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Unterschiede im Infektionsmuster vektorübertragener im Blut zirkulierender Parasitenstadien bei sympatrischen madagassischen Primatenarten (Microcebus murinus, Parasitenstadien bei sympatrischen madagassischen Primatenarten (Microcebus murinus,

M. ravelobensis)

Annette Klein1,2, Christina Strube2, Ute Radespiel1, Andrea Springer2, Elke Zimmermann1 (2019):

Differences in infection pattern of vector-borne blood-stage parasites of sympatric Malagasy primate species (Microcebus murinus, M. ravelobensis)

International Journal for Parasitology: Parasites and Wildlife 10, 59-70 doi: 10.1016/j.ijppaw.2019.07.003

1 Institut für Zoologie, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

2 Institut für Parasitologie, Zentrum für Infektionsmedizin, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover

Abstract

The dynamic relationship of vector-borne parasites, arthropod vectors and their hosts is prone to change under the influence of climate change, global integration, shifting demographics and deforestation. It is therefore essential to better understand parasitism in wildlife populations, including parasites transmitted by blood-feeding vectors, and explore host range and heterogeneity of parasitic infections. We investigated Giemsa stained blood smears of two sympatric Malagasy primate species (Microcebus murinus: 184 samples from 69 individuals and M. ravelobensis: 264 samples from 91 individuals) for blood-stage parasites and tested for a potential influence of host species, sex, body mass and sampling month on blood-stage parasite prevalence and infection intensity. No protozoan parasites were detected in either host species. A host-specific difference was observed in filarial nematode infections, with higher risk of infection in M. murinus (prevalence 30.43 %), than in M. ravelobensis (prevalence 6.59 %), which may be explained by differences in host behavior and/or immune competence, linked to the period of host-parasite coevolution. Neither sex nor sampling month influenced infection prevalence or intensity significantly. We did not observe a negative effect of microfilarial infections on host fitness when taking body mass as a proxy. Our results support the hypothesis of a long-term evolutionary adaptation of hosts and parasites, leading to

Publikationen 16

persistent infection with low morbidity. Morphological and molecular analyses indicate the finding of a new species, “Lemurfilaria lemuris”. Genetic analysis furthermore showed > 99 % sequence identity with microfilariae described from a sympatric, larger-bodied lemur species of a different genus, suggesting low host-specificity of the detected filariae and pathogen transmission across genus boundaries. Findings contribute to a more comprehensive picture of vector-borne diseases of Malagasy lemurs.

Erklärung über den eigenen Anteil an der Publikation:

Konzept, Versuchsplanung: Elke Zimmermann, Ute Radespiel, Christina Strube Experimentelle Durchführung: Annette Klein

Datenanalyse: Annette Klein, Ute Radespiel

Diskussion, Beratung: Annette Klein, Christina Strube, Ute Radespiel, Andrea Springer, Elke Zimmermann

Manuskript, Korrespondenz: Annette Klein, Elke Zimmermann

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Diskussion

Parasiten sind Bestandteile intakter Ökosysteme und als solche unweigerlich in ständiger Interaktion mit freilebenden Wildtierpopulationen. Obgleich der Parasit für den Wirt nachteilig ist, sind Parasiten aufgrund ihres maßgeblichen Einflusses auf die Umweltstrukturen für das Gleichgewicht natürlicher Systeme und eine stabile Populationsdynamik essenziell (SPENCER

u.ZUK 2016). Wird ein solches System jedoch durch zusätzliche Stressoren, wie beispielsweise extreme klimatische Bedingungen oder anthropogene Aktivitäten, wie exzessive Abholzung, Brandrodung oder Jagd, aus dem Gleichgewicht gebracht, können parasitäre Infektionen drastische Auswirkungen auf die Wirtstierpopulation haben (BELDOMENICO u.BEGON 2016).

