Auch von E waren zwei aus derselben Form stammende Exemplare in das Berliner
Anliqua-rium gelangt, von denenE-an HerrnBranteghem abgetreten wurde. Unsere Abbildungist, wiedievon
1), von Herrn Lübke aus beiden Exemplaren combinirt worden. Vgl. auch die Abbildung auf S. 1.
E1) Berlin, Königl.Antiquarium J.N. 81611. Aus mehreren Stücken zusammengesetzt, wobei derRückendes Verwundeten, einStückvorn Schild des ihn haltenden undein kleines Stück vom Schild-rand des auf dem Panzer knieenden Kriegers nach
E
3 ergänzt sind.Am
oberen Rand Flechtband und Perlenschnur, am Fuss Rosette mit Flechtband und Perlenschnuren. Hohe 0,08, oberer Durchmesser 0,142. AusAnthedon.
31
E2) Brüssel, Sammlung Branteghem (früher Berlin J. N. 31(11m). Gleichfalls aus mehreren Stücken zusammengesetzt und unvollständig; nach E1 ergänzt sind die rechte Schulter und die rechte Hälfte des Untergesichts an dem Krieger mit dem Verwundeten, der rechte
Arm
und der linke Ober-schenkel an dem auf dem Panzer knieenden Krieger, an diesem Panzer ein Theil der Lederriemen.Dagegen ist der ganze Oberkörper des auf ihn eindringenden Kriegers unergänzt geblieben. Masse und Ornamente s. unter
E
1. AusAnthedon.
F) Athen, Polytechnion J. N. 4203, Fragment.
Länge 0,07, Höhe 0,055. Aus Boiotion 1883.
Zeichnung von Gillieron.
Ich verdanke den Hinweis auf dieses wichtige Bruchstück meinemFreunde 0. Kern, der auch im Verein mit Paul Wolters die Inschrift wiederholt geprüft, mir zur eigenenNachprüfungeinenAbguss geschicktund dieHerstellung derZeichnung vermit-telt hat. BeidenGelehrten spreche ich für ihre
lie-benswürdigen und aufopferndenBemühungen auch an dieser Stelle meinen verbindlichen Dank aus.
E
enthält zwei Kampfscenen. In dev ersten hält ein jugendlicher, mit Panzerund
Schild gerüsteter Krieger einenzum Tod
getroffenen jugendlichen Gefährtenim
Arm, indem
er ihnam
unterenRande
des Panzers fasstund
nach rückwärts zu schleppen sucht; mit der hinken hebt er schützend denSchild über den Verwundeten, das Antlitz richtet er wie klagendzum Himmel
empor.Der
Oberkörper desVerwundeten
fälltschwer nach vorn über, sein rechter
Arm
schleiftam Boden
nach. Beide Krieger sind barhäuptig,haben
alsoim Kampf
ihreHelme
verloren. Ein dritter Krieger, inHelm,
Panzerund
Stiefeln, deckt, mächtig vorstürmend, dieGruppe
gegen einen an-dringenden Feind. Mit der Linken hält er den Schild weit vor sich hin, die Rechteist erhoben, als ob sie
zum Wurf
oder Stoss aushole.Doch
ist eine Waffe plastisch nicht angegeben. Dass es hier, wie es wohlsonst aufantikenMonumenten vorkommt, dem
Be-schauer überlassen sein sollte, sich aus der Haltung derHand
die Waffe zu ergänzen, ist desshalb nicht wahrscheinlich, weil sowohl beidem Gegner
als bei den beidenKämpfern
der zweiten Scene dieSpeere plastisch angegeben sind. Ebenso unwahrscheinlich ist es, dass dieLanze
etwa in derForm
nicht mit abgedrückt gewesen sein sollte.Auch
lehrt eine genauere Betrachtung, dass die
Hand
gar nicht geschlossen, sondern mitgekrümmten
Fingern nach vorn geöffnet ist. Willman
sich nicht zu der äusserst pre-cärenAnnahme
