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Keine Klasse ohne Masse, keine Spitze ohne Breite

Mittlerweile ist die Exzellenzinitiative zehn Jahre alt. Dafür wurden insgesamt 4,6 Milliarden Euro investiert. Hat das Förderprogramm den Hochschulen geholfen? Ja, sagt eine internationale Exper-tenkommission, die die Auswirkungen der Exzellenzinitiative auf das deutsche Wissenschaftssystem im Auftrag von Bund und Ländern evaluiert hat. Sie empfiehlt, das Programm fortzusetzen.

Die Exzellenzinitiative steht für eine grundlegende Richtungsänderung in der Hochschulpolitik. Anfang 2004 gab die damalige rot/grüne Bundesregie-rung Pläne bekannt, Spitzenuniversitä-ten besonders fördern zu wollen. Damit verabschiedete sich die Politik von der jahrzehntealten Fiktion, alle Universitä-ten wären gleich gut und wichtig. Zum ersten Mal sollten die Hochschulen offiziell in einen Leistungswettbewerb treten. Ziel war, die Forschung an deut-schen Universitäten besser sichtbar zu machen und an die internationale Spit-ze zu führen: „Leuchttürme der Wis-senschaft“ sollen künftig die klügsten Köpfe aus aller Welt anlocken.

Dabei gibt es drei Förderlinien: Geför-dert werden erstens Graduiertenschu-len für die strukturierte Ausbildung von Doktorand/innen, zweitens her-ausragende und international sicht-bare Forschungszentren

(„Exzel-lenzcluster“), drittens ausgewählte Universitäten als Ganzes. In Zukunfts-konzepten müssen diese jeweils erläu-tern, wie sie ihre Stärken nutzen wollen, um in die Weltspitze der For-schung vorzudringen.

Wie soll es mit der Exzellenzinitiative 2017 weitergehen?

Eine internationale Expertenkommis-sion zur Evaluation der Exzellenziniti-ative hat im Januar 2016 ihren Bericht vorgelegt. Die Graduiertenschulen, die bisher mit nur rund einer Milli-on Euro im Jahr gefördert wurden, können nach Ansicht der Kommissi-on wegfallen. Die Forschungsverbün-de, die fünf bis sieben Millionen Euro im Jahr erhalten haben, sollen fortge-setzt werden. Die Kommission möchte aber zwei Probleme vermeiden: Zum einen sollten sich die Verbünde nicht zu „gesonderten Einheiten innerhalb

der Universität“ entwickeln, zum ande-ren sollten sie keine „Scheinehen“ von Partner/innen sein, die nicht wirklich zusammen forschen wollen. Um das zu gewährleisten, bräuchten die Uni-versitätsverwaltungen größere Freiräu-me. Die Expert/innen empfehlen, die Forschungsverbünde künftig mit mehr Geld auszustatten und länger laufen zu lassen. Gedacht ist an bis zu zwölf Mil-lionen Euro, jährlich gezahlt über sie-ben bis acht Jahre – mit einem ordent-lichen Zuschlag an die Hochschulen für einen größeren Gestaltungsspiel-raum. Um den Unterschied zu verdeut-lichen, sprechen die Gutachter/innen nicht mehr wie bisher von „Exzellenz-clustern“, sondern von „Exzellenzzen-tren“. Die besten Universitäten sollen darüber hinaus sieben oder acht Jahre lang jeweils 15 Millionen Euro bekom-men. Gesprochen wird nicht mehr von „Eliteuniversitäten“, sondern von

Fotos: Christoph Bächtle

Aktion der Hochschulbeschäftigten auf der LDV: Von 10 Stellen sind 9

befris-tet (rote Kostüme) und nur eine Stelle ist unbefrisbefris-tet (grüner Morphsuit). Ministerpräsident Winfried Kretschmann konnte sich auf der LDV den Protesten der befristet Beschäftigten nicht entziehen.

einer „Exzellenzprämie“. Das Neue:

die Hochschulen müssen sich nicht wie bisher ein Zukunftskonzept über-legen, also erläutern, wie sie ihr Profil schärfen und auf ausgewählten Gebie-ten spitze werden wollen. In der neuen Runde soll vielmehr eine Kommission die besten Hochschulen nach den bis-herigen Leistungen auswählen. Die Kri-terien müssten noch entwickelt wer-den. Dieter Imboden, Vorsitzender der Kommission, und seine Kolleg/innen schlagen vor, sich bei der Auswahl an den Forschungspreisen und eingewor-benen Projektmitteln zu orientieren.

