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5 Abschließende Diskussion

5.3 Implikationen für eine bessere Versorgung von BPS-Patienten

Um die Versorgung von BPS-Patienten zu verbessern, müssen in erster Linie die ambulanten DBT-Behandlungsangebote für BPS-Patienten deutlich ausgebaut werden. Es besteht auch bei der Behandlung von BPS-Patienten noch immer eine „treatment gap“ (Shafran et al., 2009; Hermens et al., 2011), d.h. große Diskrepanz zwischen der in Leitlinien empfohlenen optimalen Versorgung und der tatsächlichen Versorgung. Nur ein geringer Anteil der BPS-Patienten erhält einen ambulanten DBT-Behandlungsplatz. Das liegt vor allem daran, dass es zu wenige störungsspezifisch ausgebildete Psychotherapeuten gibt und bei vielen niedergelassenen Psychotherapeuten Vorbehalte gegenüber der Behandlung von BPS-Patienten bestehen. In der Befragung Münchener Psychotherapeuten von Jobst, Hörz, Birkhofer, Martius,

& Rentrop (2010) gaben 22% der Befragten an, grundsätzlich keine BPS-Patienten zu behandeln und nur 3% verfügten über eine störungsspezifische Ausbildung zur Behandlung der BPS. Daraus ergibt sich, dass deutlich mehr Therapeuten dazu motiviert werden müssen, eine DBT-Ausbildung zu machen und BPS-Patienten zu behandeln. Hierfür sind erstens mehr finanzielle Anreize notwendig. Um DBT-Therapeut zu werden, müssen Psychotherapeuten nach ihrer Approbation eine zusätzliche Weiterbildung absolvieren. Außerdem werden die im Rahmen des DBT-Behandlungsprogrammes stattfindenden Skillsgruppen in der Regel nicht von den Krankenkassen erstattet. Für die Skillsgruppentherapeuten bedeutet die Leitung einer

Abschließende Diskussion 43 Skillsgruppe einen hohen zeitlichen Aufwand und eine nur geringfügige finanzielle Aufwandsentschädigung. In der Regel zahlen die Patienten ja nach Einkommen einen geringfügigen Beitrag pro Gruppe. Darüber hinaus entsteht den Therapeuten auch durch die Teilnahme an den Konsultationsteams ein finanzieller Verlust. In der Konsequenz müssten also DBT-Therapeuten, die in der Versorgungspraxis BPS-Patienten behandeln, sowohl für die Leitung einer Skillsgruppe als auch für die Teilnahme an einem Konsultationsteam ein Honorar erhalten, das der Vergütung von Einzeltherapien entspricht. Die Ergebnisse der vorliegenden Promotion zeigen, dass die dadurch entstehenden Mehrkosten auch aus Krankenkassenperspektive besonders durch die Reduktion stationärer Kosten mehr als ausgeglichen werden. Zweitens brauchen Psychotherapeuten, die BPS-Patienten behandeln, ausreichend Unterstützung. Zum einen ist es dafür wichtig, dass sich Therapeuten in Konsultationsteams zusammenschließen und das gesamte Behandlungsteam die Verantwortung für die Behandlung eines Patienten übernimmt. Zum anderen verspricht auch die enge Kooperation von ambulanten Therapeuten und stationären Einrichtungen im Rahmen von Borderline Netzwerken eine Entlastung. Hierbei sollten den ambulanten Therapeuten stationäre Einrichtungen zur zeitlich begrenzten Krisenintervention ihrer Patienten zur Verfügung stehen, die kurzfristig Patienten aufnehmen können und im Sinne des DBT-Konzeptes sowie prioritär an der Wiederherstellung der ambulanten Therapiefähigkeit der Patienten arbeiten. Zudem braucht es noch mehr spezialisierte stationäre Behandlungszentren zur elektiven Aufnahme von Patienten mit schwerer Symptomausprägung und von BPS-Patienten mit schwerwiegenden Komorbiditäten wie Anorexia Nervosa oder Substanzabhängigkeit (Gunia, Bohus & Kienast, 2010). Drittens könnte diskutiert werden, ob, um die DBT breiter in der Versorgungspraxis zu implementieren, neben ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten auch andere Berufsgruppen wie Ergotherapeuten oder Sozialarbeiter mit langjähriger Erfahrung in der Behandlung von BPS-Patienten diese im Rahmen ambulanter DBT-Netzwerke einzeltherapeutisch behandeln sollten. In der australischen effectiveness-Studie von Pasieczny & Connor (2011) gehörten neben Psychologen und Psychiatern auch Sozialarbeiter, Krankenschwestern und Ergotherapeuten zu den Studientherapeuten und die Autoren schlußfolgerten aus ihren Ergebnissen, dass die ambulante DBT in der Routineversorgung wirksam und gegenüber TAU überlegen ist, auch wenn sie nicht ausschließlich von Psychotherapeuten und Psychiaterin durchgeführt wird.

Ebenso konnten Hjalmarsson et al. (2008) die Wirksamkeit eines neu gegründeten DBT-Netzwerkes, zu dem auch Krankenschwestern und Ergotherapeuten gehörten, belegen.

Hingegen bezeichnen Comtois et al. (2007) den hohen Ausbildungsgrad der an ihrer Studie

Abschließende Diskussion 44 teilnehmenden Therapeuten, die entweder Psychiater oder Psychologen waren, als entscheidenden Faktor für die Wirksamkeit der DBT in ihrer Studie. Zudem ist empirisch noch nicht untersucht, welcher Mindestgrad an Ausbildung in DBT und praktischer Erfahrung mit DBT notwendig ist, um DBT in der Versorgungspraxis effektiv durchführen zu können. Auf der Grundlage vorliegender, störungsübergreifender empirischer Befunde weisen Shafran et al.

(2009) darauf hin, dass sich die Behandlungsergebnisse in Psychotherapiestudien mit zunehmendem Training und zunehmender Erfahrung in dem zu erlernenden Verfahren verbessern. Dabei hänge das erforderliche Ausmaß an Training und Erfahrung mit einem Verfahren, so die Autoren, auch von der Komplexität des zu erlernenden Verfahrens ab. Hierbei scheint die DBT ein Verfahren zu sein, bei dem eine intensive Ausbildung notwendig ist.

Dimeff et al. (2009) konnten zeigen, dass die Teilnehmer eines zweitägigen DBT-Seminars im Anschluss daran nur über mäßige DBT-Kompetenzen verfügten und in der Studie von Pasieczny & Connor (2011) stellte sich die DBT als wirksamer heraus, wenn diese von Therapeuten durchgeführt wurde, die im Vorfeld der Studie zusätzlich zu einem viertägigen DBT-Training noch ein zehntägiges Intensivtraining absolvierten. Um langfristig die Behandlungsintegrität zu gewährleisten, sollte es in jedem DBT-Netzwerk, so Swales, Taylor und Hibbs (2012), lokale Experten geben, die regelmäßige Supervisionen anbieten. Diese lokalen Experten können demnach auch durch die fortlaufende Ausbildung neuer DBT-Therapeuten personelle Abgänge kompensieren und damit die Nachhaltigkeit und Resilienz von DBT-Netzwerken stärken.

Literaturverzeichnis 45