entschlossen, dass der Krieger,nachdem
er alle seineWaffen
ver-braucht hat, mit der blossen Faust auf die Feinde losgeht, so bleibt nur die Möglich-keit übrig, dass dieHand
einen Stein haltend zudenken
ist. Sein Gegner, ein kräf-tiger bärtigerMann
inHelm,
Panzerund
Stiefeln, dringt in geduckter Angriffs,stel-lang, mit vorgehaltenem Schild
und zum
Stoss gesenkter Lanze, gegen den jugendlichen Krieger vor.Die zweite Scene zeigt den
Kampf um
eine Rüstung. Ein mit unbärtiger Ge-sichtsmaskeund
wie es scheint einer Halsberge versehenerHelm und
ein Panzer von derselbenForm,
wie ihn dieKämpfenden
tragen, liegenam
Boden. Eindem Vorkämpfer
der ersten Scene sehr ähnlicher Krieger, der auch dieselbeRüstung
trägt wie jener, ausserdem aber in der erhobenen Rechten hier eine plastisch angegebene Lanze schwingt, kniet mitdem
linken Beine aufdem
Panzerund
vertheidigt ihn gegen einen bärtigen Gegner, der wieder auffällig an den feindlichen Krieger der ersten Scene erinnert.Die Kampfstellung dieses Kriegers ist dieselbe, wie die der
Amazone
aufD;
nur schwingt er natürlich statt der Bipennis die Lanze.Die Situation in der ersten Scene wird jeden zunächst an die Rettung der Leiche Achills durch Aias
und
Odysseus erinnern, ein Eindruck, der durch dieAehn-lichkeit der
Gruppe
links mitdem
Pasquinonoch
wesentlich verstärkt wird.Wäre
in derThat
diese Aehnlichkeit für die Erklärung ausschlaggebend, sowürde
cs nicht schwer sein auch für die zweite Scene einedamit zusammenhängende Deutung
aufzu-stellen; wir hättendann
Aiasund
Odysseus zu erkennen, die in der Panoplieum
die Waffen des Achill mit einander kämpfen.Zwar
ist uns diese Sagenform sonst nicht bezeugt; aberwenn
die attischen Vasenmaler, wie Doris mit seinen Vorgängernund
Nachfolgern, die beiden Prätendenten mit gezückten Schwertern auf einander losgehen lassen1), was hindert uns da eine Versionanzunehmen,
nach der beide eben aus der Schlacht zurückgekehrtund
noch in der Panoplie einander die gerettetenWaffen
streitigmachen? Dennoch
ist diese Auffassung unhaltbar; denn in der ersten Scene sind beide die Leiche rettende Kriegerun
bärtigund
jugendlich,was
für Aiasund
Odysseus uner-hört wäre, in der zweiten ist der eine unbärtig, der andere bärtig,was
wieder die Identität mit den beiden Figuren der ersten Scene aussehliesst.Die
Deutung
auf denKampf um
Achills Leiche, die ich früher vorgeschlagen habe2), ist also definitiv aufzugeben. Anderseits gehörenKämpfe um
die Leichen Ge-fallenerund um
ihreRüstungen
so sehrzum
festen Bestand epischer Motive, dass es•kaum
möglich ist, ohne besonders charakteristische Züge, die hier fehlen, die Situation genauer zubestimmen und
die Personen zu benennen.Versuchen wir also, ob uns die Beischrift weiter führt,
um
deren Entzifferung sich ausserKern, Beckmann und Lücke
auch Dkessel,Eurtwängler und Köhler
be-müht
haben. Die Lesung der beiden ersten Zeilen, dieim
WesentlichenEurtwängler
verdankt wird, darf als ganz gesichert gelten:
') S. liild und Lied S. 21o.
-) S. 1)c1 1
f.sei)e Littcralur-Zeituug 1800 tS'r. 3 JS. 1ÜG.