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Hypothese 5 – Einfluss des Erlebens und des persönlichen Umgangs mit Stottern

3. ERGEBNISSE

3.6 Hypothese 5 – Einfluss des Erlebens und des persönlichen Umgangs mit Stottern

Unsere fünfte Hypothese war, dass sich die stotternden Frauen und stotternden Männer generell in ihrem Erleben und ihrem persönlichen Umgang mit Stottern unterscheiden würden.

Dieses ließ sich nach Auswertung der ungepaarten zweiseitigen t-Tests über alle Fragen hinweg nicht bestätigen. Hier zeigte sich kein Unterschied zwischen den beiden untersuchten Gruppen.

3.6.1 Unterscheidung der stotternden Frauen und stotternden Männer über die verschiedenen Fragenblöcke

Des Weiteren sollte untersucht werden, ob sich zwischen den beiden Gruppen Unterschiede hinsichtlich einzelner Antwortblöcke des Fragebogens OASES (Yaruss und Quesal 2006) ergeben würden.

Bei den hierfür durchgeführten weiteren 15 ungepaarten zweiseitigen t-Tests ließen sich in 5 Unterkategorien Unterschiede darstellen:

R L

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1.) Wissen über Stottern (p=0,0011, Abschnitt I, Frageblock B).

2.) Ausprägung der Selbstwirksamkeitserwartung (p=0,0019, Abschnitt II, Frageblock C) 3.) Schwierigkeiten in kommunikativen Situationen (p=0,055, Abschnitt III, Frageblock A) 4.) Zufriedenheit mit der Kommunikation (p=0,047, Abschnitt IV, Frageblock B)

5.) Persönliche Beeinträchtigungen durch das Stottern (p=0,0077, Abschnitt IV, Frageblock C).

3.6.2 Korrelationsanalyse mit Kovariate „Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung“

Aus den unerwarteten Precuneus-Aktivierungen bei den leicht stotternden Frauen sowie leicht stotternden Männern resultierte eine Korrelationsanalyse mit dem „Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung“ als Kovariate (Vgl. 2.6.3.2.2).

Zur Einschätzung der Selbstwirksamkeitserwartung dienten die kumulativen Punktwerte, die aus der Beantwortung der ausgewählten Fragen resultierten (Vgl. 2.6.3.2).

3.6.2.1 Mehraktivierungen bei stotternden Frauen mit hohem Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung

Für diesen Kontrast ergaben sich keine Effekte.

3.6.2.2 Mehraktivierungen bei stotternden Frauen mit geringem Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung

Für diesen Kontrast ergaben sich keine Effekte.

3.6.2.3 Mehraktivierungen bei stotternden Männern mit hohem Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung

Für diesen Kontrast ergaben sich keine Effekte.

3.6.2.4 Mehraktivierungen bei stotternden Männern mit geringem Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung

Diejenigen Männer, die einen hohen Grad an Selbstwirksamkeitserwartung aufweisen und somit nur gering vom Stottern bestimmt sind, zeigten Mehraktivierungen im frontalen Pol sowie im bilateralen präzentralen Gyrus mit Übergang in den postzentralen Gyrus bzw.

Precuneus (Vgl. Tabelle 23).

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Z: 2.3 3,89

Abbildung 24: Übersichtskarte Korrelationsanalyse für stotternde Männer mit „Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung“ als Kovariate

3.6.3 Korrelation der Stotterschwere und dem Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung Aus der unerwarteten Mehraktivierung des Precuneus sowohl bei den leicht stotternden Frauen und Männern als auch bei den Männern mit geringem Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung resultierte die Korrelation zwischen der Stotterschwere und dem Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung.

Im Fall der von uns untersuchten stotternden Männer zeigte sich eine positive Korrelation zwischen der Stotterschwere und dem Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung (Korrelationskoeffizient = 0,5481, mittlerer linearer Zusammenhang).

R L

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Abbildung 25: Zusammenhang zwischen Stotterschwere und Mangel an Selbstwirksamkeits-erwartung bei stotternden Männern.

Die Werte der Stotterschwere entsprechen dem ermittelten SSI-Score, die Werte des Mangels an Selbstwirksamkeitserwartung entsprechen dem ermittelten Punktwert anhand des Fragenblocks II C des erhobenen Fragebogens.

