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Informationsstände [

Sicherheit Unsicherheit

Risiko Ungewißheit

Objektive, empirisch ermittelbare Wahrscheinlichkeiten

Subjektive, lediglich geschätzte Wahrscheinlichkeiten

Abbildung 11: Systematik der Informationsstände1"

Den Ausgangspunkt für die vorangegangenen Überlegungen sowie die sich in Kapitel 3 anschließende Darstellung der Basismodelle der Investitionsrechnung bildet die Fiktion des Zustandes der Informationssicherheit.178 Hierbei wird an-genommen, daß sämtliche die Investition beeinflussenden Faktoren zum Zeit-punkt der Investitionsentscheidung hinsichtlich des ZeitZeit-punkts ihres Auftretens, ihrer Höhe sowie ihrer Entwicklung und Konsequenzen vollständig bekannt sind und auch sicher in der prognostizierten Weise eintreten.179

Vom Zustand der Sicherheit abzugrenzen ist zunächst der Zustand der Unsi-cherheit. Dieser läßt sich wiederum nach den Fällen der Ungewißheit und des Risikos differenzieren, wobei der Zustand der Ungewißheit durch das Fehlen jeglicher Informationen über die Eintrittswahrscheinlichkeiten der potentiellen Konsequenzen der betrachteten Handlungsalternativen gekennzeichnet ist.

Im Gegensatz dazu ist der Zustand des Risikos explizit dadurch gekennzeichnet, das für jede Konsequenz der betrachteten Investitionsalternativen Eintritts-wahrscheinlichkeiten gegeben sind. Bei diesen kann es sich dabei entweder um objektive, d.h. empirisch ermittelbare oder subjektive, d.h. lediglich auf der

In Anlehnung an Hildenbrand, Risikoanalyse, S. 9 Hier nur als „Sicherheit" bezeichnet.

Hildenbrand spricht hiervon deterministischen oder einwertigen Größen. Vgl. Hildenbrand, Risikoanalyse, FN 14, S. 8.

subjektiven Einschätzung des Entscheidungsträgers beruhende Wahrscheinlich-keiten handeln.180 Der Begriff des Risikos bezeichnet damit offensichtlich ledig-lich eine bestimmte Wahrscheinledig-lichkeitsverteilung für die aus einer Investition resultierenden Konsequenzen. Das im vorangegangenen erläuterte Risikokon-zept umfaßt dementsprechend sowohl positive als auch negative Abweichun-gen von einem - wie auch immer ermittelten - Erwartungswert und muß daher klar von dem primär negativ belegten Risikobegriff des allgemeinen Sprachge-brauchs181 abgegrenzt werden.182183

Für eine Investitionsanalyse, die über den Bereich der Sicherheit hinausgehende Informationen liefern muß, ist primär der Aspekt des Risikos und nur in einge-schränktem Maße der der Unsicherheit relevant. Als Begründung hierfür läßt sich die Tatsache anführen, daß sich im Rahmen der Investitionsrechnung Pro-bleme der Ungewißheit i.d.R. durch eine Intensivierung der Informationsbe-schaffung aufheben lassen. Ist dies der Fall, so kann wiederum auf die Metho-den der Risikobetrachtung zurückgegriffen werMetho-den. Damit ist eine Entwicklung spezieller Verfahren zur Berücksichtigung von Ungewißheit nicht erforder-lich.184

180 Vgl. Hildenbrand, Risikoanalyse, S. 9-10 sowie die dortigen Erläuterungen zur Kritik am Konzept der objektiven und subjektiven Wahrscheinlichkeiten im Rahmen der Investitions-planung.

So definiert beispielsweise der DUDEN Risiko als „Wagnis, Gefahr, Verlustmöglichkeit bei einer unsicheren Unternehmung". In: Duden Fremdwörterbuch, CD-ROM Version, in:

Microsoft LexiROM Mini.

182 Ein hiervon abweichendes, an dem allgemeinen Sprachgebrauch orientiertes Risikover-ständnis vertreten beispielsweise Timm, Investitionsrisiko, S. 34 ff.; Teichmann, Investitions-entscheidung, S. 18 f.; Müller, Risiko, Sp. 3813-3814; Kupsch, Risikomanagement, S. 530. In diesem Rahmen wird Risiko als negative Ergebnisabweichung i.d.R. dem Begriff der Chance als positive Ergebnisabweichung gegenübergestellt. Da jedoch die meisten Methoden der Chancen- und Risikoanalysen vollständig identisch sind, erscheint diese Differenzierung vor dem Hintergrund der konkreten Problemstellung als wenig hilfreich.

