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2.Umkehrungen stochastischer Funktionen.

3.Uberlegungen anhand eines Beispiels.¨

In diesem Kapitel besch¨aftigen wir uns in allgemeiner Weise mit funktio-nalen Modellen. Damit sind Modelle gemeint, die im Wesentlichen aus Modellvariablen bestehen, die durch Funktionen verkn¨upft sind. Diese

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Funktionen k¨onnen unterschiedlicher Art sein. Wir beginnen mit Model-len, bei denen einfache (deterministische) Funktionen verwendet werden, die die Merkmalsr¨aume nicht-stochastischer Modellvariablen verkn¨upfen.

Dann werden stochastische Varianten besprochen, bei denen Modellvaria-blen auch als stochastische VariaModellvaria-blen konzipiert werden k¨onnen. Der dritte Abschnitt besch¨aftigt sich mit einigen Fragen, die aus unterschiedlichen Konzeptions- und Deutungsm¨oglichkeiten stochastischer Modellvarianten resultieren. Schließlich werden im vierten Abschnitt indirekte Prognose-funktionen besprochen.

7.1 Deterministische Modelle

Einfunktionales Modell besteht aus einer Menge vonModellvariablen, die durch Funktionen miteinander verkn¨upft sind. Von einem deterministi-schenfunktionalen Modell wird gesprochen, wenn das Modell keine stocha-stischen Variablen enth¨alt und alle Funktionen deterministisch sind, d.h.

in deterministischer Form die Wertebereiche der Variablen verkn¨upfen. In diesem Abschnitt beziehen wir uns nur auf deterministische Modelle.

1. Ein einfaches Beispiel. Zur Erl¨auterung betrachten wir ein einfaches Beispiel, das zun¨achst durch folgendes Bild illustriert werden kann:

q q

@@

In diesem Bild sind eine Stromquelle und eine Gl¨uhbirne durch einen Stromkreis verbunden, der durch einen Schalter geschlossen oder ge¨off-net werden kann. Je nachdem, ob der Schalter geschlossen oder ge¨offge¨off-net wird, leuchtet die Gl¨uhbirne oder nicht.

F¨ur die in diesem Bild dargestellte Situation k¨onnen unterschiedliche funktionale Modelle gebildet werden. Eine einfache Variante verwendet drei Modellvariablen:1 Eine Variable ¨Y, durch die erfasst wird, ob die Gl¨uhbirne leuchtet ( ¨Y = 1) oder nicht leuchtet ( ¨Y = 0); eine Variable X, durch die erfasst wird, ob der Schalter geschlossen ( ¨¨ X= 1) oder nicht geschlossen ( ¨X = 0) ist; und eine Variable ¨Z, durch die erfasst wird, ob die Batterie Strom abgeben kann ( ¨Z = 1) oder nicht ( ¨Z = 0). Außerdem wird eine Funktion gebildet, durch die die m¨oglichen Werte von ¨Y von den Werten von ¨Xund ¨Z abh¨angig gemacht werden. Folgende Tabelle definiert

1Wie bereits in Abschnitt 6.3 (§5) erl¨autert wurde, kennzeichnen wir nicht-stocha-stische Modellvariablen durch zwei Punkte, um sie von statinicht-stocha-stischen und von stochasti-schen bzw. Zufallsvariablen zu unterscheiden.

7.1 DETERMINISTISCHE MODELLE 105

die Funktion:

X¨ Z¨ Y¨

0 0 0

0 1 0

1 0 0

1 1 1

(7.1)

Nur wenn die Batterie Strom abgeben kann und der Schalter geschlossen ist, leuchtet die Gl¨uhbirne.

2. Exogene und endogene Modellvariablen. Ein funktionales Modell be-steht zun¨achst aus Variablen, wir nennen sie Modellvariablen, eine Vari-ante logischer Variablen,2zu deren Definition folgende Angaben gemacht werden m¨ussen:

– Es muss einName der Variablenangegeben und ihre Bedeutung erkl¨art werden. Zum Beispiel wird erkl¨art, dass mit einer Modellvariablen ¨Y erfasst werden soll, ob eine Gl¨uhbirne leuchtet oder nicht.

