche Beschreibung ist bitte dem Haupttext zu entnehmen. Hellgrau dargestellte Signalwege spielen für das abgebildete Therapiekonzept eine untergeordnete Rolle. CTLA-4, cytotoxic T-lymphocyte-associated protein 4; Ig, Immunglobulin; APZ, antigenpräsentierende Zelle; NK-Zelle, natürliche Killerzelle; TIGIT, T cell immunoglobulin and ITIM domain.

Allerdings ist eine Therapie mit agonistischen Antikörpern nur dann geeignet, wenn der zu stimulierende Rezeptor auch tatsächlich exprimiert wird. Th9-Zellen zeichneten sich jedoch insbesondere im Vergleich zu Th0- und Th1-Zellen durch eine geringe CD96-Expression aus. Dieses CD96-Expressionsprofil wurde innerhalb unserer Arbeitsgruppe auch für humane CD4+ T-Zellen beobachtet [Daten von Franziska Janina Strunk, veröffentlicht in (216)]. Es könnte für die Therapie von UC-Patienten daher sinnvoller sein, die Ligand-Rezeptor-Interaktion durch ein CD96-Ig-Fusionsprotein zu blockieren, um die IL-9-Produktion durch Th9-Zellen zu senken (Abb.

4-1, Bild ②). Dieser Ansatz ist vergleichbar mit der Hemmung der T-Zellaktivierung bei rheumatoider Arthritis oder Organtransplantation durch ein CTLA-4-Ig Fusionsprotein, welches an CD80/86 auf den APZ bindet und so den ko-stimulierenden Rezeptor CD28 aus der Bindung verdrängt (Abb. 4-1, Bild ③). Analog würde CD96-Ig an CD155 binden und die

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Ligation mit dem aktivierenden Rezeptor CD226, aber auch mit CD96 und TIGIT verhindern.

Die Spezifität würde hier über die Bindungsaffinität erreicht werden, denn von allen drei Rezeptoren bindet CD226 mit der geringsten Affinität an CD155 und würde folglich zuerst aus der Bindung verdrängt werden (vgl. Kapitel 1.4). Dieser global-wirksame Therapieansatz könnte weiterhin durch einen neutralisierenden anti-IL-9-Antikörper ergänzt werden.