183 Eine konsequente Fortführung der Konzeption des Risikos als reiner Verlustgefahr bildet allerdings bspw. das von Metzler Asset Management GmbH entwickelte Rückschlagspoten-tial, das Risiko ausschließlich als „die negative Abweichung von einer Mindestrendite" de-finiert. Vgl. o.V., Risikomaß, S. 18.

184 Vgl. Hildenbrand, Risikoanalyse, S. 11.

2.2 Gewerbliche Immobilien

2.2.1 Begriffliche Grundlagen

Mit dem Begriff Immobilie werden umgangssprachlich Grund und Boden, Ge-bäude sowie deren Kombination unabhängig von den konkreten Besitz- oder Eigentumsverhältnissen bzw. Verfügungsrechten bezeichnet. Neben dem Be-griff der Immobilie werden darüber hinaus eine Anzahl weiterer BeBe-griffe wie z.B. Grundstücke, Grund und Boden, Liegenschaften, Gebäude oder Grundbe-sitz, entweder synonym verwandt oder bezeichnen - entsprechend dem Ver-ständnis dieser Arbeit - lediglich Teilaspekte einer Immobilie.

Um eine einheitliche Begriffsgrundlage zu schaffen, wird an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die existierenden Definitionsansätze gegeben, auf des-sen Basis dann eine zielorientierte Spezifizierung der vor dem Hintergrund der konkreten Problemstellung relevanten Begriffsinhalte erfolgt.

Bei der Betrachtung der Inhalte des Immobilienbegriffs sind dabei zunächst jene Definitionen, die juristische Aspekte des betrachteten Gutes zum Inhalt haben, von denen zu unterscheiden, die primär auf die wirtschaftlichen Aspekte einer Immobilie abstellen.'85

2.2.1.1 Juristischer Immobilienbegriff

Da in Deutschland kein originäres Immobilienrecht existiert, sind die den Im-mobilienbereich betreffenden gesetzlichen Vorschriften und Regelungen ver-schiedenen Rechtsbereichen zugeordnet. Die wichtigsten dieser Vorschriften finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im Einkommensteuergesetz (EStG), in der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB), in der Honorar-ordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI), im Wohneigentumsgesetz

185 Vgl. Bone-Winkel, Management, S. 20.

(WEG), in der Erbbaurechtsverordnung (ErbbauVO), in der Wertermittlungsver-ordnung (WertV) sowie im Bewertungsgesetz (BewG).186

In keinem dieser Gesetze hat der Gesetzgeber jedoch den Begriff der Immobilie verwandt und statt dessen den Begriff des Grundstücks als Basis für die rechtli-chen Vorschriften zum Immobilienbereich gewählt. Hierbei ist unter einem Grundstück aufgrund des Fehlens einer einheitlichen Legaldefinition zunächst einmal im grundbuchrechtlichen Sinne ein räumlich abgetrennter Teil der Erd-oberfläche zu verstehen, der im Grundbuch auf einem besonderen Blatt oder unter besonderer Nummer geführt wird.187 Abweichend hiervon definiert § 70 Abs. 1 BewG den Grundstücksbegriff anhand seiner wirtschaftlichen Identität, so daß auch mehrere abgegrenzte Grundflächen ein einziges Grundstück bil-den können, sofern sie einem einheitlichen wirtschaftlichen Zweck dienen.