Zuerst Grundfinanzierung verbessern Bei der Finanzierung der Spitzenfor-schung an wenigen Exzellenzuniver-sitäten geizen Bund und Länder nicht mit Milliarden, gleichzeitig stagniert die Grundfinanzierung der Hochschu-len auch in Baden Württemberg. Das ist für die GEW der falsche Ansatz. Rich-tig ist, erst eine gemeinsame Initiative für eine bessere Grundfinanzierung der

Hochschulen zu starten, und dann zu sehen, welchen Spielraum es für eine Neuauflage der Exzellenzinitiative gibt.

Drittmittel der Deutschen Forschungs-gemeinschaft, immer neue Bund-Län-der-Pakte und jetzt eine Neuauflage der Exzellenzinitiative – diese Politik bindet nicht nur Milliarden, die in der Grund-finanzierung der Hochschulen fehlen, sie befördert auch das Hire-and-Fire-Prinzip: Mit befristet eingeworbenen Projekt- oder Exzellenzgeldern stel-len die Hochschustel-len ihre Mitarbeiter/

innen auch nur befristet ein. Läuft die Förderung aus, werden die Beschäftig-ten auf die Straße gesetzt. Das ist nicht nur unfair gegenüber hoch qualifizier-ten Beschäftigqualifizier-ten, sondern unterminiert zudem die Kontinuität und damit Qua-lität von Forschung, Lehre und Wissen-schaftsmanagement. Statt einer übereil-ten Entscheidung, die Exzellenzinitiative fortzusetzen, fordert die GEW eine Ent-fristungsoffensive. Durch einen Ausbau der Grundfinanzierung der Hochschu-len lassen sich die Voraussetzungen für

mehr Dauerstellen für Daueraufgaben schaffen.

Bundestag und Bundesrat haben bereits im Dezember 2014 das Kooperati-onsverbot im Grundgesetz gelockert.

Seitdem ist unstrittig: Der Bund darf den Ländern bei der Finanzierung der Hochschulen unter die Arme greifen.

Bund und Länder sollten diese Opti-on endlich nutzen, um die Grundlagen für mehr Dauerstellen und damit einen Ausbau der Hochschulen sowie eine bessere Betreuungsrelation zu schaffen.

Erst auf dieser Grundlage ist die gezielte Förderung von Innovationen und Spit-zenleistungen in der Forschung, Lehre und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sinnvoll. Keine Klasse ohne Masse, keine Spitze ohne Breite – Bund und Länder müssen sich wieder auf diese Binsenweisheit besinnen.

Cendrese Sadiku GEW-Referentin für Hochschule und Forschung

32 bildung & wissenschaft 04 / 2016 LDV

Nachlese

01 GEW-Geschäftsführer Matthias Schneider war für die Organisation und Pressearbeit der LDV verantwortlich. Er moderierte die drei Tage dauernde GEW-Veranstaltung.

02 Wertschätzung, Chancengerechtigkeit und Solidarität: Die Frauenpolitikerinnen der GEW trugen ihre Ziele auf Plakaten auf die Bühne und unterstützten damit die Kandidatur von Elke Gärtner, die als Leiterin des Vorstandsbe-reichs Frauenpolitik wieder gewählt wurde.

03 Das Präsidum hatte alle Hände voll zu tun, um Ordnung in die Antragsberatung zu brin-gen: Zu den richtigen Zeitpunkten abstimmen zu lassen und Redebeiträge zuzulassen, da-bei immer die Uhr im Blick. Von links: Wolfram Speck, Klaus-Peter Krämer, David Warneck, Monika Gessat, Andreas Hirt.

04 Am Tisch der Antragsberatungskommission herrschte geordnetes Chaos. Die Mitglieder sichteten die Anträge vor und während der LDV und sprachen Empfehlungen zur Abstimmung aus. Die meisten Anträge konnten bei der LDV abgestimmt werden, einige mussten an den Landesvorstand überwiesen werden.

05 Für den Fachbereich Seniorenpolitik wurde Barbara Haas (links) wieder gewählt. Stefanie Frischling kam als Leiterin des Fachbereichs Junge GEW neu ins Amt. Gemeinsam können sie in Zukunft den Generationendialog der GEW gestalten.

06 Hans Maziol wurde zum neuen Landes-schatzmeister gewählt. Der 49-jährige Berufs-schullehrer aus Stuttgart löst Michael Schulze ab.

07 Die Landesrechtsschutzstelle der GEW wird weiterhin von Alfred König geleitet.

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Foto: Julia StoyeFotos: Christoph Bächtle

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Fotos: Julia StoyeFotos: Christoph Bächtle

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LANDESDELEGIERTENVERSAMMLUNG 2016