– Es muss derWertebereich der Modellvariablen angegeben werden, d.h.

die Menge ihrer m¨oglichen Werte;3 dabei setzen wir voraus, dass je-de Moje-dellvariable minje-destens zwei unterschiedliche Werte annehmen kann. Zum Beispiel wird als Wertebereich der Variablen ¨Y die Menge {0,1}angegeben und erl¨autert, dass 1 bedeuten soll, dass die Gl¨uhbirne leuchtet, und dass 0 bedeuten soll, dass sie nicht leuchtet.

– Schließlich muss deutlich gemacht werden, wie bestimmte Werte einer Modellvariablen entstehen k¨onnen.

Insbesondere die zuletzt genannte Angabe ist von wesentlicher Bedeutung, um Modellvariablen und somit auch funktionale Modelle zu verstehen.

In dieser Hinsicht kann man zun¨achst endogene und exogene Modell-variablen unterscheiden.Endogene Modellvariablen bekommen ihre Werte als Funktionen anderer Modellvariablen. In dem Beispiel aus§1 ist ¨Y eine endogene Variable, deren Wert aus den Werten von ¨X und ¨Z resultiert.

Modellvariablen, die nicht endogen sind, werdenexogene Modellvariablen genannt. In unserem Beispiel sind ¨Xund ¨Z exogene Modellvariablen.

3. Funktionen und nomologische Regeln. In einem funktionalen Modell sind die Modellvariablen durch Funktionen verkn¨upft. In einem determi-nistischen Modell handelt es sich um Funktionen der Form f : ˜X −→Y˜,

2Nat¨urlich kann abk¨urzend ohne Zusatz von Variablen gesprochen werden, wenn aus dem Kontext hervorgeht, dass Modellvariablen gemeint sind.

3In synonymer Bedeutung wird auch vomMerkmalsraum einer Modellvariablen ge-sprochen. Wie bei statistischen und Zufallsvariablen nehmen wir auch bei Modellva-riablen an, dass es f¨ur ihre Wertebereiche stets eine numerische Repr¨asentation gibt.

Wertebereiche von Modellvariablen sind also stets Mengen von Zahlen, f¨ur die eine Bedeutung vereinbart worden ist.

106 7 FUNKTIONALE MODELLE

wobei ˜X der Wertebereich einer Variablen ¨Xund ˜Yder Wertebereich einer Variablen ¨Y ist. Jedem Element x∈X˜ wird durchf genau ein Element f(x)∈Y˜zugeordnet.4Dementsprechend kann man sagen, dass die Funk-tion f angibt, wie die Werte von ¨Y durch die Werte von ¨X bestimmt werden, oder in einer kurzen Formulierung: wie ¨Y von ¨Xabh¨angt.

Solche Abh¨angigkeitsbeziehungen k¨onnen graphisch durch Pfeile darge-stellt werden. In diesem Beispiel: ¨X−→Y¨. Eine Variable kann nat¨urlich von zwei oder mehr anderen Variablen simultan abh¨angig sein. F¨ur das Beispiel aus§1 kann folgende Darstellung verwendet werden:

X¨ −→ Y¨ ←− Z¨

Bei Darstellungen dieser Art muss jedoch beachtet werden, dass nicht je-dem Pfeil eine separate Funktion entspricht; vielmehr beziehen sich alle Pfeile, die in einer Variablen m¨unden, aufeine Funktion. In dem Beispiel handelt es sich um eine Funktion

g: ˜X ×Z −→˜ Y,˜

die jedem Element (x, z) ∈ X ט Z˜ einen Wertg(x, z) ∈ Y˜ zuordnet (so wie in Tabelle (7.1) in§1 angegeben wurde). Wenn zwei Variablen durch einen Pfeil verkn¨upft sind, besagt dies also nur, dass es eine Funktion gibt, bei der eine Variable als abh¨angige, die andere als eine Argumentvariable auftritt.