Im Zusammenhang mit Madagaskar wird häufig von einer Biodiversitätskrise gesprochen, da Armut und Bevölkerungswachstum vor dem Hintergrund unsicherer politischer Verhältnisse zu einem massiven Habitats- und Biodiversitätsverlust geführt haben. Zugleich ist der Inselstaat geprägt durch eine einzigartige Flora und Fauna, regional steile Umweltgradienten und einen vielerorts auftretenden Mikroendemismus, was die Möglichkeit bietet, potenzielle Faktoren adaptiver Radiation zu untersuchen (VENCES et al. 2009). Der Vergleich sympatrischer Arten in einem Habitat oder einer Art in verschiedenen Habitaten kann Hinweise auf Treiber der evolutionären Diversifizierung geben. Vor diesem Hintergrund wurden diverse Untersuchungen zu Genetik (GUSCHANSKI et al. 2007, HAFEN et al. 1998, HECKMAN et al. 2007, PASTORINI et al. 2001, RADESPIEL et al. 2009, RADESPIEL et al. 2001, SCHNEIDER et al. 2010), Verhalten (BRAUNE et al. 2005, EICHMUELLER et al. 2013, RADESPIEL 2000, RADESPIEL et al.

2006, THORÉN et al. 2010, THORÉN et al. 2011, THORÉN 2011, WEIDT et al. 2004) und Habitatnutzung (CHANU et al. 2012, RAKOTONDRAVONY u.RADESPIEL 2009, RENDIGS et al.

2003, STEFFENS UND LEHMAN 2018, STEFFENS et al. 2016) der sympatrischen Mausmakiarten M. murinus und M. ravelobensis im Nordwesten Madagaskars durchgeführt. Eine umfassende Erhebung der parasitären Belastung beider Arten hinsichtlich Ektoparasiten sowie im Blut befindlichen Parasitenstadien als auch die Betrachtung einer möglichen Heterogenität der Infektionsmuster vor dem Hintergrund bekannter Unterschiede zwischen M. murinus und M.

ravelobensis sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

Schlafplatzökologie von M. murinus und M. ravelobensis

Einer der markantesten Unterschiede zwischen grauem und goldbraunem Mausmaki liegt in ihrer Schlafplatzökologie. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde ein Teil der Studientiere (n = 33; M. murinus: 10♀♀, 5♂♂, M. ravelobensis: 9♀♀, 9♂♂) mit 2,5 g wiegenden

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Sendehalsbändern (TW4 button cell Tags, Biotrack, Wareham, UK) ausgestattet. Diese ermöglichen eine Lokalisation des Fokustieres mittels Telemetrie, sodass Daten zum Schlafplatzverhalten der Tiere erhoben werden können. In der Literatur beschriebene artspezifische Schlafplatzpräferenzen (RADESPIEL et al. 2003) wurden auch in der vorliegenden Arbeit beobachtet. Von 405 auswertbaren Lokalisationen für M. ravelobensis wurde der Schlafplatz 386-mal als Nest oder offene Vegetation charakterisiert. Dabei waren, wann immer ein visueller Kontakt zum Fokustier möglich war, jedes Mal mindestens zwei Individuen an einem Schlafplatz anzutreffen. Bei M. murinus wurde bei 88 % der 489 auswertbaren Lokalisationen der Schlafplatz als Baumhöhle bzw. höhlenartig (z.B. Hohlräume unter abgeplatzter Baumrinde oder hohle Wurzeln) angesprochen. Im Bezug zum Sozialgefüge am Schlafplatz wurden jedoch Unterschiede zu vorangegangenen Studien festgestellt. Während männliche M. murinus, wie zuvor beschrieben, vorwiegend solitär schliefen, waren weibliche Tiere nur selten in Gruppen anzutreffen. Von zwei in Gesellschaft schlafenden Individuen wurde ein Sozialpartner einer madagassischen Hundskopf-Boa (Sanzinia madagascariensis) zur Beute. Das andere Fokustier blieb daraufhin für den weiteren Studienverlauf solitär. Erst im folgenden Frühjahr (ab März 2016) waren bei weiblichen M. murinus wieder soziale Gruppen zu beobachteten und phenotypische Merkmale, wie z.B. die Körpergröße legen nahe, dass es sich bei den Partnertieren um den Nachwuchs aus der vorangegangenen Reproduktionszeit handelte. Diese Beobachtung deckt sich mit genetischen Untersuchungen von Schlafgruppen (EBERLE u. KAPPELER 2006, RADESPIEL et al. 2001), in denen ein hoher Verwandtschaftsgrad zwischen den Individuen einer sozialen Gruppe identifiziert wurden.

