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3.3 Evaluation des Screeningverfahrens

3.3.2 Inzidenz der PvNP

Für den erfassten Beobachtungszeitraum 2003 bis 2014 wurde für das NZN eine jährliche Inzidenz der neu diagnostizierten PvNP-Fälle, bezogen auf die in dem jeweiligen Jahr insge-samt nierentransplantierten Patienten, berechnet. Es konnte eine stetige Zunahme der Inzi-denz beobachtet werden mit einer Ausnahme im Jahr 2010 (Abbildung 5). Seit der Einführung des Screenings im Jahr 2011 verdoppelte sich der Wert im Vergleich zu den Jahren zuvor.

Durchschnittlich betrug die jährliche Inzidenz 3,1% im Zeitraum 2003 bis 2010, während sie in den Jahren 2011 bis 2014 auf 12,5% im Mittel anstieg.

Abbildung 5: Inzidenz der PvNP in Prozent für das NZN im Beobachtungszeitraum 2003-2014 3.3.3 Zeitpunkt der Erstdiagnose einer PvNP

Auch der Zeitpunkt der Erstdiagnose einer histologisch gesicherten PvNP nach der Trans-plantation konnte durch den Einsatz des Screenings verändert werden. Vor der Einführung lag der mittlere Zeitpunkt bei 13,3 Monaten, während sich seit der Einführung der mittlere Zeitpunkt der Erstdiagnose auf 7,8 Monate verkürzte. Außerdem konnte beobachtet werden, dass der Bereich, in dem die Werte lagen – die Streuung der Werte – ebenfalls seit dem Scree-ning geringer ausfiel: Ohne das ScreeScree-ning lag das 95%-Konfidenzintervall bei 0-26,8 Monaten und mit Einsatz des Screenings bei 2-13,6 Monaten (Abbildung 6 und 7).

0,00%

5,00%

10,00%

15,00%

20,00%

25,00%

2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014

Inzidenz der PvNP im NZN

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Zeitpunkt der Erstdiagnose eine PvNP

Zeitpunkt der Erstdiagnose in Monaten nach Transplantation

Anzahl

Abbildung 6: Vergleich der Zeitpunkte der Erstdiagnose in Monaten nach der Transplantation vor und nach der Einführung des Screenings

Box-Plot für Zeitpunkt der Erstdiagnose einer PvNP

Mittelw ert

Abbildung 7: Box-Plot der Zeitpunkte der Erstdiagnose einer PvNP mit und ohne Einsatz des Screenings Desweiteren wurde die Nierenfunktion anhand der Kreatininwerte zum Zeitpunkt der Erst-diagnose PvNP erfasst. Ein Vergleich der Funktionswerte zeigte im Mittel eine geringfügige Senkung von 2,65 mg/dl vor der Einführung des Screenings auf 2,38 mg/dl seit 2011 (Abbildung 8). Im Mann-Whitney-U-Test konnte keine Signifikanz (p=0,217) nachgewiesen werden.

Box-Plot der Kreatininwerte zum Zeitpunkt der Erstdiagnose PvNP

Mittelwert Mittelwert±2*Stdf.

Mittelwert±Stdabw.

Ausreißer Extremwerte

nein ja

Einsatz des Screenings 0

1 2 3 4 5 6 7 8

Kreatinin in mg/dl

Abbildung 8: Box-Plot der Kreatininwerte in mg/dl zum Zeitpunkt der Erstdiagnose PvNP im Vergleich mit und ohne Einsatz des Screenings

3.3.4 Outcome und Langzeitüberleben der nierentransplantierten Patienten mit PvNP

Eine zu Beginn aufgestellte Hypothese besagt, dass ein Screeningverfahren einen Nutzen für PvNP-Patienten mit sich bringt. Entscheidend ist dabei der Einfluss auf das Langzeit-überleben der Patienten. Um sich dieser Hypothese anzunähern, wurden Kaplan-Meier-Kurven erstellt. Zunächst wurden PvNP-Patienten, die kein Screening durchlaufen haben (n=25), mit denen, die seit 2011 eine PvNP entwickelten (n=46), verglichen (Abbildung 9). Als Beginn wurde der Transplantationszeitpunkt gesetzt und als Ereignis der Funktionsverlust des Transplantats gewertet. Patienten, die in dem Beobachtungszeitraum verstarben, wurden un-abhängig der Todesursache in die Untersuchung aufgenommen.