Unter den Grundstücksbegriff fallen gemäß §§ 93-97 BGB jedoch zusätzlich dessen wesentliche Bestandteile (hier insbesondere Gebäude), Scheinbestand-teile, Rechte als Bestandteile eines Grundstücks sowie das Zubehör.188 Der in diesen Rahmen einzuordnende Begriff des Gebäudes wurde durch das Urteil des BFH vom 24.05.1963 umfassend definiert. Demnach handelt es sich bei einem Gebäude um „ein Bauwerk auf eigenem oder fremdem Grund und Bo-den, das Menschen oder Sachen durch räumliche Umschließung Schutz gegen äußere Einflüsse gewährt, den Aufenthalt von Menschen gestattet, fest mit dem Grund und Boden verbunden ist, von einiger Beständigkeit und standfest ist."189

Abweichend von obiger Definition des BGB, die durch ihr Verständnis des Grundstücksbegriffs eine Identität von Grund und Boden und der damit ver-bundenen Sachen und Rechte postuliert, wird im Steuerrecht eine exakte Tren-nung des Grundstücks in seine einzelnen Komponenten vorgenommen. Diese

186 Vgl. Bone-Winkel, Management, S. 20.

187 Vgl. § 3 Abs. 1 GBO.

88 Aufgrund seiner physischen Existenz wird ein Grundstück durch das BGB den Sachen zuge-ordnet. Vgl. §§ 93-97 BGB. Die ein Grundstück betreffenden Rechte sind in den §§ 873-902 BGB (Sachenrecht) geregelt.

189 Vgl. BFH Urteil von 24.05.1963 in: BStBl 1963 III, S. 376.

Trennung in Grund und Boden190 sowie Gebäude191 ist aufgrund der nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG für die beiden Komponenten unterschiedlichen Bewer-tungsvorschriften notwendig.192 Da für die Investitionsanalyse nur jene gesetzli-chen Regelungen relevant sind, die einen Einfluß auf die monetären Folgewir-kungen einer Immobilieninvestition haben, wird im folgenden hauptsächlich das bilanzsteuerrechtliche Konzept des Grundstücksbegriffs zugrunde gelegt.

Abgrenzungen im Sinne des BGB sind nur dann zu berücksichtigen, wenn even-tuelle Beschränkungen der Verfügungsrechte entweder zu direkten monetären Konsequenzen führen oder das Handlungsfeld des Investors signifikant ein-schränken.193

Unter einer Immobilie soll daher aus rechtlicher Sicht im folgenden die Summe der diesen Gegenstand bildenden Komponenten verstanden werden, ohne daß diese hierdurch ihre Eigenständigkeit in der Betrachtung verlieren.

2.2.1.2 Wirtschaftlicher Immobilienbegriff

Die wirtschaftliche Betrachtung des Immobilienbegriffs läßt sich nach Bone-Winkel194 wiederum in zwei Ebenen unterscheiden:

190 Steuerrechtlich wird unter Grund und Boden ausschließlich die „nackte" Grundfläche (Vgl.

BFH Urteil vom 14.03.1961, BStBl 1961 III S. 398) ohne jegliche Auf- oder Einbauten ver-standen, die gesondert zu bilanzieren sind (Vgl. BFH Urteil vom 15.10.1965, BStBl 1965 III

S. 12).

191 Obgleich das Steuerrecht bei der Definition des Gebäudebegriffs nicht substantiell von den Regelungen des BGB abweicht (auch im Bilanzsteuerrecht sind die Abgrenzungsmerkmale des Bewertungsrechts maßgeblich für die Festlegung des Gebäudebegriffs), wird das im BGB entwickelte Konzept doch um den Aspekt der getrennten Bilanzierbarkeit einzelner Gebäudeteile erweitert (Abschn. 13 b EStR). Demnach können Gebäudeteile, die in einem von der eigentlichen Gebäudenutzung abweichenden Funktionszusammenhang unmittel-bar besonderen Zwecken dienen, als gesonderte Wirtschaftsgüter angesehen und damit getrennt aktiviert und abgeschrieben werden (Vgl. BFH-Beschluß vom 26.11.1973, BStBl 1974 IIS. 132).

192 Auf die in diesem Zusammenhang bedeutsame Abgrenzung der einzelnen Kategorien ge-sonderter Wirtschaftsgüter gem. Abschnitt 13b EStR wird an dieser Stelle nicht weiter ein-gegangen.

193 In diese Rahmen müssen auch die Regelungen der Erbbaurechtsverordnung (ErbbauVO), der Wertermittlungsverordnung (WertV) und des Bewertungsgesetzes (BewG) Berücksichti-gung finden.