Abbildung 1: M. murinus in einer Baumhöhle (A), M. ravelobensis in einem Nest (B), weiblicher M. murinus mit Jungtieren (C)

C

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Die für Mausmakis beschriebene hohe Predationsrate (GOODMAN et al. 1993) war auch unter den besenderten Tieren zu erkennen. Zwei weibliche M. murinus wurden von madagassischen Hundskopf-Boas (Sanzinia madagascariensis) gefressen. Das Sendersignal eines weiteren M.

ravelobensis wurde zuletzt in einem Erdloch lokalisiert, was ebenfalls darauf hindeutet, dass das Tier Beute einer Schlange wurde. Das Auffinden des noch geschlossenen Sendehalsbandes eines männlichen M. murinus auf dem Waldboden legte nahe, dass das entsprechende Fokustier von einem Greifvogel geschlagen wurde. Von den insgesamt 33 besenderten Individuen verstarben sieben (21,2 %). Bei zehn weiteren Tieren ging das Signal im Laufe der Studienzeit verloren, was durch eine aufgebrauchte Batterie, einen defekten Sender, das Abwandern männlicher Individuen zu Beginn der Reproduktionszeit oder den Tod des Fokustieres und ein Verschleppen des Kadavers durch den Beutegreifer erklärt werden kann. Von den 143 zwischen April und November 2015 gefangenen Individuen konnten 35 in der zweiten Feldperiode von März bis Mai 2016 wiedergefangen werden. Diese Wiederfangrate von 24,48 % ist geringer als die zuvor in diesem Studiengebiet dokumentierten Raten von 26-44,9 % (RADESPIEL et al.

2003) und deutet auf eine hohe jährliche Fluktuation in den untersuchten Mausmakipopulationen hin.

Ektoparasiten von M. murinus und M. ravelobensis im Ankarafantsika-Nationalpark Im ersten Teil der vorliegenden Arbeit wurde der Ektoparasitenbefall von M. murinus und M. ravelobensis im Verlauf von zwei Feldperioden von April bis November 2015 und von März bis Mai 2016 untersucht. Bisher wurden madagassische Lemuren als Wirte von Zecken (Ixodes lemuris, Haemaphysalis lemuris und H. simplex), Milben (z.B. Psoroptidae, Laelaptidae), Läusen (Lemurpediculus spp., Phthirpediculus spp.), Haarlingen (Trichophilopterus babakotophilus), endemischen Lausfliegenarten (Allobosca crassipes, Parabosca alata) und einer eingeführten Flohart (Echidnophaga gallinacean) identifiziert (für Katzenmakis, Cheirogaleidae, zusammengefasst von ZOHDY u.DURDEN 2016). Die ektoparasitäre Belastung der Mausmakipopulationen im Ankarafantsika-Nationalpark wurde bisher jedoch noch nicht systematisch erfasst. Auch fehlen Daten zu saisonalen Schwankungen der Befallsextensität mit verschiedenen Ektoparasitenarten. In dieser Arbeit wurden Läuse, Zecken und zwei Milbenarten der Familien Trombiculidae und Laelaptidae gefunden, auf die im Folgenden einzeln eingegangen wird.

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Läuse (Lemurpediculus spp.)

Läuse der Unterordnung Anoplura sind obligate, stationäre Parasiten, die spezielle morphologische Anpassungen an ein Leben auf dem Säugetierwirt entwickelt haben, wie beispielsweise kräftige tibio-tarsale Klauen für das Festhalten an Haaren und stechende Mundwerkzeuge, um die Haut zu durchdringen, sodass die Aufnahme von Blut als Nahrung ermöglicht wird (LIGHT et al. 2010). Die Zeit, die Läuse abseits des Wirtstieres überleben können, ist eng begrenzt. Ferner zeichnen sich Läuse durch eine hohe Wirtsspezifität aus und werden in ihrer Populationsdynamik von wirtsbedingten Faktoren beeinflusst. So wurde ein massiver Anstieg der Population von Lemurpediculus verruculosus kurz vor Beginn der Paarungszeit des Wirtes M. rufus im Osten Madagaskars beobachtet, der möglicherweise durch einen Anstieg der Geschlechtshormone im aufgenommenen Blut veranlasst oder getriggert wurde (ZOHDY et al. 2012). Eine Abhängigkeit der Parasitenentwicklung vom Hormonstatus des Wirtes wurde bereits beim Kaninchenfloh, Spilopsyllus cuniculi, beschrieben (ROTHSCHILD

