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Innovative Räume als konzeptioneller Rahmen

Im Dokument Jahrbuch 2007 (Seite 42-45)

Modernisierung durch professionelle Arbeit in der Gesundheitswirtschaft

4 Innovative Räume als konzeptioneller Rahmen

Die Gestaltungsperspektive ist von der Aufgabenstellung her ein wesentliches Element des Instituts Arbeit und Technik und damit auch des Forschungsschwerpunkts Innovati-on, Raum, Kultur. Aktuell stehen drei Aspekte im Vordergrund:

Erstens geht es um die Weiterentwicklung der Strategiefähigkeit und Professionalisie-rung des Cluster- oder Netzwerkmanagements. Dem liegt die Beobachtung zugrunde, dass sich Cluster- bzw. Netzwerkmanagement neben der klassischen kommunalen und regionalen Wirtschaftsförderung, der regionalen Arbeitsmarktpolitik und der regionalen Technologie- und Gründungspolitik zu einer vierten Säule dezentraler Strukturpolitik entwickelt hat. Diese vierte Säule zielt darauf ab, Unternehmen an die Region zu bin-den, das regionale Potenzial von Netzwerken zu nutzen und Unternehmen aktiv in die Entwicklung des regionalen Potenzials einzubinden. Wie vergleichende Untersuchun-gen gezeigt haben, ist dieser Prozess in anderen europäischen Ländern bereits wesent-lich professionalisierter und weiter fortgeschritten als in den meisten deutschen Regio-nen. Letztere haben nach wie vor stark mit politisch-administrativen (sowohl kommuna-len wie auch föderakommuna-len) Strukturen zu kämpfen und deshalb Probleme, sich den funktio-nalen wirtschaftlichen Verflechtungen angemessen zu vernetzen. Hinzu kommt, dass noch immer die Ansicht weit verbreitet ist, dass es sich bei Netzwerk- oder Clusterma-nagement um eine Aufgabe handele, die „nebenbei“ erledigt werden könne.

Zweitens hat sich gezeigt, dass der Aufbau regionaler Strukturen und Netzwerke hohe Anforderungen an die regionalen Akteure stellt. Diese führen dazu, dass die Akteure stark mit sich selbst beschäftigt sind, den Blick für externe Faktoren vernachlässigen und damit Gefahr laufen, lock-in-Effekte zu generieren. Von daher ist die Organisation der Zusammenarbeit zwischen Netzwerken und Clustern ebenso wichtig wie die regio-nale Vernetzung selbst. Die Organisation dieser Zusammenarbeit im Rahmen europäi-scher Verbundprojekte oder internationaler Tagungen dient dabei gleichermaßen der Vernetzung wie auch dem Erfahrungsaustausch.

Die dritte und jüngste Ebene der Gestaltungstätigkeiten des Forschungsschwerpunkts bezieht sich auf die Frage, wie der Rahmen für Innovationen gestaltet werden kann.

Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass Innovationspolitik nicht auf einzelne Innova-tionen oder deren inhaltliche Ausgestaltung abzielen sollte, sondern die Gestaltung ei-nes innovationsfördernden Umfelds anstreben sollte.

Den Leitgedanken für diese gestaltenden Aktivitäten bildet das Konzept der innovativen Räume. Diesem Konzept liegt die Überlegung zugrunde, dass es sehr unterschiedliche Wege zur Entwicklung und zum Erhalt der regionalen Innovationsfähigkeit gibt. Als Orientierung dienen eher allgemeine Kriterien, die einen Rahmen bilden, der sich regio-nal differenziert anwenden lässt. Dabei muss es sich keineswegs nur um Städte und Re-gionen handeln, sondern auch zeitlich begrenzte Ereignisse wie Messen, Tagungen oder Fachforen können als innovativer Raum gestaltet werden.

Generell lässt sich formulieren, dass in innovativen Räumen Akteure aus unterschiedli-chen Kulturen in einer Art und Weise interagieren (es darf keine Kultur dominieren, sich ausschließen oder blockieren, es darf nicht so heterogen sein, dass keine

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samen Anknüpfungspunkte mehr vorhanden sind), dass eine Eigendynamik entsteht, die etwas Neues hervorbringt.

Damit ein derartiger Prozess (eigendynamisch) entsteht, muss eine Zukunftsorientierung gegeben sein (Innovation als Versprechen auf eine gute Zukunft), die durch punkte, Symbole oder Profile (Identität) fassbar und erlebbar ist. Ein solcher Bezugs-punkt darf nicht abstrakt bleiben oder nur für eine kleine Gruppe gelten. Es sollte eine Offenheit für Zugänge/Impulse (Informationen und Personen) von Außen (access) vor-handen sein, wobei die Offenheit nicht beliebig sein kann, da ansonsten evtl. die Eigen-dynamik verhindert wird.

Notwendige Voraussetzungen für innovative Räume sind weiterhin,

• dass die Interaktion in einer Form erfolgt, dass ein freier Austausch von Wissen möglich ist (möglicherweise gibt es hierfür spezifische, informelle Orte in diesem Raum;

• dass unterschiedliche Formen der Interaktion möglich sind: Innovation erwächst nicht allein aus Vertrauen, sondern auch aus Konflikt und Rivalität;

• dass damit Toleranz gegenüber Abweichung, Experimentieren, Verwerfungen, Tra-ditionsbruch gegeben ist (das Neue entsteht um einen Bezugspunkt herum, ist aber in der einzelnen Innovation nicht zielgerichtet, Such- und Umwegprozesse existie-ren und sind auch notwendig);

• das Versprechen auf eine positive Zukunft sollte es potenziellen Verlierern ermögli-chen, nicht zu blockieren, sondern in dem Neuen eine Rolle zu finden

In der Gesamtgesellschaft steht dahinter ein Bild regional differenzierter Strukturen, die gerade für einen föderalistischen Staat wie Deutschland bzw. ein föderales supranatio-nales Gebilde wie Europa existenziell sind. Die Besonderheiten der Regionen bzw. der unterschiedlichen innovativen Räume werden dabei als Potenziale, nicht als Defizite angesehen, weil nur dann eine nachhaltige Verankerung im globalen Kontext möglich wird.