Da der mathematische Funktionsbegriff f¨ur viele unterschiedliche Zwecke verwendet werden kann, sollte darauf geachtet werden, welche spezifische Bedeutung den bei der Konstruktion funktionaler Modelle ver-wendeten Funktionen zukommt: Es handelt sich umnomologische Regeln, die angeben, wie die endogenen Variablen des Modells in Abh¨angigkeit von anderen (endogenen oder exogenen) Variablen bestimmte Werte annehmen. Siebestimmen, so k¨onnte man auch sagen, die Prozesse, durch die die endogenen Variablen bestimmte Werte annehmen.

Nat¨urlich gelten solche Regeln nur f¨ur das Modell, nicht auch unmittel-bar f¨ur die Realit¨at, auf die sich die Modellkonstruktion vielleicht beziehen soll. Zum Beispiel gilt f¨ur das in§1 eingef¨uhrte Modell, dass die Gl¨uhbirne leuchtet, wenn die Batterie Strom abgeben kann und der Schalter geschlos-sen ist. Ob das auch bei einem realen System zutrifft, das man sich aus einer Gl¨uhbirne, einer Batterie, einem Schalter und einigen Dr¨ahten geba-stelt hat, ist offenbar eine ganz andere Frage.

4. Funktionale Modelle als Ablaufschemas. Ein funktionales Modell kann auch als ein Ablaufschema betrachtet werden (vgl. Abschnitt 5.1, §4), das festlegt, wie man von Werten der exogenen Variablen zu Werten der

4Dies ist gemeint, wenn vondeterministischenFunktionen gesprochen wird, im Unter-schied zustochastischenFunktionen, durch die jedem Element von ˜X eine Wahrschein-lichkeitsverteilung f¨ur die Elemente von ˜Yzugeordnet wird.

7.1 DETERMINISTISCHE MODELLE 107

endogenen Variablen gelangt. In der graphischen Darstellung deuten die Pfeile die m¨oglichen Prozesse an. Bei dynamischen funktionalen Modellen entspricht der durch die Pfeile (Funktionen) definierten Richtung zugleich eine zeitliche Ordnung.

Unabh¨angig davon, ob sich die Funktionen temporal interpretieren las-sen, kann man von wiederholbaren Prozessen sprechen. Zum Beispiel l¨asst sich bei dem Modell in§1 der Schalter beliebig oft bet¨atigen. Allerdings kann die Anzahl der m¨oglichen unterschiedlichen Prozessabl¨aufe, die bei deterministischen Modellen durch die Anzahl der m¨oglichen unterschied-lichen Wertebelegungen der exogenen Variablen bestimmt wird, durchaus begrenzt sein.

5. Formale Definition funktionaler Modelle. Ein funktionales Modell M kann durchM= (V,F) definiert werden, wobei die Komponenten folgende Bedeutung haben:

V ist eine Menge von Modellvariablen.

F ist eine Menge von Funktionen, durch die Variablen inVverkn¨upft wer-den. Dabei gilt: Jede Variable in V tritt in h¨ochstens einer Funktion als abh¨angige Variable, jedoch in mindestens einer Funktion entweder als abh¨angige oder als Argumentvariable auf. Außerdem wird ange-nommen, dass alle Variablen, die als Argumente verwendet werden, effektive Bedingungen f¨ur die jeweils abh¨angige Variable sind.5 Somit kann auch gesagt werden: Wenn eine Variable in einer Funktion als abh¨angige Variable auftritt, handelt es sich um eine endogene Variable, andernfalls um eine exogene Variable.

