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2 Infektionen der Atemwege

2.3 Erkrankungen der Atemwege verursacht durch respiratorische Viren

2.3.2 Infektionen des unteren Respirationstrakts

Etwa ein Drittel aller Säuglinge mit respiratorischen Virusinfektionen entwickeln Symptome der unteren Atemwege wie Tachypnoe, Giemen, schweren Husten und Dyspnoe. Diese Symp-tome können von folgenden klinischen Zeichen begleitet werden: Nasenflügeln, Jugular-, Interkostal- und Thorax-Einziehungen, Zyanose, Knistern, inspiratorischen Rasselgeräuschen oder allgemein reduzierten Atemgeräuschen bei Auskultation des Thorax [46]. Im Folgenden werden die Infekte der unteren Atemwege (LRTI) kurz zusammenfassend dargestellt.

2.3.2.1 Akute Laryngotracheobronchitis (Krupp-Syndrom)

Die akute Laryngotracheobronchitis ist eine altersspezifische Virusinfektion der unteren und oberen Atemwege, die im subglottischen Bereich eine Entzündung hervorruft [128]. Die akute Schwellung führt zu einer Verengung der Atemwege, was sich in Form eines auffälligen inspi-ratorischen Stridors (in Ruhe oder bei Erregung), sowie einer heiseren Stimme, bellendem Husten und in schweren Fällen verstärkten Atembewegungen bemerkbar macht [97, 129].

Diese Symptomatik wird auch zusammenfassend als Krupp-Syndrom (Syn. Pseudokrupp) be-zeichnet. Die Krankheit betrifft vorwiegend Kinder zwischen 6 Monaten und 6 Jahren und häufige Prodromalsymptome sind Schnupfen, Fieber und Pharyngitis [128]. Alter, Geschlecht und eine bisher unbekannte Veranlagung des Kindes beeinflussen die Anfälligkeit und

25 Schwere der Infektion. Viele Kinder entwickeln das Krupp-Syndrom nur einmal im Laufe ihrer Kindheit trotz mehrfacher Infektion mit den Viren [97].

Das PIV ist der häufigste Erreger (75 % der Fälle) der akuten Laryngotracheobronchitis, ge-folgt vom RSV und dem Influenzavirus [101, 102]. Eine Laryngotracheobronchitis betrifft etwa 3 % aller Kinder pro Jahr [130].

Die Erkrankung beginnt als Infektion des Epithels des URT und greift dann auf weiter distal liegende Strukturen im Bereich des Kehlkopfes (Glottis und v.a. subglottischer Raum) sowie im Bereich der Trachea über [97].

In der Regel entwickelt sich die Prodromalphase (12-48 Stunden Dauer), mit Rhinitis, Pha-ryngitis, leichtem Fieber, mit oder ohne Husten einhergehend, zur Krupp-Symptomatik. Diese setzt meist abrupt nachts mit Heiserkeit, bellendem Husten, inspiratorischem Stridor und Atemnot ein [131]. Der Übergang in ein lebensbedrohliches Krankheitsbild mit progressiver Hypoxie, Zyanose, Tachypnoe und Tachykardie ist möglich und nicht voraussehbar, jedoch selten [131].

Wichtig ist vor allem zunächst die Beruhigung des Kindes. Darüber hinaus sind die Exposition gegenüber kalter Luft oder Verabreichung von kühlem Nebel, Steroidgabe und die Zugabe von vernebeltem Adrenalin mögliche Behandlungsmaßnahmen für die virale Laryngotracheobron-chitis [128].

Das jahreszeitlich gehäufte Auftreten der akuten Laryngotracheobronchitis hängt mit der Sai-sonalität der auslösenden Viren, besonders mit der Aktivität der PIV, zusammen [97].

2.3.2.2 Bronchitis

Die akute Bronchitis ist eine klinische Diagnose, die durch akuten Husten mit oder ohne Sputumproduktion und Anzeichen einer LRTI in Abwesenheit von chronischen Lungenerkran-kungen (wie chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung) oder einer identifizierbaren Ursache (wie Pneumonie oder Sinusitis) gekennzeichnet ist [132]. Die akute Bronchitis kommt am häu-figsten bei Säuglingen vor und wird zumeist viral verursacht, etwa 10 % der akuten Bronchitiden sind bakteriell bedingt [133]. Die am häufigsten identifizierten Viren sind Rhinovi-rus, EnteroviRhinovi-rus, IAV, IBV, PIV, CoronaviRhinovi-rus, HMPV und RSV [134].

Die akute Bronchitis entsteht oft im Rahmen einer Infektion der oberen Atemwege, welche dann auf die Schleimhäute der Trachea und der Bronchien übergreift [135]. Die Virusreplika-tion in den respiratorischen Epithelzellen führt zu einer lokalen Schädigung sowie zu einer Beeinträchtigung der Kinozilienfunktion und in Folge zu einer Verminderung der mukoziliären Clearance [97].