u. FORD 1964). Bezüglich ihrer Verbreitung sind Läuse auf den direkten Körperkontakt von Wirtstieren angewiesen, um von einem Individuum auf das nächste übertragen werden zu können. Eine erhöhte Frequenz sozialer Interaktionen während der Paarungszeit erhöht daher auch die Übertragungsmöglichkeiten für Läuse und eine gesteigerte Reproduktionsaktivität zur Fortpflanzungszeit des Wirtes kann sich somit als vorteilhaft für den Parasiten erweisen. In der vorliegenden Studie wurde ein signifikant höheres Infestationsrisiko mit Läusen bei M. ravelobensis festgestellt. Die Sozialstrukturen am Schlafplatz des goldbraunen Mausmakis, die einen unmittelbaren Körperkontakt potenzieller Wirte gewährleisten, tragen möglicherweise zu einer schnelleren Ausbreitung der Parasiten innerhalb der M. ravelobensis-Population bei. Ebenso war ein Anstieg der Prävalenz bei beiden Mausmakiarten mit der Zunahme der Hodengröße ab Anfang Juli zu beobachten. Diese Beobachtung ist jedoch nicht allein dem Einfluss von Geschlechtshormonen zuzuschreiben. So ist für Schafe bekannt, dass gestresste Tiere oder solche in schlechter körperlicher Verfassung einen signifikant erhöhten Lausbefall aufweisen (SERTSE u.WOSSENE 2007). Ein signifikanter Einfluss des Stresshormons Kortisol auf den Ektoparasitenbefall wurde bei M. rufus beobachtet, wobei Individuen mit einem höheren Kotkortisolspiegel eine höhere Befallsintensität mit L. verruculosus aufwiesen (ZOHDY et al. 2017). Für die Mausmakis im Ankarafantsika-Nationalpark bedeutet die Trockenzeit eine Zeit der Ressourcenknappheit und entsprechend nutritiven Stress. Die Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Nahrungsressourcen, wie Früchte, Blüten oder Nektar sinkt über den Verlauf der Trockenzeit, bis im September wieder ein erstes Aufblühen der Vegetation beobachtet werden kann (THORÉN et al. 2011). Diese saisonalen Schwankungen

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wurden durch Veränderungen der Körpermasse der Studientiere reflektiert. Bei adulten Mausmakis wurde in der vorliegenden Studie eine mittlere Abnahme von 5,84 ± 0,8 g zwischen Anfang und Ende der Trockenzeit 2015 beobachtet, in der darauffolgenden Regenzeit stieg das Gewicht wieder um 7,54 ± 0,8 g. Dabei waren Gewichtsänderungen innerhalb und zwischen den Jahreszeiten bei M. ravelobensis prominenter als bei M. murinus. Saisonale Variationen im Hodenvolumen waren bei beiden Studienarten gleichermaßen präsent. Entsprechend liegt der Schluss nahe, dass die saisonalen Veränderungen der Befallsextensität mit Läusen durch additive Effekte wirtsinterner (Hormonstatus, Paarungszeit) und externer Faktoren (nutritiver Stress) beeinflusst wurden.

Eine Speziesbestimmung der von M. murinus und M. ravelobensis stammenden Läuse war nicht möglich. Morphologisch wurden sie der Gattung Lemurpediculus zugeordnet, wobei sie eine große Ähnlichkeit zu Lemurpediculus verruculosus (DURDEN et al. 2010) besaßen. Der Abgleich spezifischer morphologischer Charakteristika in dieser Arbeit gesammelter Läuse mit der kürzlich bei M. murinus im Ankarafantsika-Nationalpark beschriebenen neuen Art Lemurpediculus madagascariensis (DURDEN et al. 2018) ermöglichte keine eindeutige Zuordnung. Eine rein morphologische Artbestimmung wird durch die hohe intraspezifische Variabilität einzelner Lausspezies kompliziert. Kopf- und Körperlaus des Menschen wurden beispielsweise lange Zeit als distinkte Arten angesehen, da sie markante morphologische Unterscheidungsmerkmale aufweisen. Molekulargenetische Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass es sich bei der Körperlaus um einen unterschiedlichen Phänotyp des gleichen Genotyps handelt. Beide Spezies sind somit unterschiedliche Ökotypen einer Art, die entsprechende Anpassungen an Mikrohabitate aufweisen (VERACX u. RAOULT 2012).

