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2.1. LPLP, Sprachplanung, Sprachpolitik

2.1.3. Soziale Einbettung

2.1.5.5. Kaplan und Baldauf (1997)

Die für die neue LPLP-Literatur bedeutendste Konzeptualisierung, die man auch als Modell auffassen kann, beruht auf der Berücksichtigung nicht ausschließlich der zu ändernden Sprache. In dem sog. sprachökologischen Ansatz werden Sprachen/Varietäten in einem Netz von gegenseitigen Abhängigkeiten betrachtet. So kann eine Sprache nur dann als Minderheiten-sprache fungieren, wenn es gleichzeitig eine MehrheitsMinderheiten-sprache gibt. Ist eine Sprache/Varietät stigmatisiert, muss es eine andere geben, die Prestigeträger ist. Vor diesem Hintergrund erkennt man die eigentliche Komplexität der Sprachplanung. Wird eine Sprache/Varietät geändert, ist möglicherweise ein ganzes System von Sprachen betroffen, die in Beziehung zu ihr stehen (für eine Veranschaulichung des Modells s. beispielsweise Kaplan und Baldauf (1997, 311–312; 269–272)). Sprachökologische Überlegungen existierten bereits früher, Kaplan und Baldauf (1997) trugen jedoch erheblich dazu bei, dass dieses Modell in der Forschung weit verbreitet ist (Spolsky 2004, 129;

Ricento 2006, 6; Hult 2010, 9; Tollefson 2011, 396).

Aus dem sprachökologischen Modell ergibt sich ein besseres Verständnis von Prozessen wie Revitalisierung, Aussterben von Sprachen und Sprachver-lust (Kaplan und Baldauf 1997, 271–272; Kaplan, Baldauf Jr u. a. 2000). Es liefert auch eine theoretische Grundlage für spezielle Fragen wie nach der Verbreitung des Englischen oder nach den sprachlichen Menschenrechten (s.

Abschnitt 2.1.8). Gleichzeitig führt das sprachökologische Modell aber dazu, dass die Trennung zwischen Sprachplanung und Sprachwandel verschwindet und LPLP sich stärker Problemen zuwendet, die traditionell in der Sprach-wandelforschung behandelt werden.

2.1.5.6. Ager (2001)

In seinem Buch befasst sich Ager (2001) mit der Motivation bei der Sprach-planung und charakterisiert sie eingangs mit folgenden Fragen: Warum wird Sprachplanung durchgeführt? Welche Beweggründe stehen hinter einer expli-ziten Sprachplanungsmaßnahme? Was sind die Unterschiede zwischen Moti-vation bei Individuen, machtlosen Gruppen und Machtgruppen? Hierfür ent-wickelt Ager (2001) ein quantitatives Werkzeug zur Erfassung der Motivati-onsstruktur von Autoren einzelner Maßnahmen, mit dessen Hilfe man auch unterschiedliche Maßnahmen miteinander vergleichen kann. Ager versteht Sprachplanung als Eingriff ins Sprachverhalten von Individuen und Gruppen (Ager 2001, 5). Zur Herleitung seiner Konzeptualisierung dienen ihm Bei-spiele von Staaten, Gemeinschaften innerhalb eines Staates und Individuen.

Motivation ist nicht direkt beobachtbar und es handelt sich daher um ein Konstrukt2im psychologischen Sinne. Da Ager Motivation in seinem quan-titativen Werkzeug trotzdem messbar machen (operationalisieren) möchte, bricht er sie in drei weitere Konstrukte herunter:Motive,Einstellungenund Ziele.