185 Vgl. Bone-Winkel, Management, S. 20.

Auf rein physischer Ebene wird die Immobilie durch den Grund und Boden auf oder in dem sie sich befindet sowie den dreidimensionalen Raum und die darin enthaltenen, mit der Struktur des Objekts fest verbundenen Objekte definiert, die sie mittels ihrer physischen Substanz abgrenzt.'95 Dieser substanzorientierte Definitionsansatz deckt sich weitgehend mit den im vorangegangenen darge-stellten juristischen Definitionen und liefert damit keine zusätzlichen Erkennt-nisse.

Ein besseres Verständnis einer Immobilie wird erst dann erreicht, wenn man die dreidimensionale Sichtweise um die Zeit als vierte Dimension erweitert und zu-sätzlich die mittels der Immobilie verfolgten Ziele des Eigentümers bzw. In-vestors berücksichtigt. Durch diese Erweiterungen der physisch orientierten Konzeption um die Zeitkomponente erfährt das begriffliche Konzept der Im-mobilie zum einen eine Dynamisierung und läßt sich andererseits entsprechend der Zielsetzung des Eigentümers weiter differenzieren.'96 Auf Basis des sol-chermaßen modifizierten Konzeptes läßt sich zwischen einer produktionstheo-retischen und investitionstheoproduktionstheo-retischen Sichtweise der Immobilie

differenzie-_ differenzie-_ differenzie-_ 197

ren.

Unter produktionstheoretischen Gesichtspunkten stellen Immobilien langfri-stige Sachinvestitionen des nicht abnutzbaren (Grund und Boden) und abnutz-baren (Gebäude) Anlagevermögens einer Unternehmung dar'98, die dazu bestimmt sind, dem Geschäftsbetrieb des Unternehmens dauerhaft zu dienen.'99

In dieser potentialorientierten Sichtweise kommt der Immobilie die Funktion einer Unternehmensressource zu, die ihre Leistungseinheiten über die gesamte Dauer ihrer Existenz abgibt und damit die Basis jeder Produktion bildet. Sie ist damit nicht die unmittelbare Quelle des wirtschaftlichen Erfolges sondern

bil-195 In Anlehnung an Hines, Real Estate, S. 13 und Bone-Winkel, Management, S. 22.

196 Vgl. hierzu ursprünglich Graaskamp, Analysis, S. 513. Siehe auch Graaskamp, Fundamentals, S. 620; Pyhrr et al., Real Estate, S. 4.

'97 Vgl. Schäfers, Management, S. 15 f.

'98 Entsprechend der Bilanzgliederung nach § 266 Abs. 2 A II HGB ist eine Unterteilung nach abnutzbaren und nicht abnutzbaren Anlagevermögen für den Bilanzausweis nicht not-wendig.

' " Vgl. § 247 HGB i.V.m. § 266 Abs. 2 A II HGB.

det vielmehr „lediglich" die notwendige räumliche Hülle für die wirtschaftli-chen Aktivitäten des Investors. Aufgrund der Tatsache, daß die Immobilie damit nur mittelbar zum wirtschaftlichen Erfolg beiträgt, kommt ihr der Charakter einer Sekundärinvestition200 zu, so daß auf eine detaillierte Analyse der in die-sen Bereich fallenden Investitionen hier verzichtet werden muß.

Das investitionstheoretische Verständnis einer Immobilie ist durch das zentrale Konzept der Transformation von Raum-Zeit-Einheiten in Zeit-Geld-Einheiten gekennzeichnet.201 Für den Eigentümer repräsentiert die Immobilie eine be-stimmte Menge von Raumeinheiten, die über die Lebensdauer des Objekts zur Verfügung stehen und unmittelbar als Produkt am Markt angeboten werden können. Kann dieses Angebot erfolgreich plaziert werden, so erfolgt dies in Form einer vertraglich geregelten Nutzungsüberlassung an einen Dritten, für die der Eigentümer einen Preis (i.d.R. in Form von Miet- oder Pachtzahlungen) erhält.202

Wird eine Immobilie unter der oben dargestellten Zielsetzung erworben, so wird dieser Sachverhalt im allgemeinen als Kapitalanlage203 oder Investition in Immobilien bezeichnet.

