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3. Informationsfreiheit in Bremen

3.3 Informationszugang bei privatrechtlich-organisierten Aufgabenträgern

3.3.1 Schadensgutachten zur Dachkonstruktion des Universums

Ein Petent wandte sich an uns mit der Frage, ob ihm ein Informationszugangsanspruch gegenüber dem "Universum" auf die Herausgabe einer Kopie eines Schadensgutachtens zustehe. Das Gutachten sei beauftragt worden, um das Vorgehen zur Beseitigung von Rissen in der Holzkonstruktion des Daches des Universums zu klären.

Die Betreibergesellschaft des "Universums", die Universum Management Gesellschaft mbH war eine 100-prozentige Tochter der Besitzgesellschaft Science Center Bremen GmbH.

Verpächterin der Räumlichkeiten war die Besitzgesellschaft Science Center Bremen GmbH, die sich zu 100 Prozent in der Hand der Stadtgemeinde Bremen befand, als beide Gesellschaften rückwirkend zum 1. Januar 2016 miteinander verschmolzen wurden, wobei sie weiterhin vollständig in städtischer Hand blieben. Nach dem Bremer Informationsfreiheitsgesetz (BremIFG) stehen juristische Personen des Privatrechts Behörden gleich, soweit sich eine Behörde ihrer zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bedient. Zuständiges Fachressort für die Betreibergesellschaft ist der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen der sich ihrer zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Wirtschaftsförderung und der Verzahnung zwischen naturwissenschaftlicher Bildung und dem Technologiepark an der Universität Bremen bedient.

Wir teilten dem Petenten daher mit, dass in Fällen der reinen Organisationsprivatisierung eine Auskunftspflicht nach dem BremIFG bestehe, der Antrag aber an die Behörde zu richten sei, die sich der natürlichen oder juristischen Person des Privatrechts zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bediene.

Nachdem der Petent sein Anliegen beim Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen vorgetragen hatte, stellte sich heraus, dass das Schadensgutachten weder von der Betreibergesellschaft des Universums noch vom Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen eingeholt worden war, sondern, dass die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH den Gutachter beauftragt hatte. Wir konnten den Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen davon überzeugen, dass auch die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH als zu 100 Prozent im Eigentum der öffentlichen Hand, nämlich des Landes Bremen und dessen Stadtgemeinden, stehende Gesellschaft, die mit der öffentliche Aufgabe der Wirtschaftsförderung beliehen wurde, nach dem BremIFG auskunftsverpflichtet ist. Hinsichtlich von Informationszugangsbegehren, die sich auf Informationen beziehen, über die die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH verfügt, ist beachtlich, dass diese die Bremer Investitionsgesellschaft mbH (BIG) beerbt hat, sodass die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH nach dem Gesetz zur Übertragung von Aufgaben staatlicher Förderung auf juristische Personen des privaten Rechts mit der Erfüllung von Förderaufgaben beliehen wurde. Soweit sich also Informationsbegehren auf solche Förderaufgaben beziehen, ist die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH selbst auskunftsverpflichtet, da Beliehene dem funktionalen Behördenbegriff des BremIFG unterfallen. Auskunftsbegehren sind dann auch direkt an die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH zu richten. Da von den Bürgerinnen und Bürgern nicht verlangt werden kann, dass sie die zuständige Ansprechpartnerin oder den zuständigen Ansprechpartner für ihr Informationsbegehren kennen, müssen Anträge, die sich fälschlich an eine unzuständige Stelle richten, zur Beantwortung an die jeweils zuständige Stelle weitergeleitet werden.

In der Sache scheiterte eine Vermittlung zwischen dem Petenten und dem Senator für Wirtschaft, Arbeit und Häfen zunächst, weil die Behörde den Petenten auf eine von ihm nicht erwünschte Form des Informationszugangs verwies, die dieser ablehnte, obwohl die Behörde ihm als Ausgleich überobligatorisch eine persönliche Besichtigung der schadhaften Stellen anbot. Letztlich erhielt der Petent das Gutachten von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH, obwohl das Gutachten nicht im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Beleihung steht.

3.3.2 WLAN in Bussen und Bahnen

Ein Petent hatte sich mit mehreren Auskunfts- und Akteneinsichtsgesuchen zu dem WLAN-Projekt der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) an die BSAG und den Senator für Umwelt, Bau und Verkehr gewandt. Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr hatte die an ihn gerichteten Anfragen unter Verweis auf die Zuständigkeit der BSAG abgelehnt. Die BSAG hatte dem Petenten teilweise Auskunft erteilt, sein Akteneinsichtsgesuch und weitergehende Informationsanfragen aber abgelehnt. Noch während unserer laufenden Vermittlung erhob der Petent Untätigkeitsklage beim Verwaltungsgericht gegen die Stadt Bremen, vertreten durch den Senator für Umwelt, Bau und Verkehr.

