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5. Diskussion

5.3 Ist darüber hinaus die Unterscheidung von Progress und Pseudoprogress mittels

PFS möglich ist. Drei Monate nach der Operation (Zeitpunkt 2) befindet sich das Hirngewebe in dem Stadium, in dem ein Pseudoprogress besonders häufig auftritt, während sechs Wochen nach Operation (Zeitpunkt 1) ein Pseudoprogress möglicherweise seltener vorkommt.

5.3 Ist darüber hinaus die Unterscheidung von Progress und Pseudoprogress mittels

mathematischen Ansatz vor, bei der die Analyse der Tumor-Heterogenität auf T2-gewichteten Sequenzen mittels Minkowski-Funktionalen eine Einteilung in Pseudoprogress oder Progress erleichterte. Diese retrospektive erprobte Methode zeigte auch an einer kleinen prospektiv durchgeführten Untersuchung vergleichbare Ergebnisse. Gemeinsamkeit dieser vorgestellten retrospektiven Studien war ihre meistens geringe Fallzahl, sodass eine sichere Unterscheidung von Progress und Pseudoprogress im Rahmen größerer prospektiver Studien erprobt werden müsste.

Bislang bleiben die konventionelle MRT und die vorgestellten neuen Ansätze der histopathologischen Untersuchung in der Differenzierung unterlegen. Im klinischen Alltag wäre ein nicht-invasiver früher Diskriminator zwischen Progress und Pseudoprogress überaus nützlich. Schließlich können sich aus der Diagnosestellung unterschiedliche therapeutische Konsequenzen ergeben (siehe 2.4.5.3.1). Ziel dieser Arbeit war es deshalb, den klinischen Wert nicht-invasiver quantitativer T1-Bildgebung in der Differenzierung von Progress und Pseudoprogress zu beurteilen.

Grundlage dafür waren native ∆dT1Ödem-maps, die ohne die Applikation von Kontrastmittel generiert wurden. ∆dT1Ödem-maps messen T1-Zeit-Verlängerungen, die in grober Annäherung mit dem Wassergehalt bzw. Ödem im Hirn- und Tumorgewebe korrelieren. Analog zur Volumetrierung der Kompartimente von anreicherndem Tumor und Wolke auf den ∆qT1KM-maps wurde das Ödemvolumen auf den ∆dT1Ödem-maps zu jedem Zeitpunkt ausgemessen. Anhand der drei Kompartimente wurden Volumenverlaufskurven über den gesamten Studienverlauf berechnet (siehe Abb. 17).

Bei den Volumenänderungen des Ödems fiel während des Therapieverlaufs auf, dass der Beginn der Ödemzunahme in einigen Fällen vor echtem Progress bzw. vor Pseudoprogress variierte. So zeigte sich bei echtem Progress häufiger als bei Pseudoprogress ein frühzeitiger Beginn der Ödemzunahme. Aus dieser Beobachtung wurde die Hypothese abgeleitet, dass möglicherweise anhand des Beginns der Ödemzunahme eine Unterscheidung beider Entitäten möglich ist. Letztlich hielt die Hypothese der statistischen Prüfung nicht stand, sodass sich nach den Ergebnissen dieser Arbeit ∆dT1Ödem-maps nicht zur Differenzierung von Progress und Pseudoprogress eignen.

Trotzdem bleibt zu diskutieren, welche pathophysiologische Bedeutung den auf den

∆dT1Ödem-maps beobachteten Volumenänderungen des Ödems im Therapieverlauf

zukommen könnte. Das frühzeitig aufgetretene Wachstum des Ödems vor Progress könnte tumorassoziiert gewesen sein. Möglicherweise war es Korrelat eines zeitgleich bereits bestehenden Progresses, der sich bildmorphologisch auf den ∆qT1KM-maps oder in der konventionellen Bildgebung erst zu einem späteren Zeitpunkt nachweisen ließ. Vorstellbar wäre, dass die Ödemzunahme ähnlich wie die Zunahme der Wolke Ausdruck einer zunehmenden Infiltration VEGF exprimierender Tumorzellen ist (Gavard et al., 2006, Louis et al., 2007). Die damit einhergehende Erhöhung der Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke könnte ein vasogenes Hirnödem erklären.

Allerdings ist im frühen postoperativen Verlauf die Genese einer Ödemzunahme schwierig zu verifizieren, da mehrere Faktoren Einfluss auf die Ödembildung haben.

