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3.2 Unternehmensteuer

3.2.4 Reformvorschlag Allowance for Corporate Equity

3.2.4.1.3 Investitionsanreize

Die Einführung einer ACE in einem einzelnen Land sollte grundsätzlich geeignet sein, einen Vor-teil im internationalen Wettbewerb um eigenkapitalfinanzierte Investitionen darzustellen (Mirrlees et al., 2011a, 448). Gerade in Bezug auf den mobilen Faktor Kapital wird eine niedrige Besteuerung desselben als wichtiger Bestandteil eines modernen Steuersystems gesehen (Sachverständigenrat Jahresgutachten, 2015/16, 343). Niedrigere nominale Steuersätze sind dabei nützlich, da sie die tax compliance erhöhen und Gewinnverschiebungen unattraktiv machen (Smith, 2010, 424). Außer-dem sind sie psychologisch und für internationale Investoren attraktiv, da der nominale Steuersatz

„something which even the company chairman can understand“ (Issac 1997, 306), darstellt.

Es wäre diesbezüglich nicht ratsam, die Steuerausfälle, die aus der ACE Einführung resultieren, durch eine Erhöhung des Unternehmensteuersatzes auszugleichen (Mirrlees et al., 2011a, 432).

Die Attraktivität der Besteuerung ökonomischer Renten besteht in den potentiell sehr hohen Steu-ersätzen bei gleichzeitiger Verzerrungsfreiheit ökonomischer Entscheidungen (Huizinga, 2010, 894). Beruhen diese ökonomischen Renten jedoch zumindest teilweise auf besonderem Einsatz oder einer besonderen Innovationskraft, so könnten derartige Aktivitäten durch eine allzu hohe Besteuerung (möglicherweise bereits ab der Höhe der Besteuerung von Arbeitseinkommen)

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mutigt werden (Mirrlees et al., 2011a, 439). Nur wenn Übergewinne auf Zufällen oder geschicht-lichen Bedingungen beruhen, ist ihre Besteuerung verzerrungsfrei (Cooper, 2012, 248). Besonders problematisch wird es, wenn die Renten international mobil sind (Mirrlees et al., 2011a, 425), denn nur in einer geschlossenen Volkswirtschaft ist die Besteuerung ökonomischer Renten, analog zu altem Kapital, nicht verzerrend (Auerbach et al., 2010, 868). Die Situation in der heutigen Zeit wird all diesen Voraussetzungen üblicherweise nicht gerecht (Huizinga, 2010, 894). Insofern ist eine vermeintlich verzerrungsfreie Steuer auf ökonomische Renten in der Realität nicht in der Lage, höhere Steuereinnahmen zu erzielen. Unter den tatsächlichen Umständen, insbesondere der inter-nationalen Kapitalmobilität, hat diese Steuer nämlich starke Anreizwirkungen (Keen und King, 2002, 416).

Die internationale Mobilität von Einkünften und der wachsende Steuerwettbewerb zwischen Staa-ten spielen eine zunehmende Rolle bei der Gestaltung von Unternehmensteuern (Mirrlees et al., 2011a, 430). Mobile Renten in offenen Volkswirtschaften zu besteuern ist besonders herausfor-dernd (Mirrlees et al., 2011a, 440). Sowohl internationale Teilhaber als auch mobile Konzerne stellen die Besteuerung von Unternehmensgewinnen vor Probleme (Feldstein, 2012, 789). Eine ACE führt zwangsläufig zu einer Verengung der Bemessungsgrundlage und setzt somit aus Auf-kommensperspektive den Steuersatz für die ökonomischen Renten unter Druck (Klemm, 2007, 230). Gerade die profitabelsten Firmen hätten dann einen besonders starken Anreiz zur Abwande-rung (Sørensen, 2005, 793). Auch auf die Ansiedlung neuer multinationaler Unternehmen, welche üblicherweise unternehmensspezifische Renditen erzielen die sich über dem Normalzins befinden, würde sich dies negativ auswirken (Zodrow, 2003, 408). Offene Volkswirtschaften könnten eine ACE daher als unattraktiv empfinden, da sie im Gegensatz zur klassischen Unternehmensteuer bzw. einer Comprehensive Business Income Tax grundsätzlich höherer Steuersätze bedarf (Bond, 2000, 162).

Bei einer ACE bleiben außerdem dieselben – mit höherem Steuersatz sogar noch größere – Anreize zur Gewinnverlagerung vorhanden (Auerbach et al., 2010, 874), soweit diese Gewinne oberhalb der Normalverzinsung liegen. Dies kann entweder durch tatsächliche Verlagerung von Unterneh-mensaktivitäten oder mittels buchhalterischer Maßnahmen erfolgen (Auerbach, 2012, 698). Für internationale Gewinnverlagerungen gilt zudem, dass sie durch die durchschnittliche und nicht die marginale Steuerbelastung beeinflusst werden. Dies würde aus Wettbewerbsperspektive eher für einen Übergang zur Comprehensive Business Income Tax statt einer ACE sprechen (de Mooij und Devereux, 2011, 94). Auch Investitionsallokationsentscheidungen von Unternehmen werden pri-mär von der durchschnittlichen oder nominalen Steuerbelastung und nicht von der marginalen Steuerbelastung bestimmt (Bond, 2000, 162). Dies geht damit einher, dass zumeist die zentrale Frage ist, wo eine Investition stattfindet und nicht wie groß genau diese ausfällt (Auerbach et al., 2010, 855). Durchschnittliche oder nominale Steuersätze sind aber auch in einer ACE positiv und möglicherweise international nicht wesentlich kompetitiver als sie es vor einer Umstellung waren

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(Zodrow, 2003, 408). Berücksichtigt man diese internationalen Aspekte, so haben niedrige Steu-ersätze eine stärkere Signalwirkung als geringere Grenzbelastungen (de Mooij und Devereux, 2011, 99).