In den ersten zwei bis drei Jahren nach der Transplantation verliefen beide Kurven zusam-men. Im Langzeitverlauf, ab drei Jahren, zeigte sich ein Vorteil zugunsten der Screening-Gruppe (Abbildung 9). Eine Signifikanz war jedoch bisher nicht nachweisbar (p=0,293). Lässt man den Beobachtungszeitraum bei zwei Jahren nach der Transplantation beginnen, so rückt das Ergebnis (p=0,062) deutlich näher an die Signifikanzgrenze (Abbildung 10). Da eine PvNP vor allem eine chronische Nephropathie ist und der Schaden sich im Langzeitverlauf auf die Nierenfunktion auswirkt, erscheint diese Betrachtung durchaus sinnvoll. Dazu sollte aber auch angemerkt werden, dass die Aussagekraft der Kaplan-Meier-Überlebenskurve mit Beginn ab zwei Jahren begrenzt ist: Der Beobachtungszeitraum verkürzt sich, sodass weniger Patienten und Ereignisse für die Analyse zur Verfügung stehen.

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Kumulierte Überlebensanteile der PvNP-Patienten vor und nach Einführung des Screenings Vollst. Zensiert

kein Screening Screening

0 2 4 6 8 10 12 14 16

Zeit bis zum Funktionsverlust des Transplantats in Jahren 0,0

Abbildung 9: Kaplan-Meier-Überlebenskurve: Vergleich der PvNP-Patienten vor und nach der Einführung des Screenings; p=0,293 im Log-Rang-Test

Kumulierte Überlebensanteile der PvNP-Patienten vor und nach Einführung des Screenings Vollst. Zensiert

kein Screening Screening

2 4 6 8 10 12 14 16

Zeit bis zum Funktionsverlust des Transplantats in Jahren (Beginn ab 2 Jahren)

Abbildung 10: Kaplan-Meier-Überlebenskurve: Vergleich der PvNP-Patienten vor und nach Einführung des Screenings mit Beginn des Beobachtungszeitraums ab zwei Jahren nach Transplantation; p=0,062 im Log-Rang-Test

Eine Aussage über die mediane Überlebenszeit ist anhand der Kaplan-Meier-Kurve (Abbildung 9) nicht möglich, da nicht beide Gruppen die 50%-Marke im Follow-Up-Zeitraum erreichen. Es können jedoch die Zeitpunkte, an denen 75% der Patienten noch keinen Funk-tionsverlust des Transplantats erlitten haben, verglichen werden: Während vor der Einführung des Screenings 75% der PvNP-Patienten bis zu 2,9 Jahren mit einem funktionierenden

Trans-plantat lebten, verlängerte sich dieser Zeitraum auf 4,3 Jahre seit der Einführung des Scree-nings. Die 5-Jahres-Überlebensrate stieg von 64% auf 71%.

In einer weiteren Untersuchung wurden PvNP-Patienten mit Nierentransplantierten, die keine PvNP entwickelten, bezüglich des Langzeitüberlebens verglichen, um festzustellen, ob es seit der Einführung des Screenings zu Veränderungen kam. Dabei wurden Kaplan-Meier-Überlebenskurven für die Zeiträume 2003 bis 2010 sowie für 2011 bis 2014 erstellt (Abbildung 11).

A.

Kumulierte Überlebensanteile PvNP vs. non-PvNP 2003-2010 Vollst. Zensiert

PvNP non-PvNP

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

Zeit bis zum Funktionsverlust des Transplantats in Jahren 0,0

Kumulierte Überlebensanteile PvNP vs. non-PvNP 2011-2014 Vollst. Zensiert

PvNP non-PvNP

0 1 2 3 4 5 6 7 8

Zeit bis zum Funktionsverlust des Transplantats in Jahren 0,0

Abbildung 11: Kaplan-Meier-Überlebenskurven: Vergleich PvNP-Patienten und Nierentransplantierte ohne eine PvNP in den Zeiträumen A. 2003-2010 (p=0,389 im Log-Rang-Test) und B. 2011-2014 (p=0,721 im Log-Rang-Test)