In seinen Sprachplanungsbeispielen identifiziert Ager unterschiedliche Motive, die die Identität betreffen: Identität (z. B. Bildung der nationalen Identität), Ideologie (z. B. Unterstützung der politischen Ideologie, aber auch die Einbettung der sprachbezogenen Ansichten in jede politische Situation (Ager 2001, 137)), Image (Verbreitung der Vorstellung von eigener Identität nach außen), Unsicherheit (Verteidigung der Identität), Ungerechtigkeit (Kampf gegen Benachteiligung), Integration (in eine andere Gruppe) und Instrumentalität (Sicherung von Vorteilen). Diese Motive ordnet er zu einer Identitätssequenz mit vier Stufen (Ager 2001, 136–142; Zusammenfassung 139):

• Stufe 1

Bildung der Identität; dabei wird angenommen, dass dieser Pro-zess gleichermaßen auf Individuen und Gruppen oder

Organisa-2 Zur Definition vonKonstrukts. exemplarisch Dorsch, Häcker und Stapf (1994), Tewes und Wildgrube (1999), Wenninger (2001a) und Manstead und Livingstone (2014, 31).

tionen zutrifft, obwohl zwischen der persönlichen und sozialen Identität unterschieden werden muss (Ager 2001, 136).

Entstehung der Ideologie

• Stufe 2

Verbreitung des Images

• Stufe 3: Sozialer Vergleich (Vergleich mit anderen Gruppen)

• Stufe 4: Als Konsequenz des Vergleichs in Stufe 3 werden entsprechen-de Handlungen vorgenommen:

Behalten der Identität Verteidigen der Identität

Behalten der Ungleichheit/Benachteiligung Korrektur der Ungleichheit/Benachteiligung Integration

Instrumentalisierung Verzweiflung

Mit Edwards (1994, 97) fasst Ager (2001) Einstellungen auf als Dispo-sitionen, gegenüber einer Klasse von Objekten positiv oder negativ zu han-deln (Ager 2001, 125). Des Weiteren übernimmt er aus der Sozialpsychologie die Aufteilung der Einstellungen in drei Komponenten: kognitive (Wissen um ein Einstellungsobjekt), affektive (Gefühle, die man mit einem Einstel-lungsobjekt verbindet) und konative (Verhalten, die man gegenüber einem Einstellungsobjekt zeigt) (s. dazu 4.7). Zwecks Operationalisierung für sein Werkzeug schlägt Ager vor, dass empirische Untersuchungen vcn Einstellun-gen geEinstellun-genüber der Sprachplanungsmaßnahmen unten Einstellun-genannte Inhalte abfra-gen. Mit anderen Worten: Das KonstruktEinstellungen gegenüber Sprach-planungsmaßnahmenmit seinen drei Komponenten wird durch folgende vier Variablen3operationalisiert:

• Kognitive Komponente

3 UnterVariableversteht man „(...) die messbare Repräsentation eines Konstrukts“ (Manstead und Living-stone 2014, 31).

Excellence: Diese Variable erfasst die subjektive Meinung der Probanden, wie gut ein Sprachsystem ist. Die einzelnen Items4 der Untersuchung sollen vor allem auf folgende Aspekte eingehen: ästhetischer und literarischer Wert der Sprache sowie Effizienz, Reichtum, Präzision und Klarheit des Sprachsystems. Das vorgeschlagene Werteskala für diese Variable istunterlegen–überlegen, wobei hier ein Vergleich mit einer anderen Sprache notwendig ist (Ager 2001, 129–130, 134).

Vitality: Zur Bewertung der Lebendigkeit einer Sprache ist nach Ager zum einen die Art der Domänen, in denen sie benutzt wird, ausschlaggebend. So geht er von drei Domänen aus:

privat (Familie/Verwandtschaft, Nachbarschaft) – mittel (z. B.

Religionsgruppe, Arbeitsplatz, Geschäftswelt) – öffentlich (Regierung, Verwaltung, Bildung). Zudem nimmt er an, dass der Gebrauch einer Sprache in der jeweiligen Domäne sich auf das Prestige dieser Sprache unterschiedlich auswirkt. Zum anderen ist für die Lebendigkeit einer Sprache die Anzahl der abgedeckten Domänen wichtig. Die Variable vitality erfasst demzufolge das Wissen der Probanden um die Anzahl und die Prestigeträchtigkeit der Domänen, in denen die betreffende Sprache benutzt wird. Das vorgeschlagene Werteskala für diese Variable ist niedriges Prestige–hohes Prestige (Ager 2001, 130–131, 134).

