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4. Hindernisse bei der energieeffizienten Siedlungsentwicklung

4.7 Weitere Hindernisse

4.7.1 Eigentumsrechte

Verfügungsrecht

Es fehlt oft die Möglichkeit, einen Zuteilungsanspruch der öffentlichen Hand bei Planungsmass-nahmen durchzusetzen. Solche Eingriffsmöglichkeiten sind etwa bei Autobahnen möglich. Bei Gebietsentwicklungen, die ein öffentliches Interesse haben, insbesondere bei Sondernutzungs-plänen, sollte ein solcher Eingriff der öffentlichen Hand möglich sein.

Fehlende Mehrwertabschöpfung

Die Mehrwertabschöpfung ist bei den Kantonen aktuell zu wenig einheitlich und auch im Ergebnis zu unbedeutend geregelt. Eine entsprechende Verwendung z.B. für Infrastrukturfinanzierung, An-teil preisgünstiges Wohnen usw. ist nicht bestimmt. Die aktuellen Regelungen in den Kantonen Basel Stadt, Neuenburg, St. Gallen, Thurgau und Bern sind unterschiedlich und ausser in Basel Stadt geringfügig. Möglich wäre – falls rechtliche Grundlagen fehlen – eine Art «städtebaulicher Vertrag», damit private und öffentliche Akteure zielgerichtet zugunsten einer sozial gerechten Bo-dennutzung (z.B. zur Finanzierung von Infrastrukturen) zusammenwirken können.

Preisgestaltung

Es fehlen für Liegenschaften und Mieten mögliche Vorgaben für die Preisgestaltung.

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4.7.2 Diverse

Aufgrund der Rückmeldungen konnte noch eine Reihe weiterer Hindernisse ausgemacht werden.

Parzellarstruktur, Eigentümerinteressen

Unterschiedliche Parzellarstruktur, schwierige Parzellengeometrie und daraus resultierende unter-schiedliche Eigentümerinteressen können Gebietsentwicklungsplanungen mit Verdichtungsmass-nahmen behindern.

Gemeindegrenzen, Zuständigkeiten, Gemeindeautonomie

Infrastrukturen müssen oft grenzüberschreitend geplant, finanziert und betrieben werden. Falls Verdichtungsmassnahmen solche Infrastrukturen erfordern, können die Gemeindegrenzen Hin-dernisse darstellen, da die Koordinations- und Finanzierungsprobleme zunehmen. Gleichzeitig sind hier Möglichkeiten für eine Fusion zwischen Gemeinden auszumachen.

Gemeindefinanzen

Gemeinden mit engem finanziellen Spielraum und einem tendenziell hohen Steuerfuss haben we-niger die Möglichkeit, Gebietsentwicklungen mit Verdichtungsmassnahmen selbständig anzustos-sen, da auch entsprechende Investoren fehlen.

Kommunale Vorfinanzierung von Infrastrukturen

Die Vorfinanzierung von Infrastrukturen, insbesondere der Erschliessung, ist oft Voraussetzung für die Auslösung von Verdichtungsmassnahmen und Gebietserneuerungen. Aber gerade diese Vor-finanzierung überfordert viele Gemeinden und es wird auf die Massnahmen verzichtet.

Kantonale Planungsvorgaben

Die raumplanerisch richtige Vorgabe, dass die weitere Siedlungsentwicklung und das Bevölke-rungswachstum hauptsächlich in den städtischen Räumen stattfinden sollen, kann in gewissen ländlichen Gemeinden zu Problemen führen. Diese haben sich mit Vorleistungen oder mit Liegen-schaftsreserven auf mögliche Verdichtungsmassnahmen vorbereitet, die sie nun nicht mehr reali-sieren können.

Hochhaus: Schattenwurf-Bestimmungen

Die Nachbarschaft darf durch den Schattenwurf eines Hochhauses nicht beeinträchtigt werden (z.B. in Zürich gemäss § 284 Abs.4 des Zürcher Planungs- und Baugesetzes PBG). Diese Best-immungen werden teilweise noch präzisiert. Mit dieser generellen unflexiblen Regelung der Ab-stände wird der Hochhausbau praktisch verunmöglicht. Da für die bauliche Verdichtung die Mög-lichkeit des Hochhauses eine spezielle Rolle spielt, sollte es je nach Gebiet unterschiedliche und flexible Regeln geben. Möglich ist auch eine Regelung, wonach für zentrale, dichte Gebiete ein anderer Winkel vorgesehen wird (Stadt Basel) oder dass für solche Gebiete eine Schattenwurfre-gelung teilweise auch abgeschafft werden kann.