Jedem funktionalen Modell M = (V,F) kann ein gerichteter Graph G(M) = (V,K) zugeordnet werden, wobei V die Knotenmenge und K die Menge der gerichteten Kanten (Pfeile) des Graphen bezeichnet. Die Variablen des Modells bilden die Knoten des Graphen, und zwei Variablen V, V0 ∈ V sind genau dann durch eine gerichtete Kante (einen Pfeil) von V nach V0 verbunden, wenn es in F eine Funktion gibt, bei der V als Argumentvariable undV0als abh¨angige Variable auftritt. Zu beachten ist also, dass meistens nicht jedem Pfeil eine Funktion entspricht, sondern dass alle Pfeile, die in der gleichen Variablen m¨unden, zueiner Funktion inF geh¨oren.

Der Graph eines funktionalen Modells zeigt dieStruktur des Modells.

Es handelt sich stets um einen einfachen Graphen ohne Schlingen. Wenn nicht ausdr¨ucklich anders angegeben, soll auch angenommen werden, dass der Graph schwach zusammenh¨angend ist, also nicht in zwei oder mehr unabh¨angige Komponenten zerf¨allt, sowie nicht zyklisch ist. Zum Beispiel gibt es dann bei drei Modellvariablen (wenn man von Permutationen der

5Was miteffektiven Bedingungen“ gemeint ist, wird in§9 definiert.

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Variablennamen absieht) folgende m¨ogliche Strukturen:

Z¨←−X¨−→Y¨ X¨−→Y¨ −→Z¨ X¨−→Y¨←−Z¨

Offenbar k¨onnen unterschiedliche Modelle die gleiche Struktur aufweisen.

Abh¨angig von den Wertebereichen der Modellvariablen kann die Anzahl unterschiedlicher Modelle auch sehr groß, ggf. auch unendlich groß werden.

Wir verwenden folgende Sprechweisen:

– Zwei ModelleM= (V,F) undM0= (V0,F0) sindstrukturell identisch, wenn ihre Graphen identisch sind; sie sind formal identisch, wenn es eineindeutige Zuordnungen vonV undV0und von F undF0 gibt und die einander zugeordneten Funktionen identisch sind.

Annahmen ¨uber die Werte exogener Modellvariablen fassen wir nicht als Bestandteile der Definition eines funktionalen Modells auf; denn das Mo-dell soll insbesondere reflektierbar machen, wie Werte der endogenen Va-riablen von unterschiedlichen Werten der exogenen VaVa-riablen abh¨angen.

6. M¨ogliche Werte und ¨aquivalente Modelle. Weitere ¨Uberlegungen erge-ben sich durch eine Bezugnahme auf die Werte, die die Variablen eines Modells annehmen k¨onnen. Zun¨achst wird f¨ur jede Modellvariable durch ihren Wertebereich angegeben, welche Werte sie bei einer isolierten Be-trachtung annehmen kann. Betrachtet man jedoch zwei oder mehr Modell-variablen gemeinsam, implizieren die Modellfunktionen Einschr¨ankungen f¨ur die m¨oglichen Wertekombinationen. Ist ein ModellM= (V,F) gege-ben und ist V eine (irgendwie geordnete) Auflistung von Variablen aus V, soll BM[V] die Menge der im Rahmen des Modells m¨oglichen Belegun-gender Variablen inV mit bestimmten Werten bezeichnen.6Zum Beispiel findet man f¨ur das in§1 angegebene Modell:

B[ ¨X] = ˜X, B[ ¨Y] = ˜Y, B[ ¨Z] = ˜Z und

B[ ¨X,Y¨] = ˜X ×Y˜, B[ ¨Y ,Z] = ˜¨ Y ×Z,˜ B[ ¨X,Z¨] = ˜X ×Z˜ Jedoch ist

B[ ¨X,Y ,¨ Z] =¨ {(0,0,0),(0,0,1),(1,0,0),(1,1,1)}

also nur eine Teilmenge von ˜X ×Y ט Z˜. Folgende Definition l¨asst sich anschließen:

– Zwei Modelle M= (V,F) undM0 = (V0,F0) sind ¨aquivalent, wenn BM[V] = BM0[V0] ist.