Der Senator für Umwelt, Bau und Verkehr gab uns die Gelegenheit, eine Stellungnahme zu den in diesem Verfahren strittigen rechtlichen Fragen abzugeben, die er trotz eigener gegenläufiger Rechtsauffassung in das Verfahren einbrachte. Um der Landesbeauftragten für Informationsfreiheit auch in anderen Fällen die Fortsetzung ihrer vermittelnden Rolle im gerichtlichen Verfahren zu ermöglichen, könnte der Landesverordnungsgeber darüber nachdenken, sie im Sinne von § 36 Verwaltungsgerichtsordnung im Verordnungswege zur Vertreterin des öffentlichen Interesses in verwaltungsgerichtlichen Verfahren, in denen Informationszugangsersuchen Gegenstand des Verfahrens sind, zu bestellen.

In unserer Stellungnahme äußerten wir uns zu mehreren Rechtsfragen. Die Fragen, wann ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen öffentliche Aufgaben durchführt, wann sich eine Behörde dieses Unternehmens zur Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe bedient und wie weit die Pflicht zur Beschaffung von Informationen geht und wie sie durchgesetzt werden kann, beantworteten wir im vorliegenden Fall wie folgt:

Die BSAG ist gegenwärtig für das Gebiet der Stadtgemeinde Bremen einschließlich der nach Niedersachsen abgehenden Linien mit der Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs als einer der Stadtgemeinde Bremen obliegenden öffentlichen Aufgabe der Daseinsvorsorge beauftragt. Gerichtlich zu klären bleibt die Frage, ob die Versorgung mit WLAN in Bussen und Bahnen als Bestandteil der Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) durch die BSAG anzusehen ist oder nicht.

Hiergegen spricht, dass es sich lediglich um eine Zusatzleistung der BSAG, die den Komfort der Fahrgäste erhöhen soll, handelt. Sollten Nebenleistungen, die zur Durchführung der öffentlichen Aufgabe zwar nicht erforderlich, aber förderlich sind, als nicht von der Informationspflicht umfasst betrachtet werden, könnte dies dazu führen, dass kaum noch Informationen unter die Informationspflicht fallen. Es spricht auch sonst viel dafür, Maßnahmen, die der Fahrgastzufriedenheit und damit auch der Erhöhung der Nutzungszahlen dienen, als untrennbar mit der Durchführung der öffentlichen Aufgabe zur Versorgung der Stadt Bremen mit einem zufriedenstellenden Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs verbunden anzusehen.

Die BSAG ist als Aktiengesellschaft konstituiert, deren Anteile zu 99,03 Prozent im Eigentum der Bremer Verkehrsgesellschaft mbH liegen. 0,97 Prozent der Anteile befinden sich in unbekanntem Streubesitz. Bei der Bremer Verkehrsgesellschaft mbH handelt es sich um eine 100-prozentige Eigengesellschaft der Stadtgemeinde Bremen. Unternehmensaufgabe dieser Gesellschaft ist die Beteiligung an Verkehrs- und Versorgungsunternehmen, die Übernahme der Rechtsstellung einer geschäftsleitenden Holding über Verkehrsunternehmen sowie Tätigkeiten im öffentlichen Personennahverkehr der Stadtgemeinde Bremen und Umgebung durch die Tochtergesellschaft BSAG. Während die Bremer Verkehrsgesellschaft mbH der Senatorin für Finanzen zugeordnet ist, fällt die BSAG in das Ressort des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr. Bis auf die Vertreterinnen und Vertreter der Beschäftigten wird der gesamte Aufsichtsrat der BSAG durch Vertreterinnen und Vertreter der Freien Hansestadt Bremen gestellt, wobei Vorsitzender der amtierende Senator für Umwelt, Bau und Verkehr ist. Das Bremer Informationsfreiheitsgesetz (BremIFG) macht keine Vorgaben, wann nicht mehr davon gesprochen werden kann, dass sich eine öffentliche Stelle einer Stelle zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe "bedient". Wir stellten in unserer Stellungnahme darauf ab, dass dies erst dann der Fall sei, wenn die öffentliche Aufgabe nicht nur organisatorisch oder funktional, sondern materiell privatisiert wurde. Hier könnte der bremische Gesetzgeber einer Klarstellung erwägen, wie sie sich im Umweltinformationsgesetz für das Land Bremen und im Hamburgischen Transparenzgesetz findet.