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Das Outcome der Patienten hat sich seit dem Einsatz des Screenings durchaus verändert: seit 2011 lebten bis zum Ende der Follow-Up-Untersuchung mehr als 70% der Patienten mit einem funktionierenden Transplantat, unabhängig davon ob sie an einer PvNP litten oder nicht. Im Vergleich dazu betrug das 70%-Transplantatüberleben vor der Einführung des Screenings 3,4 Jahre für PvNP-Patienten und 6,7 Jahre für Nierentransplantierte ohne eine PvNP.

Obwohl der statistische Test keine Signifikanz zwischen den jeweiligen Gruppen nachweisen konnte, so zeigte sich der Verlauf des Transplantatüberlebens der PvNP-Patienten im Zeit-raum 2003 bis 2010 deutlich schlechter als der für die Kontrollgruppe der Nierentransplantier-ten ohne eine PvNP (5-Jahres-ÜberlebensraNierentransplantier-ten von 64% zu 75%). Durch die sehr ungleiche Gruppengröße sind Verzerrungen des Kurvenverlaufs nicht auszuschließen. Hier fiel auf, dass ab einem Zeitpunkt von 9 Jahren nach der Transplantation keine Ereignisse in der PvNP-Gruppe mehr stattfanden und sich nur noch sehr wenige Patienten in der Beobachtung be-fanden.

3.3.5 BKV-PCR bei Nierentransplantierten mit PvNP

Im Rahmen des seit 2011 angewandten Screeningverfahrens wurden PCR-Analysen auf BKV-DNA in den Zeitabständen drei, sechs, zwölf, 18 und 24 Monate nach der Transplantation durchgeführt. Für 58 der 71 PvNP-Patienten konnten PCR-Daten (Kopienzahl der BKV-DNA im Serum/ml) im Rahmen des Screenings zum Zeitpunkt der Erstdiagnose erhoben werden. Es wurde für diese Daten eine Unterteilung nach verschiedenen Cut-Off-Werten vor-genommen, um vergleichen zu können, wie die Ergebnisse im NZN mit den bisherigen all-gemeinen Empfehlungen übereinstimmen.

Nach den Ergebnissen der Banff Working Group kann ab einem Wert von >10.000 BKV-Kopien/ml die Diagnose einer vermutlichen PvNP gestellt werden, die bei entsprechender Indikation bioptisch gesichert werden sollte. Die Untersuchung im NZN zeigte jedoch, dass bei einem Cut-Off von 10.000 Kopien/ml insgesamt neun PvNP-Fälle (15,5%) mittels der PCR-Analyse nicht diagnostiziert wären (Abbildung 12). Die Diagnose konnte in diesen Fällen durch die Protokollbiopsie gestellt werden.

Abbildung 12: Kumulierte Anzahl histologisch gesicherter PvNP-Fälle und Ergebnisse der BKV-PCR bei unterschiedlichen Cut-Offs in Kopien/ml

2 6 8 9

31

44

57 58

0 10 20 30 40 50 60 70

Kumulierte Anzahl

BKV-PCR bei unterschiedlichen Cut-Offs (Kopien/ml)

PvNP-Patienten und BKV-PCR

4 Diskussion 32

4 Diskussion

Das Krankheitsbild einer terminalen Niereninsuffizienz betrifft mehr als 75.000 Menschen in Deutschland (Potthoff et al. 2017), die zu einem großen Teil durch ambulante Dialyseverfah-ren versorgt werden und an einer Vielzahl von körperlichen und psychischen Beschwerden leiden (Davison und Jhangri 2010). Eine Nierentransplantation hingegen kann zu einer Ver-besserung der Lebensqualität wie auch der Lebenserwartung dieser Patienten beitragen (Schulz und Thaiss 2012; ERA-EDTA Registry 2018) und stellt deshalb nach Möglichkeit die Thera-pie der Wahl bei terminalem Nierenversagen dar. Der nach einer Transplantation notwendige Einsatz an Immunsuppressiva kann das Auftreten einer akuten und chronischen Abstoßungs-reaktion deutlich vermindern (Hariharan et al. 2000). Dies bringt jedoch auch eine erhöhte Vulnerabilität gegenüber Infektionen mit sich (Ramos et al. 2002b; Egli et al. 2007). Unter anderem birgt die Infektion mit dem BK-Virus in Form einer chronischen Polyomavirus-Nephropathie eine Gefahr für das Organüberleben (Nickeleit et al. 2000; Ramos et al. 2002a;

Vasudev et al. 2005).