• Affektive Komponente:

Attractiveness: In dieser Variable werden die Gefühle der Proban-den gegenüber einer Sprache erfasst, ohne dass sie einer Begrün-dung bedürfen. Das vorgeschlagene Werteskala für diese Variable istnicht gefallen–gefallen(Ager 2001, 132, 134).

• Konative Komponente

Action: Diese Variable erfasst den Wunsch der Probanden, bezüglich der Korpus-, Status- und/oder Erwerbsplanung entweder selbst tätig zu werden, oder Handlungen anderer Personen zu unterstützen. Die Variable gibt insgesamt wieder, wie stark die Probanden der Ansicht sind, dass sich etwas an

4 „Einzelaufgabe oder Einzelfrage einer Testskala“ (Tewes und Wildgrube 1999), z. B. eine Frage in einem Fragebogen.

der gegebenen Sprachsituation ändern soll. Das vorgeschlagene Werteskala für diese Variable ist entsprechend lax–präskriptiv (Ager 2001, 133, 134).

Erklären die oben beschriebenen Einstellungstheorien das Verhalten in Gruppen, so greift Ager darüber hinaus auf die goal theory zurück, um Handlungsziele von Individuen in seinem Werkzeug zu erfassen (Ager 2001, 9). Demnach lassen sich Ziele nach Abstraktheit grob in drei Klassen aufteilen, wobei sie recht vage erscheinen und die Übergänge fließend sind (Ager 2001, 8–9):

ideals: Visionen, Intentionen (Beispiel: Frieden und Harmonie),

objectives: Mission, Zweck (Beispiel: Bildung eines harmonischen Na-tionalstaates),

targets: „point[s] on the way towards the objective“ (Ager 2001, 8);

messbar und oft quantifizierbar (Beispiel: Friedensschließung).

Abbildung 2 zeigt, wie die besprochenen drei Konstrukte zu einer Matrix zusammengestellt sind. Die Zeilen beinhalten die Motive aus der Identitätsse-quenz, während die Spalten die Einstellungsvariablen umfassen. Ager nimmt dabei einen (nicht deterministischen) Zusammenhang zwischen den Einstel-lungen und dem Identitätsmotiv an (Ager 2001, 144). Die Ziele werden hinge-gen getrennt erfasst und können auch im Widerspruch zu den anderen beiden Konstrukten stehen (Ager 2001, 144).

Die Einstellungsvariablen werden zudem in L1 und L2 aufgeteilt, wobei L1 für die Erstsprache der betreffenden Individuen bzw. Gruppen und L2 für die damit zu vergleichende(n) Sprache(n) steht. Warum man zur Erfassung der Motivation bei Sprachplanung (mindestens) zwei Sprachen braucht, wird von Ager nicht direkt erläutert. Ich sehe hierfür zwei Faktoren: Zum einen ist, wie Ager angibt, das konkrete Identitätsmotiv Resultat eines sozialen Ver-gleichs. Dies ist nicht nur für die Motive ab Stufe 3 wahr, sondern gilt auch für die Identitätsbildung, bei der die Abgrenzung von anderen Gruppen eine Rolle spielt (exemplarisch Ager 2001, 137). Zum anderen können hier auch die sprachökologischen Überlegungen, wie in Abschnitt 2.1.5.5 beschrieben, mit einfließen. Die Erfassung von Motivation muss somit durch die Gegen-überstellung der Einstellungen zu L1 und L2 erfolgen.

Ager benutzt diese Matrix, um die im ersten Teil des Buches besprochenen Beispiele zu codieren. Hierfür wird für jede Maßnahme die entsprechende

Abbildung 2.: Matrix zur Erfassung der Motivationsstruktur der Autoren von Sprachplanungsmaßnahmen (Ager 2001, 150)

Zeile mit dem Identitätsmotiv identifiziert.5 Anschließend werden die Ein-stellungsvariablen zu L1 und L2 behandelt. Da Ager (2001) qualitative Daten zur Verfügung stehen und er vorwiegend mit beschreibenden Beispielen ar-beitet, benutzt er für alle Einstellungsskalen die Werte 1–3 (mit 1: schwach ausgeprägt und 3: stark ausgeprägt),6wobei er sie nach eigener

Interpretati-5 Ich fand im Buch keinen expliziten Hinweis darauf, dass immer nur genau eine Zeile ausgewählt werden muss. Dies ist jedoch Agers Handhabung, nur das vermutlich primäre Motiv auszuwählen.