Molekulargenetische Untersuchungen eines Sequenzabschnitts des 18S rRNA-Gens bestätigten die Genus-Zuordnung zu Lemurpediculus in der vorliegenden Arbeit. Der Vergleich zusätzlich generierter Cytochrom c Oxidase Untereinheit I (COI)-Sequenzabschnitte zeigte jedoch wesentliche Unterschiede zu publizierten Sequenzen von L. verruculosus. COI-Sequenzen weiterer Lemurpediculus-Arten sind derzeit noch nicht verfügbar. Um eine korrekte taxonomische Einordung der in dieser Arbeit untersuchten Läuse vornehmen zu können, ist es erforderlich, in zukünftigen Arbeiten morphologische und molekulargenetische Untersuchungen zu kombinieren. Die hohe Wirtspezifität von Läusen (KIM 2006) legt nahe, dass unterschiedliche Mausmakiarten von unterschiedlichen Lausarten befallen werden. Die beiden COI-Sequenzabschnitte, die im Rahmen dieser Arbeit generiert wurden, stammen von der Laus eines M. murinus und der eines M. ravelobensis. Ein Sequenzvergleich ergab eine paarweise Übereinstimmung von 85,08 %, was für das Vorliegen zweier distinkter Arten

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spricht. Jedoch ist eine umfassendere Untersuchung eines größeren Stichprobenumfangs erforderlich, um intra- und interspezifische genetische Variabilität zu ergründen und die Existenz einer möglichen, bislang unbeschriebenen Lausart bei den beiden untersuchten Mausmakispezies zu validieren.

Zecken (Haemaphysalis sp. microcebi)

Zecken (Ixodida) sind temporäre Ektoparasiten aus der Unterklasse der Acari (Milben). Eine Assoziation zum Wirt ist bei vielen Arten auf die Zeiträume der Blutmahlzeit beschränkt und ausgedehnte Phasen des Lebenszyklus, wie die Häutung zum nächsten Entwicklungsstadium oder die Eiablage erfolgen in der Umwelt. In der vorliegenden Arbeit wurden Larven, Nymphen und adulte Zecken der Gattung Haemaphysalis auf beiden Mausmakiarten detektiert. In der Mitte des letzten Jahrhunderts befasste sich Harry Hoogstraal intensiv mit der Charakterisierung madagassischer Zecken, insbesondere der Gattung Haemaphysalis, und ergänzte die bis zum damaligen Zeitpunkt beschriebenen Arten [H. elongata, H. simplex (NEUMANN 1901), H. obtusa (DÖNITZ 1910) und H. hoodi madagascariensis (COLAS -BELCOUR UND MILLOT 1948)] um neun weitere (H. anoplos, H. eupleres, H. fossae, H. lemuris, H. nesomys, H. simplicima, H. subelongata, H. theilerae und H. tiptoni) (HOOGSTRAAL 1953, HOOGSTRAAL u. CAMICAS 1977, HOOGSTRAAL et al. 1965, HOOGSTRAAL et al. 1966, HOOGSTRAAL et al. 1967). Neuere Studien zu parasitären Infestationen von Lemuren identifizierten detektierte Schildzecken basierend auf diesen Originalbeschreibungen. Im Zuge einer phylogenetischen Untersuchung madagassischer Ixodes-Spezies wurden zudem COI-Sequenzen für H. lemuris generiert (BLANCO et al. 2013). Während morphologische Charakteristika der in dieser Arbeit gesammelten Zecken konform zu H. lemuris waren, wies ein 760 bp langes Fragment des COI-Genes nur 85 % paarweise Übereinstimmung mit den bisher publizierten Sequenzen auf. Diese genetische Divergenz spricht für das Vorliegen von zwei distinkten Arten. Für die in dieser Arbeit gefundene Art wurde daher der Name

„Haemaphysalis sp. microcebi“ vorgeschlagen. Es konnten jedoch hauptsächlich Larven und Nymphen und nur zwei adulte männliche Zecken gesammelt werden. Bedenkt man, dass Adulte als wesentliches diagnostisches Stadium für die Identifikation von Zeckenspezies angesehen werden und entsprechend eine morphologische Bestimmung meist auf den Charakteristika adulter Exemplare basiert (ANDREWS et al. 1992), ist es essenziell, weitere Proben einschließlich adulter Weibchen zu erhalten, um die neue Art vollständig zu beschreiben.