Insbesondere unter laufender Bestrahlung und Chemotherapie ist ein Ödemwachstum nicht sicher dem Wachstum des Tumors zuzuordnen. Akute und subakute Strahleneffekte können Störungen der Blut-Hirn-Schranke und Vasodilatation verursachen, was die Ödembildung begünstigt (Wong und Van der Kogel, 2004).

Ebenso ist unter Temozolomid das Auftreten von Ödemen möglich (MSD, 2017).

Darüber hinaus kann die im Einzelfall symptomatisch angewandte Kortikosteroidtherapie zu einer Reduktion des Hirnödems führen (Roth et al., 2010). Hinzu kommen postoperative Umbau- und Resorptionsprozesse, die mit einem Ödem assoziiert sein können (DGN, 2015). Die hohe Sensibilität des Ödem-Kompartiments gegenüber Einflussfaktoren spiegelte sich in den Ergebnissen der ROC-Analyse: Im frühen Therapieverlauf war das Ödemwachstum ein schwaches Qualitätsmaß und weder sensitiv noch spezifisch, um das PFS vorauszusagen (siehe Tab. 5).

In der Analyse der postoperativen Ödementwicklung sind zudem methodische Einflüsse zu bedenken. Grundsätzlich wurden alle Patienten einheitlich therapiert. Aus ethischen Gründen konnte jedoch eine individuelle Therapieanpassung, im Sinne der besten Behandlung für den Patienten, indiziert sein (siehe Tab. 3). Insbesondere die individuelle Verträglichkeit der Bestrahlung und Chemotherapie rechtfertigten solche Therapieanpassungen oder die Gabe von Kortikosteroiden. Da alle drei Faktoren die Ödembildung beeinflussen können, sind bei Variationen dieser Parameter Unterschiede in der Ödementwicklung anzunehmen. Dieser Effekt ist letztendlich auch für die Berechnung des PFS zu berücksichtigen: Bereits kleine Anpassungen der Dosierungen verändern die Voraussetzung für die Patienten. So erhält ein Patient mit mehr Zyklen

Temozolomid eine stärkere und längere Therapie. Umgekehrt wäre es möglich, die Verabreichung weniger Zyklen Temozolomid oder eine geringere Strahlendosis als indirekte Folge eines Progresses zu verstehen. Denkbar wäre, dass eine schlechtere Verträglichkeit aus einem schlechten Allgemeinzustand resultiert, der wiederum durch Progress bedingt ist.

Der klinische Wert der nativen quantitativen T1-Bildgebung mittels ∆dT1Ödem-maps bleibt somit in dieser Studie begrenzt. Anhand der Volumenänderung des Ödems gelang weder eine Vorhersage für das PFS noch gelang anhand der Analyse der frühen Volumenänderungen im Ödem die Unterscheidung von Progress und Pseudoprogress.

Hier bedarf es weitergehender Untersuchungen anhand größerer Stichproben, da aufgrund der kleinen Anzahl an Patienten die Aussagekraft der statistischen Analyse limitiert ist. Die kleine Stichprobe war nicht zuletzt der strengen Einschlusskriterien geschuldet. Damit sollte auch einem vorzeitigen Verlassen der Studie seitens der Patienten vorgebeugt werden. Vor allem das sechswöchige Intervall der MRT-Untersuchungen verlangte eine hohe Compliance der Patientin und ihrer Angehörigen.

Vielmehr belegen die Ergebnisse dieser Studie den klinischen Wert der kontrastmittelgestützten quantitativen MRT-Bildgebung (∆qT1KM-maps) für das primäre Therapiemonitoring. Gegenüber den RANO Kriterien konnte ein Progress regelmäßig frühzeitig detektiert werden, woraus sich Optionen im Therapiemanagement ergeben.

Auch scheinen die ∆qT1KM-maps das Monitoring bei komplexen mehrläsionalen Tumoren zu erleichtern. Auf den ∆qT1KM-maps wurde mit der Wolke ein neues tumorassoziiertes Kompartiment nachgewiesen, welches möglicherweise die Infiltrationszone des Tumors abbildet. Inwiefern die Informationen über die Wolke das Therapiemonitoring künftig beeinflussen können, bedarf weitergehender Untersuchungen. Zudem demonstriert diese Arbeit die Vorteile einer engmaschigen sechswöchigen MRT-Verlaufskontrolle. Neben dem klinischen Untersuchungsbefund könnten therapeutische Entscheidungen anhand der frühen zusätzlichen MRT-Untersuchung nach sechs Wochen getroffen werden. Ein Wachstum des anreichernden Tumors von mindestens 15,5 % sechs bis zwölf Wochen nach Operation sagte ein kürzeres PFS voraus.