6 Ager (2001, 135) behandelt diese als diskrete Werte.

on der Beispiele vergibt. Zusätzlich zu diesen quantitativen Angaben werden Ziele einer Maßnahme als Freitext, also qualitativ, angegeben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man mit Ager (2001) die Phase in der Identitätssequenz, die Spracheinstellungen und die Ziele der Autoren kennen muss, um die Motivation in einer Sprachplanungsmaßnahme zu be-schreiben. Eine bestimmte Einstellungsstruktur lässt nicht auf die Ziele bzw.

Strategien schließen und Einstellungen lassen nicht die tatsächliche Handlung und ihr Ergebnis vorhersagen (Ager 2001, 141, 198).

2.1.5.7. Spolsky (2004, 2009)

Spolskys (2004) Beitrag zur Ausarbeitung einer Sprachplanungstheorie liegt in einer knappen Konzeptualisierung des Gebiets und einer Begriffsbestim-mung (s. auch Spolsky 2009). Er geht von der Sprachpolitik (language policy) als einer übergreifenden Größe aus, die er selbst aber nur vage und indirekt definiert. Man kann zunächst vermuten, dass sie zunächst im klassischen Sin-ne als impliziter oder expliziter Regelsatz zum Sprachgebrauch zu sehen ist (Spolsky 2004, 13–15). So verstanden, besteht Sprachpolitik aus drei Kompo-nenten: dem Sprachgebrauch (language practice) „(...) the habitual pattern of selecting among the varieties that make up its linguistic repertoire (...)“, den Spracheinstellungen (beliefs): „(...) the beliefs about language and language use“ und der Sprachlenkung (language management): „(...) specific efforts to modify or influence that practice by any kind of language intervention, planning or management“ (Spolsky 2004, 5; s. auch Spolsky 2009, 4–6; vgl.

Shohamy 2006, 49). Dabei wird Sprachlenkung auch definitert als: „(...) the explicit and observable effort by someone or some group that has or claims au-thority over the participants in the domain to modify their practices or beliefs“

(Spolsky 2009, 4). Sprachlenkung entspricht also dem klassischen Begriff von Sprachplanung. Er lehnt lediglich die Bezeichnunglanguage planningab, da er sie aufgrund der Probleme in der ersten Phase als negativ konnotiert be-wertet (Spolsky 2009, 5).

Interessanterweise ordnet Spolsky (2004, 2009) Sprachplanung (in seiner Terminologie: Sprachlenkung) der Sprachpolitik unter. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass er vor allem an der Beschreibung von Sprachsituationen in verschiedenen Domänen interessiert ist, was vor allem in seiner Monographie von 2009 deutlich wird. Die Aufdeckung von Prinzipien, die die Umsetzung von Sprachplanungsmaßnahmen steuern, und dadurch die Sprachplanung als Prozess, treten somit in den Hintergrund.

Spolskys Auffassung von Sprachpolitik verstehe ich also weniger als

Regelsatz, sondern vielmehr als Beschreibung des sprachlichen Istzustands einer Gemeinschaft, wozu insbesondere das Verständnis des tatsächlichen Sprachgebrauchs, der Spracheinstellungen und die Vorstellungen von einem gewünschten Sollzustand (Sprachlenkung) aufschlussreich sein könnten.

2.1.6. Autoren

Bei der Entwicklung eines übergreifenden Modells der Sprachlenkung spielt die Frage nach den beteiligten Personen eine wichtige Rolle. In der LPLP-Literatur werden verschiedene (Berufs-)gruppen genannt, die an der Aus-arbeitung und der Umsetzung des Sprachplans beteiligt sind: Grammatiker, Schriftsteller, Bildungselite, Linguisten, Journalisten, Politiker, Führungsper-sonen in einer Gemeinschaft, Berater, Beamte (Haugen 1966, 3; Kaplan und Baldauf 1997, 198; Spolsky 2004, 21). Spolsky (2004) betont aber, dass es auch Sprachplanung (in seiner Terminologie: Sprachpolitik) ohne einen Ver-antwortlichen geben kann, wenn die sprachlichen Entwicklungen sich selbst überlassen werden (Spolsky 2004, 14). M. E. würde es sich in diesem Fall jedoch um Sprachwandel und nicht Sprachplanung handeln.