26 Die Infektion beginnt in der Regel mit einem trockenen, zuerst nicht-produktiven Husten und einem retrosternalen Schmerz [97]. Die Erkrankung ist selbstlimitierend und heilt in der Regel nach 10-20 Tagen aus, wobei eine komplizierte Bronchitis meist einen protrahierten Verlauf zeigt (>28 Tage) [135, 136]. Säuglinge und Kleinkinder sind häufig von einer Sonderform der akuten Bronchitis betroffen. Diese wird als obstruktive Bronchitis bezeichnet. Eine respiratori-sche Insuffizienz mit Blässe, Unruhe und Zyanose kann sich aus einer obstruktiven Bronchitis entwickeln. Als chronische Bronchitis wird eine länger als drei Monate anhaltende Bronchitis mit Husten und Auswurf in zwei aufeinander folgenden Jahren bezeichnet, welche häufig re-zidiviert [137, 138].

Husten ist das vorherrschende und prägende Symptom der akuten Bronchitis. Andere Anzei-chen und Symptome einer akuten Bronchitis sind neben Husten auch Sputumproduktion, Dyspnoe, verstopfte Nase, Kopfschmerzen und Fieber.

Da die Bronchitis in der Regel eine selbstlimitierende, viral bedingte Erkrankung ist, ist die Therapie symptomatisch und erfordert keine antibiotische Behandlung [133]. Eine sekundäre bakterielle Infektion wird durch Verschlechterung der Symptome, produktiven Husten und ho-hes Fieber angezeigt [135].

2.3.2.3 Bronchiolitis

Die Bronchiolitis ist eine hochgradig obstruktive Ventilationsstörung und Entzündung der peri-pheren Bronchien und Bronchiolen und betrifft besonders Kinder in den ersten beiden Lebensjahren [139, 140]. Es handelt sich ebenfalls um eine saisonale Infektion, wobei die Sai-son typischerweise Ende Oktober in der gemäßigten nördlichen Hemisphäre beginnt, im Januar/Februar ihren Höhepunkt erreicht und im April endet [139]. Die Tropengebiete bilden eine Ausnahme, hier gibt es keine spezifische Saisonalität, obwohl einige Epidemien mit der Regenzeit in Verbindung gebracht werden [141].

Das RSV ist mit 43-90 % der Fälle der häufigste Auslöser einer Bronchiolitis [139, 142]. Eine RSV-Bronchiolitis ist die häufigste Ursache von Erkrankungen der unteren Atemwege (LRTI) und Krankenhausaufenthalten bei jungen Säuglingen weltweit [143]. An zweiter Stelle folgen die PIV mit den Subtypen 3, 1 und 2 mit absteigender Häufigkeit [97].

Die Virusreplikation in den Bronchiolen führt hier zur Abschilferung infizierter Zellen in die Hohl-räume der Bronchiolen und dies in Verbindung mit einer vermehrten Schleimproduktion, mitunter mit der Bildung von Schleimpropfen („mucus plugs“), führt zur Verlegung der kleinlu-migen Bronchiolen [139, 144]. Diese Verlegung führt zur Bronchialobstruktion, Lufteinschlüssen und unterschiedlich ausgeprägter Atelektasenbildung [139] .

27 Einer Bronchiolitis geht meist eine Infektion des URT voraus [145]. Der klinische Verlauf der Bronchiolitis beginnt mit einer oberen ARI mit Fieber, Husten und Rhinorrhoe und breitet sich schnell bei den jungen Säuglingen in die unteren Atemwege aus [97, 140]. Bei zunehmender Beteiligung des unteren Respirationstrakts verschlechtert sich der Allgemeinzustand des Kin-des und es kommt zu Lethargie, Anorexie, protrahiertem Husten mit in- und expiratorischem Stridor und Tachydyspnoe [97, 143]. Die erschwerte Atemarbeit wird sichtbar durch ein Na-senflügelatmen des Kindes sowie durch thorakale Einziehungen und ggf. Zyanose [139].

Auskultatorisch fallen die Kinder in der Regel durch ein leises Atemgeräusch und inspiratori-sches Knistern auf [97]. Der akute Verlauf dauert typischerweise 3-7 Tage, wobei die meisten Säuglinge eine Besserung innerhalb von 3-4 Tagen zeigen, mit einer anschließenden Erho-lungsphase von 1-2 Wochen [97].