Ähnlich wie bei den Läusen zeigen auch die Ergebnisse zur Artbestimmung der Zecken die

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Grenzen einer rein morphologischen Identifikation und verdeutlichen den Wert zusätzlicher genetischer Untersuchungen.

Das Vorkommen der unterschiedlichen Entwicklungsstadien von Haemaphysalis sp. microcebi bei Mausmakis war stark saisonal geprägt. Larven wurden in den frühen Monaten der Trockenzeit (Mai, Juni und Juli) beobachtet, während Nymphen, die den Großteil des gesammelten Probenmaterials ausmachten, von Juni bis November auf den Tieren gefunden wurden. Die zwei adulten Männchen wurden im März und April 2016 gesammelt. Diese saisonale Verteilung im Auftreten verschiedener Entwicklungsstadien von H. sp. microcebi lässt sich mit einem univoltinen Lebenszyklus erklären, das heißt der Entwicklung einer Generation pro Jahr, wie kürzlich auch für H. lemuris postuliert wurde (RODRIGUEZ et al. 2015).

Haemaphysalis spp. sind dreiwirtige Zecken, die jeweils einen neuen Wirt für jeden Entwicklungsschritt aufsuchen. Die Zeckenlarven befallen Mausmakis in der frühen Trockenzeit und entwickeln sich dann zu Nymphen, welche bis in die Regenzeit hinein während der Blutmahlzeit am Mausmakiwirt detektiert werden können. Adulte Individuen präferieren größere Wirtstiere, wie beispielsweise größere Lemurenarten, Tenreks oder eingeführte Arten, und sind in der Regenzeit anzutreffen. Die Tatsache, dass in der vorliegenden Studie auch zwei adulte männliche Haemaphysalis-Zecken von M. murinus entfernt wurden, deutet jedoch darauf hin, dass Mausmakis auch durchaus Wirte für adulte Zecken darstellen können.

Abbildung 2: Vorgeschlagener Lebenszyklus für Haemaphysalis sp. microcebi

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In der vorliegenden Arbeit war die Zeckenprävalenz bei M. murinus signifikant höher als bei M. ravelobensis. Der Zeckenbefall eines Tieres wird einerseits durch die Wahrscheinlichkeit, mit wirtssuchenden Zecken in Kontakt zu kommen, und andererseits durch die Fähigkeit des Wirtes, sich effektiv angehefteter Parasiten zu entledigen, beeinflusst. Microcebus murinus und M. ravelobensis zeigen ein omnivores, diverses Ernährungsspektrum, das sich aus tierischen und pflanzlichen Bestandteilen zusammensetzt. Sie suchen beide auch die unteren Vegetationsschichten des Waldes während der Nahrungssuche auf (RADESPIEL et al. 2006), und die Exposition zu wirtssuchenden Zecken, die sich in der Regel weniger als einen Meter über dem Boden aufhalten, ist somit für beide Arten gegeben. Allerdings zeigten Untersuchungen zu Aktivitätsmustern und Nahrungsökologie (RADESPIEL et al. 2006, THORÉN et al. 2011) saisonale Unterschiede auf. Während in der Trockenzeit die Ernährung von Honigtau, dem zuckerhaltigen Ausscheidungsprodukt von Hemipterenlarven, und den Harzen verschiedener Baumspezies dominiert wird, nimmt mit Beginn der Regenzeit der Anteil an Früchten in der Nahrung zu. Somit steigt die Verfügbarkeit von Nahrungsressourcen in den höheren Waldschichten und verringert die Notwendigkeit, zum Waldboden herabzusteigen, was möglicherweise zu einer geringeren Exposition gegenüber Zecken führt. Der in der vorliegenden Arbeit beobachtete Gipfel der Zeckenprävalenz in der Trockenzeit und deren Abnahme während der Regenzeit stehen im Einklang mit den genannten saisonalen Veränderungen im Nahrungssuchverhalten von M. murinus und M. ravelobensis.