6Innerhalb der eckigen Klammern k¨onnen auch Mengen von Modellvariablen verwendet werden, f¨ur deren Elemente eine Reihenfolge vereinbart worden ist. Auch kann in der Notation der Verweis auf ein bestimmtes Modell entfallen, wenn der Bezug aus dem Kontext hervorgeht.

7.1 DETERMINISTISCHE MODELLE 109

Offenbar impliziert eine so definierte ¨Aquivalenz, dass V und V0 einein-deutig aufeinander abgebildet werden k¨onnen; sie impliziert jedoch nicht, dass die Modelle formal oder strukturell identisch sind. Zur Illustration nehmen wir an, dass sich zwei Modelle auf die Variablen ¨X, ¨Y und ¨Z beziehen und die Strukturen ¨X−→Y¨ −→Z¨ bzw. ¨X←−Y¨ −→Z¨ auf-weisen. Gibt es beispielsweise f¨ur das erste Modell die Funktionen y= 2x und z= 4y, kann man f¨ur das zweite Modell die Funktionen x= 0.5y und z= 4y w¨ahlen, so dass beide Modelle ¨aquivalent sind. Es gilt jedoch:

Wenn zwei ¨aquivalente Modelle strukturell gleich sind, dann sind sie auch formal gleich.

7. Definierte und abgeleitete Funktionen. Wie bereits gesagt wurde, neh-men wir an, dass bei der Definition eines funktionalen Modells f¨ur jede endogene Variable genau eine Funktion angegeben wird, die ihre Abh¨angig-keit von anderen Modellvariablen festlegt. Diese Funktionen (also die Ele-mente von F) nennen wir die elementaren Funktionen eines Modells.

Dar¨uber hinaus k¨onnen oft weitere Funktionen abgeleitet werden. Hat ein Modell zum Beispiel die Struktur

Z¨−→fxz X¨−→fyx

kann eine Funktion fyz : ˜Z −→Y˜abgeleitet werden, deren Werte durch fyz(z) =fyx(fxz(z)) definiert sind. Entsprechend k¨onnen auch bei kompli-zierteren Strukturen neue Funktionen gebildet werden. Werden zum Bei-spiel bei einem Modell mit der Struktur

Y¨ PPPPPq -1

die elementaren Funktionen durch fyxz(x, z) undfzx(x) bezeichnet, kann man durchfyx(x) =fyxz(x, fzx(x)) eine neue Funktion definieren, in der Werte der Variablen ¨Z nicht mehr explizit vorkommen, die also einem einfachen Pfeil von ¨X nach ¨Y entspricht. Man erh¨alt auf diese Weise ei-ne Funktion, bei der als Argument nur noch eiei-ne exogeei-ne Variable vor-kommt. Dies gilt offenbar generell: Stets kann f¨ur jede endogene Variable eine Funktion gebildet werden, bei der als Argumente nur noch diejenigen exogenen Variablen vorkommen, von denen aus ein gerichteter Pfad zu der betreffenden endogenen Variablen f¨uhrt.7

8. Eindeutige und mengenwertige Funktionen. F¨ur einige ¨Uberlegungen ist es zweckm¨aßig, auchmengenwertige Funktionen zu verwenden. Im Unter-schied zu einer gew¨ohnlichen (deterministischen) Funktion wird durch eine mengenwertige Funktion zwischen Modellvariablen ¨X und ¨Y jedem Ele-ment des Wertebereichs von ¨Xnicht ein Element, sondern eine Teilmenge

7Bezieht man sich nur auf diese Funktionen, wird auch von derreduzierten Formeines Modells oder von einemreduzierten Modellgesprochen.

110 7 FUNKTIONALE MODELLE

des Wertebereichs von ¨Y zugeordnet.