Aus wirtschaftlicher Sicht stellt das „Produkt Immobilie" für den Investor dem-entsprechend ein Potential zukünftiger Forderungen gegenüber Dritten dar, das lediglich durch die mit der kontinuierlichen Produktion (Nutzungsüberlas-sung) verbundenen Auszahlungen204, welche nur zum Teil auf den Nutzer abwälzbar sind, geschmälert wird. Aus dieser Darstellung wird gleichzeitig er-sichtlich, daß der wirtschaftlichen Charakter einer Immobilie nicht durch die

200 Vgl. die in Kapitel 2.1.2 erfolgte Eingrenzung auf Primärinvestitionen.

201 Vgl. hierzu ursprünglich Pyhrr et al., Real Estate, S. 4. Siehe ebenfalls Abromeit-Kremser, Immobilieninvestmentfonds, S. 28; Borte-Winkel, Management, S. 23.

202 Vgl. Bone-Winkel, Management, S. 23.

Der Begriff der Kapitalanlage bezeichnet einen Prozeß der mittel- bis langfristigen Bindung finanzieller Mittel zum Zwecke der Erzielung einer Rendite sowie der Werterhaltung bzw. -Wachstum. Vgl. Büschgen, Börsen-Lexikon, S. 359. Zur detaillierten Behandlung des Begrif-fes der Kapitalanlage in Immobilien vgl. Schlag, Formen, S. 3 ff.

204 Auf die in diesem Rahmen relevanten Auszahlungs- bzw. Ausgabenpositionen wird in Kapi-tel 5.1 detailliert eingegangen.

Tatsache ihrer physischen Existenz, sondern lediglich durch ihre zielgerichtete Nutzung zur Erzielung von Einzahlungen begründet ist.205

Das substanzorientierte Verständnis einer Immobilie ist in diesem Rahmen nur insofern von Bedeutung, als es die Absatzchancen, den für die Nutzungsüber-lassung erzielbaren Preis und die mit dieser verbundenen Ausgaben maßgeb-lich mitbeeinflußt.

Zusammenfassend wird die Immobilie aus investitionstheoretischer Sicht damit durch die Folge zukünftiger Zahlungen beschrieben, die sich aus den Einnah-men aus der Nutzungsüberlassung an einen Dritten abzüglich der für den Eigentümer mit der Nutzungsüberlassung verbundenen Ausgaben ergibt.

2.2.1.3 Begriff der Gewerbeimmobilie

Nachdem im vorangegangenen Kapitel der Begriff der Immobilie eingehend beleuchtet wurde, stellt sich nun die Frage, ob die bisherige Beschreibung des Investitionsgegenstandes damit für die Untersuchung adäquat ist, oder ob die Gesamtheit der Immobilien weitergehend untergliedert werden muß. Eine wei-tergehende Systematisierung nach verschiedenen Immobilienformen erscheint dabei dann notwendig, wenn sich diese in wirtschaftlicher Hinsicht oder im Hinblick auf die relevanten gesetzlichen Regelungen signifikant voneinander unterscheiden.

Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem in Deutschland geltenden Mietvertragsrecht zu, das generell zwischen gewerblichen und priva-ten Mietverträgen differenziert. Während das private Mietvertragsrecht eine Sammlung exakt kodifizierter Vorschriften darstellt, die die Verfügungsmacht

205 Vgl. Sailer, Immobilienbewertung, S. 310. Tappan formuliert als Zielsetzung einer Kapital-anlage in Immobilien folgerichtig: „The purpose of investing in real estate is to transfer purchasing power through time while increasing real wealth". Vgl. Tappan, Financial Analysis, S. 1.

des Eigentümers weitgehend einschränken206, gilt für den Bereich der gewerbli-chen Miete weiterhin der Grundsatz der Vertragsfreiheit.207

Die gesetzliche Beschränkung seiner Verfügungsmacht stellt für den Eigentü-mer bzw. Investor eine klare Einengung seines Handlungsfeldes dar. Aus die-sem Grund ist es für ihn aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten von entscheiden-der Bedeutung, ob es sich bei entscheiden-der geplanten Investition um ein Engagement in eine Wohn- oder Gewerbeimmobilie handelt.