Das geschützte Mikrohabitat einer Baumhöhle, das regelmäßig von einem potenziellen Wirtstier aufgesucht wird, bietet vorteilhafte Bedingungen für temporäre Ektoparasiten. Sie schützen freilebende Entwicklungsstadien vor Umwelteinflüssen, insbesondere vor direkter Sonneneinstrahlung und gesteigertem Flüssigkeitsverlust. Zugleich wird der Kontakt zu einem geeigneten Wirt für die nächste Blutmahlzeit erleichtert. Einige Schildzecken zeigen daher eine Synchronisation ihres Abfallens vom Wirt mit den Aktivitätsperioden des Wirtstieres (OLIVER

JR 1989). Ein klassisches Beispiel dafür ist die Kaninchenzecke, Haemaphysalis leporispalustris, bei welcher 90 % der Larven, Nymphen und Adulten innerhalb eines Zeitintervalls von sechs Stunden, zwei Stunden vor Einsetzen der Dämmerung abfallen. In dieser Tagesphase halten sich die als Wirte dienenden Baumwollschwanzkaninchen (Sylvilagus spp.) in der Regel im Bau auf (GEORGE 1971). Die bevorzugte Wahl von Baumhöhlen als Tagesschlafplatz bei M. murinus birgt somit möglicherweise ein erhöhtes Expositionsrisiko für Haemaphysalis-Zecken und könnte die beobachtete höhere Prävalenz erklären. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde jedoch darauf verzichtet, die Schlafplätze der besenderten Fokustiere auf Ektoparasiten zu untersuchen, da diese häufig schwer

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zugänglich sind und zudem Störungen des Habitats der Studientiere so gering wie möglich gehalten werden sollten, um Langzeitdaten nicht zu beeinträchtigen. Ein Einfluss des Schlafplatzes auf die Zeckenprävalenz bleibt somit hypothetisch.

Anhaftende Zecken können durch die eigene („self-grooming“) oder soziale Körperpflege („allogrooming“) entfernt werden. Lemuren besitzen eine spezielle Zahnanordnung im Unterkiefer mit eng angeordneten, nach rostral gerichteten Inzisivi und Canini. Dieser Zahnkamm bildet ein effektives Werkzeug für die Körperpflege (EAGLEN 1980). Die große Mehrheit der Zecken in dieser Arbeit wurden jedoch an den Ohren der Studientiere gefunden, einer Lokalisation, die mit den Zähnen beim self-grooming nicht erreicht werden kann. Der höhere Grad an Sozialkontakten und entsprechend höhere allogrooming-Raten am Schlafplatz von M. ravelobensis können zum Entfernen von Zecken an schwer zugänglichen Körperregionen beitragen und somit die geringere Prävalenz bei M. ravelobensis erklären.

Beobachtungen der besenderten Fokustiere zeigten, dass die Individuen einer Schlafgruppe bei Einbruch der Dämmerung zunächst einige Minuten mit sozialer Körperpflege verbrachten, bevor sie solitär auf Nahrungssuche gingen. In vorangegangenen Studien zum Sozialverhalten von goldbraunen Mausmakis wurde allogrooming zwischen Schlafgruppenmitgliedern auch während einiger sozialer Interaktionen im Laufe der Nacht dokumentiert (QUIETZSCH 2009).

Milbenarten der Familien Trombiculidae und Laelaptidae

In der vorliegenden Arbeit wurde erstmals ein Befall mit Milben aus der Familie der Laufmilben, Trombiculidae, bei Microcebus-Spezies beschrieben. Laufmilben sind mit über 3000 beschriebenen Arten weltweit verbreitet (GOFF et al. 1982), die Trombikuliden-Fauna Madagaskars ist jedoch noch kaum erforscht. Entsprechend konnten die gesammelten Proben, die aus Hautgeschabseln von M. murinus und M. ravelobensis stammten, nicht auf Artebene

In der vorliegenden Arbeit wurde erstmals ein Befall mit Milben aus der Familie der Laufmilben, Trombiculidae, bei Microcebus-Spezies beschrieben. Laufmilben sind mit über 3000 beschriebenen Arten weltweit verbreitet (GOFF et al. 1982), die Trombikuliden-Fauna Madagaskars ist jedoch noch kaum erforscht. Entsprechend konnten die gesammelten Proben, die aus Hautgeschabseln von M. murinus und M. ravelobensis stammten, nicht auf Artebene