Die negativen Investitionsanreize einer ACE könnten vermieden werden, wenn der Unternehmen-steuersatz nicht angehoben wird (de Mooij und Devereux, 2011, 119). Dies würde jedoch die Budgetbeschränkung verletzen und eine – ebenfalls verzerrende – Gegenfinanzierung an anderer Stelle notwendig machen (Alworth, 2010, 1003). Die Zielrichtung der ACE ist eindeutig eine In-vestitionsförderung im Inland (Hebous und Ruf, 2015, 2). Welche Investitionen gefördert werden, hängt jedoch von der Wahl des Steuersatzes ab. Selbst bei konstantem Steuersatz ist die Entlastung bei eigenkapitalfinanzierten Investitionen mit geringer Rendite konzentriert. Je höher die Rendite und je geringer der angesetzte Normalzins, desto geringer ist die Vorteilhaftigkeit der ACE für die Investoren. Für fremdfinanzierte Investitionen hingegen ändert sich bei konstantem Steuersatz nichts. Wird der Steuersatz hingegen angehoben, könnten sogar negative Investitionsanreize für diverse Investitionsarten folgen. Ob eine ACE Investitionen fördert, bleibt letztlich eine empirische Frage (Hebous und Ruf, 2015, 2), wobei die Antwort sicherlich von der Ausgestaltung des Steuer-satzes und der Wahl des qualifizierenden Eigenkapitals abhängt.

Eine ACE wird, bei entsprechend umfassender Ausgestaltung, sehr wahrscheinlich die Eigenkapi-talansammlung in den Firmen steigern. Dies muss aber keineswegs mit höheren Realinvestitionen einhergehen wie Hebous und Ruf (2015, 3 ff.) darlegen: Im harmlosen Fall dienen derartige Zu-führungen von Eigenkapital nur der Senkung der individuellen Steuerschuld, es ist aber leicht vor-stellbar, dass bei entsprechender Ausgestaltung Finanzierungsgestaltungen gewählt werden, die Ei-genkapitalabzüge im ACE Land mit Fremdkapitalfinanzierung in Ländern ohne ACE verbinden.

Hierdurch könnte umfassende Steuervermeidung möglich werden, die nicht im Geringsten pro-duktivitätssteigernd sein müsste. Die belgische ACE beispielsweise lädt zu solchen Gestaltungen ein.

Im Falle der ACE (und vergleichbarer Konsumsteuern) kommt die Gefahr der Kurzlebigkeit noch hinzu. Tatsächliche oder potentielle Einführungen derartiger Steuersysteme gehen stets mit großen Diskussionen einher, die allzu oft in einer baldigen Rücknahme der entsprechenden Reform resul-tieren. Für langfristige Investitionsentscheidungen, die sich auf die equity allowance gestützt haben, kann dies starke Auswirkungen haben. Diese Unsicherheit könnte einen wesentlichen Dämpfer für zusätzliche Investitionen auf Basis der ACE bedeuten.

Das offizielle Ziel einer ACE ist die effizientere Besteuerung der Unternehmensgewinne durch eine Belastung der unelastisch reagierenden ökonomischen Renten. Erfolgreiche Einführungen von Steuern auf ökonomische Renten erfolgen jedoch zumeist in Gestalt spezifischer Steuern auf Un-ternehmen oder Sektoren die lokal-spezifische Renten erzielen. Die allgemeine UnUn-ternehmensteuer stellt hierfür einen schlechten Zugriffspunkt dar (Alworth, 2010, 1004). Eine allgemeine Förde-rung der Eigenkapitalansammlung kann leicht Gefahr laufen mit signifikanten spill-over-Effekten

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einherzugehen, da eine präzise Gestaltung politisch oft nicht möglich ist. Hierdurch kann sich die Effizienz der Maßnahme stark verringern. Aber auch das eigentliche Ziel der ACE wird in der Ausgestaltung durch den Review nicht erfüllt. Die zusatzlastfreie Besteuerung ökonomischer Ren-ten, die in entsprechender Höhe möglich sein sollte um andere verzerrende Steuern zu senken, wird keineswegs verfolgt. Internationale und andere Anreize lassen die Autoren dazu kommen, dass eine sehr maßvolle Besteuerung durch die ACE empfohlen wird. Im Ergebnis wird also eine prinzipiell verzerrungsfreie Steuer vorgeschlagen, bei deren Ausgestaltung auf Ausweichreaktionen Rücksicht genommen werden soll. Der theoretische Zugewinn gegenüber einer gewöhnlichen Körperschafts-teuer bleibt dabei fraglich. Vielmehr scheint es so, dass, wie beispielsweise bei den Überlegungen zu einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage innerhalb der EU (Herzig und Kuhr, 2011, 318), der wesentliche Fokus eine Stärkung der internationalen Wettbe-werbsfähigkeit der heimischen Unternehmen ist.