In der Literatur finden sich eine Reihe unterschiedlicher Ansätze zur Definition des Begriffs der Gewerbeimmobilie.208 Allen gemeinsam ist, daß sie zur Diffe-renzierung primär auf die Art der Nutzung der Objekte abstellen. Dementspre-chend lassen sich zwei generelle Definitionsansätze unterscheiden:

• Positivabgrenzung

Bei einer gewerblichen Immobilie handelt es sich um ein Objekt, in oder auf dem überwiegend gewerbliche Aktivitäten (Aktivitäten mit der eindeutigen Absicht zur Erzielung von Einnahmen) angesiedelt sind. Maßgeblich für die Einordnung eines Objektes ist dabei die Art und der Zweck der in dem durch die Immobilie definierten Raum ausgeübten Tätigkeiten.

Als in diesem Zusammenhang nicht relevant einzustufen ist hingegen, ob es sich bei dem Angebot an Raumleistungen durch den Eigentümer um eine gewerbliche Tätigkeit handelt oder nicht. Wird beispielsweise ein Objekt

206 Durch die Einführung der Mieterschutzgesetze Anfang der siebziger Jahre wurde der Ge-danke der „Sozialbindung des Eigentums" im Bereich der die Wohnungsmiete betreffen-den gesetzlichen Regelungen verankert (Vgl. Hohmann, K.: Markt, S. 439). Die vielfältigen Regelungen zum Schutz des Mieters schränken die Verfügungsmacht des Eigentümers im Vergleich zum Eigentum an einem gewerblichen Objekt deutlich ein und reichen von Beschränkungen der zulässigen Mieterhöhung (Vgl. §§ 2-7 MiethöheG sowie § 302a StGB) bis zum fast vollständigen Kündigungsschutz, sofern der Mieter das Vorliegen sozialer Härte nachweisen kann (Vgl. §§ 564; 565 BGB i.V.m. Sozialklausel vom 22.04.1993 Nr. 1c).

207 Diese Aussage ist insoweit einzuschränken, als momentan Bestrebungen erkennbar sind, die Regelungen des Wohnungsmietrechts auch auf den gewerblichen Bereich zu übertra-gen (vgl. beispielsweise Breiholdt, Schutz, S. 39). Obgleich der in dem Artikel angespro-chene Gesetzentwurf (Bundestagsdrucksache 13/206) keine Mehrheit fand, ist doch davon auszugehen, daß auch im gewerblichen Bereich zukünftig mit einer stärkeren Kodifizie-rung zu rechnen ist.

208 Vgl. z.B. Bone-Winkel, Management, S. 33; Hohmann, Markt, S. 438; Völker, Markt, S. 10.

vom Eigentümer ausschließlich zu Wohnzwecken vermietet, so ist es eindeu-tig als Wohnimmobilie einzustufen, obgleich die Vermietung an sich durch-aus im Rahmen einer gewerblichen Tätigkeit erfolgen kann.

• Negativabgrenzung

Hiernach sind unter Gewerbeimmobilien alle die Objekte zu fassen, die nicht - oder zumindest nicht überwiegend - zu Wohnzwecken dienen.209

Die einzige exakte Definition des hierzu notwendigen Grenzwertes der Zweckbestimmung einer Immobilie findet sich im Steuerrecht. Gemäß dem Urteil des BFH vom 09.09.1980210 dient ein Objekt nämlich dann überwiegend zu Wohnzwecken, wenn das Verhältnis der Nutzflächen (Wohnflächen zu gewerblich genutzten Flächen) 66 2/3 % übersteigt.2"

Auch dieser Definitionsansatz stellt damit auf die direkte Nutzung des durch die Immobilie definierten dreidimensionalen Raumes ab und vernachlässigt die Gewerblichkeit der Handlungen des Eigentümers, sofern das Objekt nur Gegenstand nicht aber Ort dieser Aktivitäten ist.

Da im Rahmen der in Kapitel 1.1 erfolgten Problemstellung die Behandlung von Wohnimmobilien aufgrund der mit ihnen verbunden steuerlichen und an-derer Spezialprobleme ausgegrenzt wurde, wird im folgenden die oben erläu-terte Negativabgrenzung einer gewerblichen Immobilie zugrundegelegt.

2.2.2 Systematisierung gewerblicher Immobilien

Die im vorangegangenen Kapitel vorgenommene Abgrenzung gewerblicher Immobilien umfaßt in der dargestellten Form eine Vielzahl von in der Praxis vorkommenden Erscheinungsformen mit unterschiedlichsten Charakteristika.