Zur Illustration verwenden wir das Beispiel aus§1. Obwohl es keine gew¨ohnliche Funktion ¨Y −→( ¨X,Z¨) gibt, kann der Zusammenhang durch eine mengenwertige Funktion charakterisiert werden:

y= 0−→ {(0,0),(0,1),(1,0)}

y= 1−→ {(1,1)}

Zur flexiblen Bezugnahme auf mengenwertige Funktionen, die innerhalb eines funktionalen Modells gebildet werden k¨onnen, eignet sich eine Er-weiterung der bereits eingef¨uhrten Notation f¨ur Belegungen:

– BM[ ¨Y|X¨ =x] soll die Menge aller Werteyder Modellvariablen ¨Y be-zeichnen, so dass es eine Belegung aller Modellvariablen gibt, bei der ¨X den Wertxund ¨Y den Wertyhat. (Sinngem¨aß k¨onnen vor und nach dem Bedingungsstrich auch mehrere Modellvariablen stehen.)

VerweistMbeispielsweise auf das Modell in §1, ist BM[ ¨X,Z|¨Y¨ = 0] = {(0,0),(0,1),(1,0)}und BM[ ¨X,Z|¨Y¨ = 1] ={(1,1)}. Also kann die Funk-tion ¨Y −→( ¨X,Z) durch¨ y−→BM[ ¨X,Z¨|Y¨ =y] dargestellt werden.

9. Abh¨angigkeitsbeziehungen zwischen Variablen. Funktionale Modelle sol-len helfen, Abh¨angigkeitsbeziehungen zwischen Variabsol-len reflektierbar zu machen. Daf¨ur ist es zweckm¨aßig, zwei unterschiedliche Abh¨angigkeits-begriffe zu verwenden. F¨ur die folgenden Definitionen beziehen wir uns auf ein ModellM= (V,F) und zwei Variablen ¨Xund ¨Y ausV.

– ¨Y ist im ModellMvon ¨Xabh¨angig, wenn es Wertex, x0∈BM[ ¨X] gibt, so dass BM[ ¨Y|X¨ =x]6= BM[ ¨Y|X¨=x0] ist.

– ¨Y ist im ModellMvon ¨Xfunktional abh¨angig, wenn ¨Y von ¨Xabh¨angig ist und es einen gerichteten Pfad gibt, der von ¨Xzu ¨Y f¨uhrt. In diesem Fall verwenden wir auch die Redeweise, dass ¨Xeineeffektive Bedingung f¨ur ¨Y ist.

Man beachte, dass die Existenz eines gerichteten Pfads von ¨X nach ¨Y nicht ausreicht, um Abh¨angigkeit zu begr¨unden. Wichtig ist auch, dass Abh¨angigkeit (im Unterschied zu funktionaler Abh¨angigkeit) in den mei-sten Anwendungsf¨allen symmetrisch ist, d.h. wenn ¨Y von ¨Xabh¨angig ist, dann ist auch ¨X von ¨Y abh¨angig.8 Somit kann auch ein symmetrischer Unabh¨angigkeitsbegriff verwendet werden:

– Zwei Variablen ¨Xund ¨Y sind innerhalb eines Modellsunabh¨angig (sym-bolisch durch ¨X⊥Y¨ dargestellt), wenn innerhalb des Modells weder ¨X von ¨Y noch ¨Y von ¨Xabh¨angig ist.

Verwendet man diese Definition, sind bei dem Modell aus §1 ¨X und ¨Z unabh¨angig, dagegen ¨Xund ¨Y sowie ¨Z und ¨Y abh¨angig.

8Am einfachsten sieht man das, wenn man sich B[ ¨X]×B[ ¨Y] als eine zweidimensionale Tabelle vorstellt. Allerdings muss vorausgesetzt werden, dass sowohl BM[ ¨X] als auch BM[ ¨Y] mindestens zwei Elemente enthalten.

7.1 DETERMINISTISCHE MODELLE 111

Wenn zwei Variablen unabh¨angig sind, folgt offenbar, dass sie nicht abh¨angig und somit auch nicht funktional abh¨angig sind. Umgekehrt folgt jedoch daraus, dass zwei Variablen nicht funktional abh¨angig sind, nicht ihre Unabh¨angigkeit; denn sie k¨onnen beide von einer dritten Variablen abh¨angig sein.