Bestehende Gebäude- und Fassadenstrukturen in historischen Quartieren

Vorschriften für Aussenisolationen können in historischen Quartieren (etwa aus der Gründerzeit, Ende 19.Jh./Anfang 20.Jh.) nicht schematisch durchgeführt werden, da die Isolationsmassnah-men die Fassadenstruktur zerstören können. Gleichzeitig sind Innenisolationen bei Holzkonstruk-tionen wegen möglichen KondensaHolzkonstruk-tionen keine optimale Lösung. Hier müssen die Energieeffi-zienzwerte anders – etwa durch Speichermassnahmen – angestrebt und erreicht werden.

Geologische Bedingungen

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Die thermische Nutzung von oberflächennahen Grundwasservorkommen ist eine zweckmässige erneuerbare Energieform, die vermehrt genutzt wird. Dies kann aber zu Temperaturschwankun-gen des Grundwassers führen. Die Gewässerschutzverordnung erlaubt eine maximale Änderung um plus/minus 3°C.

Feuerpolizei/Brandschutz einerseits, Denkmalschutz andererseits

Brandschutzvorschriften auf der einen Seite, Denkmalschutzbestimmungen auf der anderen Seite können derart zu Ziel- und Umsetzungswidersprüchen führen, dass zweckmässige Erneuerungs- und Verdichtungsmassnahmen nicht realisiert werden können, so etwa beim Erneuerungsbedarf historischer Siedlungen und Bauten.

Fehlende Folge- bzw. Wirkungsanalysen

Die fehlende Analyse der Konsequenzen von Gebietserneuerungs- und Verdichtungsmassnah-men schränkt die Erkenntnis der Sozialverträglichkeit ein oder blendet sie vollständig aus. So werden auch keine flankierenden Massnahmen vorgesehen, um negative Auswirkungen der Mas-snahmen (Verdrängung schwächerer Nutzer und Nutzungen, Verteuerung) zu mildern.

Unterschiedliche Sonderplanungsinstrumente, unterschiedliche Verfahren

Unterschiedliche Planungsinstrumente (Teilzonenplan, Gestaltungsplan, Sonderbauvorschriften, Quartierplan, Landumlegung u.a.) und unterschiedliche Verfahren verkomplizieren die Innenent-wicklung der Siedlung. Zweckmässig wäre ein Zusammenfassung und Vereinfachung der Instru-mente und Verfahren. Dies kann etwa durch eine generalisierte Gebietserneuerungsplanung oder durch modulare Sondernutzungsplanung (massgeschneiderte Planung) erreicht werden.

Tiefe maximale Dichtevorschriften

Für die vermehrte Innenentwicklung der Siedlungen sind insbesondere in zentralen Lagen (tiefe) maximale Dichtevorschriften nicht sinnvoll. Zweckdienlicher sind minimale Dichtevorschriften, auch wenn die Liegenschaftsbesitzer nicht zum ‚höher Bauen‘ verpflichtet werden können. Zudem darf die Frage gestellt werden, ob in städtischen urbanen Gebieten zweigeschossige Zonen noch sinnvoll seien.

Fehlende Planung und Koordination im Untergrund

Bis anhin führte die fehlende Planung des Untergrundes für die Energienutzung und für Erneue-rungsgebiete zu Nutzungskonflikten, so etwa zwischen erstellten Erdsonden und geplanten Ver-kehrsinfrastrukturen.

Standortplanung bei Bund und Bundesbetrieben als Vorbild

Die Innenentwicklung und die energieeffiziente Siedlungsentwicklung verlangen unter anderem die zweckmässige Reduzierung der Mobilität, was sich insbesondere auf die Standortplanung von Betrieben der öffentlichen Hand auswirken sollte. Es ist somit zu fragen, ob etwa die Aussiedlung von Bundesämtern in die Umgebung von Bern aus Absicht die Mobilität zu reduzieren sinnvoll sei.

Fehlende Aussagen zu Belegungsdichte bzw. zum Flächenverbrauch pro Einwohner und Arbeitsplatz

Bei Verdichtungsmassnahmen sollte nicht nur die generelle Wohnfläche vermehrt, sondern auch der Flächenverbrauch pro Einwohner/in und Arbeitsplatz reduziert werden können. Ob hier zum Beispiel Belegungsvorschriften dienlich sind, muss die Praxis zeigen. Umgekehrt ist die aktuelle Verkehrsfläche pro Kopf noch ca. doppelt so hoch als die Wohnfläche pro Kopf.

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Nutzungsmischung

Da bis heute eine generelle Quantifizierung der energieeffizienten Siedlungsentwicklung fehlt, fehlt auch eine Aussage wo welche Nutzungsmischung energieeffizient ist.

4.8 Empfehlungen

Aufgrund der schriftlichen Rückmeldungen, der Gespräche und ihrer eigenen Erfahrungen formulieren Herczog Hubeli verschiedene Empfehlungen. Diese beziehen sich zum einen auf die bauliche Ver-dichtung und das Beseitigen ihrer negativen Auswirkungen und zum anderen auf die Reduktion der Mobilität.