Manche Forscher unterscheiden darüber hinaus zwischen den Auftragge-bern und den Umsetzern (Edwards 2012, 419), wobei dies m. E. nur für Fra-gestellung in bestimmten Kontexten wie implizite/explizite Sprachpolitik mit öffentliche/nichtöffentliche Zielen, und insbesondere in Kontexten mit einem Machtgefälle relevant ist.

An die beteiligten Personen werden in der Literatur verschiedene Anforde-rungen gestellt. Sie müssen zum einen die übergeordneten, z. B. politischen, Ziele berücksichtigen, wissenschaftliche Anforderungen an linguistische Ad-äquatheit erfüllen und sozial gerecht handeln (Kaplan und Baldauf 1997, 309).

Dabei bringen sie unterschiedliches linguistisches Vorwissen mit, was auch mit der Sensibilisierung für die Wechselwirkung von Sprache und Gesell-schaft zusammenhängt. Dies kann zu den beschriebenen Umsetzungsproble-men führen (Cooper 1989, 176–177; Spolsky 2004, 35–36; Combs und Pen-field 2012, 468). Des Weiteren haben unterschiedliche Personen unterschied-liche Motive, bei den Nichtlinguisten seien es häufig Ideologie, Purismus, Nationalismus und Gruppenzusammenhalt (Haugen 1966, 10–11).

Nur in seltenen Fällen wird die Sprachplanung von einzelnen Personen durchgeführt. Viel häufiger erfolgt die Arbeit in Gruppen, die sich entwe-der selbst zusammenfinden oentwe-der von einer Machtinstanz berufen werden. Im ersten Fall handelt es sich oft und die Bottom-up-, im zweiten um die

Top-down-Sprachplanung. In der Literatur wird außerdem erwähnt, dass sprach-liche Veränderungen auch durch Gruppen herbeigeführt werden können, die sich nicht primär mit der Sprache befassen (ein Beispiel ist die US-Post, be-schrieben in Kaplan und Baldauf (1997, 12)).

Typische Gruppen, die Top-down-Sprachplanung durchführen, werden häufig Sprachakademie genannt, ohne dass der Begriff klar definiert ist.7 In der Praxis wird die Bezeichnung sowohl für Gremien mit normativer Wirkung wie Académie Française als auch solche mit beratender Funktion wie beispielsweise die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung verwendet. Eine Sprachakademie kann (muss aber nicht) ein vom Staat beauftragtes und ggf. gefördertes Bildungsinstitut sein. Die Forschung hat diese Vagheit bei der Begriffsbestimmung bzw. die Uneinheitlichkeit in der Wortverwendung erkannt. Edwards (2012) bemerkt beispielsweise, dass manche Gruppen sich Sprachakademien nennen, lediglich um ihrer Tätigkeit einen Anschein an Kompetenz und Wissenschaftlichkeit zu verleihen (Edwards 2012, 420).

Ein entgegengesetztes Phänomen sind die sog. Sprachaktivisten, die häufig als Antwort auf die offizielle Top-down-Sprachplanung im Kontext von Min-derheiten agieren: „(...) we suggest thatlanguage activismis energetic action focused on language use in order to create, influence and change existing lan-guage policies. In this sense, lanlan-guage activists are individuals or groups who, through various means, actively defend their right to venerate and freely use their languages in multiple, often public domains. Language activism may de-velop as a reaction to larger, state-imposed efforts to suppress or discourage the use of non-dominant languages“ (Combs und Penfield 2012, 462). Be-zeichnend für Sprachaktivisten ist, dass sie Mitglieder der betroffenen Spre-chergruppe sind und in diesem Sinn die Ideen für die Sprachplanung bottom-up entstehen. Combs und Penfield (2012) fügen noch hinzu, dass die meisten Aktivisten nur über eine geringe linguistische Ausbildung verfügen (Combs und Penfield 2012, 468). Diese Form von Sprachplanung erfolgt primär ohne eine offizielle Unterstützung. Eine wichtige Aufgabe von Aktivisten ist mit Spolsky (2009) daher einerseits, die offiziellen Stellen wie staatliche Institu-tionen für ihre Angelegenheit zu gewinnen. Andererseits müssen häufig auch weitere Sprecher für die Belange der Spracharbeit und der Sprachplanung sensibilisiert werden (Spolsky 2009, 204).

