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Für hydrologische Betrachtungen sind alle jene Stoffe im Wasser von Bedeutung, die in enger Abhängigkeit von der Abflußmenge stehen. Sie können als eine Art

«natürlicher Tracer» oder Maß für die Abflußmenge verwendet werden. Unter den in Tabelle 10 angegebenen Stoffen kommen vor allem jene in Frage, welche ein großes Bestimmtheitsmaß (r2) in ihrer Abflußabhängigkeit aufweisen, wie Gesamthärte, elektrische Leitfähigkeit, Calcium, Karbonat und Natrium. Diese Stoffe weisen bei Niedrigwasser ihre höchsten Konzentrationen auf und erfahren bei zunehmendem Abfluß eine Verdünnung, welche durch die Regressionsgleichung (1) definiert ist.

Solche Verdünnungserscheinungen sind in der Literatur mehrfach beschrieben worden. DURUM (1953) hat eine 20fache Verdünnung der Salzkonzentration zwi-schen Niederwasser und Hochwasser im Saline River, Kansas, USA, festgestellt.

HENDRICKSON and KRIEGER (1960) beobachteten in Kentucky eine zyklische Abflußabhängigkeit der Stoffkonzentration in Fließgewässern: bei ansteigendem Abfluß sinkt die Konzentration an gelösten Salzen anfänglich nur langsam, bei Erreichen der Abflußspitze aber stark ab, bleibt bei abnehmendem Abfluß anfänglich noch niedrig und nimmt dann bei kleineren Abflußmengen wieder stark zu. KELLER (1967 a) hat in einem Gebirgsbach Neuseelands ebenfalls eine Verdünnung beobach-tet. Die Abflußabhängigkeit der elektrischen Leitfähigkeit (als Index für die Konzen-tration gelöster Salze) war an Meßstellen des oberen Bachlaufes relativ steil (rasche Abnahme der elektrischen Leitfähigkeit mit zunehmendem Abfluß) und wurde flacher mit abnehmender Meereshöhe der Meßstelle. Die Steilheit wurde als Index der Infil-trations- und Percolationsbedingungen im Einzugsgebiet ob der entsprechenden Meß-stelle interpretiert. KUNKLE (1965) hat mit Hilfe kontinuierlicher Messungen der elektrischen Leitfähigkeit den Anteil an Grundwasserabfluß - worunter der Abfluß von mehr oder weniger gut gesickertem Wasser zu verstehen ist - während eines mitt-leren Hochwassers (28 mm Niederschlag) in lowa, USA, berechnet. Er hat unerwartet hohe Anteile an «Grundwasser» oder gut gesickertem Wasser unmittelbar nach der Abflußspitze gefunden. Demgegenüber haben PINDER and JONES (1969) in Neu-schottland, Kanada, die Verdünnung mehrerer Stoffe kombiniert, um den sogenannten Grundwasseranteil von 3 kleinen bewaldeten Einzugsg~bieten zu bestimmen. Während eines Hochwassers betrug der Anteil dieses gut gesickerten Wassers immer noch 32-42

%

des Gesamtabflusses.

Eine Berechnung des Anteils an sogenanntem Grundwasserabfluß respektive ober-flächennahem oder wenig gesickertem Ahfluß basiert auf folgender Beziehung:

c,·Q,=cu·Qg+c0·Q0 (2)

wobei Ct die Stoffkonzentration des totalen Abflusses ist, cg die des Grundwasser-abflusses und c0 die des oberflächennahen Abflusses. Qe ist die totale Abflußmenge, Qg der Grundwasserabfluß und Q0 der oberflächennahe Abfluß. Daneben gilt aber

auch: (3)

145

Da alle untersuchten Bäche im Alptal als kleinere oder größere Wildbäche bezeich-net werden dürfen, mag es interessant erscheinen, den durchschnittlichen Anteil an oberflächennah abfließendem Wasser Q0 zu berechnen:

Ct • Qt - Cg • Qg

Oo=

-c.