4.8.1 Bauliche Verdichtung

4.8.1.1 Allgemein

 Es sollen mehrheitlich Mindestdichten anstatt Obergrenzen für Dichten angestrebt und geregelt werden (zumindest als Ergänzung aktueller Dichtevorschriften).

 Es sollen spezifische und typische (typologische) Verdichtungs- und Erneuerungsgebiete (Gebie-te, für die eine nutzungsmässige und bauliche Veränderung vorgesehen ist) bezeichnet werden.

 Es sollen die Qualitäten der Dichte (Nutzungsmischung, Identität/Ort, Freiräume, Versorgung) und nicht allein die Quantitäten angestrebt werden.

 Das Vorgehen für eine Verdichtung des Bestands soll angepasst werden. Zunächst soll das vor-handene Potenzial (Nutzungsplanung) analysiert und Verdichtungsgebiete/Erneuerungsgebiete geortet werden. Dies soll wie folgt umgesetzt werden: Durch Festlegung von Kriterien, Durchfüh-rung von Testplanungen und Wettbewerben, um im Anschluss die Qualität zu gewährleisten. Es braucht zudem eine Absicherung des politischen Prozesses. So sollen die unterschiedlichen Inte-ressen ausgelotet werden (Planung der Umsetzbarkeit). Schliesslich soll ein Bericht über die Auswirkungen und über mögliche Massnahmen erstellt werden, um die Sozialverträglichkeit zu prüfen.

 Weitere Massnahmen zur Verbesserung des Verfahrens sind: Vereinfachung der Planungsinstru-mente (Gebietsentwicklungsplan), Regelung der verdichteten Bauweise und Nachverdichtung im Baureglement (Bsp. Frauenfeld), massgeschneiderte Aufzonung bzw. Erhöhung der Stockwerke um ein bis zwei Geschosse an spezifischen Lagen (z.B. zentrumsnahe Quartiere, Bahn-Stationen, das heisst nutzungsbezogen), Hochhäuser an bestimmten Lagen und qualifizierte Dichte (Nut-zungsmischung, Identität/Ort, Freiräume, Versorgung).

4.8.1.2 Beseitigung der negativen Auswirkungen für Bewohner/innen

 Eine Verteuerung sollte möglichst verhindert werden. Hilfreich ist hier unter anderem eine Mehr-wertabschöpfung und/oder eine Umwidmung für günstiges Wohnen, die Ausscheidung von Zonen oder Prozentanteilen für günstiges Wohnen oder die Förderung des gemeinnützigen

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baus. Die Erstellung eines Berichts über die Auswirkungen der baulichen Verdichtung und Vor-schläge für mögliche Massnahmen ist wünschenswert.

 Die Infrastruktur und öffentliche Anlagen (Mehrwertabschöpfung) sollen sichergestellt werden.

 Geprüft werden auch mögliche Bestimmungen zur Belegung.

 Als weitere Massnahme sollen auch allfällige Auszonungen als Kompensation für die innere Ver-dichtung in Betracht gezogen werden.

 Generell soll in allen Kantonen eine griffige rechtliche Basis für die Mehrwertabschöpfung ge-schaffen werden. Definition und Berechnung des entstehenden Mehrwerts (Aufzonung, Son-dernutzungsplanung) soll erarbeitet werden. Eingriffsmöglichkeiten der öffentlichen Hand bei spe-zifischem Interesse sollgeregelt werden.

4.8.1.3 Reduktion der Mobilität

 Solange das Parkplatzangebot als Anreiz für Autofahrten dient, wird auch mit dem Auto gefahren.

Deshalb ist die vorhandene Zahl der Parkplätze massgebend für das Verkehrsaufkommen.

Gleichzeitig braucht es ein Parkplatzregime, welches die Fahrten regelt.

 Der Neubau von Strasseninfrastruktur soll minimiert werden.

 Die Gebietsausscheidung sowie die Standortwahl von Gebietserneuerungen sollen gemäss den Zielen einer energieeffizienten Mobilität erfolgen.

 Verdichtetes Bauen soll bevorzugt und gefördert werden.

 Ein gutes Angebot für den Langsamverkehr (Fuss-/Veloverkehr) muss bereitgestellt werden.

 Es braucht ein gutes ÖV-Angebot (Haltestellen in Fussgängerdistanz).

 Das Car-Sharing (mieten/teilen statt besitzen) soll gefördert werden.

 Eine kombinierte Mobilität wird angestrebt.

 Verursachergerechte Abgaben sind konsequent zu erheben. Dazu gehören z.B. leistungsabhän-gige Abgaben für den privaten Automobilverkehr ähnlich der LSVA: wer viel fährt, zahlt mehr.

 Die nicht energieeffiziente Mobilität soll verteuert werden.

 Innovationen in der Fahrzeugtechnologie (klein, Hybrid, elektrisch; Sicherheit) sollen gefördert werden.

 Anzustreben sind auch flexible Arbeitsformen und Arbeitszeiten sowie Änderungen des allzu -mobilen Lebensstils.

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