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Inhalationsnarkose

Im Dokument Tierärztliche Hochschule Hannover (Seite 26-29)

2.6 Anästhesie und Analgesie bei der Ferkelkastration

2.6.1 Inhalationsnarkose

Inhalationsnarkotika liegen bei Raumtemperatur entweder als Gas (Lachgas, Kohlendioxid) oder als Flüssigkeit (z.B. Halothan, Isofluran, Sevofluran) vor, wobei die flüssigen Narkotika mit Hilfe eines Verdampfers in einen dampfförmigen Zustand überführt werden (ERHARDT et al. 2012). Durch Diffusion über die Alveolarmembranen der Lunge gelangt das Inhalationsnarkotikum in das Blut (AMMER u. POTSCHKA 2016). Die Blutlöslichkeit und der Partialdruck des Narkotikums haben dabei einen wesentlichen Einfluss auf die Anflutungsdauer im Blut.

Je höher der Partialdruck (Konzentration des Narkotikums in der Einatmungsluft) ist, desto kürzer ist die Einleitungszeit. Dagegen wird die Einleitungszeit länger, je höher die Blutlöslichkeit ist. Zudem spielt die Lipidlöslichkeit eine wichtige Rolle für die narkotische Wirkung, da sie die Diffusion in das Gehirn bestimmt (LÖSCHER 2010b).

Aufgrund der größtenteils über die Lunge erfolgenden Elimination der Inhalationsanästhetika kann die Narkosetiefe über die Konzentration bzw. den Partialdruck im Inspirationsgemisch gesteuert werden (AMMER u. POTSCHKA 2016).

2.6.1.1 Minimale alveoläre Konzentration (MAC)

Die minimale alveoläre Konzentration (MAC) eines Inhalationsanästhetikums ist die Konzentration auf Meereshöhe bei der 50% der Patienten keine gezielten Abwehrreaktionen auf einen standardisierten, supramaximalen Reiz zeigen (PANG 2016). Je höher der MAC-Wert eines Inhalationsanästhetikums ist, desto geringer ist seine Wirkungsstärke. Der MAC-Wert wurde definiert, um die Potenz von Inhalationsanästhetika vergleichbar zu machen (ENGELHARD u. WERNER 2017).

Verschiedene Faktoren, wie Trächtigkeit oder Hypothermie, können den MAC-Wert

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reduzieren, aber auch die Kombination mit Sedativa, Hypnotika oder Analgetika können eine reduzierende Wirkung auf den MAC-Wert haben. Dagegen erhöhen Fieber und Hyperthyreoidismus den Wert (ERHARDT et al. 2012). Bei jungen Patienten ist der MAC-Wert höher als bei älteren Patienten (EGER 2001). Zudem sind die MAC-Werte für ein bestimmtes Inhalationsnarkotikum je nach Tierspezies unterschiedlich (ERHARDT et al. 2012).

Für die MAC-Wert-Bestimmung wird häufig die „Bracketing-Methode“ angewendet.

Dazu wird aus der höchsten alveolären Konzentration des angewendeten Anästhetikums, bei der das Tier auf einen supramaximalen Reiz noch mit einer bewussten Bewegung reagiert, und der geringsten Konzentration, die eine bewusste Reaktion unterdrückt, ein Mittelwert gebildet (SONNER 2002). Dieser wird auch als MAC50 bezeichnet. Bei Tieren wird zur Reizsetzung vor allem die Klemmtechnik, bei der mit einer Klemme an der Schwanzbasis oder an den Pfoten bzw. Klauen ein Reiz gesetzt wird, oder eine elektrische supramaximale Stimulation (genauer erklärt in Material und Methoden) genutzt, da diese beiden Methoden im Gegensatz zur Hautinzision zu ähnlichen MAC-Werten führen (VALVERDE et al. 2003). Während bei Kleintieren beide Techniken angewendet werden (BROSNAN et al. 2009; NOLL 2018;

RAUE 2019), wurde bei Ferkeln bisher auf die Klemmtechnik zurückgegriffen. So setzten LERMAN et al. (1990) mit einer Klemme im Zwischenklauenspalt bei 4-10 Tage alten Ferkeln einen supramaximalen Reiz und bestimmten für Isofluran einen MAC-Wert von 1,48 ± 0,21 Vol%. Mit einem MAC-Wert von 1,20 ± 0,43 Vol% erhielten SCHIEBER et al. (1986) nach Reizsetzung mit einer Klemme am Schwanz und an der Zehe von 2-17 Tage alten Ferkeln einen etwas niedrigeren Wert für Isofluran.