Das BK-Virus wurde 1971 erstmals beschrieben (Gardner et al. 1971), während das Krank-heitsbild der PvNP erst Ende der 1990er Jahre an Bedeutung gewann (Binet et al. 1999;

Randhawa et al. 1999). Damit stellt die PvNP ein verhältnismäßig neues Forschungsfeld dar.

Eine Infektion mit dem BK-Virus ist weit verbreitet und die Seroprävalenz schwankt je nach Region zwischen 46 und 94% (Knowles 2001). Dennoch geht mit der Viruspersistenz für immunkompetente Individuen keine Gefahr einher (Polo et al. 2004), während bei Vorliegen einer Immunsuppression – beispielsweise nach einer Nierentransplantation – das Virus re-aktivieren oder mit der Organspende übertragen werden kann. Über eine Virurie und Virämie kann sich dann eine PvNP entwickeln und zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion bei-tragen (Nickeleit et al. 2000; Dall und Hariharan 2008).

Für die PvNP wird seit ihrer Entdeckung eine steigende Inzidenz beobachtet, wobei zentrum-abhängig zwischen 1-10% der Nierentransplantierten betroffen sind (Ramos et al. 2002a; Ra-mos et al. 2002b; Vasudev et al. 2005; Hirsch et al. 2013). Dadurch ergeben sich oftmals kleine Fallzahlen, die die Aussagekraft von Studien einschränken können. Eine weitere Schwierigkeit für die Forschung an BKV stellt die histologische Diagnosesicherung der PvNP dar, denn die Diagnose kann nur durch eine Biopsie gestellt werden, die wiederum meist nur bei einer be-stehenden Indikation erfolgt. Da auf diese Weise PvNP-Patienten teilweise erst spät entdeckt oder gar übersehen werden können, wird seit einigen Jahren der Einsatz von Screeningverfah-ren empfohlen (Dall und Hariharan 2008). Zur Bestimmung der Viruslast kommt vor allem eine Real-Time-PCR-Untersuchung auf BKV-DNA im Serum zum Einsatz. Jedoch sind die Verfahren nicht standardisiert und es werden verschiedene PCR-Cut-Off-Werte verwendet.

Eine spezifische Therapie gegen BKV gibt es nicht, stattdessen wird eine Reduktion der Im-munsuppression empfohlen (Sawinski und Goral 2015).

Das verhältnismäßig junge Forschungsfeld der PvNP mit kaum vorhandenen Untersuchungen des Langzeitüberlebens betroffener Patienten, eine hohe BKV-Seroprävalenz in der Allge-meinbevölkerung bei gleichzeitig kleinen Fallzahlen einer PvNP, die histologische Diagnose-stellung sowie nach wie vor fehlende Standards bezüglich der Früherkennung und der Thera-pie einer PvNP stellen große Herausforderungen für die Nierentransplantation dar. Auf der Grundlage dieser Problemfelder ist die vorliegende Arbeit entstanden.

