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Julius Carl Ertels Kindheit und Jugend[4]

Im Dokument Julius Carl Ertel (Seite 36-39)

In dem eingangs erwähnten Buch „Vereins-bank in Hamburg“ von Walther Matthies – der einzigen in öffentlichen Bibliotheken greifbaren Quelle, die etwas ausführlichere Erläuterungen zu Julius Carl Ertel enthält – wird das Geburtsdatum Ertels mit dem 2.

Juni 1846 falsch angegeben;68auch verschie-dene weitere Angaben in dem biographi-schen Abriss von Matthies sind fehlerhaft.69 Es ist kein Wunder, wenn die Fehler in an-deren Publikationen, da sonst über Ertel of-fensichtlich nichts zu finden war, übernom-men worden sind.70Erst mit dem überaus sorgfältig gearbeiteten „Nachschlagewerk“

von Heinz Bargholz stehen Daten zur Ver-fügung, denen man vertrauen kann. Barg-holz’ Sorgfalt offenbart sich bereits darin, dass er 2005 im Vorwort zu seinem Buch an-merkt: „Das Werk erhebt keinerlei An-spruch auf Vollständigkeit, Irrtümer blei-ben vorbehalten, Ergänzungen und Verbes-serungen sind sogar erwünscht.“

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Julius Carl Ludolf Ertel, so sein vollstän-diger Name, wurde am 2. Juni 1845 in Bres-lau geboren. Wie Maria Möring schreibt, wurde er mit seinen Vornamen nach der Mutter Julie, nach dem Vater Carl und nach dem Paten Ludolf Petersen benannt.71 Nä-heres zur tragischen Geburt, bei der die Mutter starb, konnte nicht ermittelt wer-den. Auch zur Kindheit und Jugend Julius

Carls lässt sich über das hinaus, was Tante Ama in ihren Aufzeichnungen berichtet, nur wenig ergänzen, weshalb hier die Be-schreibungen der ältesten Ertel-Tochter in einem längeren Zusammenhang zitiert wer-den.

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„Mein Vater hat uns viel von seinen frohen Kindertagen erzählt. Er selbst und seine bei-den mit ihm ziemlich gleichaltrigen Stief-brüder, Oskar und Emil, wurden lange Zeit von einem Hauslehrer unterrichtet, bis sie später das Gymnasium in Breslau besuch-ten. Die beiden Schwestern72 hatten eine französische Gouvernante, von der auch die Knaben fliessend französisch sprechen lern-ten. Mein Vater hat oft erwähnt, dass ihm dies in seinem kaufmännischen Leben spä-ter sehr nützlich gewesen wäre. Sie hiess Al-bertine Dendrefosse (?) und wurde von der übermütigen Gesellschaft Lalbertine Tante Pfoten genannt. In den Zimmern der Jun-gen konnten nur unzerbrechliche Lampen und Waschgeschirre benutzt werden, da sonst alles in kürzester Zeit demoliert wor-den wäre. Bei einer der häufigen Balgereien im Schlafzimmer rissen Julius und Emil so lange an Oskars Nachthemd, bis dieses in zwei Hälften auseinanderfiel, gerade in dem Augenblick, als die Mutter eintrat. Oft hat mein Vater uns von wunderschönen Wan-derungen erzählt, die er und seine Brüder

mit dem Hauslehrer ins Riesengebirge machten. Er hat immer nur das Schöne, Sonnige aus seinen Kindertagen in die Er-innerung zurückgerufen und nicht von den Schatten gesprochen, die wohl auch hinein-gefallen sind.

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Seine kaufmännischen Lehrjahre hat er in dem grossen Geschäft von Molinari in Bres-lau begonnen, das Gustav Freytag in seinem Roman „Soll und Haben“ als Handelshaus T. O. Schröter unsterblich gemacht hat.73 Oft hat er uns erzählt, wie gut er sich der rie-sigen Auflader und der anderen dort ge-schilderten Gestalten erinnerte. Mit der Familie Molinari verband ihn auch eine per-sönliche Freundschaft. Als der Krieg 1866 ausbrach, diente mein Vater gerade sein Jahr bei den 1. Kürassieren, die in Breslau stan-den. Er zog mit in den Krieg und wurde spä-ter Reserveoffizier des Regiments. Als Leut-nant hat er dann den Krieg 1870/71 mit-gemacht. Viel und gern hat er immer von seinen Kriegserlebnissen erzählt. Als schnei-diger Reiter hatte er manchen gefahrvollen, aber interessanten Ritt auszuführen, und er-hielt auch das Eiserne Kreuz. Er wünschte noch als Großvater, dass seine Enkel auch Kavalleristen werden sollten. Wie anders war doch früher der Krieg!“74

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Tante Ama hat ihre Familienerinnerungen vermutlich erst nach 1945 zu Papier ge-bracht;75sie starb 1956. Mit dem Satz „Wie anders war doch früher der Krieg!“ weist sie nur unbestimmt darauf hin, dass die Kriege von 1866 und 1870/71 mit den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts nicht zu vergleichen sind. Dass sie sich mit ihrem Kommentar auch vorsichtig von den Kriegserzählungen ihres Vaters distanziert, ist eher unwahr-scheinlich. Wie der Vater ist auch die

Toch-ter bemüht, in der Erinnerung möglichst

„immer nur das Schöne, Sonnige“ zu beto-nen und nur am Rande durchblicken zu las-sen, dass in manche vergangenen Ereignisse wohl auch Schatten hineingefallen sind.