Der Anteil von Q0 in Prozent des Gesamtabflusses wird

(4)

(5)

Am Beispiel des Calciums als «natürlicher Tracer» ist in Tabelle 17 der prozen-tuale Anteil an oberflächennah abfließendem Wasser Q0 zusammengestellt und in Abbildung 7 dargestellt, wobei folgende Annahmen gemacht werden: als c0 gilt die Stoffkonzentration bei einer Niederwassermenge von 6,6 I/sec· km2 ; diese Menge, während 90

%

des Jahres vorhanden oder überschritten (siehe Tabelle 13, Abbil-dung 3), wurde für alle 5 Bäche gleichwertig angenommen. Als c0 wurde eine Stoff-konzentration gewählt, die etwas über der des Regenwassers liegt, nämlich elektrische Leitfähigkeit 30 µmhos, 6,0 mg Ca/I, 9,0 mg COJI und 1,64 frz H0 Gesamtbärte. Die Konzentration c0 ist für alle 5 Bäche gleich; Ct ist die der Gesamtabflußmenge Q1 ent-sprechende Stoffkonzentration und wird wie c0 aus Gleichung (1) für jeden Bach einzeln bestimmt.

Die beobachtete Ca-Verdünnung im Alptal kann sicher nicht für genaue Angaben über Oberflächen- und Grundwasserabfluß in den Untersuchungsgebieten verwendet werden. Da aber überall einheitliche Kriterien angewendet wurden, erlaubt sie einen

0berflöchennaher

Der oberflächennahe Abfluß in Prozent der gesamten Abflußmenge

,_ ..

für die fünf Untersuchungsgebiete im Alptal, berechnet auf Grund der Ca-Verdünnung.

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Der prozentuale Anteil des oberflächennah abfließenden Wassers in den 5 Untersuchungsgebieten im Alptal, berechnet auf Grund der natürlichen

Calciumverdünnung Tabelle 17

Gebiet Abflußmenge

I III V VII VIII

1/seo • km' 'I, 'I, 'io 'io 'I•

6,6 0 0 0 0 0

15,1 15 15 11 8 14

35,0 30 30 22 17 27

90,5 48 418 35 26 43

183,0 61 61 44 34 54

250 66 66 48 37 59

400 75 75 54 42 67

500 79 79 57 44 70

Jahresmittel:

23,6 23 23 16 13 21

Vergleich des hydrologischen Verhaltens. Der Anteil an oberflächennah abfließendem Wasser scheint ziemlich verschieden zu sein. So beträgt er im Gämschbach VII nur etwa die Hälfte von dem im Vogelbach I und III und etwas mehr als die Hälfte des-jenigen im Etterenbach VIII. Dazwischen liegt der Frifangbach V. Für die Interpre-tation dieses Verhaltens fällt wiederum der Sumpfflächenanteil auf, der bei den Gebieten mit hohem Anteil an oberflächennah abfließendem Wasser (I, III, VIII) größer ist als bei den Gebieten V und VII mit relativ wenig oberflächennahem Abfluß.

PINDER and JONES (1969) bezeichnen diejenigen Stoffe, die die beste Abfluß-abhängigkeit aufweisen (großes Bestimmtheitsmaß r2 ) als die geeignetesten «natür-lichen Tracer» zur Bestimmung des sog. Grund- resp. Oberflächenabflusses. Deshalb ist vorgängig allein Calcium für diese Berechnungen verwendet worden. Im folgenden soll der mittlere jährliche Anteil auch anhand von Gesamthärte, elektrischer Leit-fähigkeit und Karbonat berechnet werden. Na wurde hier deshalb nicht verwendet, weil bezüglich Abflußabhängigkeit keine Unterschiede zwischen den Regressions-koeffizienten der 5 Bäche (Tabelle 12) nachgewiesen werden konnten. Die Ver-wendung von Na als Tracer hätte die Gebiete weit weniger selektioniert, als dies mit den oben erwähnten Stoffen erfolgte. Wie früher bereits gezeigt, muß, um der Häufig-keit von Hoch- und Niedrigwassern (Abflußdauerkurve) Rechnung zu tragen, nicht vom mittleren Jahresabfluß ausgegangen werden, sondern von dem in mittlerer Häu-figkeit auftretenden Abfluß, welcher in den Alptalgebieten auf 23,6 1/ sec· km2 geschätzt wurde. Tabelle 18 gibt die mittleren jährlichen Anteile an oberflächennah abfließendem Wasser an sowohl als Einzelberechnungen mit 4 «natürlichen Tracern»