7 Übersichten über Sprachakademien: Kaplan und Baldauf (1997), Edwards (2012) und Spolsky (2012), speziell zu Académie Française Cooper (1989, 3–11).

Die Diskussion um die Top-down- und Bottom-up-Ausrichtung der Sprachplanung führte dazu, dass beide Formen als gleich wichtig gesehen werden. Es wird betont, dass eine effektive Sprachplanung nur dann möglich ist, wenn diese Aufteilung aufgehoben ist und alle Beteiligten in einem übergreifenden, demokratischen Prozess einen Beitrag zur Gestaltung der Sprachplanung leisten (Rubin 1983, 330; Tollefson 2011, 376; Combs und Penfield 2012, 471).

2.1.7. Erfolg

Die Frage nach dem Erfolg von Sprachplanung wird in der LPLP-Forschung recht unsystematisch behandelt. Bevor ich auf gebietsspezifische und den-noch recht allgemeine Überlegungen zum Erfolg in 2.1.7.1 eingehe, greife ich hier die m. E. relevante Frage nach der Ausrichtung der Forschung im LPLP-Rahmen auf, d. h. ob LPLP präskriptiv oder (lediglich) deskriptiv ar-beitet und entsprechend nach Vorgaben für die Planung, Gestaltung und Um-setzung von Maßnahmen sucht, oder eher verschiedene Möglichkeiten ohne Untersuchung auf ihre Eignung beschreibt. Mit anderen Worten, es soll im folgenden Abschnitt erörtert werden, ob die LPLP-Forschung direkt als Hil-festellung bei der Frage nach Erfolgsfaktoren von einzelnen Sprachplanungs-maßnahmen oder allgemein der Sprachplanung angelegt ist oder nicht.

Anhand der in 2.1.2 skizzierten geschichtlichen Perspektive stelle ich fest, dass die Ausrichtung von LPLP im Laufe der Zeit wechselte und parallel zu erwähnten geschichtlichen Entwicklungsphasen zu sehen ist. Folglich war die erste Phase am stärksten normativ, sowohl was die theoretischen Modellbil-dungen als auch praktische Tätigkeiten betrifft. Sowohl die Theorie als auch die Praxis suchten nach verbindlichen und effizienten Methoden zur Durch-führung von Sprachplanungsmaßnahmen in den Entwicklungsländern. Die Probleme aufgrund der unkritischen Vorschreibung von westlichen Vorge-hensweisen, die Suche nach elaborierteren und adäquaten Konzeptualisierun-gen unter Berücksichtigung von sozialen Faktoren, aber auch eine stärkere Einbettung von LPLP in die gewöhnlicherweise deskriptiv angelegte Lingu-istik führten dazu, dass die Präskription in LPLP eher negativ belegt wurde.

Aus diesem Grund wurde in der zweiten Entwicklungsphase die Berücksich-tigung einer Vielzahl von unterschiedlichen, außersprachlichen Faktoren zur einzigen Vorschrift, sowohl was die Forschung und Theoriebildung als auch die Praxis betraf. Es handelte sich in der zweiten Phase also nicht um Präskrip-tivität im engeren Sinne. Erst neuerdings entdeckt man für die Forschung die

Normativität der Praxis als Gegenstand wieder und wendet sich der Frage zu, was Sprachplanungsmaßnahmen erfolgreich macht (bspw. Edwards 2012).