Anna Butzin und Brigitta Widmaier

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Anna Butzin / Brigitta Widmaier

Innovationsbiographien

1 Einleitung

Die Frage, warum und in welcher Form Innovationen in Wirtschaft und Gesellschaft zustande kommen, hat in den Sozialwissenschaften eine lange Tradition. Neben den rein ökonomischen Erklärungsansätzen wurden vielfältige sozio-ökonomische Ansätze wie die der Innovationssysteme oder Milieux Innovateurs entwickelt, die sich überwiegend auf empirische Befunde stützen. Bis heute ist die Erforschung nationaler, regionaler und sektoraler Innovationssysteme jedoch vornehmlich auf ihre institutionelle Komposition, ihre Produktionsstruktur und ihre FuE-Intensität ausgerichtet. Dabei wird eine System-perspektive eingenommen und davon ausgegangen, dass bestimmte ökonomische, poli-tische und sozial-kulturelle Faktoren ein Innovationssystem und somit die Entstehung von Lernprozessen und Innovationen beeinflussen. Was genau die Determinanten der Prozesse sind, aus denen Innovationen hervorgehen, ist bislang wenig erforscht, aber wichtig für die Weiterentwicklung der Ansätze (Edquist 2005: 201).

Ein zweiter neuerer theoretischer Strang, der ebenfalls darauf abzielt das Zustande-kommen von Innovationen zu untersuchen, beschäftigt sich mit organisatorischen Fra-gestellungen der Wissensgenerierung, -erhaltung und -nutzung in Unternehmen. Im Gegensatz zu den oben genannten Ansätzen ist dies eine Mikroperspektive, deren prag-matische Weiterentwicklung in angewandtes Wissensmanagement in Unternehmen mündet. Wege der Wissensteilung (vgl. Helmstädter 2003) und die Wechselwirkung von unterschiedlichen Wissenskategorien in Innovationsprozessen sind aber auch hier wenig beachtet.

Zwar war Wissen schon immer die Triebfeder von Innovationen, doch insbesondere in den letzten Jahren gewann seine wirtschaftliche Verwertbarkeit nochmals an Bedeu-tung: Wohlstand wird zunehmend weniger durch technische Artefakte als durch imma-teriell/geistiges Vermögen generiert. Sowohl die Systemperspektive als auch die Mikro-perspektive sind diesem Fakt geschuldet. Denn durch die zunehmende wirtschaftliche Verwertung von Wissen, basierend auf der Kombination von Informationstechnologien und schnellerem technologischen Wandel, steigt die Intensität und Komplexität von Wissen in der Wirtschaft. Vor diesem Hintergrund ist es für Unternehmen längst nicht mehr möglich, Innovationen in Isolation hervorzubringen - sie sind zunehmend das Re-sultat interaktiver Entwicklungsprozesse (vgl. für viele Asheim und Gertler 2005: 293).

Die Interaktion mit anderen hat zum Ziel, auf mehrere, sich ergänzende Wissensquellen zugreifen zu können, Unsicherheiten infolge von Informationsasymmetrien im Innova-tionsprozess auszubalancieren sowie neue Ideen und Entwicklungen schneller auf den Markt zu bringen.

Unter Berücksichtigung dieser veränderten Ausgangsbedingungen beschäftigte sich der Forschungsschwerpunkt Innovation, Raum, Kultur in den letzten Jahren mit der Ent-wicklung einer Methode, die darauf abzielt Einblicke in den Ablauf von Innovations-prozessen zu gewinnen. Es ist intendiert, mit „Innovationsbiographien“ (s. folgender

Innovationsbiographien 45

Abschnitt) dem prozessartigen Charakter von Innovationen gerecht zu werden, indem der gesamte Entwicklungsprozess untersucht wird und nicht nur sein Resultat (z.B. ein Patent). Durch die Ergebnisse der Innovationsbiographien soll ein Beitrag zu beiden oben besprochenen Perspektiven geliefert werden. Zum einen sind sie eine Ergänzung zur Systemperspektive, da es möglich ist, neuen Aufschluss über die Determinanten von Innovationsprozessen zu bekommen. Dabei wird weniger das System, in dem die Inno-vationen stattfinden, betrachtet, als der konkrete Prozess, aus dem sie hervorgehen.

Hierzu sind Vergleiche von Innovationsprozessen verschiedener Branchen und Typen von Innovationen (Produkt, Prozess, organisatorisch) im Verlaufe der weiteren For-schungsaktivitäten vorgesehen. Zum anderen sollen durch die Innovationsbiographien weitere Erkenntnisse über die Wege und die Zusammensetzung von Wissen in Innova-tionsprozessen gewonnen werden. Es wird insbesondere erwartet, mit dieser Methode Einblicke in den Verlauf von Innovationsprozessen zu gewinnen. Auch der Ansatz der Wissensteilung in Innovationsprozessen (Mikroperspektive) soll dadurch weiterentwi-ckelt werden.

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