Für die retrospektive monozentrische Studie wurden im NZN/Klinikum Hann. Münden Daten aller nierentransplantierter Patienten im Zeitraum 2003 bis 2014 erhoben. Von den 1222 Nierentransplantierten haben im Verlauf 71 Patienten eine PvNP entwickelt, die histo-logisch gesichert werden konnte. Zunächst wurde anhand der Daten analysiert, ob bzw. wel-che Risikofaktoren, die eine PvNP begünstigen können, sich feststellen lassen. Auch wurde untersucht, welche Auswirkungen eine PvNP auf das Transplantatüberleben hat. Im zweiten Schritt wurde ein Screeningverfahren, welches 2011 im NZN eingeführt wurde, evaluiert. Das Screening beinhaltete eine Viruslastbestimmung mittels BKV-PCR im Serum in regelmäßigen Abständen sowie eine zusätzliche Protokollbiopsie drei und zwölf Monate nach der Trans-plantation. Da die Datenerhebung sowohl einen Zeitraum vor als auch nach der Einführung des Screenings erfasste, konnte ein Vergleich der Inzidenz und des Zeitpunktes der Erstdiag-nose gemacht werden. Ein Follow-Up der erhobenen Daten hinsichtlich des Langzeitüberle-bens wurde bis August 2018 durchgeführt und für PvNP-Patienten mit und ohne Screening analysiert. Außerdem konnten die PCR-Ergebnisse für PvNP-Patienten in Bezug auf den empfohlenen Cut-Off von 10.000 Kopien/ml, der die Diagnose einer wahrscheinlichen PvNP erlaubt, ausgewertet werden.

4.1 Analyse der Risikofaktoren einer PvNP

Eine Infektion mit dem BK-Virus mit der Ausprägung einer PvNP stellt ein wichtiges Krank-heitsbild für nierentransplantierte Patienten dar, während sie bei anderen Organtransplanta-tionen oder immunsupprimierten Patienten kaum eine Rolle spielt (Hirsch und Randhawa 2013). Daraus leitet sich die Hypothese ab, dass es spezifische Risikofaktoren gibt, die mit der Nierentransplantation in Verbindung stehen und die Entstehung einer PvNP begünstigen.

Die Bearbeitung dieser Hypothese ergab für das NZN in der Untersuchung einzelner Merk-male, dass PvNP-Patienten signifikant häufiger über 65 Jahre alt und männlich waren. Auch erwiesen sich die kalte und warme Ischämiezeiten bei PvNP-Patienten als signifikant niedriger im Vergleich zu Nierentransplantierten ohne eine PvNP. Die Analyse angewandter Immun-suppressiva in der Erhaltungstherapie als mögliche Risikofaktoren zeigte einen signifikant häu-figeren Einsatz von Tacrolimus in der PvNP-Gruppe, wohingegen Ciclosporin vermehrt in der Kontrollgruppe verwendet wurde. Daraus lässt sich ein protektiver Effekt von Ciclosporin hinsichtlich der Entwicklung einer PvNP vermuten, während der Einsatz von Tacrolimus eher mit einer PvNP assoziiert werden kann. Untersuchungen bezüglich der Wirkung von Ciclo-sporin haben gezeigt, dass es auf zellulärer Ebene über eine Interaktion mit Cyclophilin A die

4 Diskussion 34

Dephosphorylierung des Transkriptionsfaktors NFAT hemmt. Dadurch wird die BKV-Replikation herunterreguliert (Li et al. 2012).

Zur Analyse der immunsuppressiven Therapie im NZN muss angemerkt werden, dass sich eine Aussage anhand der Daten nur bezüglich Tacrolimus und Ciclosporin treffen lässt, denn sowohl MMF als auch Prednisolon bekamen >95% der Patienten in beiden Gruppen. Aza-thioprin, mTOR und OKT3 kamen nur in Einzelfällen zum Einsatz. Daher erscheint der Ver-gleich für diese Immunsuppressiva innerhalb der beiden Gruppen nicht als sinnvoll.

In einer anschließenden multivariaten Modellierung aller zuvor als signifikant dargestellten Faktoren konnten alle Parameter nacheinander ausgeschlossen werden, sodass sich nur eine Signifikanz für das männliche Geschlecht des Empfängers (OR=2,121, p=0,010) und für den Einsatz von Tacrolimus in der immunsuppressiven Therapie (OR=2,648, p<0,001) ergab.

Da es bisher keinen allgemeinen Konsens über genau definierte Risikofaktoren einer PvNP gibt, lassen sich je nach Studie und Zentrum in der Literatur unterschiedliche Ergebnisse fin-den (Schold et al. 2009). In vielen Studien wird jedoch der Grad der Immunsuppression und die Verwendung von Tacrolimus als möglicher Risikofaktor beschrieben (Prince et al. 2009;

Schold et al. 2009; Wiseman 2009; Hirsch et al. 2013). Dies deckt sich auch mit dem Ergebnis im NZN.