Normativität und Deskriptivität schließen sich in der Forschung und LPLP als Disziplin keineswegs aus. Mit Kaplan und Baldauf (1997) befindet sich LPLP in einem Spannungsfeld zwischen den beiden Polen (Kaplan und Bald-auf 1997, 330). Edwards (2012) bemerkt mit Kaplan und BaldBald-auf (1997), dass auch in der Praxis der Sprachplanung beides zu vereinbaren ist und als Phasen verstanden werden soll. Sprachplaner müssen zunächst deskriptiv arbeiten und den Istzustand erfassen und erst anschließend entsprechende Vorgaben machen, was die neue Sprachform, aber auch die geeignete Umsetzungsme-thoden angeht (Edwards 2012, 432).

2.1.7.1. Erfolgsfaktoren

Man könnte erwarten, dass in der Sprachplanung als einer praktischen, ziel-gerichteten Tätigkeit das ThemaErfolgeinen zentralen Platz einnähme. Bis-her mangelt es aber an einer umfassenden Darstellung von Faktoren, die ei-ne Maßnahme begünstigen oder erschweren (mit wenigen Ausnahmen wie beispielsweise Spolsky (2004, 222)). Sicherlich ist dieser Umstand mehreren Gründen geschuldet. Zum einen fehlt eine Definition von Erfolg im Kontext von LPLP, zum anderen aber herrscht Unklarheit, wie man Erfolg, sei es mit qualitativen, sei es mit quantitativen, Methoden messen kann. Die Messbar-keit des Erfolgs scheint eng mit dem Vorhandensein von vordefinierten Zielen zusammenzuhängen und ist auch an die Evaluationsmöglichkeiten der Maß-nahme gebunden (Grin 2003, 137; Ricento 2009, 227; Spolsky 2011, 22–23).

Dieser Aspekt ist wichtig, denn die Erfolgsfrage kann erst an eine Maßnah-me dann sinnvoll gestellt werden, wenn im Vorfeld ein Sollzustand explizit definiert wurde. Im Vergleich vom Geplanten und dem tatsächlich Erreich-ten kann festgestellt werden, ob eine Maßnahme erfolgreich war. So wie die Praxis bestimmte Vorgaben braucht, um Erfolg zu messen, so können in der Theorie nur dann allgemeine Erfolgsfaktoren diskutiert werden, wenn sie über die deskriptive Betrachtung hinausgeht und die präskriptive Perspektive er-laubt. Fehlende Kriterien zur Erfolgsmessung verhindern auch die Entwick-lung von Best-Practice-EmpfehEntwick-lungen.

Generell geht man davon aus, dass der Erfolg von Sprachplanungsmaßnah-men schwer zu erzielen ist (Edwards 2012, 436; Żelazny 2012, 154) und eine gut durchdachte Sprachpolitik bedeutet nicht, dass sie beachtet wird (Spol-sky 2012, 4–5). Dies kann im Allgemeinen wieder auf die Komplexität des Gebiets zurückgeführt werden, da man viele verschiedene Faktoren, die zum

Teil nicht in den Händen von Sprachplanern liegen, kontrollieren muss. Im Umkehrschluss ist der erzielte Erfolg oder Misserfolg nicht zwangsläufig nur auf die Planungsmaßnahme zurückführbar (Rubin 1983, 329). Dies ist umso häufiger in demokratischen Gesellschaften der Fall, in denen die individu-elle Freiheit stärker verankert ist (Edwards 2012, 421). Ein weiterer Grund für die mangelnde Präzisierung der Erfolgsfaktoren ist die Subjektivität des Erfolgsbegriffs: „However, moving from an existing to a presumably better linguistic environment does entail gains for some and losses for others, and

Teil nicht in den Händen von Sprachplanern liegen, kontrollieren muss. Im Umkehrschluss ist der erzielte Erfolg oder Misserfolg nicht zwangsläufig nur auf die Planungsmaßnahme zurückführbar (Rubin 1983, 329). Dies ist umso häufiger in demokratischen Gesellschaften der Fall, in denen die individu-elle Freiheit stärker verankert ist (Edwards 2012, 421). Ein weiterer Grund für die mangelnde Präzisierung der Erfolgsfaktoren ist die Subjektivität des Erfolgsbegriffs: „However, moving from an existing to a presumably better linguistic environment does entail gains for some and losses for others, and