• Keine Ergebnisse gefunden

4. Diskussion

4.3 Histologische Auswertung der Muskulatur

Bei der histologischen Auswertung des M. gastrocnemius konnte man leider die erhobenen Werte am Ende des ersten Versuchs nicht mit Werten vor dem Versuch vergleichen und somit nur die Referenzgruppe KO ovx als Vergleichsgruppe heranziehen. Wenn man die Theorie verfolgt, dass nach ovx Ratten an Muskelmasse durch extrazellulare Flüssigkeitszunahme zunehmen (McClung et al. 2006; Moran et al. 2007) und die Gabe von E2 die Skelettmuskelproteinbiosynthese hemmt (Toth M et al. 2001; Kumar et al. 2008), so müsste theoretisch die Gruppe E2 signifikant weniger und die Gruppen Ecd eher mehr als die Kontrollgruppe KO ovx eine Skelettmuskelfaserfläche aufzeigen.

Im ersten Versuch zeigten sich diese theoretischen Ergebnisse nur partiell. Im Vergleich zur KO ovx hatte die Gruppe E2 eine deutlich geringere Muskelfaserfläche. Allerdings wiesen alle Ecd Gruppen erheblich größere Muskelfaserflächen als die KO ovx auf.

Im zweiten Versuch, dem Langzeitversuch, zeigten sich diese theoretischen Überlegungen nicht. Die Muskelfaserfläche der KO ovx-Gruppe wies ähnliche Veränderungen wie die E2-Gruppe auf. Interessanterweise legte sogar die Gruppe KO intakt, wenn auch nicht signifikant, im Vergleich zur Gruppe KO ovx an Muskelfaserfläche zu. Eine Erklärung hierfür wäre, dass durch ovx die Aktivität der Ratten gehemmt wird (Latour et al. 2001; Fisher et al.

1998 + 2000). Durch die nun fehlende ovx konnten somit die Versuchstiere in der Gruppe KO intakt aktiver als die der Gruppe KO ovx sein und somit durch vermehrte Bewegung mehr an Muskelmasse zunehmen. Diese Mutmaßung würde auch für die Beobachtungen während des Versuchs sprechen. Sämtliche Tiere der Ecd-Gruppen sowie der Gruppen mit intakten Ovarien und E2-Gruppen schienen viel aktiver und agiler im Verhalten als die KO ovx. Im zweiten Versuch ergab sich für alle Ecd-Gruppen erneut eine deutlich größere Skelett-muskelfaserfläche des M. gastrocnemius als für die Gruppe KO ovx. Diese Ergebnisse zeigen den in einigen Tierversuchen bereits beobachteten anabolen Effekt von Ecd. Azizov und Seifulla konnten zeigen, dass Versuchstiere nach Gabe von Ecd signifikant länger laufen und schwimmen konnten (Azizov und Seifulla 1998; Lafont und Dinan 2003), während Syrov sogar einen anabolen Effekt durch Ecd bei Ratten ohne Muskeltraining nachweisen konnte (Syrov 1984; Lafont und Dinan 2003). Kholodova belegte, dass die bei bestehender Hypovitaminose D3 negativen Folgen bei Ratten durch Ecd ausgeglichen werden können und Muskel-ATP erhöhen (Kholodova et al. 1997; Lafont und Dinan 2003).

Wenn man beide Versuche mit ihren Versuchsergebnissen in Bezug auf die anabole Wirkung vergleicht, so wird im Kurzzeitversuch (s. c. Gabe von Ecd) eine stärkere anabole Wirkung

59

als im Langzeitversuch (orale Gabe von Ecd) deutlich. Eine Erklärung wäre die vermutete geringe Halbwertszeit des 20E, welche somit auf einen schnelleren Metabolismus bei oraler Gabe hindeutet (Lafont und Dinan 2003) als bei s.c. Injektion.

Im Langzeitversuch in der Gruppe Ecd 3 mit intakten Ovarien sah man eine signifikant kleinere Skelettmuskelfaserfläche im Vergleich zu den Kontrolltieren sowohl ovx als auch intakt. Báthori zeigte 2008, dass Ecd seine anabole Wirkung über die Stimulation von Satellitenzellen verursacht und somit die Größe der Muskelfaser durch Erhöhung der myonuklearen Zellen bewirkt. Dieser Effekt soll, so vermutet Báthori, durch das Signal-Transduction System des IGF-1 verursacht werden (Báthori et al. 2008). Wenn man bedenkt, dass IGF-1 durch E2 gehemmt und durch ovx gefördert wird (Fisher et al. 2000), so würde in der Gruppe Ecd 3 intakt durch vermehrtes E2 gegenüber den Ecd-Gruppen ovx eine schwächere Stimulation des Ecd bewirkt werden, wenn nicht sogar überhaupt ausfallen.

4.3.1.1 IGF-1

Um dies genauer zu untersuchen, wurde im ersten Versuch nur bei den Gruppen KO ovx und Ecd 25 ovx das Serum-IGF-1 bestimmt, während im zweiten Versuch das Serum-IGF-1 von allen Gruppen bestimmt wurde. Im ersten Versuch zeigte sich somit, dass das IGF-1 in der Gruppe Ecd 25 ovx geringer ausfiel als in der KO ovx-Gruppe. Fungiert im Langzeitversuch die KO ovx als Kontrollgruppe, so existiert keine signifikante Zunahme des IGF-1 in den Versuchsgruppen. Bei den Gruppen KO intakt, Ecd 1 ovx, Ecd 6 ovx und Ecd 3 intakt ist der IGF-1 leicht reduziert, in der Gruppe E2 und Ecd 3 ovx leicht erhöht. Nimmt man die Gruppe KO intakt als Kontroll-Vergleichsgruppe, welche somit den Ausgangswert des Versuchs simuliert, so zeigte sich in allen anderen Gruppen eine signifikante Erhöhung des IGF-1, allerdings unterschiedlich stark. IGF-1 stieg in der Gruppe Ecd 3 intakt am wenigsten an und würde somit den geringeren anabolen Effekt im Vergleich zu den anderen Gruppen erklären.