als auch im Gesamtmittel. Die Streuung ist relativ klein, so daß jeder der 4 Stoffe als

«Tracer» verwendet werden kann. Hier wird die elektrische Leitfähigkeit besonders 147

interessant, da sie sehr einfach und schnell gemessen werden kann. Heute stehen gute und leichte, batteriegespiesene Feldinstrumente zur Verfügung. Mit wenig Auf-wand können innert kurzer Zeit viele Leitfähigkeits- und Abflußmessungen vorgenom-men werden. Auch die kontinuierliche Messung stellt heute keine unüberwindbare Probleme mehr. Die Verdünnungskurve irgendeines im Alptal untersuchten ähn-lichen Baches kann also mit relativ wenig Aufwand ermittelt werden, woraus einige hydrologische Folgerungen abgeleitet werden können. Es ist dabei wichtig, daß sowohl sehr niedrige wie sehr hohe Abflußmengen erfaßt werden können.

Die mittleren jährlichen Anteile an oberflächennah abfließendem Wasser in Prozent der gesamten Abflußmenge für die 5 Untersuchungsgebiete im Alptal auf Grund der Verdünnungskurven der elektrischen Leitfähigkeit, der Gesamtbärte,

des Calciums und des Karbonates Tabelle JB

Gebiet

Stoff I III V VII vm

0/o 0/o 0/o 0/o 0/o

Elektrische

Leitfähigkeit 21,4 22,9 17,8 13,6 19,1

Gesamthärte 22,8 20,9 17,1 12,3 20,8

Ca 23,3 23,4 16,1 13,1 20,8

CO3 23,5 23,5 18,5 12,4 21,8

Mittel 22,7 22,7 17,4 12,9 20,6

Anhand der mittleren jährlichen Anteile an Grund- resp. oberflächennah abfließen-dem Wasser können auch die Stofffrachten nach Herkunft aufgeteilt werden. Die pro-zentualen Anteile der Stofffrachten des oberflächennah abfließenden Wassers berech-nen sich analog den Abflußmengen ( 5) , nämlich:

F C Q

~ . 100 = 0 0 100

,Ft et. Qt (6)

und für die Fracht des Grundwasserabflusses

(7) wobei F1 die jährliche gesamte Stofffracht, F u die jährliche Stofffracht des sogenann-ten Grundwassers und F0 die jährliche Stofffracht des oberflächennah abfließenden Wassers ist. Die nach Gleichung (6) berechneten Anteile der Ca- und CO3 -Stoff-frachten des Oberflächenwassers betragen in der Reihenfolge der Gebiete I, III, V, VII, VIII für beide Stoffe gleich viel, nämlich 3,8, 3,6, 2,0, 1,4 und 3,3

% .

Das Oberflächenwasser trägt also nur sehr wenig zur gesamten Stofffracht bei, obwohl der mengenmäßige Anteil recht groß erscheint. Die vorhin erwähnten Unterschiede 148

J

zwischen den Einzugsgebieten zeichnen sich auch hier wieder ab, indem V und VII bedeutend kleinere Frachten im Oberflächenwasser aufweisen als I, III und VIII.