Ramos et al. (2002b) beobachteten, dass PvNP-Patienten häufiger männlich waren und ein höheres Alter aufwiesen. Auch Schold et al. (2009) konnten das männliche Geschlecht neben einigen weiteren Faktoren wie höheres Spenderalter, dunkle Hautfarbe, immunologisches Ri-siko (HLA-Mismatch), die mit einer BKV-Behandlung in Verbindung standen, feststellen.

Ethnische Unterschiede, wie das häufigere Vorkommen von BKV unter Afro-Amerikanern, stehen womöglich mit einem veränderten Stoffwechsel gegenüber dem Einsatz von Immun-suppressiva im Zusammenhang. Afro-Amerikaner weisen häufiger die Genvariante CYP3A5*1 auf und benötigen dadurch höhere Dosierungen an Tacrolimus (Maldonado et al.

2017). Eine weitere Studie zeigte, dass männliches Geschlecht und ein höheres Empfänger-alter neben einem höheren Steroideinsatz nach der Transplantation mit einer höheren Virus-last assoziiert waren (Hirsch et al. 2013). Das männliche Geschlecht als möglicher Risikofaktor taucht auch bei Park et al. (2018) auf. Ein Grund für das vermehrte Auftreten von BKV-Infektionen bei männlichen Nierentransplantierten könnte eine Assoziation mit einer höheren Inzidenz an obstruktiver Uropathie sein (Schold et al. 2009). Andere Studien kommen zu ab-weichenden Ergebnissen und beschreiben beispielsweise die akute Abstoßungsreaktion oder den Einsatz von Kortikosteroiden als mögliche Risikofaktoren einer PvNP (Hirsch et al. 2002;

Prince et al. 2009). Die Variabilität an gefundenen Risikofaktoren in den einzelnen Zentren kann unter anderem durch die Unterschiede im allgemeinen und BKV-spezifischen Manage-ment bedingt sein.

Im NZN konnten vor allem das männliche Geschlecht des Empfängers sowie Tacrolimus als Immunsuppressivum als signifikante Risikofaktoren festgestellt werden. Dieses Ergebnis spie-gelt sich auch in mehreren Studien wider, wenngleich es auch Untersuchungen gibt, die andere

Beobachtungen beschreiben. Weitere Risikofaktoren, die im NZN nur in der Einzelbetrach-tung als signifikant befunden wurden (Patienten über 65 Jahre, KIZ, WIZ), werden von ein-zelnen Zentren ebenfalls beschrieben (Sawinski und Goral 2015). Jedoch handelt es sich hier-bei um Einzelerkenntnisse, die sich nicht durch viele andere Studien bestätigen lassen.

4.2 PvNP und weitere Risikofaktoren für das Transplantatüberleben

Eine Kaplan-Meier-Untersuchung, in der das Transplantatüberleben von PvNP-Patienten mit Nierentransplantierten ohne eine PvNP verglichen wurde, konnte im NZN keine Signifikanz dafür feststellen, dass eine PvNP ein Risiko für das Organüberleben darstellt. Die Aussage-kraft dieser Untersuchung unterliegt hierbei jedoch einigen Einflüssen: Zum einen sind die Patientengruppen unterschiedlich groß. Während viele Nierentransplantierte ohne eine PvNP (n=1151) erfasst wurden, hatten vergleichsweise nur 71 Patienten im Beobachtungszeitraum eine PvNP entwickelt. Dadurch fallen bereits wenige Ereignisse mehr ins Gewicht. Der Ver-lauf sowie die genauen Patientenzahlen zu verschiedenen Zeitpunkten zeigen, dass in der Gruppe der PvNP-Patienten es in den ersten Jahren zum Funktionsverlust kommt, während zum späteren Zeitpunkt nur noch wenige Patienten in der Untersuchung verbleiben, bei de-nen kein Ereignis eingetreten ist. Dies führt zu einer Verzerrung im Kurvenverlauf. Zum an-deren ist die Zeitspanne der Datenerhebung relativ lang (2003 bis 2014) und umfasst zwei Zeiträume, in denen mit der PvNP unterschiedlich umgegangen wurde: Durch die Einführung eines Screeningverfahrens mit Beginn im Jahr 2011 entstand ein standardisiertes Management zur Früherkennung und Behandlung einer BKV-Infektion, wohingegen es bis Ende 2010 kei-ne einheitliche Behandlungsstrategie gab. Jedoch wird an dieser Stelle nicht nach eikei-nem Scree-ning unterschieden. Eine mögliche Verbesserung des Organüberlebens könnte also den Ver-lauf der Überlebenskurve von PvNP-Patienten beeinflussen, genauso wie allgemeine Fort-schritte in der Transplantationsmedizin der letzten 15 Jahre. Hinzu kommt ein möglicher selection bias, der sogenannte immortal bias: Denn, um in die Gruppe der PvNP-Patienten zu fallen, müssen diese Patienten mindestens bis zur Diagnosestellung überlebt haben, während die Kontrollgruppe durch die Nierentransplantation direkt in die Untersuchung aufgenommen wird.