Während das IGF-1 in den Gruppen Ecd 1 ovx und Ecd 6 ovx ähnlich anstieg, zeigte die

Gruppe Ecd 3 ovx einen deutlicheren Anstieg. Somit würde der Anstieg des IGF-1 in den Ecd-Gruppen deren anabolen Wirkungen entsprechen und diese, wie Báthori vermutete, be- einflussen. Verschiedene Versuche zeigten, dass die Gabe von E2 bei ovx Ratten IGF-1 hemmt (Fisher et al. 1998 + 2000; Tsai et al. 2007). Dies zeigte sich in der Auswertung des zweiten Versuchs nicht, denn dort stieg das Serum-IGF-1 der E2 ovx-Gruppe im Vergleich zur KO intakt-Gruppe, ohne einen anabolen Effekt auf die Muskulatur zu zeigen. Eine Erklärung hierfür wäre die Hemmung der Muskelproteinbiosynthese und Abnahme der Skelettmuskelgröße bei ovx-Ratten nach E2-Gabe, was durch andere Studien bereits eindrucksvoll gezeigt wurde (Toth M et al. 2001; Tsai et al. 2007; Kumar et al. 2008).

60

4.3.2 Herzmuskulatur

Bis vor kurzem wurde in weiten Kreisen angenommen, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Wirkung der Geschlechtshormone auf das kardiovaskuläre System und den Lipidmetabolismus die Ursache für die erhöhte Häufigkeit der KHK bei Frauen im Vergleich zu den Männern seien (Dietel et al. 2005). Östrogene erhöhen HDL, senken LDL (Rako 2009; Dietel et al. 2005), schützen die Muskelmembrane, erhöhen die Kontraktilität (Grohé et al. 1999), senken den Herzsympathikus und reduzieren dadurch die Herzfrequenz (Armstrong et al. 1996), während Androgene einen gegenteiligen Effekt auf das vaskuläre Endothel haben (Dietel et al. 2005; Hartgens und Kuipers 2004), eine Herzhypertrophie verursachen können und den Blutdruck erhöhen (Kutscher et al. 2002; Tsunoda 2001;

Urhausen et al. 2003). Der auffallende Anstieg der KHK nach einer chirurgischen und der biologischen Menopause unterstützte die Hypothese, dass Östrogene kardioprotektiv wirken.

Diese Beobachtungen führten zu einem weitläufigen Einsatz der postmenopausalen Hormonersatztherapie in der Primär- und Sekundärtherapie der KHK. Allerdings haben zwei klinische Meilensteinstudien, HERS und WHI, die Sichtweise der HRT stark verändert und ein ungünstiges Nutzen-Risiko-Verhältnis aufgezeigt (Dietel et al. 2005).

Ob die anabol wirkende Substanz Ecd kardioprotektiv oder eher kardiodestruktiv ist, wurde bis jetzt nicht näher untersucht. Man weiß, dass Ecd die Proteinbiosynthese aktiviert, sich positiv auf Stress auswirkt, den Cholesterinwert senkt und direkt am Herzen antiarrhytmogen wirkt (Báthori und Pohgrácz 2005). Ob Ecd aber eine Kardiomyopathie verursacht, wie es eine hoch dosierte Einnahme von Androgenen zeigt (Urhausen et al. 2003) oder nach ovx bei Ratten aufgrund des E2-Defizits beobachtet werden konnte (Grohé et al. 1999; Basaria et al.

2001), wurde noch nicht näher untersucht.

Im ersten Versuch wurde deutlich, dass es bei der Betrachtung der Rattenmyokardfasern in Unabhängigkeit vom Herzgewicht zu einer Vergrößerung der Fasern in der Gruppe E2

ovx und der Gruppe Ecd 25 ovx kam. Bezieht man allerdings das Gewicht des Herzens mit ein, so zeigten sich erneut deutlich größere Myokardfasern in der Gruppe E2 ovx, allerdings nur minimal vergrößerte Fasern in der Gruppe Ecd 2 ovx, sowie eine Abnahme der Faserfläche in den Gruppen Ecd 10 ovx und Ecd 25 ovx.

Im zweiten Versuch kam es zu ähnlichen Ergebnissen. Bei der Betrachtung der Myokardfasern allein wird deutlich, dass sämtliche Ecd-Gruppen keine signifikante Veränderung zur KO ovx-Gruppe aufweisen. Lediglich die Gruppe E2 ovx nahm signifikant an Myokardfaserfläche ab. Vergleicht man die Gruppen mit der KO intakt, welche die physiologisch normalen Tiere darstellen, so nahmen sämtliche Ecd-Gruppen signifikant an Myokardfaserfläche ab. Auch wenn die Myokardfaserfläche in Abhängigkeit zum erzielten

61

Rattenherzgewicht gesetzt wird, so nahm die Gruppe E2 ovx signifikant gegenüber der Gruppe KO intakt ab und sämtliche Ecd-Gruppen reduzierten im Vergleich zur KO intakt ihre Muskelfaserfläche, wenn auch nicht signifikant. Somit zeigte die Substanz Ecd keine anabole Wirkung auf die Herzmuskulatur, welches eine Kardiomyopathie verursachen könnte.