Kinder, bei denen eine Bronchiolitis diagnostiziert wurde, sollten auf Schweregrad der Atem-not, ausreichende Hydratation und Hypoxie untersucht werden [140]. Die Therapie der akuten Bronchiolitis besteht in einer supportiven, symptomatischen Therapie (suffiziente Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr, Vermeidung der Exposition des Säuglings oder Kindes gegenüber Ta-bakrauch, ermutigen zum Stillen um die Morbidität von Atemwegsinfektionen zu verringern, Sauerstoffgabe bei einer Sauerstoffsättigung < 90 %) [143]. Da die Bronchiolitis in der Regel eine viral bedingte Erkrankung ist und eine bakterielle Koinfektion selten auftritt, wird eine an-tibiotische Therapie nicht empfohlen [146].

2.3.2.4 Pneumonie

Eine Pneumonie gehört weiterhin weltweit mit zu den häufigsten tödlichen Infektionskrankhei-ten bei Kindern (<5 Jahre) in Entwicklungsländern und bei älteren Menschen (>75 Jahre) in Industrieländern [147, 148]. Nach Schätzungen der WHO werden jedes Jahr 450 Millionen Pneumonien registriert und etwa 4 Millionen Menschen sterben daran [72]. Im Jahr 2008 star-ben 1,6 Millionen Kinder jünger als 5 Jahre an Pneumonie [149]. In Industrieländern werden jährlich 5 Millionen Fälle von ambulant erworbener Pneumonie in der Kindheit gemeldet, aber die Sterblichkeit ist derzeit stark zurückgegangen [147]. Global betrachtet stehen bakterielle Erreger als Ursache der Pneumonie an erster Stelle, in industrialisierten Ländern jedoch sind die meisten Pneumonien bei Kindern viralen Ursprungs [150]. Dies ist u.a. auch auf die weit verbreitete Einführung von Haemophilus influenzae Typ-B- und Pneumokokken-Impfstoffen in Immunisierungsprogrammen zurückzuführen, welche zu einer relativen Zunahme viraler Pneumonien im Kindesalter in dieser Population geführt haben [147]. Hier könnte die vorherr-schende Ursache einer Pneumonie inzwischen eine Infektion mit dem RSV sein [151].

Die Einführung von PCR-Diagnostik hat die Fähigkeit zum Nachweis von respiratorischen Vi-ren signifikant erhöht. Mindestens 26 ViVi-ren wurden nun mit ambulant erworbenen Pneumonien in Verbindung gebracht [147].

28 Die klinischen Symptome einer viralen (atypischen) Pneumonie können in Abhängigkeit vom Alter des Kindes variieren: bei Neugeborenen und Säuglingen kann die Pneumonie blande oder auch fulminant verlaufen [76]. Kinder können Zeichen einer Dyspnoe zusammen mit Blässe, Zyanose, interkostalen und jugulären Einziehungen aufweisen [76]. Darüber hinaus kommt es gehäuft zu subfebrilen Temperaturen, Trinkschwäche und Husten. Bei älteren Kin-dern sind hohes Fieber, mäßiges bis schweres Krankheitsgefühl, Hypoxie, Zeichen der Lungenkonsolidierung, verminderte Atemgeräusche, Bronchialatemgeräusche und Knistern Hinweise für eine Pneumonie [133]. Nach Angaben der British Thoracic Society (BTS) deuten Fieber über 38,5 °C, eine Atemfrequenz von > 50 pro Minute und Brustkorbeinziehungen auf eine bakterielle Pneumonie hin. Hinweise zur Unterscheidung zwischen viraler und bakterieller Pneumonie zeigt Tabelle 4. Die klinischen Anzeichen und Symptome einer viralen und bakte-riellen Pneumonie können sich jedoch überlappen [147].

29 Tabelle 4: Hinweise zur Unterscheidung zwischen viraler und bakterieller Pneumonie

Quelle: Ruuskannen et al, 2011 [147]

Hinweis auf virale Ursache Hinweis auf bakterielle Ursache

Alter <5 Jahre Erwachsene

Epidemische Situation Anhaltende Virusepidemie

-

Krankheitsverlauf Langsamer Beginn Schneller Beginn Klinisches Bild Rhinitis, Giemen Hohes Fieber,

Tachypnoe Biomarker

Gesamtzahl der weißen Blutkörperchen

CRP im Serum

PCT-Konzentration im Serum

Röntgenaufnahmen des Thorax Nur interstitielle Infiltrate, bilateral

Die virale Pneumonie kann in den meisten Fällen nur symptomatisch behandelt werden (Flüs-sigkeitszufuhr, Antipyretika, ggf. Sauerstoffgabe bei Hypoxie) [76]. Die British Thoracic Society (BTS) empfiehlt keine antibiotische Behandlung bei kleinen Kindern mit milder Symptomatik durchzuführen, bei denen eine Virusinfektion wahrscheinlich ist [152].

2.4 Diagnostik der Infektionen der Atemwege