Im Fall der von uns untersuchten stotternden Frauen zeigte sich keine positive Korrelation zwischen der Stotterschwere und dem Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung (Korrelationskoeffizient = 0,0017, kein linearer Zusammenhang).

Abbildung 26: Zusammenhang zwischen Stotterschwere und Mangel an Selbstwirksamkeits-erwartung bei stotternden Frauen.

Die Werte der Stotterschwere entsprechen dem ermittelten SSI-Score, die Werte des Mangels an Selbstwirksamkeitserwartung entsprechen dem ermittelten Punktwert anhand des Fragenblocks II C des erhobenen Fragebogens.

65 4. Diskussion

Da die dem persistenten Stottern zugrunde liegende Pathophysiologie nach wie vor ungeklärt ist und vor allem der deutlich ausgeprägte Geschlechterunterschied mit einer Inzidenz von etwa 4 : 1 zu Lasten der männlichen Betroffenen (Yairi und Ambrose 1999) bislang selten Fokus der Untersuchungen war, sollte das Ziel dieser Studie eine Darstellung ebendieser geschlechtsspezifischen Unterschiede der zerebralen und zerebellären Aktivierungsmuster zwischen stotternden Frauen und stotternden Männern sein. In einem solchen Unterschied könnte die seltenere Ausprägung des persistenten Stotterns bei Frauen begründet liegen.

Hierfür haben wir 31 Stotternde (15 Frauen, 16 Männer) sowie 34 Nicht-Stotternde (17 Frauen, 17 Männer) mittels funktionellem MRT untersucht. Die im Scanner durchzuführende Aufgabe bestand in gedanklicher Rezitation der Monatsnamen des Jahres oder dem gedanklichen Summen der „Kleinen Nachtmusik“ von W. A. Mozart (Mozart 1787), dieses jeweils für eine Dauer von 6 Sekunden in randomisierter Reihenfolge (Vgl. Riecker et al.

2000, siehe 2.4.4).

Die von uns untersuchten stotternden Probanden wiesen in der Modalität „Gedachtes Sprechen“ rechts fronto-operculo-insuläre Mehraktivierungen im Vergleich zu den nicht-stotternden Probanden auf. Dieser Effekt schien hauptsächlich von den nicht-stotternden Frauen getragen worden zu sein, welche im Vergleich zu den nicht-stotternden Frauen ebendiese rechtshemisphärischen Mehraktivierungen aufwiesen. Die stotternden Männer hingegen unterschieden sich unerwartet nicht von den nicht-stotternden Männern. Der Vergleich der Stotternden untereinander erbrachte Mehraktivierungen des Precuneus auf Seiten der stotternden Männer, welche stotternde Frauen nicht zeigten. Die nicht-stotternden Kontrollgruppen unterschieden sich nicht untereinander.

In der Modalität „Gedachtes Singen“ zeigten die stotternden Versuchsteilnehmer keine Mehraktivierungen im Vergleich zu den nicht-stotternden Versuchsteilnehmern, jedoch wiesen die stotternden Männer hier ebenfalls Mehraktivierungen des Precuneus im Vergleich zu den stotternden Frauen auf.

In Bezug auf das Erleben des Stotterns und dem persönlichen Umgang damit unterschieden sich die stotternden Frauen global gesehen nicht von den stotternden Männern. In diversen Unterkategorien zeigten sich jedoch signifikante Unterschiede, so auch in der Ausprägung der Selbstwirksamkeitserwartung.

In einer Korrelationsanalyse zeigten die stotternden Männer mit hoher Selbstwirksamkeitserwartung verstärkte Aktivierungen des Precuneus. Diese als von uns unerwartete Struktur ließ sich auch in einer weiteren Korrelationsanalyse sowohl bei leicht stotternden Frauen als auch bei leicht stotternden Männern als verstärkt aktiv nachweisen.

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In einer weiteren Analyse zeigten die stotternden Männer eine positive Korrelation zwischen Stotterschwere und Mangel an Selbstwirksamkeitserwartung, die stotternden Frauen zeigten diese Korrelation nicht.

Im Folgenden sollen diese Ergebnisse im Einzelnen diskutiert werden.