Es sei angemerkt, dass sich die Definitionen sinngem¨aß auch bei mehr-dimensionalen Variablen verwenden lassen. Aus paarweiser Unabh¨angig-keit folgt jedoch nicht eine gemeinsame Unabh¨angigUnabh¨angig-keit; zum Beispiel kann man aus ¨X⊥Z¨ und ¨Y⊥Z¨ ohne weiteres nicht ableiten, dass auch ( ¨X,Y¨)⊥Z¨gilt.9

Schließlich ist es in einigen Zusammenh¨angen n¨utzlich, auch von kon-ditionaler Unabh¨angigkeit sprechen zu k¨onnen. Wir verwenden folgende Definitionen, wobei ¨X, ¨Y und ¨Z drei Variablen eines ModellsMsind:

– Im ModellMsind ¨Xund ¨Y unter der Bedingung ¨Z =z voneinander unabh¨angig ( ¨X⊥Y¨|Z¨=z), wenn es keine Wertex, x0∈BM[ ¨X] gibt, so dass BM[ ¨Y|X¨ =x,Z¨=z]6= BM[ ¨Y|X¨=x0,Z¨=z] ist.

– Im ModellMsind ¨Xund ¨Y unter der Bedingung ¨Z voneinander un-abh¨angig ( ¨X⊥Y¨|Z¨), wenn ¨X⊥Y¨|Z¨=z f¨ur allez∈BM[ ¨Z] gilt.

Verwendet man diese Definitionen, gilt zum Beispiel bei dem Modell aus

§1 zwar ¨X⊥Y¨|Z¨= 0, nicht jedoch ¨X⊥Y¨|Z¨= 1.

Bemerkenswert ist, dass aus konditionaler Unabh¨angigkeit nicht ein-fache Unabh¨angigkeit folgt. Zur Illustration betrachten wir ein Modell X¨ ←− Z¨ −→ Y¨, bei dem ¨X und ¨Y funktional von einer Variablen ¨Z abh¨angig sind. Es gilt dann ¨X⊥Y¨|Z, nicht unbedingt auch ¨¨ X⊥Y¨.10Wie das in Anmerkung 9 angegebene Beispiel zeigt, folgt umgekehrt aus ¨X⊥Y¨ auch nicht immer eine bedingte Unabh¨angigkeit ¨X⊥Y¨|Z¨.

9Man betrachte als Beispiel folgende Wertebelegungen:

X¨ Y¨ Z¨

0 0 0

0 1 0

1 1 0

0 1 1

1 0 1

10Man betrachte beispielsweise die Wertebelegungen Z¨ X¨ Y¨

0 0 0

1 1 0

2 0 1

3 1 1

Z¨ X¨ Y¨

0 0 0

1 1 1

2 0 1

3 1 1

In der linken Variante sind ¨X und ¨Y unabh¨angig, in der rechten Variante sind sie abh¨angig.

112 7 FUNKTIONALE MODELLE

10. Prognosem¨oglichkeiten und effektive Bedingungen. Wenn in einem Mo-dellMzwei Variablen ¨Xund ¨Y abh¨angig sind, kann man sie wechselseitig zur Prognose von Werten der jeweils anderen Variablen verwenden. Zwei M¨oglichkeiten k¨onnen unterschieden werden:

– ¨Y ist in einem ModellMdurch ¨X=xeindeutig prognostizierbar, wenn BM[ ¨Y|X¨ =x] genau ein Element enth¨alt.

– ¨Y ist in einem Modell Mdurch ¨X =x unbestimmt prognostizierbar, wenn BM[ ¨Y|X¨ =x] zwei oder mehr Elemente enth¨alt, jedoch eine echte Teilmenge von BM[ ¨Y] ist.