209 Vgl. Hohmann, Markt, S. 438.

210 Vgl. BFH-Urteil vom 09.09.1980, BStBl 1981 II S. 258 und 260. In diesem Urteil befaßte sich der BFH mit der Zulässigkeit der Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen für Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen gem. § 7b EStG.

Diese reichen von generellen Unterschieden in der Konzeption der Immobilie212 über Unterschiede in den die spezielle Nutzungsform betreffenden gesetzli-chen Regelungen bis hin zu nur bei bestimmten Immobilientypen vorzufinden-den spezifischen Mietvertragsformen.

Da viele dieser Charakteristika einen unmittelbaren Einfluß auf die wirtschaftli-chen Konsequenzen eines Engagements in die betreffende Immobilie haben können213, empfiehlt es sich, zunächst eine Systematik gewerblicher Immobi-lienformen zu entwickeln. Als Grundlage einer solchen Systematik gewerblicher Immobilien wird, analog zu den in der Literatur214 vorgestellten Schemata, die Nutzungsform der Immobilien als Gliederungsmerkmal herangezogen und auf dieser Basis die in Abbildung 12 dargestellte Klassifizierung entwickelt. Ziel die-ser Vorgehensweise ist es, Immobilientypen zu identifizieren, deren wirtschaft-liche Charakteristika aus Sicht des potentiellen Investors möglichst gleichartig sind, um daraus Rückschlüsse auf die an deren zielgerichtete Analyse zu stel-lenden Anforderungen ziehen zu können.

211 Vgl. BFH-Urteil vom 09.09.1980, BStBl 1981 II S. 260 bei sinngemäßer Anwendung der §§ 43 und 44 II BerV.

212 So unterscheiden sich beispielsweise sowohl das rein technisch-räumliche als auch das wirt-schaftliche Konzept einer mit mehreren Mietern operierenden Handelsimmobilie offen-sichtlich deutlich von denen einer auf einen einzelnen Mieter zugeschnittenen Büroimmo-bilie.

213 In diesem Zusammenhang ist unter anderem auf die im Bereich der Einzelhandelsimmo-bilien gebräuchliche Variante der umsatzabhängigen Miete hinzuweisen. Hierdurch wird der InvestorA/ermieter im Gegensatz zu anderen Mietvertragsformen, entsprechend der konkreten Ausgestaltung des Vertrages unmittelbar an den wirtschaftlichen Chancen und Risiken seines Mieters beteiligt.

214 Vgl. beispielsweise Schmitz-Morkramer, Beurteilung, S. 416; Platz, Immobilienmanagement, S. 28; Völker, Der Markt, S. 10; Bone-Winkel, Management, S. 32 ff.; Nagel, Analyse, S. 15 ff.

GEWERBEIMMOBILIEN I

Abbildung 12: Gewerbliche Immobilientypen nach Nutzungsformen215

Hinsichtlich der angestrebten wirtschaftlichen Analyse eines Engagements in gewerbliche Immobilien können durch die erfolgte Segmentierung eine Reihe weiterer Informationen gewonnen werden:

Aufgrund der Segmentierung nach Nutzungsformen wurden Immobilientypen identifiziert, die eine starke Ähnlichkeit bezüglich ihrer rechtlichen und einzel-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen216 aufweisen.217 Hinsichtlich ihrer Analyse mittels der Methoden der Investitionsrechnung werden durch diese Tatsache bestimmte typenspezifische Anforderungen und Restriktionen an das jeweilige Objekt formuliert, die sich in spezifischen wirtschaftlichen Konsequenzen nie-derschlagen und auf die in späteren Kapiteln noch näher einzugehen sein wird.

215 In Anlehnung an Völker, Der Markt, S. 10 und Nagel, Analyse, S. 15 ff. Eine über die in Abbildung 12 dargestellte Segmentierung hinausgehende Untergliederung innerhalb der

215 In Anlehnung an Völker, Der Markt, S. 10 und Nagel, Analyse, S. 15 ff. Eine über die in Abbildung 12 dargestellte Segmentierung hinausgehende Untergliederung innerhalb der

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