In einer Dreieckskonstellation zwischen Petenten, materiell auskunftsverpflichtetem, privatrechtlich organisierten Unternehmen und verfahrensrechtlich auskunftsverpflichteter Behörde ist problematisch, dass die beantragten Informationen der auskunftsverpflichteten Behörde selbst oft nicht vorliegen, sondern das privatrechtlich organisierte Unternehmen

"Informationsbesitzer" ist. Wenn daraus geschlossen würde, dass sich der Anspruch auf Informationszugang auf die bei der Behörde selbst vorhandenen Informationen beschränken und die bei dem Privatrechtssubjekt befindlichen Akten nicht erfassen würde, würde der Informationszugangsanspruch in derartigen Konstellationen weitgehend leer laufen. Eine verfahrensrechtliche Vorschrift wie § 7 Absatz 1 Satz 2 BremIFG kann jedoch einen

materiell-rechtlichen Anspruch nicht einschränken. Daher besteht eine Informationsverschaffungspflicht der Behörde. In seinem Beschluss vom 20. Juni 2017 stellte das Bundesverfassungsgericht (siehe hierzu Ziffer 5. dieses Berichts) fest, dass das insoweit gleichlautende Informationsfreiheitsgesetz des Bundes für bestimmte Konstellationen schon selbst anordne, dass auch den Behörden nicht unmittelbar selbst vorliegende Informationen einbezogen werden. Diejenige Behörde, die sich Privater zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bediene, treffe die Pflicht, für die Rückholung oder Bereitstellung der Akten zu sorgen.

Problematisch bleibt in solchen Fällen aber, dass das BremIFG keine Regelungen zur Durchsetzung des Informationsverschaffungsanspruchs enthält. Eine mit der Verfahrensregelung in § 7 Absatz 2 Satz 2 BremIFG korrespondierende Übermittlungspflicht des Privatrechtssubjekts hinsichtlich der beantragten Informationen an die gegenüber der Antragstellerin oder dem Antragsteller anspruchsverpflichtete Behörde ist nicht ausdrücklich vorgesehen. Hier kann sich die Behörde nur auf die Befugnisse stützen, die ihr generell gegenüber dem ihrer Kontrolle unterstehenden Privatrechtssubjekt zustehen. Sofern das Privatrechtssubjekt kooperationswillig ist, entstehen hier im Außenverhältnis zur Antragstellerin beziehungsweise zum Antragsteller keine Probleme. Das Gleiche gilt, wenn die Behörde mit dem privaten Dritten eine Bindung an das jeweilige Informationsfreiheitsgesetz vereinbart hat. Hierauf sollte im Rahmen von Handlungsempfehlungen hingewiesen werden. Ergänzend könnte der bremische Gesetzgeber klarstellend eine Informationsverschaffungsverpflichtung der kontrollierenden Behörde und die damit korrespondierende Übermittlungspflicht des Privatrechtssubjekts in das BremIFG aufnehmen.

Zum Redaktionsschluss steht eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Untätigkeitsklage des Petenten noch aus.

3.3.3 Anfrage zur Anzahl der Haushalte pro Versorgungstarif bei der swb AG

Einer Petentin war im Rahmen einer journalistischen Recherche von der swb AG die Auskunft verweigert worden, wie viele Haushalte nach den einzelnen von der swb AG angebotenen Tarifen versorgt würden. Die swb AG hatte die Ablehnung damit begründet, dass sie als privates Unternehmen nicht unter die Informationspflicht nach dem Bremer Informationsfreiheitsgesetz (BremIFG) falle. Die Petentin wandte sich daraufhin an uns und wollte wissen, ob die Ablehnung ihres Informationszugangsantrags zu Recht erfolgt sei. Wir teilten ihr daraufhin mit, dass die Tatsache, dass die Versorgung mit Strom und Gas in der Freien Hansestadt Bremen materiell privatisiert ist, kaum eine andere Auslegung zulässt, als dass diese Aufgabe nicht mehr als öffentliche Aufgabe angesehen wird, selbst wenn es sich

um eine Aufgabe der Daseinsfürsorge im Sinne des § 6 a BremIFG handelt. Dies bestätigt die Auffassung der swb AG, wonach sie nicht nach dem BremIFG auskunftsverpflichtet ist.