Orientiert man sich an diesen Definitionen, setzt Prognostizierbarkeit der Werte einer Variablen ¨Y durch Werte einer Variablen ¨Xnicht voraus, dass Y¨ von ¨X funktional abh¨angig ist, so dass man davon reden k¨onnte, dass X¨ eine effektive Bedingung f¨ur ¨Y ist. Zum Beispiel sind in dem Modell in§1 die Werte von ¨X und ¨Z durch ¨Y = 1 (nicht jedoch durch ¨Y = 0) eindeutig prognostizierbar, obwohl ¨Y weder f¨ur ¨Xnoch f¨ur ¨Zeine effektive Bedingung ist.

11. Mehrdimensionale Variablen und Constraints. Die Variablen eines funktionalen Modells k¨onnen ein- oder mehrdimensional sein. Ist ¨X eine Modellvariable, kann man beispielsweise annehmen, dass sie ausm Kom-ponenten besteht, also die Form ¨X = ( ¨X1, . . . ,X¨m) hat. Ebenso kann man bereits definierte Variablen zusammenfassen, z.B. aus ¨Xund ¨Y eine zweidimensionale Variable ( ¨X,Y¨) mit dem Wertebereich ˜X ×Y˜bilden.

Die Verwendung mehrdimensionaler Variablen ist insbesondere dann zweckm¨aßig, wenn zur Formulierung eines funktionalen Modells Con-straints f¨ur die m¨oglichen Wertekombinationen bei zwei oder mehr Mo-dellvariablen definiert werden. Sind etwa ¨Xund ¨Y zwei Variablen mit den Wertebereichen ˜X = ˜Y ={1, . . . ,5}, k¨onnten die m¨oglichen Wertekombi-nationen durch die Bedingungx+y≤6 eingeschr¨ankt werden. Offenbar sind dann ¨X und ¨Y abh¨angig; aber diese Abh¨angigkeit kann nicht durch funktionale Abh¨angigkeiten zwischen den beiden Variablen formuliert wer-den.11 Die Bedingung, die diese Abh¨angigkeit erzeugt, kann jedoch auf einfache Weise dadurch erfasst werden, dass man die beiden Variablen zu einer zweidimensionalen Variablen ( ¨X,Y¨) zusammenfasst und f¨ur sie den Wertebereich{(x, y)∈X ט Y |˜ x+y≤6}angibt.

Offenbar k¨onnen solche Constraints auch f¨ur exogene Variablen de-finiert werden. Exogene Variablen sind also nur dann voneinander un-abh¨angig, wenn sie nicht durch Constraints abh¨angig gemacht werden. Sie sind jedoch niemals funktional voneinander abh¨angig, weil nur endogene Variablen von anderen Variablen funktional abh¨angig sein k¨onnen.

12. Bedingungen f¨ur Unabh¨angigkeit. Die Existenz von Constraints ist

ins-11Von Constraints soll in diesem Text generell nur dann gesprochen werden, wenn die Abh¨angigkeiten nicht durch Funktionen formuliert werden k¨onnen.

7.2 MODELLE MIT STOCHASTISCHEN VARIABLEN 113 besondere f¨ur die Frage bedeutsam, ob abh¨angige Variablen durch Kon-ditionierung unabh¨angig gemacht werden k¨onnen. In einem deterministi-schen Modell ohne Constraints ist das stets der Fall. Denn wenn ¨Xund ¨Y zwei abh¨angige (per Voraussetzung endogene und nicht funktional vonein-ander abh¨angige) Modellvariablen sind und die Menge der Variablen, von denen aus ein Pfad zu ¨Xoder ¨Y f¨uhrt, aus ¨Z1, . . . ,Z¨mbesteht, gilt stets:

X⊥¨ Y¨|Z¨1, . . . ,Z¨m.

Diese Feststellung, die in der Literatur oft alsdeterministische Markow-Bedingung bezeichnet wird, gilt jedoch nicht allgemein, wenn es

Diese Feststellung, die in der Literatur oft alsdeterministische Markow-Bedingung bezeichnet wird, gilt jedoch nicht allgemein, wenn es