2.6.1.2 Isoflurannarkose

Isofluran ist ein halogenierter Ether. Aufgrund der niedrigen Blutlöslichkeit und der hohen Lipidlöslichkeit, flutet es schnell im Gehirn an und die Erholungsphase ist durch die rasche Elimination über die Lunge sehr kurz. Außerdem induziert es eine gute Muskelrelaxation. Isofluran wirkt bei zunehmender Narkosetiefe atemdepressiv.

Zusätzlich reduziert es den peripheren Gefäßwiderstand und die myokardiale

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Kontraktilität, sodass es dosisabhängig zu einem Abfall des Blutdruckes kommt. Bei empfindlichen Schweinen kann Isofluran eine maligne Hyperthermie auslösen (LÖSCHER 2010b; AMMER u. POTSCHKA 2016). Da die analgetische Wirkung schwach ausgeprägt ist, sollte Isofluran für invasive chirurgische Eingriffe mit einem Analgetikum kombiniert werden. Seit dem 19. November 2018 ist ein Isofluran-Präparat zur Allgemeinanästhesie für die Kastration von männlichen Ferkeln mit der präoperativen Gabe eines geeigneten Analgetikums zur Linderung postoperativer Schmerzen zugelassen.

Nach WALKER et al. (2004) sowie HODGSON (2006, 2007) sorgt die Isoflurannarkose während der Saugferkelkastration für eine ausreichende Anästhesie und die Einleitungs- sowie Aufwachphase laufen schnell und problemlos ab. Dagegen war in einer anderen Studie die Einleitungsphase mit starken Abwehrbewegungen während der Positionierung in der Schale verbunden, was auf Stress und vermindertes Wohlbefinden der Ferkel schließen lässt (KUPPER u. SPRING 2008). Anhand der Auswertung von Noradrenalin- und Adrenalinkonzentrationen im Plasma während der Fixation bzw. Kastration, im Vergleich zu unbehandelten Tieren, konnte gezeigt werden, dass diese durch die Isoflurananästhesie signifikant geringer sind und die Narkose, insbesondere die Narkoseeinleitung, keine Stressbelastung für die Tiere darstellt (SCHULZ 2007). Im Vergleich zur Injektionsanästhesie erholen sich die Ferkel nach der Inhalationsnarkose deutlich schneller und haben weniger motorische Auffälligkeiten, wodurch die Gefahr, von der Sau erdrückt zu werden, sehr viel niedriger ist (BALDINGER et al. 2017a). Außerdem zeigen die Ferkel unter Isoflurannarkose erheblich weniger intraoperative Schmerzäußerungen bei der Durchtrennung des Samenstranges als die Tiere der Injektionsgruppe (BALDINGER et al. 2017b).

WALKER et al. (2004) untersuchten die Isofluran-Narkose und verglichen diese mit einer Isofluran/N₂O-Narkose. Unter Isofluran/N₂O-Narkose zeigten die Tiere keine Reaktionen auf die Kastration, unter alleiniger Isofluran-Anästhesie nur minimale Reaktionen.

Um den Kastrationsschmerz zu beurteilen, bestimmte SCHULZ (2007) die Kortisolkonzentration im Serum bei mit und ohne Anästhesie kastrierten Ferkeln. Bei

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beiden Methoden stiegen die Kortisolwerte signifikant an. Daraus wurde geschlussfolgert, dass eine alleinige Isoflurannarkose zu keiner Schmerzausschaltung führt. Nur die zusätzliche Applikation eines NSAIDs konnte postoperativ die schmerzbedingte neuroendokrine Stressreaktion deutlich reduzieren (SCHULZ et al.

2007). Auf die Entwicklung des Körpergewichts hat die Isoflurannarkose keinen Einfluss (SCHWENNEN 2015; BALDINGER et al. 2017a).

Nach einer Anflutungszeit des Isoflurans von 70 Sekunden konnten nur bei 77%

(SCHWENNEN et al. 2016) bzw. 66% (STEIGMANN 2013) der Tiere eine ausreichende Narkosetiefe nachgewiesen werden. SCHWENNEN et al. (2016) konnten zudem in ihrer Untersuchung zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für eine ausreichende Narkosetiefe mit steigendem Alter und Gewicht der Tiere sinkt.

Dagegen wurde mit einer Einleitungsdauer von 90 Sekunden bei 92,3% der Ferkel eine ausreichende Schmerzausschaltung erreicht (BURREN u. JÄGGIN 2008). In weiteren Studien erfolgte bei 92% (KUPPER u. SPRING 2008) bzw. 86% (ENZ et al.

2013) der Ferkel eine Kastration unter einer ausreichenden Anästhesie.

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