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Mit den Dokumenten, die Bargholz bereit-stellt, können im Übrigen die Angaben zu den militärischen Aktivitäten Ertels bestä-tigt und ergänzt werden. Sein späterer Schwiegervater, der Altonaer Senator Con-rad Wilhelm Hesse (Näheres im Folgekapi-tel), ein besonders zuverlässiger Informant, notiert in seinen Tagebuchaufzeichnungen unter dem Datum des 4. Februar 1874: „Er-tel ist geboren 2 Juni 1845 in Breslau, war im österr. Krieg 1866 Offizier beim 1sten Kü-rassier-Regiment, im franz. Kriege 1870/71 beim 4ten Husaren-Regiment, gehörte zum Werderschen Corps.“76Bei Möring heißt es im Blick auf Ertel, den „Militärdienst been-dete er als Leutnant der Reserve beim Hu-sarenregiment von Schill (1.Schlesisches) Nr. 4 in Ohlau in Schlesien“.77Wieweit die-se zusammenfasdie-sende Erklärung mit den Angaben Tante Amas und Hesses in Über-einstimmung zu bringen ist, muss offen-bleiben.

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Von Tante Ama ist noch zu erfahren, dass der große Hausstand ihres Großvaters Ertel

„für die Kinder etwas Herrliches“ war.

„Mein Vater und seine Geschwister kamen oft aus dem Lachen nicht heraus, wenn sie sich in ihre Jugendtage in Breslau und in Fi-scherau zurückversetzten. Manche Schwie-rigkeiten mag es aber auch gegeben haben.

Mein Grossvater muss ein sehr heftiger Cha-rakter gewesen sein.“78Weiteres wird nicht mitgeteilt. Es kann somit nichts darüber ge-sagt werden, wie die Beziehung zwischen Ju-lius Carl und seiner Ziehmutter beschaffen

war, wieweit sie sich um die Erziehung ihrer Kinder kümmerte, ob sie z. B. möglicher-weise zwischen ihren eigenen und den über-nommenen Kindern einen Unterschied machte – und was überhaupt für das

Auf-wachsen der Kinder besonders charakteris-tisch war. Maria Möring berichtet ergän-zend, dass Julius Carl, bevor er in die Lehre ging, die Reifeprüfung bestand.79

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68 Matthies, Vereinsbank, S. 61und 161.

69 Ein Vorwurf ist Matthies daraus nicht zu machen; woher er seine Informationen bezogen hat, erfährt man allerdings nicht. Ebd., S. 161ist der Name Ohlendorff nicht korrekt wiedergegeben. Julius Carl Ertels Vater mit den Vornamen Heinrich Carl ist Bargholz zufolge am 20. März 1817, nicht am 20. Februar 1818 ge-boren. Julius Carl Ertels Mutter wird überall Julie, nicht Juliane genannt. Geboren ist sie am 12. Novem-ber 1823, nicht 1821. Julies Todesdatum ist, entsprechend dem Geburtsdatum von Julius Carl, falsch. Die Lebensdaten von dessen zweiter Tochter Margaret (Geta) Cecilie Ertel stimmen nicht. Usw. Die lange Liste der „Helfer“ von Bargholz – also der Nachkommen des Urvaters Isaac Levin Hesse – offenbart, dass er, Bargholz, überall „aus erster Quelle“ schöpfen konnte. Siehe Bargholz, Nachkommen, S. 5f., 138und 198.

70 Vgl. etwa die Angaben bei Gerhardt in der ersten Auflage von 2007seines Einführungsbandes „Begründer“, S.40. In der zweiten, komplett überarbeiteten Auflage von 2015sind die Angaben auf S.41korrigiert.

71 Möring, Entwurf II, S. 14.

72 Gemeint sind Julius Carl Ertels Stiefschwester Ida (siehe oben S. 17) und die leibliche Schwester Linna (siehe Anm.56).

73 Von dem „bekannten Handelshause“ T. O. Schröter ist in dem ehemals sehr berühmten Roman „Soll und Haben“ von Gustav Freytag gleich im ersten Kapitel die Rede. Siehe ebd., S. 7f.

74 Bargholz, Nachkommen, S. 155.

75 Vgl. Tante Amas Aufzeichnungen zum Jahr 1945:Ebd., S. 168ff.

76 Ebd., S. 118.

77 Möring, Entwurf II, S. 14.

78 Bargholz, Nachkommen, S.154. 79 Möring, Entwurf II, S.14.

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Im vorletzten Absatz wurde auf den Schwie-gervater Ertels und das Jahr 1874 verwiesen.

Damit wird in der Chronologie des Ertel-schen Lebens ein Abschnitt übersprungen;

was sich in den etwa zehn Jahren zwischen 1864 und 1874 ereignete, soll zumindest in mancher Hinsicht später ergänzt werden.

Im Tagebuch Conrad Wilhelm Hesses, der am 4. Dezember 1816 im damals dänischen Altona geboren und dort am 16. Mai 1908 gestorben ist,80 heißt es zum Jahr 1874: „4 Februar hält Ertel um Margarets Hand an und erhält am 5ten unsere Einwilligung. Am

Im Dokument Julius Carl Ertel (Seite 36-39)