Die Studienlage ist an dieser Stelle nicht durchgehend einheitlich. Insbesondere ältere Studien berichten über verschiedene Ergebnisse, ob eine Infektion mit dem BK-Virus ein Risiko für das Transplantatüberleben darstellt. Dennoch wird überwiegend ein entsprechender Einfluss berichtet. Obwohl in vielen Fällen eine BKV-Infektion mit Uretherstenosen, vermehrtem Organverlust und einer schlechteren Nierenfunktion assoziiert wird, ist die Fallzahl in den ersten Forschungen an BKV sehr gering (zwischen 5-22 Patienten). Auch handelt es sich oft-mals nur um eine Urindiagnostik und keinen histologischen Nachweis einer PvNP (Mackenzie et al. 1978; Hogan et al. 1980; Gardner et al. 1984; Binet et al. 1999; Nickeleit et al. 1999;

Randhawa et al. 1999; Nickeleit et al. 2000). Eine größere, monozentrische Studie an der Uni-versity of Maryland konnte über 100 PvNP-Patienten erfassen und stellte fest, dass ein Drittel

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dieser Patienten einen Transplantatverlust im Verlauf erlitt und ein weiteres Drittel Kreatinin-werte über 3 mg/dl aufwies (Ramos et al. 2002a). Auch Vasudev et al. (2005) beschrieben ein deutlich schlechteres Outcome für PvNP-Patienten: während die 5-Jahres-Überlebensrate bei Nierentransplantierten ohne eine PvNP bei 76% lag, betrug sie für PvNP-Patienten nur 47%

(Vasudev et al. 2005). Eine weitere aktuellere Studie deutet ebenfalls auf ein schlechteres Langzeitüberleben bei Vorliegen einer PvNP nach der Nierentransplantation. Allerdings sollte bei dieser Publikation die Limitation durch eine kleine Fallzahl (n=15) erwähnt werden (Park et al. 2018).

Mit Beginn des Einsatzes von Screeningverfahren und daraus ergebender Reduktion der im-munsuppressiven Therapie werden bessere Überlebensraten von PvNP-Patienten beschrieben (Drachenberg et al. 2004b; Dall und Hariharan 2008; Hirsch und Randhawa 2013), was sich indirekt in dieser Analyse im NZN widerspiegelt.

Auch wenn im statistischen Test keine Signifikanz einer PvNP auf das Langzeitüberleben fest-gestellt werden konnte, so ist aufgrund der beschriebenen Einflüsse auf den Kurvenverlauf und der Studienlage ein Risiko für das Transplantatüberleben sehr wahrscheinlich. Die histo-logische Stadieneinteilung der PvNP deutet ebenfalls auf eine Nierenfunktionsverschlechte-rung durch chronische VerändeNierenfunktionsverschlechte-rungen hin (Sis et al. 2010; Sar et al. 2011). Das Outcome ist dabei abhängig von dem Ausmaß des direkten Schadens, der Entzündungsreaktion sowie der entstehenden Fibrose und dem Vorhandensein chronischer Schäden (Drachenberg et al.

2004a; Bohl und Brennan 2007; Sawinski und Goral 2015; Scadden et al. 2017).

2004a; Bohl und Brennan 2007; Sawinski und Goral 2015; Scadden et al. 2017).