Zusammenfassend kann ein deutlich verschiedenes hydrologisches Verhalten der fünf Einzugsgebiete festgestellt werden. Die in Kapitel 2 beschriebenen Charakteri-stika ließen zwar bereits ein unterschiedliches Verhalten vermuten, da Größe, Exposi-tion, Topographie, Vegetations- und Bodenverhältnisse ziemlich stark variierten. Die sehr starke Abhängigkeit einiger vor allem bei Niederwasser angereicherter Stoffe von de~ Abflußmenge war Anlaß, diese Stoffe als Tracer zur hydrologischen Interpre-tation zu verwenden. Da über die kurz- sowie langfristige Wasserbilanz in den Gebie-ten noch keine DaGebie-ten vorliegen, mußte angenommen werden, daß sie sich ähnlich dem 1000 ha großen Nachbargebiet, dem Großbach bei Einsiedeln, verhalten. Es kann erst das Ziel zukünftiger Untersuchungen sein, anhand der seit 1969 laufenden Bilanzmessungen (kontinuierliche Wassermessung) diese Annahme zu überprüfen.

Sie soll aber mindestens für die relative Beurteilung des hydrologischen Verhaltens eine Vergleichsbasis bieten.

Unter diesen Voraussetzungen können die Gebiete in 2 Gruppen eingeteilt werden:

I, III und VIII mit relativ hohem Anteil an oberflächennahem Abfluß und relativ großem Areal stark vernäßter Flächen. Die durchschnittlichen lnfiltrationsbedingun-gen in diesen Gebieten sind eher schlecht, was sich auch auf die niedrilnfiltrationsbedingun-gen Stoffkonzen-trationen bei mittlerer und tiefer Wa~serführung auswirkt. Umgekehrt zeigen sie recht hohe Oxydierbarkeitswerte und NH4-Frachten, zwei weitere Hinweise auf den relativ großen Anteil an oberflächennah abfließendem Wasser: die Oxydierbarkeit als Maß für die nichtoxydierten organischen Substanzen im Wasser, welche vor allem durch Oberflächenwasser in den Bach gelangen, und NH4, welches vor allem im Regenwasser reichlich vorkommt und auch in den obersten Moorbodenhorizonten anzutreffen ist.

Anders verhalten sich die Gebiete V und VII, welche einen bedeutend kleineren Anteil an oberflächennahem Abfluß aufweisen. Im Gämschbach VII ist nur ein sehr kleiner Teil der Fläche versumpft, und im Frifang V ist auch ein relativ kleines Areal stark vernäßter Flächen anzutreffen. Die Infiltrations- und Perkolationsverhältnisse dieser Gebiete dürfen deshalb günstiger eingeschätzt werden. Die Stoffkonzentratio-nen bei mittl~rem Wasserstand sind im allgemeiStoffkonzentratio-nen höher; die Oxydierbarkeitswerte und NH4-Frachten zeigen einen entsprechend tieferen Stand. Weitere Kleineinzugs-gebiete im Alptal sind in Untersuchung begriffen; es ist zu hoffen, daß sie die Basis zur Beurteilung des Einflusses gebietsspezifischer Faktoren auf Chemismus und Menge des abfließenden Wassers erweitern.

Die sehr enge Beziehung zwischen elektrischer Leitfähigkeit und Abflußmenge an einem Meßort mag Anlaß dazu sein, die elektrische Leitfähigkeit als Argument zur Bestimmung der Abflußmenge zu verwenden. Bei Einzelmessungen müßten wohl ziemlich große Fehler in Kauf genommen werden, für Durchschnittswerte dagegen kann dann eine Anwendungsmöglichkeit nicht ausgeschlossen werden, wenn es darum geht, Bilanzerhebungen zu machen. In jedem Fall wäre eine größere Anzahl Eich-messungen von elektrischer Leitfähigkeit und Abflußmenge notwendig, um die Mes-sungen auf einer sicheren Korrelation basieren zu können.